„Sie sind spät dran, Wagner!“ Der Ton von Lorenzo Da Silva war ernst.
„Aber warum denn, Kommandant? Ich bin doch buchstäblich hergeflogen.“ Tom grinste, als er Lorenzo zur Begrüßung die Hand hinstreckte und der sie einfach ignorierte.
Der Chef der Schweizer Garde konnte Tom nicht ausstehen. Der Grund war einfach. Da Silva nahm Tom als grundlegenden Fremdkörper wahr. Er war kein Schweizer. Er hatte nicht die Ausbildung der Schweizer Garde genossen. Und er brach somit eine Tradition, die seit Jahrhunderten bestand. Da Silva würde niemals das Wort des Heiligen Vaters infrage stellen oder gar kritisieren, er konnte aber beim besten Willen nicht verstehen, welchen Narren der Papst an diesem Typen gefressen hatte.
„Alle sind bereits auf ihren Posten und wissen, was sie zu tun haben. Und Sie waren nicht einmal beim Briefing.“ Da Silva spie die Worte fast aus.
„Kein Stress, Lorenzo. Ich wurde von höchster Stelle gebrieft. Der Heilige Vater hat mich persönlich informiert und mich auch mit dem Sicherheitschef des Patriarchen kurz geschlossen. Ich bin im Bilde und bereit. Wo sind die Double P’s jetzt?“
„Double P’s?“, fragte Da Silva mit noch eisigerem Ton als vorher. Dass der Papst diesen Wagner persönlich angerufen und über seinen Kopf hinweg agiert hatte, war ein Affront, der das sonst zu kühle und besonnene schweizerische Gemüt gehörig erhitzte. Er war der Chef der Schweizer Garde, verd… Fast hätte Da Silva im Geiste geflucht, verkniff es sich aber.
„Na, die Double P‘s! P & P. Papst und Patriarch“, grinste Tom den Schweizer Gardisten schelmisch an.
Da Silva verdrehte die Augen.
„Kyrill II., der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche ist aus Russland gekommen, um einige wichtige ökumenische Themen mit dem Papst zu besprechen und danach gemeinsam eine ökumenische Messe zu zelebrieren. Es herrscht aufgrund der Terrordrohungen höchste Sicherheitsstufe!“
Tom nickte. So sehr er sein ganzes Leben immer locker nahm und sich selbst gerne in Gefahr brachte, so sehr war er auch Profi und wusste, wann es Zeit war, die Witze zu lassen. Es wartete Arbeit auf ihn.
Ohne auf Lorenzo Da Silva zu warten, stapfte Tom los und begab sich auf den Weg zu den Gemächern des Papstes.
Papst Sixtus VI. lächelte, als er Tom sah. Er freute sich merklich und klopfte Tom freundschaftlich auf die Schulter, nachdem Tom - wie es sich gehörte - niedergekniet war und den Fischerring des Heiligen Vaters geküsst hatte.
„Ich hoffe, Ihnen ist Da Silva nicht zu sehr auf die Nerven gegangen. Er ist ein guter Mann, aber sein Ego steht ihm immerzu im Weg. Doch steht es uns zu, darüber zu richten?“
Der Papst schüttelte energisch den Kopf. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Tom lächelte auch. Er mochte den alten, weisen Mann sehr. Der Umgang mit Da Silva war harmlos, wenn er an Oberst Maierhofer, seinen früheren Chef bei der Cobra dachte.
Sie verließen die Gemächer des Heiligen Vaters im dritten Stock und begaben sich eine Etage tiefer. Dort in der Seconda Loggia des Apostolischen Palastes, empfing der Papst den Patriarchen und sein Gefolge.