Jedes Mal, wenn Wilma rausmusste – und auch wenn sie nur eventuell rausmüssen könnte –, ging Jo an der Praxis und an Alvas Wohnung vorbei wie ein jämmerlicher Stalker. Natürlich tauchte sie nicht zufällig auf. Nichts hätte er falsch gemacht, hatte sie behauptet. Ihr Zeitplan sei nur unglaublich voll. Sie musste ihn entweder für dumm oder für naiv halten – falls beides nicht am Ende aufs Gleiche hinauslief.
Inzwischen hatte er Übung im Alleinsein – nur war ihm das Alleinsein vor dem Wochenende nicht wie Einsamkeit vorgekommen.
Aber vielleicht war es besser so. Letztlich würde sich auf Dauer nicht weglügen lassen, wo er herkam und wo Alva herkam. Allerdings wollte er von ihr hören, was wirklich los war, bevor er aufgab, was wirklich gut angefangen hatte.
»Komm, Wilma. Ich werfe noch mal.«
Begeistert kam sie mit dem Stock im Maul angelaufen.
»Du musst ihn loslassen.«
Wer weiß, ob sie das je zuverlässig verstehen würde.
»Leckerli gegen Stock, das ist der Deal.«
Sie sah ihn schwanzwedelnd mit diesen großen, dunklen Augen an und ließ kein bisschen los.
Jo hob die Schultern. »Dann nicht. Lass uns nach Hause gehen.«
Auf dem Hafenplatz vor dem heruntergekommenen Haus parkte ein schwarzer Van mit getönten Scheiben. Hoffentlich war am Ende nicht doch noch die Kinderschutzbehörde auf die junge Frau aufmerksam geworden, von der Alva erzählt hatte. Jo könnte ihnen sagen, wo sie nach vernachlässigten Kindern suchen mussten. Nun, es ging ihn nichts an.
Er pfiff nach Wilma und betrat den Steg.
»Aki?«
Innerlich seufzte er. War es also doch vorbei mit seiner Ruhe. Nachdem ihn nach dem Frontstage-Abend bloß zwei scheue Jugendliche um ein Autogramm gebeten hatten und sonst niemand weiter Kenntnis von ihm genommen hatte, hatte er zu hoffen gewagt, dass man ihn in Ruhe ließ.
»Wartest du mal bitte, Lundahl?«
Er knipste ein Lächeln an und wandte sich um.
Es war niemand aus Lillehamn, der sich mit schnellen Schritten näherte, sondern Viktoria, die Fotografin von SkanJersey. Die braunen Haare hatte sie zum Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing, die langen Beine wie immer in engen schwarzen Jeans. Der Anblick ihrer Boots ließ ihn an Alvas Wanderstiefel denken. Er hatte noch nie auf püppchenhafte Frauen gestanden.
Beim Anblick von Viktorias vertrauter Gestalt atmete etwas in ihm erleichtert aus. Er hatte nicht gemerkt, wie sehr er Menschen aus seinem alten Leben vermisste. »Hey. Ich hab frühestens in zwei Stunden mit euch gerechnet. Wo sind die anderen?«
Sie nickte zu dem dunklen Van hinüber, und jetzt erkannte er die beiden Männer auch: Flemming, Marketingchef, und Daniel, der Technikassistent. Sie hatten die Sache hoch aufgehängt. »Wir waren heute Nacht schon in Stavanger, damit wir genug Zeit für alles haben.«
Grüßend hob er die Hand in Richtung Auto, doch Viktoria ließ ihm keine Zeit, auch nur »Hallo« hinüberzurufen, sondern zog ihn in eine ruppige Umarmung. Eine Wolke aus Kaffeeduft und irgendeinem zarten Parfum hüllte ihn ein, und sein idiotisches Hirn fühlte sich sofort drei Jahre zurückversetzt, als die Welt noch voller Abenteuer gewesen war.
Nach der Begrüßung hielt sie ihn auf Armlänge von sich weg, um ihn zu betrachten, und er war so erleichtert über alles Vertraute, dass er es geschehen ließ wie eine Marionette. »Okay, der Bart muss weg.«
»Schön, dich wiederzusehen«, sagte er, so trocken er konnte.
