New Politics: erneuerte Parteien und Parlamente

Technologische, gesellschaftliche und soziale Disruption wird nicht nur unsere Unternehmen, unser Leben und Arbeiten gehörig umkrempeln. Auch die Politik wird nicht Insel der Seligen bleiben. Sie hat ebenfalls ihre zerstörerischen Ubers – ob sie nun »5 Sterne« heißen, Schwedendemokraten, Brexit Party oder Perussuomalaiset. Die Politik hat ihre eigenen selbstzerstörerischen Viren, die Urteilsfähigkeit erodieren und politische Programmatik in geistigen Gefängnissen enden lassen. Mit der Konsequenz, dass pragmatische Politik ideologischer Konformität und reiner machtpolitischer Klempnerei weicht und Bürgerinnen und Bürger immer mehr am Politikapparat (ver-)zweifeln. Wie alle etablierten Organisationen müssen auch politische Parteien deshalb alles daransetzen, ihre Verkrustungen aufzubrechen und sich zu revitalisieren.

Parteiinteressenten: Bittsteller oder Gesuchte?

Bei der Parteimitgliedschaft fängt es an. Man muss einen Aufnahmeantrag stellen und oft monatelang warten – wie bei arroganten oder ignoranten Unternehmen. Wie oft habe ich Interessenten (nicht nur meiner FDP) beim Parteieintritt beraten und dann nach Monaten nachhaken müssen, weil sich die von mir ermittelte Kontaktperson gar nicht bei den Interessenten gemeldet hatte. Unterste Sprosse! So stößt man Menschen ab und kann Parteimitglieder auch nur aus den Menschen auswählen, die sich bewerben. Kluge Unternehmen gehen ganz anders vor, gerade wenn sie die Diversität ihrer Organisation vorantreiben. Sie verlassen sich nicht auf den Zufall, sondern gehen gezielt auf Kandidaten zu. In der Wirtschaft nennt man das active recruiting mit entsprechender candidate experience nach dem Motto: Parteieintritt und die ersten 100 Tage danach sollen ein eindrucksvolles Erlebnis werden. An dieser Stelle kommt oft ein Totschlagargument: Man könne Freiwilligenorganisationen nicht vergleichen mit Unternehmen. Ich meine: Man kann. Und man muss.

Ohne Balance zwischen unkonventionell Kreativen und effizient Funktionierenden verliert jede Organisation ihr Drehmoment. Das ist gegenwärtig schmerzlich für Parteien. Ihre Mitglieder haben sich mit Nibelungentreue oft über Jahrzehnte hochgedient, Parteitagsbeschlüsse mitgetragen und dem Mainstream entsprochen. Zudem fördern parteigeladene soziale Netzwerke oft Stromlinienförmigkeit und mehr vom Selben. Schrägdenker oder Kreative fehlen.

Wo sind heute die Joschka Fischers, die Guido Westerwelles, die mit Turnschuh antibürgerliche Kante mit Style verbunden oder mit dem »Guidomobil« neue Wege ausprobiert haben? Wo ist heute ein Kaliber wie Franz Müntefering, der Debatten über Heuschrecken entfachte? Wo sind die Ralf Dahrendorfs und Heinrich Albertze, die auf den Lautsprecherwagen klettern und mit den heutigen Rudi Dutschkes öffentlich debattieren? Durchgestylte Talkshows ersetzen das nicht. Es darf uns Liberale nicht interessieren, wenn wir ob kreativer Wege verspottet werden. Wir brauchen nur die Prozente einer liberalen Partei: mindestens 5, optimal 12 bis 15 Prozent.

Nach vier Legislaturperioden Merkel’scher asymmetrischer Demobilisierung ist der originellste Politiker im Bundestag ein 1992 geborener Mann mit zu großer Brille: Philipp Amthor. Weil alle anderen herrschenden Vorstellungen entsprechen, reichen ihm seine Skurrilitäten, um aus der Masse herauszuragen. Als Role Model taugt er indessen nicht. Denn der der Korruption Verdächtigte erreicht nur die eigene Blase: die politische Klasse aus Mandatsträgern und Journalisten. Ein zweiter origineller Politiker ist Helge Lindh, der als Bundestagsredner selbstgestrickte Gedichte vorträgt.

