Tom hielt Pater Fjodor mit einer Hand den Mund zu. Das Schreien des verletzten Priesters hätte sie verraten. Hellen sah in das schmerzverzerrte Gesicht des Mannes und deutete ihm, leise zu sein und versuchte, ihn zu beruhigen. Die sechs saßen zusammengekauert, mit Prellungen und ein paar Kratzern, in einem mannshohen Abflussrohr, das durch den Damm führte. Das Wasser stand ihnen bis zur Brust. Nachdem der monströse und enorm stabile Toyota im Wasser zum Liegen gekommen war, hatten sie sich nur mit knapper Not aus dem Ungetüm befreien und in Sicherheit bringen können. Der panzerartige Wagen hatte ihnen definitiv das Leben gerettet. Sie hatten für einen Moment durchgeatmet, als ein ohrenbetäubendes Maschinengewehrfeuer die Stille zerrissen hatte. Es war so knapp über ihren Köpfen gewesen, dass es auch dem stärksten Mann das Fürchten gelehrt hätte. Hellen, Cloutard, Arthur, Pater Fjodor und seinem Vater Pater Lasarew war der blanke Horror ins Gesicht geschrieben. Doch sie waren am Leben. Es schien alles vorbei zu sein, als Tom das Ploppen des Granatwerfers vernommen und sich auf seine Freunde geworfen hatte, um sie unter Wasser zu drücken. Eine gewaltige Stichflamme war durch den Tunnel geschossen, knapp über der Wasseroberfläche. Alle waren rechtzeitig abgetaucht. Pater Fjodor hatte jedoch nicht so viel Glück gehabt. Ein Metallsplitter hatte sich in seine Seite gebohrt und steckte zwischen Brustkorb und Hüfte fest. Tom hatte schnell geschaltet und dem Mann sofort den Mund zugehalten, um seinen Schrei zu unterdrücken.
Schweigend saßen sie nun schon für eine gefühlte Ewigkeit in dem stinkenden Rohr. Dann ergriff Tom die Initiative.
„Ich nehme meine Hand jetzt von Ihrem Mund, aber bitte, für unser aller Wohl, kein Laut.“ Mit Tränen in den Augen nickte der Geistliche. Cloutard und Arthur stützten den verletzten Mann, als Tom von ihm abließ und langsam ans andere Ende des Rohres watete. Hellen vergewisserte sich, ob es allen gut ging. Tom zog seine Pistole, kletterte vorsichtig die Uferböschung nach oben und sah sich um. Die schwarze Rauchsäule des brennenden Wagens stieg in den Himmel.
Es war niemand zu sehen. Selbst die Explosion und das Maschinengewehrfeuer hatte keine Menschen Seele auf den Plan gerufen. Er stieg wieder nach unten und winkte seine Freunde zu sich. Schwerfällig konnten sie, den vor Schmerzen wehklagenden Pater auf die Straße hieven. Sie legten ihn auf den Asphalt und Tom besah sich die Wunde sowie das Schrapnell, das im Fleisch steckte. Pater Fjodor war der Bewusstlosigkeit nahe.
„Los, ziehen Sie es heraus“, sagte Pater Lasarew panisch.
„Nein, auf keinen Fall“, sagte Tom und hielt den Pater zurück.
„Wir wissen nicht, was genau verletzt ist. Das darf nur in einem Krankenhaus entfernt werden, wo sie die Blutung sofort stoppen können. Der Splitter verhindert vermutlich gerade, dass Sie verbluten“, erklärte Hellen.
„Wir können nicht hierbleiben“, meinte Arthur.
„Mein Sohn muss ins Krankenhaus“, flehte Pater Lasarew.
„Wir brauchen einen fahrbaren Untersatz und das schnell“, sagte Cloutard.
„Okay, ihr wartet hier. François und ich besorgen ein Transportmittel“, beschloss Tom.