»Und vielleicht müssen wir die Haare schneiden.«
Jo grinste. »Mir gefällt der Bart, und ich mag die Haare so. Wie ist es dir ergangen in all den Monaten?«
»Ich bin mir nicht sicher.« Ungefragt strich sie ihm die Haare aus der Stirn und legte dann den Kopf schief wie eine Künstlerin, die ihr halbfertiges Werk begutachtet. »Vielleicht ein bisschen in Form gebracht …«
»Ich geh dann schon mal rein und räume auf, wenn es dich nicht stört.«
»Sorry.« Viktoria hakte sich bei ihm ein. »Erzähl. Wie geht’s dir so ohne den ganzen Trubel? Ich hab gehört, Sanna hat Schluss gemacht?«
»Wir haben beide Schluss gemacht. Schon vor Ewigkeiten. Was ist mit dir und diesem … wie hieß er noch? Alles noch rosa?«
»Reden wir nicht drüber.« Sie winkte ab. »Also, der Job. Heute Homestory, Aki und sein Hund, morgen Studio, übermorgen Hotel. Passt das so?«
»Zumindest ist das das, was Kjersti mir gesagt hat.« Eigenartig, wie seine beiden Welten auf einmal aufeinanderprallten. Sosehr er das Wochenende mit Alvas Clique genossen hatte – dies hier war vertraut, sicherer Boden unter seinen Füßen. Er musste nichts neu lernen, sich an nichts herantasten, es war ein Heimspiel, trotz allem.
Viktorias selbstverständliche Akzeptanz und die vertraute Umgebung lullten ihn in die Illusion ein, er hätte irgendwie doch noch ein Anrecht auf das, was mal gewesen war. Er erkannte diese Tatsache durchaus, aber das änderte nichts daran, dass er das Gefühl mochte.
Auch Flemming trat mit einem breiten Lächeln im kantigen Gesicht auf ihn zu, als sei Jo immer noch jemand mit irgendeiner Art von Bedeutung – selbst wenn die nur darin bestanden hatte, besser als die meisten anderen einen Ball ins Tor werfen zu können. Klar. Keiner der beiden wusste, was wirklich passiert war.
»Hey, Flemming. Gut, dich zu sehen.«
»Dich auch, Mann. Wie geht’s so?«
»Super«, sagte Jo. »Gute Kampagne, die ihr plant. Gefällt mir.«
»War meine Idee.«
»Wusste ich.« Er bot Flemming die Faust, und der stieß mit seiner dagegen. Es war so einfach, die alten Gesten, die alten Floskeln.
Nur war es nicht mehr sein Leben.
Auf Instagram gab es diverse Aki Lundahls und Joakim Lundahls, aber nur einen mit einem blauen Stern dahinter, @aki_thetwister.
Die meisten Bilder schienen älter zu sein. Sie zeigten Jo im Trikot, beim Spiel, in Trainingskleidung mit Freunden. Auf dem neuesten jedoch war Jo mit Wilma auf der FYF, gepostet erst vor wenigen Stunden. Das Innere der Yacht wirkte größer als in Wirklichkeit und war in warme Farben getaucht. Jo saß in schwarzer Jeans und weißem Grobstrickrolli auf dem Boden, ein Arm auf dem angezogenen Knie, Wilma neben sich, und schenkte der Kamera ein breites, frohes Fotolachen. Eine Welle von Zuneigung zu ihm überflutete sie.
Die Bildunterschrift lautete:
Spannendes neues Projekt mit ♥ Wilma ♥ und SkanJersey. Stay tuned!
124 Kommentare.
MARRY MEEEE!,
war der erste, den Alva las. Er war von einer @dorkasliiixx. @handball_luv99 hatte darauf geantwortet:
He is miiiiine! He already married me!
O Himmel.
Viele Herzchen, viele Flammen. So hot, bro! Das waren die harmlosen. Freunde wahrscheinlich oder ehemalige Kollegen. Ab und an waren diese sogar mit einem knappen Thx, bro beantwortet.
Dazwischen wieder
@dorkasliiixx: I stay with you all night!
Te amo ♥ ♥ ♥
Ich will dein Baby!
Wanna make love with me? Aki!!!
I looooove you!
Pleeeeeesssse. F*** me all night.
Ach. Du. Scheiße.
Das war … entwürdigend. Wer konnte den Kram lesen und sich nicht fühlen wie ein Stück Fleisch auf dem Marktplatz? Merkten diese Frauen eigentlich, was sie da taten?
Außerdem verspürte Alva einen seltsamen und vollkommen überflüssigen Anfall von Eifersucht gegenüber @dorkasliiixx und den anderen. Ein sehr urtümlicher Teil in ihr wollte die Zähne fletschen und sie alle anknurren. Das ist meiner, habt ihr das verstanden?
Und noch etwas war da, und sie lachte bitter auf, als sie es erkannte: das Bedürfnis, Jo vor diesen Leuten zu schützen. Als hätte er das nötig. Vielleicht genoss er die Aufmerksamkeit sogar. Eine Sache mehr, die sie ihn fragen wollte.