Quereinsteiger und Parteilose: ungeschliffene Juwelen

Die politische Klasse kämpft mit einem Phänomen, das schon früher die Herrschenden in Europa vor ein Problem stellte: Inzest. Drücken wir es höflicher aus: geschlossene Systeme und interne Reproduktionsprozeduren. Die politische Klasse speist sich aus sich selbst: Abgeordnete sind häufig ehemalige Abgeordnetenmitarbeiter oder Parteimitglieder, die sich über viele Jahre in Ochsentouren aufgerieben, sich um die Konformität der Partei verdient gemacht und dabei gelernt haben, innerparteiliche Mehrheiten im Hinterzimmer zu organisieren. Auf die Suche nach künftigen Mandatsträgern gehen Parteien nur intern – mit wenigen Ausnahmen. Schmidt sucht Schmidtchen, frisches Blut von außen fehlt. Politik und Wirtschaft tauschen ihr Personal meist nur in eine Richtung aus. Meine eigenen Erfahrungen als Quereinsteiger beschreibe ich in diesem Buch.

Müssen Bewerber um ein politisches Amt immer Parteimitglied sein? Viel zu viele parteilose Meinungsbildner und Experten werden so von der politischen Arena ferngehalten. So wie Wirtschaftsstrukturen flüssiger werden, so braucht es auch Durchlässigkeit in politischen Organisationen. Parteilose Topkandidaten sind Bereicherung für die Wähler wie die Partei.

Eng hingegen ist die Bandbreite derjenigen, die Parteien in die Parlamente entsenden. Keine Max-Planck-Direktorin, kein Theaterregisseur, kaum ein erfolgreicher Gründer, der bei Trost ist, käme hierzulande auf die Idee, in die Politik zu wechseln. Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter zu politischen Karrieren ermutigen, machen sich zudem sofort verdächtig, sich verlängerte Arme ins Parlament schaffen zu wollen. Ich rede nicht einer soziologischen Abbildung der Gesellschaft im Parlament das Wort. Dann könnte man ja das Parlament durch Zufall zusammensetzen. Das sei all denen gesagt, die beklagen, dass das Parlament zu wenige Arbeiterkinder oder Handwerker hat.

Und diese unabhängigen Köpfe muss es in kritischer Anzahl geben. Ich bin als Einzelner am alten System gescheitert. Verena Hubertz zum Beispiel, die eine bekannte Start-up-Unternehmerin war und seit 2021 als Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag sitzt, scheint mir im Vergleich mit ihrer früheren öffentlichen Wirkung inzwischen ein Schatten ihrer selbst geworden zu sein. Sie war mit viel Energie und neuen Ideen angetreten. Es ist ja häufiger so, dass frisch in die Politik eingestiegene Abgeordnete anfangs wirklich etwas bewegen wollen fürs Land. Und dann dauert es nur wenige Monate, bis sie ernüchtert feststellen, dass sie selbst als eine der zahlreichen Vize-Fraktionschefs nur ein kleines Rädchen sind und die Mühlen extrem langsam laufen. Sie verglühen langsam mit ihren Aspirationen und fragen sich dann in der Mitte ihres Lebens: Was mache ich hier eigentlich? Auch Katja Suding beschreibt in ihrem Buch »Reißleine« dieses Verglühen und Aufgeriebenwerden in den vielen Konflikten in Partei und Parlament. Das liegt nicht zuletzt an den vielen großen und kleinen George Santossen, denen es nur um ihr eigenes Wohl geht.

Was der deutschen Politik fehlt: Diversity of Mind & Experience. Von großer Bedeutung angesichts der zunehmenden Zahl von Wechselwählern. Immer weniger sind zu 90 Prozent vom Programm einer Partei überzeugt. Immer mehr fordern Pragmatik statt Ideologie, Typen statt Funktionäre, offene Plattformen anstelle rigider Parteistrukturen. Ich selbst habe meine geschätzte eigene Partei immer das kleinste Übel genannt und war zufrieden, wenn ich das Wahlprogramm zu 60 Prozent mittragen konnte.

