KAPITEL 5: Die Türkei und Griechenland

»Wo ist Ihre Drehgenehmigung?« Schneidiger Ton, bedrohliche Mimik, militärischer Haarschnitt. Der Polizeichef der griechischen Insel Kastelorizo hat offenbar etwas gegen Fernsehjournalisten.

»Welche Drehgenehmigung?«, fragt Cemal Taşdan.

»Sie benötigen eine Drehgenehmigung für das Filmen auf der Insel«, behauptet der Polizeichef. Unser Producer Cemal entgegnet, er sei doch bereits vorherigen Dienstag hier gewesen und habe mit dem Vorgesetzten des Polizeichefs, mit der Pressesprecherin der griechischen Präsidentin und mit ihm selbst vereinbart, dass er am folgenden Wochenende nochmals für Aufnahmen kommen dürfe. Alle drei hätten gesagt, man sei herzlich willkommen, so Cemal.

Dennoch brauche man eine Drehgenehmigung, erwidert der Polizeichef. Er nimmt dem Kollegen Akın Baytöre gegen dessen Willen die Kamera aus der Hand, läuft zur Grenzstation am Kai, öffnet die Tür und sperrt diese ein. Wenn die Fähre am Nachmittag in die türkische Hafenstadt Kaş zurückfahre, könne man die Kamera wieder mitnehmen. Ratlosigkeit. Wie sollen wir jetzt unsere Arbeit machen? Warum ist der Polizist so aggressiv? Seit wann benötigt man für Filmaufnahmen in der Europäischen Union eine Drehgenehmigung?

Am Abend zuvor: Kaş liegt am Fuß eines abschüssigen Felsens an der Küste des ägäischen Meers. Oberhalb der letzten Häuserreihe führt eine Straße nach Antalya. Touristen und Einheimische genießen dort bei Sonnenuntergang das Panorama. Bucht, Hafen und weiter hinten die griechischen Inseln Kastelorizo und Rho sind zu sehen. Der Abstand zwischen Kastelorizo und dem türkischen Festland beträgt an der engsten Stelle weniger als 3 Kilometer. Rechts von Kaş ragt eine Halbinsel aus dem türkisblauen Meer. Zwischen dieser und dem Festland liegen Segelboote vor Anker. Die Hafenstadt ist die südöstliche Grenze der Ägäis.

Alles sieht nach Urlaubsparadies aus, als es plötzlich laut wird. Der Lärm leistungsstarker Rotoren eilt einem türkischen Kampfhubschrauber voraus, der über dem Gewässer zwischen dem Festland und der Insel patrouilliert. Die fliegende Waffe ist eine Warnung an das auf den Inseln Kastelorizo und Rho stationierte griechische Militär.

Es ist der Abend des 17. September 2022. Für den kommenden Morgen ist die Fähre nach Kastelorizo gebucht. Das politische Klima zwischen den Ägäis-Anrainern Türkei und Griechenland hat sich in den vergangenen Monaten deutlich abgekühlt.

Wenige Tage zuvor ist Cemal mit einem Kameramann von Kaş mit der Fähre nach Kastelorizo gefahren, um den Besuch der griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou zu filmen. Der griechische Verteidigungsminister und der Generalstabschef haben die parteilose, ehemalige Richterin auf die Insel begleitet. Im Hafen des wenige Hundert Einwohner großen Ortes liegt ein Kanonenboot. Sakellaropoulou geht an Bord und schlägt martialische Töne an. »Wir werden, wie unsere Vorfahren, weiterhin diese Bastion des Hellenismus vor jeglichen Angriffen stolz und mutig verteidigen.«

Für das Filmen des Besuchs der Präsidentin auf der Insel mussten sich Cemal und der Kameramann beim griechischen Präsidialamt mit erheblichem bürokratischem Aufwand anmelden. Pässe scannen, Mails schreiben und schicken, mehrfach nachfragen, ob der Antrag schriftlich bestätigt wird. Die übliche Prozedur bei Aufnahmen von wichtigen Repräsentanten eines Staates. Letztendlich bekommen die Kollegen die Genehmigung zu filmen. Das griechische Fernsehen ist auch dabei und darf stets ein bisschen näher an Sakellaropoulou ran. Hin und wieder kommt die Anweisung, die ARD müsse die Kamera ausschalten, während sich die griechischen Kollegen uneingeschränkt bewegen und filmen können. Auf Nachfrage, warum das so sei, gibt es keine Antwort. Offenbar will man das Team vom deutschen Fernsehen spüren lassen, wer Grieche und wer Deutscher ist. Am Ende reichen die Bilder. Man freue sich auf die Rückkehr des Teams am folgenden Wochenende, heißt es noch. Von einer Drehgenehmigung, die für den zweiten Besuch beantragt werden muss, ist keine Rede. Es geht schließlich auch nicht um das Filmen einer Staatspräsidentin.

