– Kapitel 9 –
KAYDEN
Er schwebte. Über ihm rollten Wellen einem unbekannten Ort entgegen und unter ihm fadentiefes Nichts. Kayden hing im Zwielicht, zwischen den Dingen. War nicht sein ganzes Leben so gewesen? War dies nicht der Kern seines Wesens? Ein
beides
zu sein? Es war so einfach, sich darin zu verlieren, loszulassen. Und auch das gehörte zu ihm. Dieses Gefühl, dass er niemals gefunden werden würde. Nirahel suchte seit Jahrhunderten die Asche ihres geliebten Wellenrufers. Kayden schien dazu verdammt, es ihr gleichzutun, und er respektierte das. Schon seit langer Zeit.
Langsam sank er hinab in die Finsternis. Vielleicht hätte sie ihm Furcht in die Adern treiben oder zumindest seinen berüchtigten Trotz wecken müssen. Doch nichts davon geschah. Er nahm es hin, hier und jetzt die Pfade zu verlassen. Irgendwann gab es nur noch absolute Ruhe und die Abwesenheit von Licht. Auch wenn er wusste, dass in der Tiefe der Druck zunahm, so war hier das Gegenteil der Fall. Kayden fühlte sich leicht wie Wind. Jegliche düsteren Gedanken lösten sich auf, als hätten sie niemals existiert, und verschwanden schließlich wie ein spinnenfeiner Rauchfaden im Dunkeln.
Etwas streifte ganz sachte über seine Wange, zart und zugleich fordernd. Kalte Finger fuhren über seine Lippen, den Hals. Eine Hand griff in seinen Nacken und plötzlich war da ein Kuss, wie Kayden ihn noch nie gespürt hatte. Ein Sog ging davon aus, riss ihn mit sich, umschlang ihn.
L ö w e
wisperte jemand in sein Ohr – wie aus weiter Ferne – und er genoss den stolzen Klang darin. Er wollte die Arme weit öffnen, sich dem Ruf ergeben und fallen, als plötzlich Licht zu ihm durchdrang. Es hatte die Farbe von goldener Glut, die aus der Tiefe zu ihm kam. Weiter sank er darauf zu, bis sich scharfe Ränder bildeten, welche das Licht einfassten. Es hatte die Form eines Schiffswracks – von unbekannter Bauart und
leicht auf der Steuerbordseite liegend. Er erkannte Decksplanken, zersplittert, und den Mast, der quer über dem Vorschiff lag, von Segelfetzen umweht, die in der Strömung hingen. Das Licht aber strömte aus dem Bauch des Rumpfes, sandte seine Strahlen durch Risse und Spalten. Hell und heller wurde es, je tiefer er sank.
Ein Schatten aber bewegte sich davor, lebendig und lauernd. Kayden streckte den Arm aus, als der Schatten sich zu ihm umdrehte, sich aus der Schwärze löste und die taghelle Wirklichkeit ihn mit einem Ruck zurückholte.
***
Wann hatte er sich das letzte Mal derart grauenhaft gefühlt? Er konnte sich nicht erinnern. Nie zuvor hatte Kayden auf allen Vieren krabbeln müssen, um dem herrlichen Geräusch fließenden Wassers zu huldigen. Das fröhliche Gurgeln des Bachs hieß ihn willkommen. Mit Mühe konnte er eine Hand zum Mund führen und nur wenige Tropfen ablecken, weil der Rest durch seine tauben Finger rann. Also hielt er gleich den ganzen Kopf in die flinken Wellen. Die belebende Kühle rückte einige seiner Sinne zurecht. Wunderbare Süße floss ihm die Kehle hinab. Erschöpft blieb er am Ufer liegen, Matsch in den Haaren. Er blinzelte, erkannte die Wipfel hoher Fichten, die sich knarrend im Wind bewegten. Der Geruch von Harz und Schnee erreichte ihn. Er lag in einer Senke. Graue Felsen säumten den Bach und dazwischen wuchsen dichte Winterfarne.
Da war eine Gasse gewesen. Angreifer und Kasais tödlicher Rachen. Er rieb sich die Schläfen. Wo, bei Nirahels Atem, war er hier?
Dumpfes Stampfen ertönte, ließ den Boden vibrieren und dann beugte sich ein Drachenschädel über ihn.