Parteien als offene Plattformen

Parteien brauchen deshalb neue Antworten auf die neue Lage, zum Beispiel eine neue Offenheit: Die Union hat keine farblosen Merkelianer nötig, sondern knorrige Konservative wie die gereifte Jungministerin a. D. Kristina Schröder oder gar NRW-Innenminister Herbert Reul. Die Grünen brauchen die deutlich sichtbaren Mittelstandsversteher jenseits der Windrad-Umarmer. Freie Demokraten brauchen (nicht zuletzt in ihrer Bundestagsfraktion) überzeugte Klima-Entrepreneure über reine Rhetorik hinaus, die SPD die echten Sozialen Marktwirtschaftler wie dereinst Karl Schiller oder Wolfgang Clement. Keine Feigenblätter, sondern gestandene Persönlichkeiten, deren Leidenschaft für das Thema spürbar ist und die nicht nur das Sachthema routiniert abspielen, weil sie dafür zuständig gemacht wurden.

Damit verflüssigen sich natürlich die ideellen, programmatischen, ja, ideologischen Grenzen zwischen Fraktionen. Das muss auch Konsequenzen haben für den sogenannten Fraktionszwang bei Abstimmungen. Heute ist der nur bei hypermoralischen Thesen aufgehoben wie zum Beispiel bei der Ehe für alle oder bei der Sterbehilfe. Ansonsten müssen von der Fraktion abweichende Voten vorab der Fraktionsführung angezeigt werden. Ab und an wird man dann massiv beknetet.

Fraktionen wollen ideologische Abgrenzung, Bürger wollen übergreifende Problemlösung. Ein deutlich liberalerer Weg im Umgang mit Fraktionszwang wäre die Möglichkeit themenzentrierter Koalitionen nicht nur bei Fragen, die das Gewissen strapazieren. Dann könnten zwei Oppositionsparteien zum Beispiel neue Ideen zur Energiewende erarbeiten. Oder gar mit einer Regierungspartei zusammen. Co-Kreation statt Kampf. Die Schweiz löst diese Herausforderung mit einer »Zauberformel« in dem für sie typischen Konkordanzprinzip. Diese beruht auf einer Vereinbarung der vier größten Parteien des Landes aus den 1950er Jahren. Nach ihr verteilen sich die Regierungssitze im Bundesrat, der Schweizer Bundesregierung, der aus sieben Mitgliedern besteht: Nach jeder Parlamentswahl erhalten die drei stärksten Fraktionen jeweils zwei Sitze und die nächstgrößte einen Sitz. Dies stellt sicher, dass die wichtigsten politischen Kräfte in der Regierung vertreten sind und Entscheidungen möglichst im Konsens getroffen werden. Ein Modell für Deutschland? Wenn ich solche Beispiele nenne, gehe ich nicht davon aus, dass sie eins zu eins auf die Bundesrepublik übertragbar sind. Aber wir sollten uns bewusst machen, wie variantenreich Demokratien funktionieren können.

All dies stellt – nicht nur, aber zuallererst – den innerparteilichen Frieden und seine alteingesessenen Strukturen vor gewaltige Herausforderungen. Aber es würde den Resonanzkörper »draußen bei den Wählern« signifikant vergrößern und etablierte Parteien besser dagegen wappnen, von politischen Ubers marginalisiert zu werden. Für die französischen Konservativen kommt dieser Rat zu spät. Die Lösung heißt: Öffnung.

Gerade das starre, von regionaler Repräsentanz dominierte System aus Wahlkreiskandidaten und Landeslisten braucht eine Auffrischung. Proporz sollte keine größere Rolle spielen als Erfahrungsschatz, Expertise, Hintergrund – egal, ob mit oder ohne Parteibuch. So bricht man Gleichförmigkeit auf. Warum entscheiden allein Parteimitglieder, welche Kandidaten aufgestellt werden? Wäre es nicht ein Experiment wert, in Vorwahlen wie in den USA auch die Wähler zu Wort kommen zu lassen, mit Voten zur Meinungsbildung?

