Kapitel 9
Auf dem Rückweg hielt Jordan nicht mehr so viel Abstand von Storm. Oder, besser gesagt, er ließ zu, dass Storm ihm näher kam. Ab und zu streiften sich ihre Schultern und er tat, als merkte er es nicht.
Storm merkte es. Bei jeder flüchtigen Berührung durchfuhr es ihn wie ein elektrischer Schlag. Jordans Körper schien zu glühen, was ihm bestimmt nur so vorkam, weil er vorher in diesem rattenkalten Wasser herumgetobt war.
Er hatte gelogen. Jedenfalls beinahe. Schließlich hatte Jordan ihn gefragt, ob er schon mal am Meer gelaufen war, und das war eben wirklich eine Premiere gewesen. Er war aber am Meer gewesen. Das erste Mal sogar in Thailand. War seinen Aufpassern entkommen. Für ein paar kostbare Stunden hatte er so getan, als wäre er ein ganz normaler Junge, der Urlaub am Strand machte, bis die im Landeanflug dicht über die Sonnenbadenden dahinröhrenden Boeings ihn daran erinnerten, dass er kein normaler Junge war. Dass es sich bei den Leuten, mit denen er unterwegs war, keineswegs um seine Eltern handelte und dass er die Rückreise mit ein paar Plastiktüten im Magen antreten würde, prallgefüllt mit Drogen. Der harmlos aussehende Touristenjunge, den niemand verdächtigte.
Das brauchte Jordan nicht zu wissen. Es interessierte ihn sowieso nicht und er hätte es nicht verstanden, diese Geschichte aus einer anderen Welt und einem Leben, das Storm zumindest in dieser Form hinter sich gelassen hatte. Er ließ sich schon lange nicht mehr benutzen.
Nun war er es, der andere benutzte. Wie jetzt Jordan.
Er rannte schneller, ließ Jordan hinter sich. Jordan lief wie jemand, der früher mal gut in Form gewesen war, die Dinge aber hatte schleifen lassen. Als Star konnte er sich doch
bestimmt einen Personaltrainer leisten. Als Ex-Star hatte er das vermutlich nicht mehr nötig.
Nach einem letzten Sprint erreichte Storm die Veranda. Und stolperte, stürzte fast. Was zur Hölle! Auf dem Geländer lag etwas. Auf den ersten Blick sah es so aus wie … nein. Das dachte er jetzt nur, weil die Erinnerungen an seine Kindheit hochgekommen waren. Bestimmt war das keine …
Seine Füße sanken in den weichen Sand ein. Mit jedem Schritt fiel es ihm schwerer, sie zu heben. Er rutschte zurück, kämpfte sich weiter, den Blick auf das fellige Ding auf dem Geländer gerichtet. Warum machte er sich etwas vor? Er wusste doch genau, was das war. Und was es bedeutete. Wut stieg in ihm auf. Wäre ja auch zu schön gewesen. Und er hatte noch geglaubt, einmal im Leben Glück zu haben. Drauf geschissen.
Die Hasenpfote schien ihn höhnisch anzugrinsen. Hast du gedacht, du könntest frei sein? Hast du gedacht, du könntest dein Leben leben? Hast du ernsthaft gedacht, du könntest so leicht davonkommen?
Nein, hatte er nicht. Oder doch. Ein bisschen. Denn warum sonst hob sich sein Magen, legte sich eine unsichtbare Faust um seine Brust und drückte unbarmherzig zu? Eine Spur Hoffnung hatte sich in sein resigniertes Herz geschlichen.
Scheißescheißescheiße.
Er wollte das Ding nicht berühren, aber liegenlassen konnte er es auch nicht. Jordan hatte die Veranda fast erreicht. Er sollte das nicht sehen. Storm erschauerte angewidert, als sich seine Finger um die räudige Hasenpfote schlossen. Sie ekelte ihn an, oder vielmehr das, für das sie stand. Trotzdem ließ er sie rasch in der Tasche seiner Shorts verschwinden.
Schon stand Jordan neben ihm. »Lag da was?«, fragte er arglos, die Augen groß und hell. Er duftete nach frischem Schweiß.
Storm packte den seitlichen Bund seiner Shorts, zerrte ihn an sich und presste die Lippen auf seinen Mund. Hart. Unter seinen Fingern spürte er, wie sich Jordans Hüftmuskeln anspannten. Einen Moment dachte er, Jordan würde ihn von sich stoßen. Tatsächlich legten sich Jordans Hände auf seine nackte Brust, doch statt zu schubsen glitten sie über seine Rippen, strichen ihm über die Brustwarzen. Jordan erwiderte den Kuss, hungrig und mit einer Gier, die Storm ihm nicht zugetraut hätte. War nicht das erste Mal, dass er ihn überraschte.