Dachte schon, ich müsste dich verscharren. Aber du bist wirklich ein ziemlich zäher Brocken.
Kayden grunzte. Mehr brachte er nicht zustande. Übersetzt hieß das in etwa:
Ist auch schön, dich zu sehen, du schuppige Feuermakrele.
Kasai schnaubte belustigt.
»Wo sind wir?«, wollte der Nordmann wissen.
Etwa drei Wegstunden von Ars Deran.
Mit einem Stöhnen setzte er sich auf. »Dann können die Türme nicht mehr weit sein«, folgerte Kayden.
Etwa vierzig Meilen von hier steht ein altes Fort auf einer Bergkuppe. Dahinter reichen dichte Wälder bis an die Küste. Eine raue Gegend.
Seine linke Seite fühlte sich noch immer nicht gut an. Kayden zog sich umständlich den Mantel aus, dann den ganzen Rest, bis er nackt dahockte und sich das Problem ansah. Acht Einstiche zählte er. Fünf in seinem linken Bein, zwei in der Hüfte und einen im Oberarm. Um die winzigen Wunden hatte sich die Haut bläulich verfärbt. Mit Mühe schaffte er es in die Mitte des Bachs, wusch sich und verfluchte den Bastard mit seiner heimtückischen Rüstung.
Diese Stacheln waren voller Gift gewesen. Hätten ihn noch mehr davon erwischt, dann läge er jetzt unter der Erde. Das bedeutete, dass sie ihn lebend hatten fangen wollen. Er setzte sich auf einen flachen Stein und genoss die eisige Kälte, die ein belebendes Kribbeln durch seinen Körper sandte.
»Was ist mit dem Miststück auf dem Wachsmonster?«
Entkommen,
brummte der Drache, der sich am Ufer ausstreckte.
»Und wie hast du mich …?«
Getragen. In meinem Maul. Wie einen Welpen.
»Danke. Ich nehme an, es hätte schlimmer kommen können!«
Sie hatte, was sie wollte.
Kasai hob den Kopf und gab den Blick auf seinen mächtigen Brustkorb frei. Etwa zwei Armlängen unterhalb des rechten Flügels fehlte eine Schuppe. Kayden sah ledrige Drachenhaut darunter, welche sattgrün schimmerte.
»Beim Arsch des
Wanderers
. Wieso hast du sie dir nicht …«
Zurückgeholt? Es kamen noch weitere Angreifer! Fünfzehn insgesamt. Und sie waren schwer bewaffnet. Wichtiger war es,
dich
in Sicherheit zu bringen. Leider ging der Schild dabei verloren.
Fünfzehn? Da hatte Eldus sich aber gehörig verzählt. Oder ein Teil der Truppe hatte vor der Stadt gewartet, bis es losging. Es war nicht länger von Bedeutung. Kayden wusste, dass Drachen den Verlust einer Schuppe auszugleichen vermochten. Dennoch wurde ihm übel bei dem Gedanken, dass ihr Feind eine von Kasai erbeutet hatte. Was auch immer sie damit anstellen wollten, es würde dunkel sein.
Er versuchte, den Arm zu bewegen, sich in der Hüfte zu drehen. Mit bösen Schmerzen wäre er zurechtgekommen, jedoch machte es den Eindruck, als seien seine Muskeln eingeschlafen, ihre Reaktion behäbiger als die eines Großmütterchens. Verdammt, so konnte er nicht kämpfen,
geschweige denn überhaupt halbwegs geradeaus gehen. Mit zorniger Verzweiflung rieb er über die Einstichstellen.
Ein schauderhaftes Geräusch ließ ihn innehalten. Der Drache hatte den Kopf geneigt und sein Hals ruckte, wobei grässliche Töne aus dem Rachen kamen. Ein langgezogenes Würgen und dann spuckte Kasai etwas aus, das im hohen Bogen vor Kaydens Füßen landete. Mit flauem Magen schaute er nach, was da aus den Eingeweiden entwichen war. Ein unförmiger Klumpen, der wie gelbroter Bernstein anmutete, groß wie eine Faust.
