Kapitel 19
Storm betrachtete den wie vom Blitz getroffen auf dem Bett liegenden Jordan mit einer Mischung aus Belustigung und Stolz. Er wusste ja, dass er ziemlich gut im Schwänzelutschen war, schließlich hatte ihm sein Talent im Knast einiges an Privilegien eingebracht, doch Jordan grinste so befriedigt, als hätte er ihn direkt ins Paradies befördert.
»Denk bloß nicht, das war's«, knurrte er und schwang sich rittlings über ihn, spürte, wie sich zwischen Jordans Beinen bereits wieder etwas regte. Nicht schlecht für sein Alter. Andererseits schien er auch ordentlich Nachholbedarf zu haben. Storm hatte es längst aufgegeben, dies als Teil des Deals zu betrachten. Er gestand sich ein, dass er es mochte. Er mochte es, wie Jordan ihn ansah, mit diesem leicht verwunderten, begehrlichen Ausdruck in den Augen. Er mochte es, wie Jordan ihn berührte, weder zu zaghaft noch zu grob, mit einer beinahe unschuldigen Neugier und als wäre Storm ein wertgeschätztes Geschenk. Und er mochte es, wenn Jordan wie jetzt die Beherrschung verlor, ihn ungestüm an sich zog und küsste, so wild und hungrig, als gäbe es kein Morgen.
Gab es vielleicht auch nicht.
Storm wartete nur darauf, dass dieses verdammte Telefon klingelte und Munro ihm befehlen würde, den Plan durchzuziehen. Ob er gerade jetzt da draußen lauerte? Versuchte, durch die Vorhänge zu spähen? Die Vorstellung, dieses Arschloch könnte sie beim Sex beobachten, brachte Storms Eingeweide dazu, sich zu verknoten.
»Hey«, murmelte Jordan an seinen Lippen. »Sag mir, was du willst.«
Ich will, dass Munro verschwindet. Du willst dein Leben zurück? Großartig. Ich will mein verdammtes Scheißleben endlich hinter mir lassen und ein neues beginnen. Ohne die ständige Angst im Nacken, dass Munro mich zu irgendeinem Scheiß zwingt, der mich geradewegs zurück in den Bau befördert. Oder ins Grab.
Storm riss sich zusammen. Diese eine Sache musste er noch durchstehen. Dann war er frei. Und mit ein wenig Glück würde sogar Blondie glimpflich davonkommen. Etwas ärmer, aber immer noch hundert Mal reicher, als Storm es je sein würde. Er sah in Jordans lustverschleierte Augen und das erste Mal fühlte er einen Hauch Skrupel in sich aufsteigen. Rasch drängte er ihn zurück. Er hatte es doch schon so hingebogen, dass Jordan nichts passieren würde! Dass er seine Leichtgläubigkeit und seine Gutmütigkeit ausnutzte, fiel da nicht ins Gewicht. Nur, dass sich Storm unerwartet scheiße bei dem Gedanken fühlte, ihn auf diese Art auszunutzen.
Verdammt, wo kam das denn her? Wurde er auf seine alten Tage noch weich? Nur weil Jordan ihn küsste, als wären sie … ja, was? Verliebt?
Ein bitteres Lachen stieg in ihm auf. Er lenkte sich davon ab, indem er nach dem Gleitmittel griff. Zeit, dass er sich auch noch um den letzten Rest seines Verstandes vögelte. Und Munro für eine Weile vergaß.
O ja, er mochte es, wie Jordan sich in ihm anfühlte, wie er sich mit halbgeschlossenen Augen und hilflos stöhnend unter ihm wand, wie aus seinem keuchenden Atem ein abgehacktes Schnaufen wurde, je näher er dem Höhepunkt kam. Er mochte es, dass Jordan laut war, dass er seine Lust deutlich zeigte, dass er …
»Storm«, stieß Jordan hervor. Er umfasste Storms Schwanz, rieb ihn in dem schnellen Tempo, in dem er in ihn stieß. »Gott … Storm.«
Sein Gesicht schweißnass, gerötet, und so schön, dass Storm die Luft wegblieb. Eine hitzige Woge raste heran und bevor er noch kapierte, was geschah, kam er so heftig, dass er die Kontrolle verlor und stöhnte. Holy Shit, tat das gut. Er drängte sich an Jordan, sog ihn tiefer in sich hinein und zog sich um ihn zusammen und ließ los, stöhnte erneut, lauter, bis ein Lachen daraus wurde. Jordan bäumte sich unter ihm auf und schrie seinen Namen, grub die Finger in seine Hüften und Storm hieß den Schmerz, der seine Lust noch steigerte, willkommen.
O ja. Er mochte es viel zu sehr, wenn Jordan dabei seinen Namen sagte.