Vier Monate zuvor droht der türkische Präsident anlässlich des Militärmanövers EFES 2022 den Griechen unverhohlen. Die Truppenübung ist nach der antiken griechischen Stadt Ephesos an der Ägäis-Küste benannt. Ephesos heißt auf Türkisch Efes. Das Manöver findet in der Nähe der Stadt Seferihisar statt. Der perfekte Ort für eine Botschaft an Athen. Die griechische Insel Samos liegt in etwa 30 Kilometer Luftlinie entfernt. Panzer rollen. Spezialeinheiten schießen mit Präzisionsgewehren. Hubschrauber und Jets der türkischen Luftwaffe üben den Tiefflug.

Erdoğan trägt eine dunkelblaue Basketballmütze und ein gleichfarbiges Blouson. Sein nationalistischer Koalitionspartner Devlet Bahçeli nimmt teil, um sich im selben Outfit ein Bild von der Kampfkraft des türkischen Militärs zu machen. Seitdem Bahçeli mit seiner im Parlament sitzenden Partei MHP Erdoğan zum Sieg beim Referendum 2017 und bei der Wahl 2018 verholfen hat, prägt er die Regierungspolitik mit rechtsextremer Ideologie. Er war es, der Erdoğan zu diversen Militäreinsätzen gegen die Kurdenmiliz YPG motivierte. Bahçeli ist bekannt für Ausfälle gegen Nicht-Türken und Kriegstreiberei. Seinem Beifall kann sich Erdoğan sicher sein, als er bei einer Rede während des Manövers den Griechen zuruft, man könne plötzlich in der Nacht kommen. »Ich mache keine Witze, das wird eine Katastrophe«, sind seine Worte.

Sofort steht die Frage im Raum, ob Erdoğan ernsthaft den militärischen Konflikt mit Griechenland riskieren will. Ankara und Athen haben trotz ihrer NATO-Bündnispartnerschaft immer wieder gezündelt. Um den Machterhalt zu sichern, ist dem türkischen Präsidenten vieles zuzutrauen. Was hat er vor?

Beobachter in der Türkei spekulieren, er wolle testen, wie eine solche Drohung nach außen, aber vor allem nach innen wirkt. Wenn die Türkei im Krieg sei, seien alle dabei, unabhängig davon, wer Präsident ist oder wo man politisch stehe, so ein Istanbuler Taxifahrer im Winter 2018 beim Gespräch über den Einmarsch türkischer Truppen in der syrischen Region Afrin. Der äußere Feind schweiße zusammen. Die Umfragewerte der Meinungsforschungsinstitute für die Erdoğan-Partei AKP liegen im Sommer 2022 um die 30 Prozent. Damit kann die AKP keine Mehrheit im Parlament stellen. Dass außenpolitische Konflikte innerhalb weniger Wochen das Blatt wenden können, ist kein Geheimnis.

Die meisten Türken sehen Griechenland als historischen Rivalen. Jahrhundertelang bekämpften sich Osmanen und Byzanz. Viel griechisches und türkisches Blut ist im ägäischen Meer vergossen worden. Noch heute ist Streitthema, welches der beiden Völker vor der Gründung der türkischen Republik 1923 beim Massakrieren der anderen Seite brutaler vorgegangen ist. Noch heute erzählen sich Griechen mit Schrecken, wie Türken 1955 in Istanbul bei einem Pogrom gegen die griechische Minderheit wüteten.

Anfang September wiederholt Erdoğan beim sogenannten »Teknofest« in der Schwarzmeerstadt Samsun die Drohung. Auf der alljährlichen Veranstaltung werden seit Jahren die neuesten Kampfdrohnen aus der Schmiede des Erdoğan-Schwiegersohns Selçuk Bayraktar präsentiert. »Hey Griechenland«, erhebt Erdoğan die Stimme Richtung Westen. »Blickt auf die Geschichte«, fährt er fort. »Wenn Ihr so weitermacht, wird es schwierig. Vergesst nicht Izmir.« Gemeint ist das bereits genannte Massaker, bei dem türkische Soldaten das griechische und das armenische Viertel in der Küstenstadt Izmir brutal verwüsteten und anzündeten. Tausende wurden ermordet.

Und erneut tönt Erdoğan Richtung Athen, eines Nachts können wir plötzlich kommen. Die aggressive Rhetorik ist aus der Perspektive des türkischen Machthabers keine Laune. Er begründet seine Drohungen mit gebrochenen internationalen Verträgen. Darüber hinaus hat er den Anspruch, die Türkei müsse Hegemonialmacht im östlichen Mittelmeer sein. Kommt er auf griechische Inseln in der Ägäis zu sprechen, haben seine Äußerungen gerne einen revanchistischen Unterton. Erdoğans regelmäßige Verweise auf das osmanische Imperium bedienen die türkische Sehnsucht nach Größe und Stärke. Grundsätzlich scheint es um die Frage zu gehen, wer ist der Mächtigere in der Region? Doch Griechenland stellt sich stur in den Weg.