Kadash
nennen es die Numar –
Drachenwurz
. Es reinigt Wunden, lässt sie schneller heilen, wirkt entzündungshemmend; ein winziger Tropfen davon in einem Sud und du kannst mit deinen Ahnen sprechen.
Kasai legte den Kopf auf die Pranken.
Vorsichtig fischte Kayden das Ding aus dem flachen Wasser. Es fühlte sich an wie erstarrter Honig, obgleich es nicht klebrig war, sondern glatt wie ein geschliffener Stein.
»Ich will gar nicht erst wissen, aus welcher finsteren Ecke deines Körpers du das hervorgeholt hast. Aber was mache ich nun damit?«
Zerreibe etwas davon zwischen deinen Fingern und schmiere es auf die Wunden. Es könnte etwas brennen. Und sei nicht so ängstlich. Die Numar benutzen es bis heute zur Wundheilung.
»Könnte etwas brennen«, ahmte Kayden Kasais Brummen nach. »Die Numar benutzen es bis heute …« Er zupfte ein Stückchen von dem Drachenwurz ab und zerrieb es wie befohlen. Ach, was sollte schon passieren? Er war ein Feuerwirker. Einmal tief Luft geholt und er drückte das Zeug auf den ersten Einstich. Tja, und dann brüllte der Nordmann wie ein Drache und der Drache lachte wie ein dreckiger Nordmann.
***
»Du hast nicht erwähnt, dass das Zeug nicht wieder abgeht.«
Nicht? Nun, die Haut der Numar ist anders als deine. Daran muss es liegen. Aber ein paar nette Flammenmuster hast du daraus gemacht. Sieht verwegen aus.
Verwegen am Arsch!,
dachte Kayden. Mit Mühe hatte er mit den rotgelben Flecken ein paar züngelnde Flammen gemalt, damit er nicht
aussah, als hätte ein Blinder Farbe auf ihm verteilt. Den Schmerz hatte er bereits ins Land des Vergessens verscheucht. Allerdings war er ohnehin hartgesotten, was Verletzungen anging. Er war ein Meister darin, sich zu verschließen. Auch wenn Orcas ihm geraten hatte, die Türen weit aufzureißen, blieb er lieber beim Altbewährten. Damit kannte er sich aus. Denn wer sein Herz öffnete, der mochte wunderbare Schätze finden, jedoch auch eine verdammt gute Zielscheibe abgeben – auch wenn diese Verletzung eindeutig körperlicher Natur war und keine junge Dame, die ihm einen Ast ins Gesicht geschlagen hatte. Kayden sicherte den Sattel. Das Schwert lag in seiner Mulde, die Feldflasche war frisch aufgefüllt. Den Schild hätte er in den Gassen von Ars Deran gut gebrauchen können, doch dann wäre er sofort als Feuerkrieger entlarvt worden. Und nun war es zu spät, sich darüber zu ärgern.
Zur Sicherheit machte er ein paar Dehnübungen, hüpfte auf und ab und boxte die kalte Waldluft mit mehreren feinen Schwingern. Dieses Drachenwurz musste er gut aufheben. Es fraß sich zwar in die Nervenenden wie flüssige Glut, aber er wollte verflucht sein, wenn seine linke Hälfte sich nicht besser anfühlte denn je. Er schnürte den Seesack zusammen und starrte das Seil an, das herausgerutscht war.
Ist eine alte Erinnerung damit verbunden?,
fragte Kasai.
»Ich hebe es für einen bestimmten Moment auf«, erklärte Kayden und stopfte es zurück. »Ist eine lange, düstere und sehr nordische Geschichte.«
Kaum eine Stunde später starrte der Nordmann auf eine Bergkuppe. Ein Kastell war in den umliegenden Wald gebaut worden, welches sogar aus der Ferne heruntergekommen wirkte. Er machte weder Rauchsäulen aus noch sonst etwas, das auf eine Besatzung schließen ließ, denn niemand war zu sehen.
Auch die vier hohen Türme des quadratisch angelegten Stützpunkts waren unbesetzt. Das konnte man als Dummheit oder Desinteresse deuten. Und da Eldus ihm berichtet hatte, wie es um Eliandars Armee stand, vermutete er, dass dort oben niemand mehr seinen Dienst versah. Vermutlich waren sie in die Hauptstadt geflohen, um dort ihr Dasein zu fristen.