Das zweitneueste Bild war vor drei Monaten gepostet worden. Jo im Sprung – unwillkürlich dachte Alva daran, wie Svea gesagt hatte, er könne fliegen –, eine einzige Kraftmaschine aus harten Kanten und gespannten Muskeln. Auf einmal wollte sie sehr gern ein Handballspiel mit ihm sehen. Sie verkniff es sich, die Kommentare durchzulesen, und trat sich stattdessen die Decke von den Füßen.
Entweder sie vergeudete die nächsten Tage damit, Jo im Internet zu stalken, oder sie fragte ihn direkt, was an der Sache dran war.
Schwerer Nebel hing in der dichter werdenden Dämmerung und ließ jeden von Alvas Schritten laut erscheinen, als sie zum Hafen hinunterlief. Sie winkte Lotta Eriksson zu, die aus dem Fenster sah, schaute zu dem verlassenen Haus hinüber, in dem Jessica und Milla gewohnt hatten, und eilte auf den Steg. Eigentlich sah sie es schon, bevor sie an den Kuttern von Svein und Hans vorbeigelaufen war, sie wollte es nur nicht wahrhaben. Doch es gab keinen Zweifel. Die FYF war dunkel.
Manchmal ging er abends noch mit Wilma raus, sie konnte vielleicht auf ihn warten. Aber noch während sie auf das Oberdeck sprang, wusste Alva, dass sie zu spät gekommen war. Jo war schon nach Stavanger gefahren.
Ich sitze im Dunkeln auf deinem Boot. Du hattest recht. Es gab etwas, das mich beschäftigt hat. Ich hätte das gern mit dir besprochen.
Wilma hatte ihre Sache gut gemacht und war im Auto mitgefahren wie ein Profi. Doch Jo merkte ihr den Stress der fremden Umgebung an, selbst wenn – oder vielleicht gerade weil – sie in der Hotellobby still an seiner Seite blieb.
Viktoria reichte ihm die Schlüsselkarte für sein Zimmer. »Morgen haben wir fünf Stunden für die Fotos eingeplant, das sollte reichen. Hast du heute Abend schon was vor?«
»Ich hab ein Date mit meinem Hund, dann vielleicht noch ’ne Runde Fitnessraum hier im Hotel. Und früh ins Bett, damit die Grafik hinterher nicht auch noch dicke Augen retuschieren muss.«
»Keine Lust auf einen Drink in der Hotelbar?«
Er schüttelte den Kopf. »Morgen vielleicht.«
Während der Friseur ihm in der Garderobe des Fotostudios den Bart auf Dreitageslänge stutzte und die Haare schnitt – in den Monaten des Segeltörns würden sie ohnehin wieder wachsen –, versuchte Jo erfolglos, nicht zu genau hinzusehen. Mit jedem Schnitt kam Aki Lundahl weiter zum Vorschein. Aki Lundahl mit weicheren Konturen, als er in Erinnerung hatte, und einem weicheren Blick. Er streifte das vereinslose Trikot über, das Flemming ihm am Morgen zugeworfen hatte, und ging ins Studio hinüber.
»Hey, du siehst wieder aus wie du.« Viktoria dimmte gerade die rechte der beiden Softboxen.
Jo verkniff es sich, ihr zu widersprechen.
Daniel, der Technikassistent, saß rittlings auf einem Stuhl und wartete auf seinen Einsatz.
Viktoria sah Jo an. »Können wir?«
Er nickte. Den Kapuzenpullover faltete er sorgfältig zusammen und legte ihn auf einen Stuhl, bevor er sich den Scheinwerfern stellte. Souveränes Lächeln, Arme vor der Brust verschränkt. »So?«
»Nein, lass die Arme mal locker. Vielleicht in die Seite gestemmt.« Sie blickte durch den Sucher und ging ein Stück in die Knie, bevor sie sich aufrichtete. »Du bist fett und blass, wie soll ich da was draus machen?«
Er schnitt ihr eine Grimasse. »Es ist Winter.«
»Es ist Frühling«, gab sie zurück. »Außerdem hat dich das sonst nie daran gehindert, auf dich zu achten.«
Sonst hatte er auch minimal mehr Training gehabt. »Mein Körper hat noch nicht verstanden, dass er keine fünftausend Kalorien am Tag mehr braucht, das ist alles.«
»Es war bloß ein Spruch, Aki. Früher hättest du mich dafür ausgelacht.«
»Sorry. Ich bin nicht mehr wie früher.«
»Du brauchst kein superdefiniertes Sixpack, um scharf zu sein. Ich finde dich immer noch ziemlich lecker.«
»Damit dürftest du die Einzige sein.« Noch während er das sagte, wusste er, dass es nicht stimmte. Die Erinnerung an Alvas Kuss breitete sich warm und hell in seinem Körper aus.