Im Juli 1923 schloss die Türkei mit Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Griechenland, Rumänien und dem Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen in der Stadt Lausanne einen Vertrag, der die Vertreibung von Türken und Griechen rückwirkend legalisierte und die Grenzen der heutigen Türkei festlegte. Vorher konnte die türkische Armee unter der Führung Mustafa Kemal Atatürks griechische Truppen in der Region am ägäischen Meer besiegen. So waren die Gegner gezwungen, auf Atatürks Forderungen einzugehen. Er erstritt die Demilitarisierung griechischer Inseln.

1947 unterzeichneten die im zweiten Weltkrieg mit Nazideutschland alliierten Länder den sogenannten Pariser Vertrag mit den Siegermächten. Teil davon war der »Friedensvertrag mit Italien«. In Artikel 14, Punkt 1, der das Verhältnis zu Griechenland regelt, heißt es, Italien trete die Dodekanes-Inseln und kleinere anliegende Inseln an Griechenland ab. Dazu gehört auch Kastelorizo. In Punkt 2 wird vereinbart, die Inseln sollen entmilitarisiert werden und frei von Militär bleiben. Dennoch stationiert Griechenland dort Truppen, was Erdoğan regelmäßig zum Schäumen bringt und ein Grund für die Drohungen Richtung Athen ist. In Griechenland ist man offenbar der Ansicht, der Pariser Vertrag habe für die Türkei keine Relevanz, weil das Land nicht Vertragspartner war. Doch völkerrechtlich ist die Stationierung griechischen Militärs auf den Inseln fraglich. Letztendlich kann Athen nur mit der Aggressivität und der Unberechenbarkeit des türkischen Präsidenten argumentieren.

Wie viel Kriegsgerät die griechische Armee tatsächlich auf die Inseln verlagert hat, ist schwer nachvollziehbar. Westlich von Kaş, am Eingang des Ortes Kalkan, sind mit einem Teleobjektiv griechische Soldaten auf der Insel Rho zu sehen. Rho liegt neben Kastelorizo, ist jedoch nicht bewohnt und dementsprechend klein ist die militärische Präsenz der Griechen. Ortskundige Bewohner der Küstenstadt Kaş erzählen, die wesentlich größere Militäranlage auf Kastelorizo liege auf der von der Küste abgewandten Seite der Insel. Diese könne man nur von einem Boot aus sehen. Die griechische Marine achte darauf, dass niemand von der Meeresseite fotografiere oder filme.

In Kalkan lebt ein auf Kartografie spezialisierter Ingenieur. Seit vielen Jahren beobachtet er das griechische Militär auf Kastelorizo und Rho. İsmail Şah Yilmaz sitzt in einem kleinen unaufgeräumten Büro im Zentrum des Ortes. In der Ecke stehen Schaufel und Spitzhacke. An der Wand hängen Bilder von heulenden Wölfen – das Symbol türkischer Nationalisten. Yılmaz ist Vorsitzender der İyi-Partei in Kaş. Die Oppositionspartei ist eine Abspaltung der MHP. Türkische Nationalisten wie Yılmaz lassen an Griechenland üblicherweise kein gutes Haar.

An der Wand hängt ein großer Flachbildschirm. Während der Ingenieur diesen einschaltet und mit dem Internet verbindet, erklärt er überraschend, es störe ihn nicht, dass die nur wenige Kilometer entfernten Inseln griechisch seien. Jedoch störe es ihn gewaltig, dass Athen dort Militäranlagen errichtet habe und so die Türkei bedrohe. Das sei nach internationalen Verträgen verboten, so Yılmaz. Er habe Beweise, versichert der Mann mit dem für Nationalisten typischen Schnauzer. Die Haarpracht bedeckt nicht nur den Bereich oberhalb der Lippen, sondern zieht sich wie zwei Reißzähne entlang der Mundwinkel Richtung Kinn.

Er zeigt uns Satellitenaufnahmen der Insel aus den Jahren 2003 und 2019, die er auf der Internetseite »Google Maps« gefunden hat. Sowohl auf Kastelorizo, als auch auf Rho seien innerhalb der 16 Jahre neue Baracken entstanden. Auf dem jüngeren Satellitenfoto der Insel Kastelorizo kann man mehrere grüne Transporter erkennen. Auf der von Zivilisten unbewohnten Insel Rho sei ein Hubschrauberlandeplatz zu sehen, erklärt Yılmaz. Von der Küste aus könne man beobachten, wie gelegentlich griechische Kampfhubschrauber zur Insel flögen. Es sei eindeutig ein Militärgelände, versichert der Ingenieur. Er wisse das auch, weil er selbst Soldat war. Dann überrascht Yılmaz, denn auf die Frage, was er von Erdoğans Drohungen gegenüber Griechenland halte, antwortet er, das sei Getöse vor den nächsten Wahlen. Mit der griechischen Bevölkerung gebe es keine Probleme. Lediglich die Militarisierung der Inseln sei nicht hinnehmbar. Die Verantwortung dafür liege allerdings beim griechischen Verteidigungsministerium und der Regierungsspitze. Im Übrigen seien Kastelorizo und Rho nur die Spitze des Eisbergs.