»Ich denke, wir fliegen außer Sichtweite um die Berge im Süden herum, machen einen Schlenker und du setzt mich am Strand ab«, überlegte Kayden. »Ich glaube auch, es wäre gut, wenn wir erneut
unseren Vorteil ausnutzen und du im Hintergrund bleibst, mein Freund. Sollte es komisch dort unten werden, dann haben wir immerhin das Überraschungsmoment. Niemand wird damit rechnen, dass ein Drache bei mir ist.«
Und wie erklärst du deine plötzliche Anwesenheit? Bist du vom Himmel gefallen? Oder von Skander bis hierher geschwommen
?, brummte Kasai.
Kayden steckte das Fernrohr zurück in die Satteltasche und lauschte einem Specht, der auf einen Stamm einhämmerte. »Wandern! Man wird ja wohl noch wandern gehen dürfen, oder? Zudem soll es der Gesundheit zuträglich sein … habe ich gehört.«
Wandern?
Der Drache schaffte es doch tatsächlich, eine nicht vorhandene Augenbraue zu lupfen.
»Verdammt, ja!
Wandern!
Du weißt doch, wie das abläuft. Wenn es knifflig wird, dann wird eben hiermit weiterdiskutiert«, murrte Kayden und hob die geballten Fäuste. Unter gemurmelten Flüchen, die verdächtig nach
Ich hab´ wirklich keine Zeit für diesen Scheiß
klangen, stieg er in den Sattel.
Wir könnten es aber auch nochmal mit dem Aus-dem-Himmel-gefallen versuchen, meinst du nicht?
»Oder ich stelle mich als
Drachentöter
vor? Wie fändest du das?«
Ab da wurde geschwiegen.
***
Ein rauer Flecken Erde empfing sie. Kasai verschwand eine Schneise hinauf, die eine Schuttlawine hinterlassen hatte, und verschmolz alsdann mit dem Dickicht. Kayden blieb auf dem Kiesstrand zurück, der kaum zwanzig Schritt breit war. Geröll, bleiches Treibholz und größere Felsen säumten die Uferseite. Gleich dahinter begann ein weiter Kiefern- und Fichtenwald, der sich bis auf den Berg hinaufzog, auf dem das Kastell lag, welches von hier aus nicht zu erkennen war. Und aus diesen dunklen, dichten Baumkronen ragten hellgraue Felsformationen, die von Wind und Regen zu bizarren Gebilden geformt worden waren. Sie reihten sich mit Unterbrechungen die gesamte Küste hinauf, wie es schien.
Er würde erneut den Chronisten zum Besten geben, sollte überhaupt jemand wissen wollen, was er hier am schroffen Kap eines untergehenden
Königreichs zu suchen hatte. Er griff sich einen langen Ast, den er als Steighilfe benutzte, und machte sich auf, die
Strahlenden Türme
zu suchen.
Er war noch keine Meile gelaufen, da fielen ihm ungewöhnliche Gebilde auf, die nahe des Waldrandes standen. Mit dem Blick eines Kriegers, der vier Jahre in den Bergen von Brandawik Patrouille gelaufen war, sondierte er den Saum des Waldes, horchte, roch unauffällig in den Wind. Es gab nichts Verdächtiges, also ging er näher. Jemand hatte aus flachen Kieseln, die aufeinandergeschichtet waren, eine Markierung errichtet und sie unauffällig zwischen zwei mit Tang umspülten Felsen platziert. Kayden ließ diese, wie sie war, fand bald eine weitere und keine hundert Schritt weiter die dritte. Er schaute aufs Meer, das heute eine seichte Dünung hatte und zischend über den Kiesstrand leckte. Schwarz wirkte das Wasser und er konnte die Tiefe erahnen, die sich darunter auftat.
Endlich entdeckte er den ersten Turm. Ein zu perfekt gewölbter Bogen verband zwei der Felsklippen. Die höhere der beiden wies zudem eine Öffnung in ihrer Spitze auf. Sie war von einer natürlichen Höhle kaum zu unterscheiden, doch für Kayden hatte sie die Form eines geöffneten Auges. Er hatte Pathos erwartet. Zumindest ein wenig mehr Symbolik, aber wer immer die Türme erbaut hatte, wollte die natürlichen Felsformationen nutzen, um den eigentlichen Sinn des Turms zu tarnen.
