Esenshire

Taylor las eine Mail, während Geoffrey Tee und Kaffee zubereitete und Patricia den Bericht ihres Besuchs in Werdum Market verfasste.

»Die Kollegen aus Birmingham konnten weder in der Destillerie Bornshill noch in der Villa von Cooper Unterlagen sicherstellen, die auf den ersten Blick den Schmuggel auch nur ansatzweise vermuten lassen.«

Patricia hob den Kopf und starrte Taylor an. »Und was bedeutet das, Sir?«

Taylor strich über seine Bartstoppeln. Sie hatten jede Menge Indizien, die alle auf Sam Palmer als Täter hindeuteten, und dennoch glaubte Taylor an dessen Unschuld. Er wusste nicht, warum. Hielt er Palmer einfach nicht für gewalttätig? Oder traute er ihm eine solche sorgfältig geplante Tat nicht zu?

»Das bedeutet: nichts. Wir beginnen noch einmal bei Null, Sergeant«, sagte er, als Geoffrey mit Tee und Kaffee das Büro betrat. Der Constable sah Taylor fragend an.

»Danke, Geoffrey«, sagte Taylor nur und nahm ihm das Tablett aus der Hand. »Also, was wissen wir über die beiden Opfer?«, fragte er, während er seinen Mitarbeitern Tee einschenkte und sich die Kaffeetasse nahm.

Geoffrey hatte sich an seinen Platz gesetzt und suchte vergeblich die Akte mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen.

»Ian Cooper, vierundfünfzig, Inhaber der Destillerie Bornshill. Multimillionär, keine Vorstrafen und auch sonst nicht aktenkundig«, las Patricia vor und hielt dabei demonstrativ die Akte in die Höhe.

Taylor stöhnte innerlich auf. Die Spielchen der beiden würden unweigerlich noch eine ganze Weile weitergehen. »Madeleine Cooper?«, fragte er, um ihnen keine weitere Gelegenheit für ihre Scharmützel zu geben.

»Dreiundvierzig, seit fünfzehn Jahren mit Ian verheiratet. Keine Kinder. Sie war nie berufstätig. Auch über sie gibt es keine Einträge im Register.«

Patricia blätterte durch die Akte, die Geoffrey Taylors Ansicht nach vorbildlich angelegt hatte. »Das scheint mir interessant, Sir«, sagte sie und hielt inne.

»Was haben Sie gefunden, Patricia?«

»Nigel Ramsey hat zwei Waffenscheine. Einen davon für ein Modell der Tatwaffe.«

»Dann hat Palmer seinem Partner die Waffe gestohlen und seine angeblich besten Freunde erschossen?«, warf Geoffrey die Frage in den Raum.

»Das werden wir sehen, Holmes. Ich stolpere immer noch über das Motiv.«

»Sie meinen den Alkoholschmuggel, Sir?«

Taylor nickte und leerte den Kaffeebecher. »Ganz recht, Sergeant. Bislang haben wir keine Beweise, die das belegen.«

»Ist das denn ausschlaggebend? Reicht es nicht, dass Palmer geglaubt hat, sein Freund würde ihn für den Schmuggel benutzen?«, wandte Patricia ein.

»Aber wer hat denn ein Motiv? Ich meine, wir haben im Umfeld der Destillerie keine Unregelmäßigkeiten gefunden, es gibt keine privaten Probleme. Sam Palmer hatte die Mittel und er hatte die Möglichkeiten.«

»Sind Sie sicher, Holmes? Woher hatte er das Liquid Ecstasy? Wo ist der Schalldämpfer geblieben? Am Tatort wurden nur zwei Patronenhülsen gefunden, es gab aber nachweislich vier Schüsse.«

»Wir suchen also nach dem großen Unbekannten?«

»Die Schüsse in die Wand ohne Schalldämpfer sind nicht ohne Grund abgefeuert worden.«

»Pitcher sollte sie hören«, schoss es aus Patricia heraus.

»Sehr richtig, Sergeant. Und das bedeutet, unser Täter hatte ein sehr genaues Zeitmanagement. Er musste mit der Ermordung von Ian und Madeleine Cooper sowie mit der Beseitigung der Spuren in den Getränken fertig sein, bevor Daniel Pitcher seine Runde mit Lord Nelson drehte.«

»Vermutlich kennt die halbe Ortschaft Pitcher und weiß um dessen Gewohnheiten«, brummte Geoffrey sichtlich konsterniert.

»Möglich, Constable. Aber vermutlich kennen die wenigsten von ihnen das Ehepaar Cooper, und noch viel weniger haben einen Grund, sie zu töten.«

»Sie denken an Isabel Palmer?«, fragte Patricia, und Taylor nickte langsam.

Ja, es war absurd, vor allem wenn man bedachte, dass sie ein wasserdichtes Alibi vorzuweisen hatte. Während sein Blick auf die Uhr fiel, spürte er die Müdigkeit und Erschöpfung der vergangenen Stunden in jeder Faser seines Körpers.

»Es ergibt alles noch keinen Sinn, und solange Sam Palmer weiterhin auf der Flucht ist, bleibt er unser Hauptverdächtiger.«

»Nur, damit ich jetzt alles richtig verstanden habe …«, meldete sich Geoffrey erneut zu Wort. »… wenn wir den Schalldämpfer und die fehlenden Patronenhülsen finden, haben wir auch den tatsächlichen Täter?«

Patricia pfiff anerkennend und hob den rechten Daumen in seine Richtung. »Aus dir wird doch mal ein echter Polizist, Geoff«, lachte sie und schob ihren Stuhl zurück.

»Morgen früh will ich Isabel Palmer, Nigel Ramsey und den Firmenanwalt …«

»Robin Clark«, warf Patricia ein.

»… Robin Clark im Besprechungsraum haben. Außerdem will ich mit dem Finanzchef von Bornshill sprechen, der Isabel Palmer die angeblichen Fakten zu diesem ominösen Schmuggel geliefert hat.«