Am 25. September 2022 zitiert die türkische Tageszeitung Cumhuriyet Militärkreise. Demnach seien kurz zuvor 23 gepanzerte Fahrzeuge auf die Insel Lesbos und 18 gepanzerte Fahrzeuge auf die Insel Samos gebracht worden. In der Zeitung Sözcü heißt es, auf Lesbos sei eine Division, das sind 10.000 bis 30.000 Soldaten, stationiert. Außerdem seien dort Flughäfen für Kampfflugzeuge gebaut worden. Griechische Kampfjets, die sich »Dogfights« mit türkischen Kampfjets lieferten, seien von dort gestartet.

Bei »Dogfights« nehmen sich Flugzeuge zweier Länder gegenseitig ins Visier. Das passiere im Luftraum der Ägäis sehr oft, weil sich Griechenland zwar an die mit der Türkei vereinbarte Sechs-Seemeilen-Grenze im Meer halte, jedoch in der Luft eine Zehn-Meilen-Zone beanspruche, so ein hoher NATO-Offizier in Istanbul. In die zusätzlich beanspruchten vier Luftmeilen, fliegen regelmäßig türkische Kampfjets.

Auf Samos sei eine Brigade, also 10.000 Soldaten, stationiert. Sözcü nennt noch eine Reihe weiterer Inseln, auf die Bataillone, zwischen 300 und 1.200 Soldaten, entsandt wurden. Auf zwölf von 14 Inseln, die nach den alten Verträgen nicht militarisiert werden dürfen, seien eine große Zahl Soldaten und schweres Gerät stationiert, so die Zeitung. Die Informationen sind durch unabhängige Quellen nicht nachprüfbar.

Der Ingenieur verabschiedet sich mit den Worten, viel Spaß auf Kastelorizo. Weil er türkischer Staatsbürger ist und kein Visum für Griechenland bekommt, konnte er selbst die nur wenige Kilometer von seiner Heimat entfernte Insel noch nie besuchen.

Die Fähre verlässt kurz nach 9.00 Uhr den Hafen von Kaş Richtung Kastelorizo. Kapitän Ali Gümrükçü steuert seit Jahren sein Boot morgens zu der griechischen Insel und nachmittags zurück. Er ist die Hauptfigur einer Reportage über die Region und die Spannungen zwischen den beiden Ländern für die Sendung Weltspiegel. Ali hat einen griechischen Kapitänskollegen und Freund namens Yorgo. Nach einem Schlaganfall benötigt dieser Physiotherapie, um das koordinierte Gehen erneut zu lernen. Weil es auf der Insel keine Physiotherapeuten gibt, hat Ali für seinen Freund Yorgo jemanden in Kaş organisiert, der zweimal die Woche mit der Fähre nach Kastelorizo kommt. Die Geschichte soll zeigen, neben politischen Spannungen gibt es auch das freundschaftliche Miteinander zweier benachbarter Völker ohne Hass und Polarisierung.

Die meisten Reisenden auf der Fähre sind Touristen aus der Europäischen Union, die während eines Türkeiurlaubs für einen Tag die Insel besuchen wollen. Die wenigen auf der Fähre sitzenden Türken haben einen sogenannten grünen Pass, mit dem sie jederzeit ohne Visum in die EU einreisen können. So ein Dokument bekommen beispielsweise hochrangige Beamte und deren Angehörige. 2,5 Millionen solcher Pässe wurden in der Türkei ausgestellt. Auch Kameramann Akın Baytöre hat einen grünen Pass, weil seine Frau früher im Finanzamt arbeitete. Cemal Taşdan lebte viele Jahre in Mühlheim an der Ruhr und besitzt deshalb eine uneingeschränkte Aufenthaltsgenehmigung für Deutschland. Mit dieser kann er ebenfalls jederzeit ohne Visum in alle EU-Länder einreisen.

In dem Gewässer zwischen türkischem Festland und griechischer Insel liegen zwei Kriegsschiffe. In der Bucht vor Kaş eines mit türkischer, in der Bucht von Kastelorizo eines mit griechischer Flagge. Während der Fahrt filmt Akın das türkische Kanonenboot. Kapitän Ali sieht ihm entspannt zu. Doch als sich die Fähre der Bucht der griechischen Insel nähert, signalisiert der Kapitän, die Kamera abzuschalten und auf den Boden zu stellen. Nur mit dem Handy darf man, wie alle Touristen an Bord, den Hafen von Kastelorizo und das darin liegende griechische Kriegsschiff filmen. Für Fernsehteams sei das strikt verboten, so Ali. 2020 wurden nach Medienangaben ein Kameramann und ein Journalist der Deutschen Welle vorübergehend auf der Insel von Sicherheitsbehörden festgehalten und gezwungen, Aufnahmen des Kriegsschiffs zu löschen. Filme man trotzdem und werde dabei erwischt, könne es eine hohe Strafe geben, warnt der Kapitän. »Außer man ist vom griechischen Fernsehen«, bemerkt Cemal, der wenige Tage zuvor, beim Besuch der Staatspräsidentin, auf der Insel war und gesehen hat, wie die griechischen Kameramänner ungehindert das Kriegsschiff filmen durften.