Solche Maßnahmen würden es Parteien auch erleichtern, Menschen von außen für sich oder gar für Kandidaturen zu gewinnen. Menschen, die nicht aus dem tradierten Umfeld einer Partei stammen und sich abgeschreckt fühlen von Hinterzimmerwahlen mit Wimpeln und Monologen.

Und es gibt noch weitere Schritte, Gleichförmigkeit aufzubrechen. Die Begrenzung der Wählbarkeit, zum Beispiel auf zwei Legislaturperioden, würde Mandatsträger ganz anders unter Druck setzen, ihre Beruflichkeit auf mindestens zwei Beine zu stellen. Ich kenne Minister und Abgeordnete, die die Politik liebend gerne gen Privatwirtschaft verlassen würden. Das ist selten einfach (außer man möchte Lobbyist oder Politikberater werden). Andere wiederum klammern sich an ihr Mandat, weil sie außerhalb eines Parlaments keinen ähnlich gut bezahlten Job bekämen. Das hängt auch mit Kompetenzen und deren Entwicklung zusammen. Ich will nicht daran rütteln, dass Aufstellungsversammlungen finale Entscheidungen treffen. Aber was spricht dagegen, dass Bewerber ihre Kompetenzen zuvor transparenter und vergleichbarer machen und damit werben? Dass diese Kompetenzen gezielt entwickelt werden? Und dass man sie danach gründlich befragt?

Personalmanagement für Parteien

Politiker von heute und ihre Mitarbeiter brauchen cross-sektorale Kompetenzprofile, die sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft funktionieren. Und Parteien brauchen ein umfassendes Talentmanagement. Weiterführen könnte man diesen Gedanken, indem Parteien Human-Resources-Manager einstellen, die Talenten in Assessment-Centern den Blick schärfen auf die eigenen Fähigkeiten bis hin zu nötiger Kompetenzentwicklung. Anschließen könnten sich gezielte Lernaktivitäten zu Themen wie Projektmanagement, Menschenführung, Fachexpertise. Notwendig, aber noch nicht ausreichend. Parteien und Parlamente müssen sich klarmachen, dass auch sie im Wettbewerb stehen um die besten Köpfe. Was kann eine Partei tun, um ihre Attraktivität als Arbeitgeber zu stärken?

Wie können Fraktionen und Parteien sich als Talentmagnete aufstellen, wie können sie Avantgarde werden für moderne Arbeitswelten und Talentförderung? Und das Politiksystem in Gänze braucht eine Legislative, die der Exekutive Paroli bieten kann und nicht mangels Kompetenzen unfähig ist, die Exekutive zu kontrollieren und zu beraten.

Die Politik muss etwas dafür tun, dass ihre Arbeitswelt der Privatwirtschaft nicht immer weiter hinterherhängt. Wer nach der Ausbildung direkt in die Politik geht – ob als Mandatsträger oder Mitarbeiter – und nach fünf oder zehn Jahren in ein Privatunternehmen wechseln möchte: Die oder der wird sich umschauen. Denn er oder sie hat nur Old Work gelernt.

Welche New-Work-Erfahrungen bietet der Parlamentarismus? Kann ich mich als Mitarbeiter eines Abgeordneten oder einer Fraktion darauf verlassen, dass ich nach vier Jahren eine ähnliche Employability erworben haben werde wie etwa ein Referent beim Bitkom? Dass ich die Schritte der modernen Arbeitswelt mitgegangen bin in punkto Digitalisierung, Kollaboration, Agilität? Das fängt damit an, dass die Silos der Abgeordnetenbüros um fraktionsinterne und -übergreifende Co-Working-Spaces bereichert werden, zum Beispiel entlang der Fraktionsflure und dazwischen.

Unternehmen haben vor vielen Jahren begonnen, mit Open Spaces die departementalen Zwistigkeiten zu bewältigen oder gemeinsame Lösungen zu schaffen. Open-Space-Foren zwischen Parlamentariern, unabhängig vom Parteibuch und im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen, könnten ebenso katalysatorisch sein.