Ein schmaler Trampelpfad führte in den Wald und er folgte ihm.
Still war es, kein Vogel flatterte auf, kein verärgertes Gezwitscher oder ein fliehendes Huschen im Unterholz. Der Pfad war in letzter Zeit einige Male benutzt worden. Jemand hatte Zweige umgeknickt und auf dem Boden waren Abdrücke von nackten Füßen zu erkennen, die der Regen noch nicht getilgt hatte. Sie waren mindestens drei bis vier Tage alt und erstaunlich schlank. Schließlich stand er vor dem Turm, der keiner war. Er legte den Kopf in den Nacken und schätzte, dass es gute fünfunddreißig Schritt nach oben waren, die Klippe mit dem Auge nochmals zwanzig Schritt höher. Die untere Felswand war mit Ritzungen übersät. Es waren Flüche, wilde Zeichnungen von Dämonen, aber auch Namen verewigt worden, die wohl jenen Männern gehörten, die einst hier ihren Dienst abgeleistet hatten. Anscheinend hatten die triste Einsamkeit oder auch die Seuche den ein oder anderen Verstand in den Irrsinn abgleiten lassen.
Die Tür war nur angelehnt und Kayden trat ein. Der Geruch kalter
Asche hing in der Luft. Er ließ die Flammenklinge aufleuchten und betrachtete das Durcheinander. Auf dem dreckigen Boden lagen von Rost zerfressene Töpfe. Eine vergammelte Strohmatratze hing in einem zerbrochenen Bettrahmen. In den verrußten Nischen waren Reste von Kerzenstummeln zu sehen und jemand hatte offenbar mit Blut
Tod König Jutas
an die Wand gekritzelt. Eine steile, enge Treppe führte nach oben, doch Kayden hatte keine Lust, sich dort umzusehen. Seine Schuppe spürte keinerlei Magie, ob natürlich oder von Dunkelheit beseelt.
Wieder am Strand überlegte er, was nun zu tun sei. Sollte er die ganzen Türme abklappern und nach dem Rechten sehen? Gab es überhaupt noch jemanden, den das interessierte? Er verfluchte Orcas und auch Mooley, die sich einen Dreck darum gekümmert hatten, was hier vor sich ging. Immerhin beschützten diese Türme ein Artefakt von enormer Wichtigkeit.
Zwei weitere Stunden lief Kayden den Strand entlang. Als sich seine Laune jedoch allmählich in Fantasien erging, bei der er dem
Hageren Wanderer
den dürren Hals brach, entschied er, dass er Kasai rufen sollte. Sie konnten die Türme auch abfliegen, am besten bei Nacht, dann sahen sie, welche von ihnen noch strahlten und welche nicht. Und drauf gepfiffen, dass ein Waldschrat vor die Tür stolperte und seinen Brei vor Schreck verschluckte, weil ein Drache an seiner Bruchbude vorbeisegelte. Er machte kehrt und hielt abrupt inne. Er war nicht allein! Angespannt schaute er auf das dunkle Wasser, in Erwartung einer Seeschlange, die sich an Land wälzte. Doch etwas völlig anderes tauchte daraus auf. Wellen teilten sich und ein Kopf hob sich aus der Dünung. Jemand schwamm ans Ufer und stieg aus dem Meer. Langes, wallendes Haar, so rabenschwarz wie das seine. Es war eine Frau und sie war vollkommen nackt. Einen Moment hockte sie auf dem Kies, schlang die Arme um sich, als wäre sie außer Atem, und erhob sich dann. Mit der Anmut einer Tänzerin schritt sie über den Strand, nahm einen grauen Umhang vom Felsen, warf ihn sich über, ging zum Waldrand, kniete sich nieder und schichtete Steine übereinander. Kayden erhob sich und die junge Frau erstarrte. Ganz langsam drehte sie ihr Gesicht zu ihm um. Ihre Augen waren schwarz, umrandet von heller Gischt.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie ängstlich und ihre Stimme floss auf ihn zu, geheimnisvoll wie das Meer.
Orcas’ Warnung kam ihm in den Sinn:
Selbst das Feuer kann vergehen.