Alis Fähre legt an. Nach Verlassen des Schiffes müssen sich die Passagiere an der Grenzstation in einer Reihe anstellen. Passkontrolle bei der Einreise in die Europäische Union. Eine Wertegemeinschaft, deren Mitgliedsländer sich den Kopenhagener Kriterien verschrieben haben. Das bedeutet Wahrung der Menschenrechte, also auch der Pressefreiheit. Mit welcher Willkür diese Rechte auf der zur EU gehörenden Insel missachtet werden, zeigt sich wenige Augenblicke später.

Cemal kennt eine der griechischen Polizistinnen von seinem vorherigen Besuch. Sie grüßt ihn wie einen alten Bekannten. Für die Einfuhr einer Kamera aus der Türkei in die EU muss ein sogenanntes Carnet de Passages vorgelegt werden. Damit spart man sich Zollgebühren. Die zuständige Zollbeamtin stempelt das Dokument ab. Kapitän Ali geht voraus.

Die kleine Hafenstadt liegt wie ein Halbmond um die Bucht der Insel. Zwischen bunten Häusern und dem Hafenbecken stehen auf einem 3 bis 4 Meter breitem Kai Tische und Stühle der Restaurants und Cafés. Touristen und Einheimische genießen griechischen Mokka und die Sonne.

Producer Cemal hat mit verschiedenen Bewohnern Interviews vereinbart und folgt Ali zügig. Nach 20 Metern stellt sich der Polizeichef der Insel Kameramann Akın in den Weg. Er fragt ihn, wo er herkomme und wer er sei. Akın nennt seinen Namen und sagt, er sei vom deutschen Fernsehen. Es folgt die Frage nach der Drehgenehmigung und das Konfiszieren der Kamera. Auf den Hinweis, er verstoße gegen EU-Recht, antwortet der Polizeichef, man könne sich gerne beschweren, und geht.

Warum diese Aggression? Cemal und Akın überlegen, ob das Verhalten etwas mit ihrer türkischen Herkunft zu tun haben könnte. Es gibt viele unschöne Geschichten von Türken, die in Griechenland von Polizisten herablassend behandelt wurden.

In einem Café sitzt Maria Marakis. Ihre Familie lebt seit Generationen auf der Insel. Sie wundert sich nicht über die Grobheit des Beamten. Seit Erdoğans Drohungen sei die Stimmung auf Kastelorizo angespannt. Hier stationierte Soldaten und Polizisten seien äußerst nervös. Maria selbst wolle in Kürze nach Athen reisen und das erste Mal in ihrem Leben für einen längeren Zeitraum dort bei Verwandten verbringen. Das sei alles eine Folge der Politik, beklagt sie sich. Sie habe Angst vor einer militärischen Auseinandersetzung in der Region.

Ein australisches Fernsehteam ist für Dreharbeiten auf der Insel. Beim Gespräch mit den Kollegen stellt sich heraus, dass sie ebenfalls keine Genehmigung für Aufnahmen haben und bisher niemand so etwas verlangt habe. Sie könnten ohne Einschränkung filmen, sagen sie. Auch die Australier gehen davon aus, eine Drehgenehmigung sei auf einer Insel der Europäischen Union nach EU-Recht nicht nötig. Nach der Schilderung des Erlebnisses mit dem Polizeichef sind die Kollegen schockiert. Einer von ihnen vermutet, Cemals und Akıns Nationalität könnte der Grund für die Willkür sein. Sie raten, es noch einmal zu versuchen, den Polizeichef zu überreden.

Die Polizeistation liegt am anderen Ende der Bucht in einem im Kolonialstil gebauten Haus. Beim zweiten Anlauf, den Ordnungshüter zu überzeugen, wollen Akın und Cemal lieber nicht dabei sein, und warten in einem Café. Eine Kollegin in Athen hat unterdessen das griechische Außenministerium um Hilfe gebeten. Sie sagt, die Pressesprecherin des Ministeriums bemühe sich um eine Lösung. Man solle etwas warten, dann würde der Polizeichef sicherlich einsichtig werden. Hoffnung kommt auf. In der Türkei ist es oft so, dass Probleme mit Beamten durch ein freundliches Gespräch gelöst werden können. Eine der sehr angenehmen Eigenschaften der türkischen Kultur.

Anklopfen an der robusten Tür der Wache. Ein Hilfspolizist öffnet. Der Polizeichef kommt aus seinem Zimmer und ordnet im Befehlston an: »Warte draußen«. 15 Minuten Beine in den Bauch stehen. Schließlich kommt er vor die Tür und fragt sichtlich genervt, was nun schon wieder sei. Auf die Bitte, die Kamera zurückzugeben, antwortet er, dafür müsse man eine schriftliche Genehmigung für Aufnahmen auf der Insel haben. Auf die Frage, wo man die bekommen könne und ob man diese tatsächlich benötige, denn das australische Fernsehteam habe auch keine, antwortet er, dass er das auch nicht wisse, und verlangt den Pass. Dann fragt er, wo die Kollegen seien und fordert, diese anzurufen, damit sie zur Wache kommen. Kurz nach dem Eintreffen verlangt er auch deren Pässe. Danach weiteres Warten vor der Wache und noch ein Anruf in Athen.