Und es gefiel ihm, dass er danach reglos auf dem Rücken liegen und entspannt das Nachglühen genießen konnte. Wie sehr er das vermisst hatte, fiel ihm nun erst auf. Träge ließ er den Blick über die Zimmerdecke zur Fensterfront schweifen. Die Vorhänge bewegten sich sacht im Wind, der salzige Luft ins Zimmer trug und ihn daran erinnerte, dass er sich in einem schicken Haus am Strand befand, umgeben von mehr Luxus, als er sich noch vor ein paar Wochen hätte träumen lassen, neben sich einen Ex-Boygroupstar.
Nur, dass der lebensmüde war und draußen irgendwo Munro lauerte, darauf wartete, Storm das Leben zur Hölle zu machen.
Tja, gab kein Paradies ohne Schlange.
Die Matratze bewegte sich unter ihm und er wandte den Kopf zu Jordan, der sich auf den Bauch drehte und ihn, auf die Unterarme gestützt, ansah. Oder vielmehr, sein Brandzeichen. Das schien ihn echt zu faszinieren.
»Willst du wissen, woher ich das habe?«, fragte Storm ihn.
Jordan schüttelte den Kopf und Storm hätte fast gelacht. Blondies Gesicht zeichnete sich durch das ausdrucksstärkste Mienenspiel aus, das Storm während der letzten Jahre hatte sehen dürfen. Was für ein Kontrast auch zu der starren Mimik, den toten Augen, mit denen Jordan ihm zuerst begegnet war. Nun wirkten seine Gesichtszüge weich und entspannt, seine Lippen viel voller, seine Augen leuchteten und Storm konnte ihm nur zu gut ansehen, wie gerne er mehr über das Brandzeichen erfahren hätte. Da spiegelte sich nicht nur Neugier in seinen Augen, sondern auch Mitgefühl und Sorge und gerade jetzt Verlegenheit, da er offenbar bemerkt hatte, dass Storm ihn durchschaute.
»Du brauchst es mir nicht zu sagen«, behauptete er und meinte es vermutlich so.
»Nein, wieso nicht, es ist kein Geheimnis.« Storm verzog unwillkürlich das Gesicht. »Das ist alt. Hat mir jemand verpasst, der sich eingebildet hat, dass ich ihm gehöre.«
Leider bildete Munro sich das immer noch ein. Aber da täuschte er sich gewaltig.
»Und zwar nicht auf romantische Weise«, fuhr Storm fort. »Ich war zwölf. Eigentlich noch ein Kind. Der Anführer einer Gang hat mich als seinen Schützling auserkoren und mich markiert, damit sich niemand ohne seine Erlaubnis an mir vergreift. Nett, was? Dieses Zeichen war quasi mein Schutz.«
»Aber nicht vor ihm«, sagte Jordan leise und Storm blinzelte verblüfft.
»Nein.« Er musste sich räuspern. Nach all der Zeit spürte er wieder den glühenden Schmerz in seiner Brust, roch verbrannte Haut und hörte Munros Lachen. Er erinnerte sich daran, wie er versucht hatte, die Tränen zurückzuhalten, nur um ihm diesen Triumph nicht auch noch zu gönnen, und wie er kläglich gescheitert war. »Nicht vor ihm. Dieses Zeichen hieß, dass er mit mir machen konnte, was er wollte und das hat er auch getan.«
Jordan stiegen tatsächlich Tränen in die Augen und Storms Magen zog sich zusammen. »Hey«, sagte er rau. »Das ist ewig her. Der Typ konnte mich nicht brechen. Und jetzt ist das hier …« Er rieb flüchtig mit der Hand über die wulstigen Narben. »… nur noch eine Erinnerung für mich, dass ich das niemals wieder zulassen werde. Ich bin frei, auch wenn man mich einsperrt. Hier drin.« Er klopfte sich auf die Brust, auf die Hälfte, die nicht von dem Zeichen bedeckt war. »Und ich gehöre nur mir selbst.«
Jordans Adamsapfel bewegte sich ruckartig. Er nickte und wandte das Gesicht ab. Verdammt, der würde doch jetzt nicht anfangen zu heulen? Wegen einem Kerl, der in sein Haus eingebrochen war?
»Du hast doch so etwas ähnliches«, sagte Storm schnell. »Deine Tätowierung.«
Ein müdes Grinsen huschte über Jordans blasses Gesicht. »Du meinst die auf meinem Rücken?«
»Hast du etwa noch mehr? Ist mir da was entgangen?«, fragte Storm neckend.
Jordan ging nicht auf seinen leichten Ton ein. »Das ist etwas völlig anderes«, sagte er mit Grabesstimme.