Doch das wusste Viktoria natürlich nicht. Sie lachte kehlig. »Umso besser, dann habe ich weniger Konkurrenz. Sicher, dass du nachher nicht noch in die Bar willst?«
»Sehen wir mal.«
Er hatte sein Smartphone im Hotelzimmer gelassen, damit er sich auf die Fotos konzentrieren konnte. Erst mittags, als er ohnehin nach Wilma schauen und eine Runde mit ihr gehen musste, holte er es aus der Tasche.
Alvas Nachricht von gestern Abend sah ihn vorwurfsvoll an. Er wusste selbst nicht, warum es ihm so schwerfiel, darauf zu antworten. Was beschäftigt dich? – So schwer war der Satz eigentlich nicht, oder? Oder: Bin zu deiner Party wieder da. Aber was, wenn sie ihn dort gar nicht haben wollte?
Und seit wann neigte er dazu, Sachen zu zergrübeln?
Wilma war nicht besonders begeistert von Stavanger und schon gar nicht davon, an der Leine bleiben zu müssen, aber Jo sog die Stadtatmosphäre gierig ein, während er mit ihr den Skagenkai entlangtrabte. Das Wetter machte es ihm leicht, diese Stadt zu mögen. Nur vereinzelte Wolken jagten über den Himmel. Der Wind wehte ihm kühl in die geöffnete Jacke, aber die Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht waren bereits warm. Menschen eilten ihm entgegen, Geschäftsleute, Touristen. Eine alte Frau verkaufte Rosen an einer Ecke, und ein Mann machte Straßenmusik. Autoreifen auf Pflaster, das Abschiedstuten einer Fähre. Und über allem das stetige Gluckern von Wellen, die gegen die Kaimauer schwappten. In einem Imbiss kaufte Jo Shawarma und dazu eine Cola und aß im Laufen. Es schmeckte nicht so gut wie bei Jamal, aber Wilma war dennoch begeistert über die Reste, die er ihr gab.
Mich beschäftigt etwas. Ich hätte das gern mit dir besprochen. Es war Zeit, Alva zu antworten.
Ist es was, das mit uns beiden zu tun hat?
Nachmittags, als er nach Wilma sah, war seine Nachricht als gelesen gekennzeichnet. Keine Antwort vor dem Abendspaziergang mit Wilma. Flemming bestand darauf, dass sie in der Altstadt von Stavanger Essen gingen, und Jo ließ das Telefon im Hotel. Er ließ sich zu einem Bier überreden, und nichts passierte. Nach dem Essen zogen sie weiter in eine Bar und dann in eine weitere, und er ließ sich zu einem zweiten Bier überreden, während Viktoria, Flemming und Daniel Cocktails tranken.
Viel zu spät und ein kleines bisschen betrunken kehrte er ins Hotelzimmer zurück. Wilma hatte sein Kopfkissen zur Seite geschoben, die Bettdecke weggeräumt und sich zusammengerollt, wo er eigentlich schlafen wollte.
»Ich fasse es nicht. Glaubst du, ich will mein Gesicht hinlegen, wo du hingefurzt hast?«
Sie klopfte träge mit dem Schwanz auf die Matratze.
»Ach, was soll’s.« Nahm er eben die zweite Hälfte des Doppelbetts. Ein vollkommen übertriebenes, vollkommen irrationales Herzklopfen drückte gegen seinen Brustkorb, als er das Blinken des Telefons sah.
Das weiß ich nicht genau.
Es gelang Jo, nicht weiter darüber nachzudenken, was das bedeutete. Der nächste Tag schluckte ihn von dem Moment an, als er feststellte, dass er seinen Kram wohl besser ordentlich zusammenräumen sollte, bevor die ganze Crew in sein Hotelzimmer kam, um Aufnahmen zu machen. Maske, Fotos, Mittagessen mit Flemming, bei dem dieser sämtliche Ideen ausbreitete, wie sie weiter zusammenarbeiten könnten, obwohl Jo nicht mehr spielte. Wilma rausbringen, mehr Fotos machen. Als Viktoria ihn abends in die Hotelbar schleifte, konnte er kaum noch geradeaus gucken, aber wenigstens hatte er seit Monaten das erste Mal wieder das Gefühl, nicht vollkommen von der Welt vergessen zu sein. Was lächerlich war, denn eben dafür war er ja nach Lillehamn geflohen: damit die Welt vergessen konnte, dass es Aki Lundahl je gegeben hatte. Und sein unrühmliches Ende am besten gleich mit.