Die Kollegin sagt, sie habe inzwischen zwei Mal mit dem dortigen Außenministerium gesprochen. Man bemühe sich, alles zu einem positiven Ende zu bringen. Auch sie sagt, es gebe ihrer Kenntnis nach keine Genehmigungsprozedur für journalistisches Arbeiten auf der Insel. Eine halbe Stunde ist vergangen. Der Polizeichef hat immer noch die Pässe. Kapitän Ali ruft Cemal an und sagt, der Physiotherapeut habe inzwischen die Behandlung mit Yorgo begonnen. Die Stimmung im Team wird schlechter. Ohne Bilder und Interviews muss der Bericht abgesagt werden. Nach einer Stunde kommt der Polizeichef mit den Pässen in der Hand aus der Station. Er lächelt gemein. Die Kamera bleibe in Polizeigewahrsam, sagt er uns. Sein abschätziger Blick auf die türkischen Kollegen lässt erahnen, es scheint ihm wenig um die Einhaltung von Regeln gehen.

Die Pressefreiheit ist auch in Griechenland zunehmend unter Druck. Ein Großteil der Massenmedien gehöre regierungsfreundlichen Unternehmern, monieren griechische Journalisten unabhängiger Zeitungen. Nachdem die Partei »Nea Dimokratia« des amtierenden Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis 2019 die Macht übernommen hat, wurden der öffentliche Rundfunk ERT und die staatliche Nachrichtenagentur ANA-MPA per Präsidialdekret direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt, so die Journalistenorganisation »Reporter ohne Grenzen«. ERT habe daraufhin »zensierte Berichte« aus Flüchtlingslagern gesendet.

Griechenland steht aktuell auf der weltweiten Rangliste in Sachen Pressefreiheit auf Platz 108 von 180 Ländern und ist somit um 38 Positionen regelrecht abgestürzt. Unter den Ländern der Europäischen Union ist Griechenland nach Ungarn und Bulgarien das Schlusslicht. Mitsotakis soll Unternehmer des Landes persönlich aufgefordert haben, in der unabhängigen Zeitung Documento keine Anzeigen mehr zu schalten. Das Ziel des Regierungschefs sei die Schließung des Blattes aus ökonomischen Gründen, befürchtet der Herausgeber.

Ein Fotojournalist, der die Räumung einer von Flüchtlingen genutzten Schule dokumentieren wollte, beklagt, die Polizei habe ihn dort festgenommen und wegen Hausfriedensbruch angeklagt. Er wurde freigesprochen. Zumindest ist die Justiz in Griechenland noch so unabhängig, dass es keine politisch motivierten Inhaftierungen von Journalisten wie in der Türkei gibt. Doch die Tendenz der Regierung in Athen ist eindeutig und es scheint, als habe sich Mitsotakis einiges vom Präsidenten in Ankara abgeschaut, wenn es darum geht, Medien auf Linie zu bringen. Das autoritäre Verhalten des Polizeichefs auf Kastelorizo zeigt, auch EU-Länder sind nicht gefeit vor der Einschränkung demokratischer Grundrechte.

»Noch einen Schritt, Yorgo!« Ali animiert seinen griechischen Freund auf Türkisch. Der Physiotherapeut übt mit Yorgo vor dem Restaurant der Familie das Gehen. Alteingesessene Griechen in der Ägäis beherrschen neben ihrer Landessprache auch Türkisch. Kameramann Akın filmt die Szene mit dem Mobiltelefon. Das kann der Polizeichef schlecht verbieten. Die Bilder haben nicht die für Fernsehberichte übliche Qualität, aber die Geschichte scheint gerettet. Die physiotherapeutische Behandlung ist eine Schlüsselszene im Bericht über die Freundschaft der beiden Kapitäne. Die Anteilnahme des Türken Ali an der Gesundheit seines griechischen Freundes Yorgo ist berührend.

Yorgos Sohn sitzt währenddessen an einem der Tische des Restaurants und telefoniert. Bisher hat er sich unauffällig im Hintergrund gehalten. Seine Frau und deren Tochter bedienen im Restaurant. Plötzlich steht er auf, blickt zornig und schimpft auf Griechisch. Mit rüden Handbewegungen gibt er Akın zu verstehen, dieser solle umgehend das Filmen mit dem Handy einstellen. Was ist passiert?