»Ach ja? Du hast der Band gehört, oder nicht? Frei warst du doch auch nicht. Du durftest nicht mal mit dem Jungen zusammen sein, den du geliebt hast.«
»Ja, das war genau wie bei dir«, sagte Jordan überraschend bissig. »Du bist als Kind von einer Gang missbraucht und zu Straftaten gezwungen worden und ich musste in einer Band spielen, wurde von allen bewundert und bejubelt, bin in Stadien aufgetreten und hab jede Menge Kohle gemacht. Stimmt. Kein Unterschied.«
Er wandte sich abrupt ab, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. »Ich mach was zu Essen«, murmelte er.
Hatte er jetzt etwa Mitleid mit Storm? Das sollte er besser nicht. Und das würde er auch nicht mehr haben, wenn er später merkte, wie Storm ihn verarscht und benutzt hatte.
»Warte.« Storm setzte sich auf. Zu seinem Erstaunen drehte sich Jordan zu ihm um. Wie verdammt schön er war. Sogar, wenn er das Gesicht verzog und sich seine Brauen düster senkten. Und nach Mitleid sah er nicht aus. Eher wütend. Ja, Jordan James war stinksauer.
»Was ist los?«, fragte Storm irritiert.
»Ich hasse diesen Kerl«, stieß Jordan hervor. Da Storm ihn nur verständnislos ansah, zeigte er auf seine Brust. »Den, der dir das da verpasst hat. Der dir das angetan hat.«
»Das kann dir doch scheißegal sein. Du kennst mich nichtmal.«
»Ist es aber nicht. Ich … du bist …« Jordan fuhr sich durch das Haar, eine Geste, die seine Hilflosigkeit und seinen Zorn ausdrückte und ein seltsames Flattern in Storms Bauch auslöste. »Es ist eben so.«
Storm stand auf und ging zu ihm. Er wusste, er sollte das nicht tun. Sollte nicht zulassen, dass dieser Mann etwas in ihm berührte, das er für immer verloren geglaubt hatte. »Du bist eben ein guter Mensch«, flüsterte er. »Und ich bin ein Arschloch.«
Jordan schüttelte den Kopf. Er zwinkerte krampfhaft, versuchte, sich von Storm wegzudrehen, doch der ließ ihn nicht, umfasste seine Schultern, dann sein Gesicht. Sein aufgewühltes, liebes, hübsches Gesicht, das viel zu viel von seinen Gefühlen zeigte.
Er öffnete bereitwillig die Lippen, als Storm ihn küsste, schlang die Arme um ihn und drängte sich an ihn.
Und Storm wusste, dass er es nicht konnte.
Er schob ihn von sich. »Hör mal, Blondie«, begann er.
»Ja, ich weiß schon«, knurrte Jordan und runzelte die Stirn. »Aus uns kann nichts werden, du willst nur mein Geld, und es ist nur ein Deal.«
»Ja, stimmt. Aber … du solltest von hier verschwinden. Sofort.«
»Hö?« Jordans Lider zuckten. »Wie meinst du das?«
»Du bist hier nicht sicher. Wieso gibt es hier eigentlich keine Security?«
»Denkst du ich wollte Zeugen? Oder gerettet werden?«
Okay, Punkt für ihn.
»Was ist los?«, fragte Jordan, Misstrauen glomm in seinen Augen auf. »Was zur Hölle verschweigst du mir?«
»Das … ist unwichtig. Dein Manager hat dir doch ein Smartphone gegeben. Damit rufst du dir jetzt ein Taxi und verpisst dich.«
»Was ist los?«, wiederholte Jordan, drängender.
»Meine Vergangenheit ist los.«
Jordan sah ihn nur an, furchtlos, mit klarem Blick. »Geht das etwas genauer?«
Nun fuhr sich Storm durch die Haare. Wie sollte er das diesem behüteten Typ erklären, der in einer völlig anderen Welt lebte? »Ich hab Schulden«, begann er. »Und der Kerl, bei dem ich die habe, hat mich aufgespürt.«
»Ah.« Jordans Schultern sanken herab. »Kein Problem. Ich geb dir das Geld. Wieviel brauchst du?«
Unglaublich. Dieser Mann war unglaublich.
»So einfach ist das nicht«, sagte Storm, obwohl er für eine Sekunde nicht sicher war, ob es nicht doch so einfach sein könnte. Mit dieser Version der Geschichte hatte er nicht gerechnet. In seiner Welt rückte man nicht die Kohle heraus, ohne jede Gegenleistung oder Drohung. War Jordan dumm oder naiv oder großherzig oder … egal. »Also dieser Kerl ist ein ziemlich großes Tier in gewissen Kreisen. Nicht nur ein Kleinkrimineller, dem man mal eben so …«
Verdammt. Das konnte er Jordan sowieso nicht begreiflich machen. Dass Munro seine Leute überall hatte, dass er die Bullen schmierte und sich so gut wie alles rausnehmen konnte, weil andere für ihn die Drecksarbeit machten. So wie jetzt.
»Er wollte dich entführen und Lösegeld verlangen.«