Sie unterbrachen den Kuss so lange, wie sie brauchten, um in Jordans Schlafzimmer zu stolpern, ihre Blicke ineinander verhakt. Jordan sah verblüfft aus, und entschlossen. Er war es, der Storm auf sein Bett stieß und sich sofort über ihn warf, ihn küsste, bevor er etwas sagen konnte.
Naja, was sollte Storm da auch für einen Kommentar abgeben? Weiter so? Er hatte nicht den Eindruck, dass Jordan sich jetzt noch bremsen ließ, so nachdrücklich, wie er sich an ihm rieb, die Nase gegen seinen Nacken gedrückt, die Finger in seinem Haar vergraben. Storm schob die Hand in seine Shorts, umfasst seinen harten Schwanz. Mit einem zittrigen Stöhnen stieß Jordan die Luft aus, seine Hüften zuckten. Sein Schwanz auch. Storms schloss sich an. Verdammt. In seinem Unterleib ballte sich bereits glühende Hitze zusammen. Lange würde er das nicht aushalten, dabei hatte Jordan ihn gar nicht angefasst. Lag wohl an der Gewohnheit, es schnell hinter sich zu bringen.
Das wollte er jetzt aber nicht. Er wollte es auskosten. Jordans glatten, festen Körper berühren, Haut auf Haut spüren, sein erregtes Keuchen hören, in dem Wissen, dass er es wollte.
Hoffte er zumindest.
»Willst du das?«, stieß er hervor.
Jordan hörte auf, mit den Lippen an seinem Piercing zu zupfen und richtete sich weit genug auf, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Aus der Nähe bemerkte Storm die blonden
Stoppeln auf seinen Wangen. Den dunkleren Rand um seine Pupillen. Von Hellblau über Türkis zu Violett.
»Was?«, fragte Jordan und blinzelte.
»Willst du das?«, wiederholte Storm.
Eigentlich eine blöde Frage, mit Jordans hartem Schwanz in der Faust. Doch Storm wusste genug über verräterische Körper.
Jordan grinste. »Du denn?«
»Ja.«
»Was genau?«
»Dass du die Klappe hältst und mich küsst.« Storm stand nicht auf sogenannten sexy oder dirty Talk. Für ihn war Sex eine Sache des Fühlens. Reden nervte nur.
Jordan gehorchte sofort und küsste ihn, leider nur flüchtig, zog sich zurück. »So?« Ein mutwilliges Glitzern trat in seine Augen.
»Du spielst mit dem Feuer, mein Freund«, knurrte Storm. Mit leisem Bedauern ließ er Jordans Schwanz los, der fühlte sich nämlich echt gut an. Stattdessen packte er ihn um die Hüfte und warf ihn auf den Rücken, wendete ein paar Tricks an, die er bei Straßenkämpfen erworben hatte. Funktionierten auch im Bett. War das hier nicht auch ein Kampf? Wer gewann die Oberhand?
Vorhin hatte sich Jordan geweigert, Storm vernünftig zu küssen. Nun drückte Storm ihn mit seinem Gewicht auf die Matratze, umfasste sein Gesicht und nahm sich, was er brauchte. Presste seinen Mund rücksichtslos auf Jordans. Ihre Zähne schlugen gegeneinander. Storm zwang seine Zunge in Jordans Mund, doch viel zwingen musste er da nicht, denn Jordan öffnete sich ihm bereitwillig, kam ihm mit ebenbürtiger Wildheit entgegen. Ihre Zungen rangelten, ihr keuchender Atem mischte sich. Jordan gab wieder dieses genussvolle Summen von sich, wie bei ihrem allerersten Kuss, das Erregungsschauer durch Storms Körper jagte.
Jordan wand sich unter ihm, bockte, aber nicht, um ihn abzuwerfen, sondern um sich an ihm zu reiben, denn gleichzeitig legte er die Hände auf Storms Hintern und zog ihn noch enger an sich. Storm spürte ihn hart an seinem Bauch, saugte an seiner Zunge. Verdammt, er hatte Küsse auf den Mund bisher immer vermieden, warum fand er plötzlich Gefallen daran? Warum machte es ihn so an, Jordan in seinen Mund summen zu hören? Das war doch …
Irgendwie schaffte Jordan es, seine Hand zwischen sie zu schieben, vorne in Storms Shorts. Wieso hatten sie die lästigen Dinger eigentlich immer noch an? Sobald sich Jordans lange Finger um Storms Schwanz schlossen, vergaß er sämtliche Fragen, die ihm durch den Kopf geschossen waren. Er biss die Zähne zusammen, um nicht ebenfalls zu stöhnen. Jordans Daumen an seiner Spitze, verrieb Precum, umschloss ihn mit festem Druck, nicht zimperlich, eher grob. Storm mochte das. Und sein Körper mochte es noch mehr, etwas zu sehr sogar, denn ohne Vorwarnung ballte sich Erregung zu einem glühenden Ball in seinem unteren Rücken zusammen, flutete seinen Unterleib und jagte ihn über die Schwelle. Er unterdrückte einen Fluch, während er sich entlud.