Neue Arbeits- und Möglichkeitsräume zu schaffen, bis hin zu einer »Bundesbeteiligungswerkstatt«, wie es einige fordern, offen für cross-sektorale Akteure aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft und Kunst: All dies sind kluge Experimente, um das Vertrauen in die Politikerkaste und ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.

Was ich andenke, ist ein erster Wurf für modernes Talentmanagement und moderne Organisationsentwicklung in politischen Parteien. Weitere müssen folgen. Erfolgreiche Parteien müssen sich reformieren, müssen auch langgeliebte Traditionen in Frage stellen. Sonst riskieren sie ihre Existenz und wir am Ende unsere Demokratie.

Das Parlament als offenes System

Auch das parlamentarische System braucht seine Öffnungen für Weiterentwicklung. Vox populi, Vox Rindvieh. Eine ursprünglich wohl von Hesiod stammende und von Franz Josef Strauß wiederbelebte Provokation. Die irische Bürgerversammlung, die weit mehr als eine Alibiveranstaltung war, zeigte den Weg. Es geht hier nicht um Schattenparlamente, sondern um Instrumente direkter Demokratie, die das bestehende System gehaltvoll flankieren. Die irische Bürgerversammlung erörterte die Themen Abtreibung, alternde Bevölkerung, Klimawandel, Referenden und befristete Parlamente. Bei den letzten beiden beschloss das Parlament keine weiteren Schritte, bei den übrigen wurde ein gemeinsamer Ausschuss von Parlament und Bürgerversammlung gegründet. Zur Abtreibungsfrage empfahl dieser Ausschuss eine Verfassungsänderung. Und im daraufhin vom Parlament beschlossenen Verfassungsreferendum stimmten 66,4 Prozent der Wähler für die Änderung. Für diese Bürgerversammlung gab es einen Vorläufer: den irischen Verfassungskonvent mit 33 Abgeordneten und 66 zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern. 2015 kam es dabei zu einem Verfassungsreferendum, das die gleichgeschlechtliche Ehe legalisierte. Irland löste so zwei große gesellschaftliche Konflikte, indem es die Bürger beteiligte: einerseits in Form deliberativer Demokratie, also in repräsentativen Miniöffentlichkeiten, und andererseits über direkte Demokratie, also Referenden.

Natürlich waren es im erzkatholischen Irland vor allem Themen wie Abtreibung und Ehe für alle, also für Irland existenzielle Themen. Aber Meinungsbildung in durch Zufall ausgewählten Bürgerparlamenten ließe sich auch auf andere wichtige Themenfelder ausweiten. Eine Begründungspflicht für Ablehnungen von mehrheitlich gefällten Bürgerparlamentsentscheidungen würde parlamentarische Arbeit stimulieren. Die jetzt von der Ampel-Regierung vorgesehenen Bürgerräte sind Alibiveranstaltungen. Frank A. Meyer schrieb zu diesem Thema im Magazin Cicero im Juni 2023: »Bürgerräte gibt es in der Demokratie bereits. Sie heißen Parlament. Die nun geforderten Bürgerräte – nach dem Zufallsprinzip per Los bestimmt, vor allem aber von Wissenschaftlern beraten – sind luftige Lobby-Gremien: Influencer-Instrumente einer akademischen Elite, Vorspiegelung von Demokratie unter Missbrauch von Statisten aus der Bürgerschaft.«

Offenheit gegenüber Stimmen des Volkes muss sich auch in einer Offenheit für Meinungsbildung innerhalb des parlamentarischen Raums widerspiegeln und Konsensbildungsprozesse ermöglichen – zwischen Opposition und Regierung und zwischen Oppositionsparteien. Sie würden aus dem antagonistischen Politiktheater einen sehr viel versöhnlicheren, konsensorientierteren Problemlösungsansatz für die Herausforderungen des Landes machen.

Die Bürger interessieren sich nicht dafür, wie viel Gift eine Fraktion der anderen in die Suppe schüttet. Sondern dafür, dass Probleme gelöst werden.