Impressionen aus Portugal

Weltoffen und bodenständig – ein Land voller Herz

Der Zwerg am Südwestrand Europas begeistert mit landschaftlicher Vielfalt, berauschender Architektur und lässigem, urbanem Flair

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Azenhas do Mar bei Sintra ist ein typisches Dorf am Atlantik

»Ich saß hier in einem anderen Jahrhundert und entdeckte einen Frieden und eine Ruhe, die wie ein Zauber war.«

Burt Lanchaster über Sintra

Porto, Lissabon und die Algarve – ist das Portugal? Die Weltstadt am Tejo und die Portweinstadt am Douro gehören heute zu den beliebtesten Städtereisezielen Europas, und der ewige Frühling der Algarve lag schon immer im Sehnsuchtsfokus wintergeplagter Mitteleuropäer. Also lautet die Antwort: Ja! Und: Nein! Portugal ist nämlich viel mehr als nur zwei liebenswerte Städte und eine fantastische Küste. Gerade die Orte im Landesinneren, deren Häuser sich um eine Burg drängen, und die stolzen Klöster abseits der großen Besucherströme warten darauf, entdeckt zu werden. Die schnurgeraden Strände der Westküste verlieren sich im Horizont, die Hügel des Alentejo sprenkeln Olivenbäume, Korkeichen und ab und an ein weißer Bauernhof. Auf 2000 Meter türmen sich Felsen in die Höhe, und träge ziehen breite Flüsse durch die Täler. Dem rauen Bergwetter in der Region Norte trotzen Häuser aus Granit, in den tiefen Wäldern des Centro sind die Dörfer aus Schiefer gebaut, und an den Marmorbrüchen bestehen auch einfache Behausungen aus edlem Material. Die Geschichte hat Menhire in den Landschaften verteilt, Steinkreise und Grabstätten aus der fernen Zeit der Keltiberen, die Römer haben Tempel und Mosaiken zurückgelassen, Westgoten Kirchen und Muslime Moscheen und die Anlage ganzer Stadtviertel. Es gibt also viel zu sehen und noch mehr zu entdecken. Starten Sie Ihre Zeitreise, Ihr Naturerlebnis, Ihre Einkaufstour oder Ihren Badeurlaub – je nach Laune, je nach Geschmack, Portugal wird Sie nicht enttäuschen.

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Praça do Comércio in Lissabon mit dem Arco da Rua Augusta (links) – Praia do Camilo bei Lagos an der Algarve (rechts)

Zwischen Spanien und Atlantik hinaus in die Welt

Wie eingeklemmt wirkt der schmale Landstreifen des westlichsten Landes Europas zwischen Atlantik und dem fünfeinhalbmal so großen Spanien. Dass dieses kleine Land die halbe Welt erobern konnte, liegt wohl an seiner exponierten Lage am Meer und natürlich am Wagemut und an der Neugier seiner Bewohner, die nicht glauben wollten, dass das Wasser brausend am Scheibenrand ins Nichts tost und alles in den Tod reißt. 1415 begann die Entdeckung der Welt, die Landnahme dauerte bis ins 17. Jahrhundert. Erst Ende des 20. Jahrhunderts war das Kolonialreich Portugals dann endgültig aufgelöst. Eines der Ergebnisse dieser außerordentlichen Geschichte: Rund eine Million Einwohner hatte Portugal im 15. Jahrhundert – in der ganzen Welt sprechen heute 240 Millionen Menschen Portugiesisch als Muttersprache. Ein Netz aus Handelsniederlassungen umspannte die Kontinente, märchenhaften Reichtum brachten die Seefahrer mit ihren Karavellen über die Jahrhunderte nach Hause, Gold und Silber, die Prachtbauten im Mutterland finanzierten. Weniger rühmlich war der Sklavenhandel, der für zusätzlichen Geldsegen sorgte. Die immensen Summen machten Portugal für eine ganze Epoche zum vermögendsten Land Europas, Kunst und Waren aus aller Welt fanden ihren Weg an die heimatlichen Gestade. Heute sind Portugals Museen und Paläste gut gefüllt mit Meisterwerken aus der ganzen Welt.