Wie ein verdammter Anfänger.
Aber das war er wohl auch. Wieder. Irgendwie.
Jordan murmelte etwas an seinen Lippen, das er zunächst nicht verstand.
»… auf der Flucht …«
Und ob.
Er packte Jordans Handgelenk, zog seine Hand aus seinen Shorts und küsste ihn ein letztes Mal hart, bevor er tiefer rutschte. Von den Shorts befreit sprang ihm Jordans Schwanz entgegen. Er war wie alles an ihm, lang, elegant, edel. Ohne sich mit Raffinesse aufzuhalten, was sowieso nicht sein Ding war, öffnete Storm den Mund. Er schaffte es, ihn bis zu den Hoden
aufzunehmen und hörte zufrieden, wie Jordan ein hilfloses Wimmern von sich gab. Gut. Besser als gut. Er schmeckte wie der Himmel. Eigentlich hatte Storm nur Gleichstand herstellen wollen, aber jetzt wurde er selbst wieder hart, saugte und lutschte, massierte mit seiner Zunge, ließ Jordan unartikulierte Laute ausstoßen.
Jordans Hände krallten sich in seinen Schopf, seine Hüften zuckten verkrampft. Er hielt sich zurück, natürlich tat er das, er war sowas wie ein Gentleman, oder?
Storm schielte zu ihm hoch. Jordan sah ihn aus lustverschleierten Augen an, die leicht geöffneten Lippen rot von ihren Küssen, das Haar zerzaust. Er entließ ihn mit einem feuchten Ploppen aus seinem Mund und raunte: »Halt dich nicht zurück.«
Erneut senkte er sich über ihn und diesmal bewegte Jordan die Hüften nach oben, stieß in ihn, erst vorsichtig, doch nach einem ermunternden Klaps auf seinen Hintern mit mehr Elan. Er fickte Jordans Mund, und er war verdammt laut dabei. Das war auch etwas, das Storm völlig vergessen hatte. Diese lustvollen, unkontrollierten Laute, vermischt mit unverständlichen Worten, die nichts als Erregung ausdrückten. Jordans Bewegungen wurden fahriger, hastiger, und Storm umfasste seinen eigenen Schwanz, musste nur ein paar Mal pumpen und kam, kurz nachdem Jordans Saft gegen seinen Rachen spritzte.
Jordan schrie seinen Höhepunkt heraus und lag keuchend da, erschlaffte in Storms Mund. »O Scheiße«, stieß er atemlos hervor. »Tut mir leid! Shit! Shit! Es tut mir leid, ich wollte … heilige Scheiße …«
Unerwartet grob schubste er Storm von sich, setzte sich auf und raufte sich das Haar.
Storm musterte ihn amüsiert. »He, bleib cool.«
»Spinnst du?«, fuhr Jordan ihn an. »Wir haben kein Kondom benutzt!«
»Na und? Der Einzige, der sich eben was hätte einfangen können, war ja wohl ich.«
»Ja, und?«
»Und was? Kannst du mir was anhängen? Bist du infiziert?«
»Nein.« Allmählich schwand der panische Ausdruck aus Jordans Augen. »Ich hatte … äh … also ich hab mich vor nem Jahr testen lassen und danach …« Sein Gesicht war schon vom Sex gerötet und wurde nun noch eine Spur dunkler.
»Verstehe«, sagte Storm. Tat er nicht. Mit Jordans Kohle und seinem Aussehen und dem Rest von seinem Fame kriegte der doch jeden Kerl. Aber okay, wenn er nur depressiv in seiner Villa gehockt und auf nichts mehr Lust gehabt hatte …
Storm stand auf. »Das nächste Mal nehmen wir Kondome. Hast du welche?«
»Äh. Ja. Im Bad sind welche.« Jordan sah total verlegen aus und mied Storms Blick. War der Typ verklemmt oder was? Vorhin war er ihm gar nicht so vorgekommen. »Ich will damit nicht andeuten, dass du …«
Nach kurzem Zögern setzte sich Storm auf den Bettrand. »Wie sieht es aus mit unserem Fragespiel?«
»Was? Wie … ach so.« Jordan verzog das Gesicht. »Ich soll dich jetzt also fragen, wann du dich zuletzt hast testen lassen? Ernsthaft? Meinst du, ich würde dir auch nur irgendetwas von dem glauben, was du mir erzählst?«
»Nein, eigentlich nicht«, gab Storm zu. »Aber ich sage es dir trotzdem, damit du weißt, worauf du dich einlässt. Ich musste mich regelmäßig testen lassen. War immer negativ. Aber garantieren kann ich nichts, weil ich erst seit zwei Wochen draußen bin.«