Dienstag, 29. Oktober 1996

Werdum Market

Die Kirche war zum Bersten gefüllt, und Taylor vermutete, dass nicht alle Besucher Anteil an der Beerdigung von Catherine und Ernest Whitfield nehmen wollten. Vielmehr trieb sie die Neugier und Befriedigung ihrer voyeuristischen Triebe hierher.

Er saß mit Jessica Taylor in der dritten Reihe. Geoffrey Holmes und Claire Wedding sowie Patricia Duncan und Andrew Higgins hatten hinter ihnen Platz genommen.

Ganz vorne saßen Sandra und ihre Schwester Julia sowie Carlos und Taylors Sohn Felix. Sie tuschelten angeregt. Taylor beobachtete die weiteren Trauergäste. Sam Palmer saß auf der anderen Seite des Ganges.

Isabel Palmer, die trauernde Schwester, war ganz in schwarz gehüllt und hatte zudem einen Schleier angelegt. Er wusste, dass sie ihn mit ihrem Auftritt provozieren wollte, und es gelang ihr. Schließlich hatte der nunmehr zuständige Staatsanwalt das Verfahren gegen sie eingestellt und die Schuld am Tod von Madeleine und Ian Cooper sowie Nigel Ramsey einzig Jack Faraday zugesprochen.

Taylor war daraufhin zu Anne Faraday und ihrer Tochter Annabelle gefahren und hatte sich quasi dafür entschuldigt, dass er nicht in der Lage war, Isabel Palmer der Taten zu überführen.

Einzig die Tatsache, dass Sam Palmer sich von seiner Frau getrennt und die Scheidung eingereicht hatte, bereitete ihm ein wenig Genugtuung.

Als die Trauergemeinde schließlich hinter den beiden Särgen zum Grab ging, war die Anzahl der Neugierigen wesentlich geringer, und so waren nur noch rund zwei Dutzend Angehörige und Mitarbeiter von Whitfield Pharma am Grab versammelt. Tim Langton, den ehemaligen Chauffeur und Liebhaber von Catherine Whitfield, suchte Taylor vergebens.

Die Särge wurden schließlich in die Gruft hinabgelassen, und die Menge zerstreute sich langsam.

»Danke, Sir«, sagte eine Frauenstimme unvermittelt zu Taylor, und der Chief Inspector sah sich Sandra Whitfield gegenüber.

»Carlos und ich haben gestern einen Brief von der Staatsanwaltschaft bekommen. Die Verfahren gegen uns werden gegen ein Bußgeld eingestellt. Außerdem sollen wir Sozialstunden ableisten.«

Taylor nickte. Chief Superintendent Forester hatte ihn bereits darüber informiert, und insgeheim war er erleichtert. Die Höhe des Bußgeldes war noch nicht definiert, aber Forester vermutete, dass die beiden mit rund vier Millionen Pfund rechnen konnten. Dies bedeutete aber letztlich auch, dass Sandra das Erbe antreten durfte und eine wohlhabende Frau sein würde.

»Werden Sie im Herrenhaus wohnen bleiben?«

Sie verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln. »Carlos findet das Haus schön, aber für mich stecken da ehrlich gesagt zu viele negative Erinnerungen drin. Aber vielleicht richten wir uns das Nebenhaus ein, und Julia zieht mit Felix ins Haupthaus.«

»Was ist mit uns?«, fragte Julia und trat neben ihre Schwester.

»Sandra hat vorgeschlagen, dass du mit Felix ins Haupthaus einziehen und Carlos und deine Schwester euch als Dienstboten zu Verfügung stehen werden«, sagte Taylor und grinste breit.

»Eine ausgezeichnete Idee«, meinte Felix, der offenbar das Gespräch im Hintergrund belauscht hatte und jetzt neben seinen Vater trat.

»Vergiss es, Schwager in spe«, lachte Sandra und legte Felix einen Arm um die Hüfte.

»Fahren wir nach Hause«, entschied Taylor und gab Carlos, der noch neben dem offenen Grab stand, ein Zeichen, dass die Familie aufbrechen würden.

Sie erreichten nach wenigen Schritten den Parkplatz, auf dem sich noch einige Fahrzeuge befanden. Sam und Isabel Palmer standen vor ihren Fahrzeugen und stritten offensichtlich. Taylor ignorierte sie bis zu dem Augenblick, als er die Waffe in Sam Palmers Hand entdeckte.

Ehe er reagieren konnte, zerriss ein lauter Knall die Stille, und ein lebloser Körper sank zu Boden.