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Santuário do Sagrado Coração de Jesus de Santa Luzia in Viana do Castelo (oben) – Fado in Lissabon (unten links) – Treppe in der Livraria Lello in Porto (unten rechts)

Unruhige Jahrhunderte

Eigentlich hörte es bis ins 19. Jahrhundert nicht auf, dass irgendwer Portugal für sich beanspruchte. Griechen und Römer waren hier, Vandalen und Goten, und natürlich die Mauren. Allen (nun ja, außer vielleicht den Vandalen) kann man wohl attestieren, dass sie Portugal zwar besetzt hatten, aber eben immer auch positive Impulse gaben. Besonders die Mauren. Deren Belesenheit und Kunstverständnis, ihre Wissenschaft und ihr handwerkliches Geschick haben nicht nur Spanien und Portugal beeinflusst, sondern ganz Europa. Doch die Kämpfe endeten nie. Und wenn gerade keiner übers Meer oder aus Gallien kam, waren es Spanier und Portugiesen, die sich Scharmützel lieferten. Schließlich tauchte auch noch Napoleon auf. Portugal musste sich mit Großbritannien verbünden, um die französischen Truppen zu stoppen. Als das im Jahr 1810 geschafft war, dachten die Engländer nicht daran abzuziehen. Sie blieben und erklärten das Land de facto zu ihrem Protektorat. Da griffen die Portugiesen doch noch einmal auf Napoleon zurück, erinnerten sich an die liberalen Ideen des revolutionären Frankreich und vertrieben 1820 die Briten. Nach dem Zweiten Weltkrieg (aus dem sich Portugal herausgehalten hatte) begannen die Kolonialkriege in den afrikanischen Besitzungen und endeten erst 1975 mit der Unabhängigkeit Angolas und Mosambiks. Ein Jahr zuvor hatte die Nelkenrevolution das Diktaturende eingeläutet. Portugal war damit gesellschaftsfähig und zum Ziel der Jugend Europas geworden, die kam und mit den Revolutionären feierte.

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Die bunte Markthalle von Loulé im Hinterland der Algarve ist immer gut besucht

In die Zukunft

Die wechselvolle Geschichte hat natürlich ihre Spuren im Wesen der Portugiesen hinterlassen. Sie sind zu Recht stolz auf ihre Vergangenheit, aber sie leben in der Gegenwart. Sie trauern als Lebensphilosophen in ihrer Musik, dem Fado, weinen in ihm alter Liebe nach und verpassten Chancen. Doch hat alles seine Zeit. Ist das Lied zu Ende gesungen, packen sie an und gestalten ihre Zukunft. Nicht umsonst haben die Portugiesen, von der Weltwirtschaftskrise der 2000er-Jahre schwer gebeutelt, klaglos die Ärmel hochgekrempelt und massivste Einschnitte in ihren Lebensstandard hingenommen. Langfristig haben sie sich damit aber selbst belohnt. Nach einer Phase der Konsolidierung begann der Staat massiv zu investieren und generierte damit neues Wachstum. Die Wirtschaft ist nun im Aufschwung, ebenso der Tourismus. Das Land ist herausgeputzt und eine der ersten Adressen Europas. Neue Museen sind entstanden, die Hotelinfrastruktur wurde verbessert, und das touristische Angebot wird ständig erweitert. Und nicht zuletzt, Portugal ist auch beim Ökostrom Musterschüler und führt Europa an; zu 100 Prozent will es Elektrizität aus erneuerbaren Quellen produzieren, 2016 hatte es bereits für vier Monate die Marke von 75 Prozent gerissen. Alle Ampeln stehen also ganz klar auf Grün. Nicht nur in der Wirtschaft. Portugals Naturräume und besonders die Küsten gelten als die saubersten des Kontinentes und heimsen regelmäßig eine Unzahl der begehrten Blue-Flag-Labels für beste Wasserqualität an den Stränden des Atlantiks und den Flussstränden im Landesinneren ein. 314 Strände erhielten im Jahr 2017 die Auszeichnung. Das Land steht damit in Europa (bezogen auf die Küstenlänge) an erster Stelle. Es herrschen also beste Voraussetzungen, dass Portugal auf seinem Weg weiterhin erfolgreich bleibt und Besucher aus aller Welt auch in Zukunft begeistert – mit Natur und Kultur, mit Klugheit und Verständnis, mit Charme und Herzlichkeit.

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Traditionelle Boote mit Weinfässern auf dem Fluss Douro in Porto