Sein Smartphone hatte er im Zimmer zum Laden, deswegen blätterte er halb interessiert in der Karte herum und bestellte ein Wasser, während Viktoria einen Gin Tonic orderte. Die neugierigen Blicke des Barkeepers gab er vor, nicht zu bemerken.
Viktoria kletterte neben ihm auf einen der hohen Hocker. »Danke, wir haben alles, was wir brauchen.«
Jo sah auf und bekam gerade noch mit, wie der Barmann auf Viktorias entschiedenen Ton reagierte und sich ans andere Ende des Tresens verzog. »Danke.«
»Keine Ursache.« Sie hob ihr Glas. »Cheers. Auf eine gelungene Kampagne. Aki Lundahl und SkanJersey setzen sich für den Schutz der Weltmeere ein.«
Jo stieß mit ihr an. »Solange sie das dann wirklich tun …«
»Denke schon. Hast du dir die ganzen Texte über die Meeresplastik-Trikots nicht durchgelesen?«
»Hat Kjersti für mich getan.«
»Immerhin eine von euch. Wie geht es dir sonst?« Bevor er antworten konnte, fauchte sie: »Sag mal, geht’s noch?«
Der Barkeeper hatte sein Smartphone hervorgeholt und kläglich darin versagt, die Bilder von ihnen beiden heimlich zu schießen.
»Ist okay«, sagte Jo. »Soll er meinetwegen machen. Mein Inkognito ist eh aufgeflogen.«
»SkanJersey zahlt diesem Hotel nicht eine Menge Geld für unsere Privatsphäre, damit sich ausgerechnet ein Angestellter darüber hinwegsetzt«, knurrte sie.
Er grinste. »Das ist sexy, wenn du das machst.«
»Sehnsucht nach den alten Zeiten?«
»Hättest du gern, hm?« Er dachte an Alva. Sie schien auf einmal so weit weg zu sein. Und der Gedanke an das, was Viktoria und ihn früher mal kurz verbunden hatte, brachte ihn auf eine Idee. »Hast du dein Telefon dabei?«
»Klar, mein Telefon ist meine linke Hand.«
»Gib mir mal eben deine linke Hand.« Wenn schon Bilder, dann zu seinen eigenen Bedingungen. Er winkte den Barkeeper heran.
Sichtlich zwischen Neugier und schlechtem Gewissen hin- und hergerissen, trat der junge Mann näher.
»Hast du eben Bilder gemacht?«, fragte Jo.
Er schüttelte den Kopf.
»Sicher?«
»Eins. Aber man sieht nichts darauf.«
»Ich will, dass du es löschst. Du bekommst ein richtiges.« Er warf einen Blick auf das Namensschild. »Fredrik, ja?«
Jetzt hellte sich das Gesicht des Jungen auf. »Ja.«
»Komm her.«
Es waren kaum andere Gäste da, Fredrik würde also keinen Ärger bekommen, wenn er eine Minute seinen Posten verließ. Jo legte ihm einen Arm um die Schulter und machte mit Viktorias Handy ein Selfie. Eins, auf dem er selbst gut aussah.
»Mach noch ein paar Bilder von uns«, sagte Viktoria zu Fredrik. »Mit meinem Smartphone.«
Er grinste unsicher.
»Muss ich?«, fragte Jo.
»Kjersti wird sich freuen, wenn ich ihr eins schicke.«
Jo seufzte. »Nur weil du es bist.«
Er poste mit ihr beim Anstoßen, Arm in Arm, mit Duckface und erlaubte ihr, ihm für das letzte Bild einen Kuss auf die Wange zu drücken.
»Schön, dann hätten wir das auch«, sagte sie befriedigt. »Schreib mir deine Nummer auf, ich schicke dir dein Foto.«
Fredrik kritzelte seine Nummer auf einen Bierdeckel, ging aber nicht, sondern blieb – jetzt auf einmal schüchtern – stehen. »Kann ich vielleicht auch ein Autogramm haben?«
Schulterzuckend angelte sich Jo einen weiteren Bierdeckel vom Stapel und kam der Bitte nach.
»Jetzt zisch ab«, sagte Viktoria und seufzte, als der junge Mann wieder hinter seinem Tresen stand. »Hoffentlich kann der Abend jetzt anfangen. Wirklich keinen Gin?«