Kapitän Ali dreht sich weg und geht. Türken sind, was Gastfreundschaft angeht, sehr sensibel. Benimmt sich ein Gastgeber wie Yorgos Sohn, ist es Zeit zu gehen. Ali ist der Ärger sichtlich unangenehm. Erst wird die Kamera konfisziert, im Anschluss fast eineinhalb Stunden vor der Polizeistation ausharren und nun der aus heiterem Himmel zornige Sohn des griechischen Kapitäns. All das vor der malerischen Kulisse der aufwendig restaurierten, bunten Häuser rund um die Hafenbucht der Insel Kastelorizo. Eine groteske Situation. Man hat den Eindruck, die ganze Insel habe sich verschworen.

Yorgos Enkelin blickt verständnisvoll. Auf die Frage, was ihren Vater plötzlich so verstimmt habe, sagt sie, der Polizeichef habe angerufen und ihn aufgefordert, keine Interviews zu geben. Er habe auf der Insel viel Macht und übe auf alle erheblichen Druck aus, erklärt sie entschuldigend.

Im März 2022 besucht der griechische Ministerpräsident Mitsotakis die Türkei. Erdoğan und er versuchen, den Eindruck zu vermitteln, sie wollten vergangene Querelen überwinden. Vor den Kameras versprechen sie, man konzentriere sich in Zukunft auf vereinende statt trennende Positionen. Ein Tiefpunkt im griechisch-türkischen Verhältnis war der Ansturm von Flüchtlingen auf die griechische Grenze im Februar 2020. Einiges sprach dafür, dass Ankara ein politisches Interesse verfolgte, als Hunderte junger Männer tagelang versuchten, gewaltsam den griechischen Grenzzaun zu überwinden. Im folgenden Sommer eskalierte der Streit um Erdgasfelder im östlichen Mittelmeer. Das versöhnlich gemeinte Treffen sollte die Wogen glätten.

Die gegenseitige Charmeoffensive findet nach zwei Monaten ein jähes Ende. Mitsotakis fliegt nach Washington und reißt das Haus in Trümmer. Er fordert vor dem US-Kongress, das Risiko einer Destabilisierung des südöstlichen NATO-Flügels in Betracht zu ziehen, wenn Entscheidungen über Rüstungsexporte in der Region gefällt werden. Ohne es offen auszusprechen, rät er US-Abgeordneten, keine Lieferung von F-16-Kampfjets an die Türkei zu genehmigen.

Das ist für Erdoğan ein Schlag ins Gesicht. Dieser hatte sich seit zwei Jahren händeringend um die Genehmigung der Lieferung für die türkische Luftwaffe bemüht. Dass Mitsotakis diesen Deal verbaut hat, lässt Erdoğan toben. Er werde sich mit ihm nicht mehr an einen Tisch setzen, schimpft er öffentlich.

Warum hat der griechische Regierungschef diese Rede gehalten? Ging es ihm allein um die Sicherheit seines Landes, oder gab es ein machtpolitisches Kalkül? Der Auftritt vor dem US-Kongress und Erdoğans Reaktion bringen für das Verhältnis der beiden Regierungschefs und der Länder den Wendepunkt. In Griechenland finden im April turnusgemäß Parlamentswahlen statt, in der Türkei ebenfalls in der ersten Hälfte des Jahres 2023. Vieles spricht dafür, dass Mitsotakis, ähnlich wie Erdoğan, spekuliert, er könne nationalistische Wähler durch einen außenpolitischen Konflikt für seine Sache mobilisieren. Ein aggressiv auftretender, drohender Erdoğan treibt die Griechen eher in die Arme der konservativen Regierungspartei »Nea Dimokratia« als eine gedeihliche Partnerschaft mit dem Nachbarland, so möglicherweise das Kalkül des Griechen. Erdoğans wiederholte Drohung, die türkische Armee könne eines Nachts kommen, scheint Mitsotakis nicht zu schaden. Obwohl im Sommer öffentlich wurde, dass der griechische Geheimdienst illegal einen Oppositionspolitiker, einen Journalisten und Geschäftsleute abgehört haben soll, liegt die »Nea Dimokratia« bei Umfragen auf Platz eins. Ist der Konflikt zwischen Erdoğan und Mitsotakis eine Win-win-Situation?

Kein nüchterner Beobachter in der Region kann sich vorstellen, die beiden NATO-Partner wollten tatsächlich die vollständige Eskalation. Auf militärischer Ebene gibt es gut funktionierende Gesprächskanäle, um Missverständnisse zu vermeiden, die zu Waffengewalt führen könnten. Dennoch kommt bei Diskussionen um einen möglichen Konflikt immer wieder der Verweis auf zwei kleine unbewohnte Inseln, die griechisch Imia und türkisch Kardak heißen.

Im Januar 1996 steigen der Bürgermeister und der Priester der Nachbarinsel Kalymnos in einem Anfall von Nationalismus auf ein Boot, fahren auf eine der beiden Inseln und setzen dort eine griechische Flagge in den Boden. Einen Tag später lassen sich Journalisten der türkischen Tageszeitung Hürriyet von einem Hubschrauber auf der Insel absetzen, entfernen die griechische Flagge und setzen eine türkische an deren Stelle. Das Schauspiel wird live im türkischen Fernsehen übertragen. Wieder einen Tag später schickt die griechische Regierung ein Marineschiff, das erneut die Flaggen austauscht. Griechische Soldaten halten eine der beiden Insel besetzt.

