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Rita Thiel lebte in Britz, einem Stadtteil von Neukölln. Wir brauchten rund eine Dreiviertelstunde bis zu ihr. Eine etwas abseits gelegene Straße mit viel Grün. Ihr kleines Haus musste kurz nach dem Krieg errichtet worden sein. Unscheinbare, graue Fassade, Zweistöckig mit Satteldach und Sprossenfenstern. Rechts davon befand sich ein überdimensioniertes Nebengebäude. Es wirkte verlassen, ungenutzt.

Wir hatten uns telefonisch angekündigt. Sie musste auf uns gewartet haben, denn noch bevor wir klingeln konnten, kam sie uns durch den Garten entgegen. Auf dem Weg ins Haus erzählte sie uns, dass sie das Grundstück von ihren Großeltern geerbt hatte. Ihr Opa habe in der Garage und der angrenzenden Werkstatt eine Autosattlerei betrieben.

Sie führte uns in ihre Wohnküche. Dabei hatte ich Gelegenheit einen Blick ins nächste Zimmer des Erdgeschosses zu werfen. Mehrere PCs und ein Gewirr von Kabeln. Es sah fast so aus wie bei Wiebke.

Wir nahmen an einem großen Esstisch Platz. Sie hatte eisgekühlten Zitronentee vorbereitet und goss uns ein.

Wir tranken.

»Wie kommen Sie denn voran?«, fragte sie uns. Die Zeit für Smalltalk war vorbei.

»Wir haben den Red Room gefunden«, erwiderte Maximilian. »Genau, wie Sie ihn beschrieben haben.«

Ihre dunkelgrauen Augen blitzten interessiert auf. »Konnten Sie sich Zutritt verschaffen?«

»Nein, bislang nicht«, übernahm ich. »Aber wir sind dran.«

»Der Code, nicht wahr?«, meinte sie. »Daran bin ich auch gescheitert.«

»Mal sehen«, sagte ich. »Unsere Kollegin kennt sich da wirklich gut aus.«

Maximilian setzte sein Glas ab. »Das ist die eine Sache, die wir weiterverfolgen. Die andere Schiene ist Ron Eiger.«

Ihre Lider zuckten, als sie den Namen hörte. »Der tote Einbrecher neben Hajo.«

Maximilian nickte.

»Den ich umgebracht haben soll«, fügte sie an.

»Wir sind dabei, sein Umfeld ein wenig unter die Lupe zu nehmen.«

Sie schaute von ihm zu mir. »Mit Erfolg?«

»Als Erfolg würde ich das noch nicht bezeichnen«, sagte ich. »In seinem Wohnhaus kennt ihn niemand mehr oder will ihn nicht kennen. Verwandte hatte er keine bis auf eine Schwester, die weit weg lebt. Und bei seinem letzten Arbeitsplatz behaupten alle, er war nett. Doch Substantielles kommt da auch nicht.«

»Also letztendlich erneut Fehlanzeige?« Sie presste ihre vollen Lippen zusammen.

»Nicht ganz«, meinte Maximilian vorsichtig. »Es könnte sein, dass er Kontakte zur Drogenszene hatte. Da steht zwar noch ein großes Fragezeichen dahinter, doch das prüfen wir derzeit.«

»Drogen«, wiederholte sie und strich sich eine Strähne ihres dichten, dunklen Haares aus der Stirn.

Ich nickte. »Deshalb stellt sich uns die Frage, ob der Einbruch bei Ihrem Freund Hajo und der Mord etwas mit Rauschgift zu tun gehabt haben könnten.«

»Wie meinen Sie das?« Sie warf mir einen scharfen Blick zu.

»Nun, der ausgeraubte Safeā€¦«

»Sie denken, da waren Drogen drinnen?«

»Wir müssen Sie das direkt fragen«, erwiderte Maximilian. »Hat Ihr Freund Hajo Rauschgift verkauft oder konsumiert?«

»Das glaube ich jetzt nicht!«, stieß sie entgeistert hervor.

Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht böse gemeint. Das könnte vieles erklären. Die Brutalität während des Raubes. Wenn jemand unter Narkotika steht, macht er Dinge, die er im normalen, nüchternen Zustand eher nicht macht.«

Sie atmete tief durch. »Ich verstehe schon, warum Sie diese Überlegungen anstellen. Ich kann Ihnen nur sagen: Hajo und ich waren länger zusammen. Ich hätte es gemerkt, wenn es da ein Problem gegeben hätte. Er hat von Drogen absolut die Finger gelassen. Er hat ja selbst Alkohol kaum angerührt.«

»Deshalb könnte er trotzdem damit gehandelt haben«, beharrte ich.

»Dann hätte ich das aber irgendwann einmal mitbekommen müssen.«

»Das haben Sie nie?«

»Nein.« Sie machte eine Pause, oder sie zögerte, sicher war ich mir da nicht »Nie.«