In den Folgetagen liefern sich die damalige türkische Regierungschefin Çiller und der griechische Regierungschef Simitis einen verbalen Schlagabtausch. Schließlich befinden sich mehr als 30 Kriegsschiffe rund um die 4 Hektar großen unbewohnbaren Inselchen. Als nächstes versuchen türkische Soldaten, auf der griechisch beflaggten Insel zu landen. Deren Boot wird jedoch von der griechischen Marine abgedrängt. Das zweite Eiland kann die türkische Armee durch eine nächtliche Kommandooperation erfolgreich einnehmen. Ein griechischer Militärhubschrauber stürzt kurz darauf ab. Drei Soldaten sterben. Später heißt es, türkische Soldaten haben auf den Hubschrauber geschossen. Schließlich schaltet sich der damalige US-Präsident Bill Clinton ein und vermittelt. Die beiden Länder ziehen ihre Kanonenboote wieder ab. Ein Beispiel dafür, wie kurz die Zündschnur der Beteiligten sein kann.

Kameramann Akın sieht sich die Bilder von Kapitän Yorgo während der physiotherapeutischen Behandlung auf dem Mobiltelefon an. Er habe alles, was nötig sei, inklusive des plötzlichen Wutanfalls von Yorgos Sohn. Besser wäre ein Interview mit ihm gewesen, aber das wusste der Polizeichef zu verhindern.

Es ist 15.00 Uhr. Noch eine Stunde, bis die Fähre nach Kaş ablegt. Keiner der Gesprächspartner, mit denen weitere Interviews vereinbart wurden, ist zu erreichen. Cemal vermutet, der Polizeichef habe nicht nur Yorgos Sohn überredet, mit den Deutschen nicht zu sprechen. Das Mobiltelefon klingelt. Während des Gesprächs wird Cemals Gesicht länger und länger. Das sei die Zollbehörde der Insel gewesen, sagt er. Die Behördenleiterin habe uns aufgefordert in ihr Büro zu kommen. Etwas mit dem Carnet de Passages, also den Zollpapieren, unserer konfiszierten Kamera sei nicht in Ordnung.

Der Zoll hat seinen Sitz am Hafen in der Nähe des Anlegers. Die Leiterin sagt zur Begrüßung, sie freue sich besonders, dass sie an einem Sonntag wegen uns hierherkommen musste. Die Atmosphäre ist sofort feindlich. Neben ihr sitzt ihre junge Kollegin, die bei der Ankunft am Vormittag unsere Papiere anstandslos bearbeitet hat. Auf die Frage, was an den Dokumenten nicht in Ordnung sei, antwortet sie, es gebe ein Problem mit dem Ausfuhrdokument. Sie könne dieses nicht abstempeln, denn es sei lediglich für eine Ausfuhr aus Deutschland vorgesehen.

Wir sagen ihr, »Der deutsche Zoll hat uns dieses Carnet de Passages explizit für die Einreise nach Griechenland und die Ausreise in die Türkei gegeben und ein anderes gibt es nicht«. Gleichzeitig rufen wir einen Kollegen an und bitten ihn, den Zoll in München zu fragen, was bei den Dokumenten nicht stimmen könnte. Der Kollege bekommt die Auskunft, die Papiere seien in Ordnung, denn das Ausfuhrdokument, auf dem Deutschland steht, kann auf sämtliche EULänder übertragen werden, und Griechenland sei ein EU-Land.

Die griechische Zollbeamtin will diese Erklärung nicht akzeptieren. Sie beginnt, andere griechische Zollbehörden anzurufen. Athen, Rhodos, Lesbos. Keiner nimmt ab, denn es ist Sonntag. Um 15.45 Uhr fragen wir sie, ob sie der Einfachheit halber eine Strafe kassieren will. Sie ignoriert die Frage und versucht weiter, Kollegen per Telefon zu erreichen. Um kurz vor 16.00 Uhr kommt Kapitän Ali in die Behörde und fragt uns, wann wir endlich kommen würden, denn er müsse ablegen. Sämtliche Passagiere seien bereits auf der Fähre.

Plötzlich steht der Polizeichef in der Zollbehörde und lächelt bittersüß. Er fragt die Leiterin gar nicht, was los sei, sondern beobachtet entspannt, wie die Journalisten, denen er die Kamera abgenommen hat, immer unruhiger werden. Geht es darum, uns auf der Insel zu behalten? Schließlich sagt die Leiterin der Zollbehörde, wir müssten eine Strafe von 300 Euro bezahlen. Bevor wir auf die Fähre steigen dürfen, zwingen uns griechische Polizisten, ihnen die Aufnahmen unserer Kamera zu zeigen, die den Tag über konfisziert war. Es sind die Bilder, die Kameramann Akın während der Fahrt mit der Fähre auf dem Weg nach Kastelorizo am Vormittag gefilmt hat. Auf die Frage, was das soll, antworten sie nicht.