Martins Gesicht war verzerrt, seine Stirn und seine Glatze voller Schweißperlen. Ächzend und stöhnend versuchte er, aus seiner dritten Liegestütze nach oben zu kommen. Fast sah es so aus, als würde er es schaffen. Dann brach er zusammen und fiel zurück zu Boden.
Ich sprang von meinem Stuhl auf, packte ihn unter den Schultern und half ihm, sich aufs Bett zu setzen. Er keuchte schwer.
Schweigend reichte ich ihm eine Mineralwasserflasche. Er trank einen großen Schluck.
»Läuft doch schon ganz gut«, bemerkte ich.
»Gut?« Er schnaubte. »Ich bin ein verdammter Invalide!«
Ich sah ihn an. »Was erwartest du? Du hast unheimliche Fortschritte gemacht. Deine Entzugserscheinungen sind fast weg.«
»Von wegen! Ich zittere immer noch, meine Verdauung spielt verrückt und diese Muskelkrämpfe kommen ohne jede Vorwarnung.«
»Hm«, meinte ich.
»Was, hm?«
»Das hast du Wiebke gegenüber aber anders geschildert.«
Er grinste schmerzhaft. »Sie muss ja nicht alles wissen.«
»Halbtot und trotzdem den großen Macker mimen.«
»Großer Macker, von wegen.«
Ich musste lachen, und er stimmte nach kurzer Zeit mit ein.
»Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen«, sagte er. »Es wäre ganz nett, wenn du mir zumindest einen kleinen Rest Würde lassen könntest.«
»Wer hat damit angefangen? Also ich nicht«, gab ich zurück.
Ich reichte ihm einen Riegel Kinderschokolade und nahm mir auch einen. Mittlerweile schmeckte mir das Zeug. Ich musste aufpassen. Ich war auf dem besten Wege, zu verweichlichen.
Wir aßen schweigend.
»Ich muss dich um einen Gefallen bitten«, sagte er nach einer Weile.
»Okay«, gab ich zurück.
»Ich habe diese eine, ganz besondere Rechnung zu begleichen.«
»Mit dem, der dir das angetan hat.«
Er nickte mit schmalem Mund. »Das war ein Freund. Jedenfalls dachte ich, er sei ein Freund.«
»Das sind die schlimmsten.«
»So schlau bin ich mittlerweile auch. Ich nehme an, er hält sich momentan in Berlin auf. Wenn er erstmal weg ist, wird es für mich verdammt schwer werden, ihn in die Finger zu kriegen.«
Ich seufzte. »Möglich.«
Er sah mich an. »Ich habe einen Spitzel. Der arbeitet schon seit Jahren äußerst zuverlässig für mich. Der dürfte nähere Einzelheiten haben.«
»Diesen Informanden kannst du natürlich nicht einfach anrufen.«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, er wird überwacht. Aber dich kennen sie nicht. Du könntest hingehen und ihn kontaktieren. Würdest du das für mich übernehmen?«
Ich blieb stumm.
»Diesmal keine Spielchen, Helena. Versprochen. Keine gefährliche Situation, kein Hinterhalt.«
»In Ordnung«, sagte ich.
Sein Ausdruck wurde intensiv. »Ich muss das machen. Das verstehst du doch, oder? Der Gedanke, mich an ihm rächen zu können, ist das Einzige, was mich die letzten Tage hat überleben lassen. Ich will nicht den Rest meines Lebens über meine Schulter blicken müssen. Ich will nicht ständig auf der Hut sein müssen, dass er mir auflauert und das zu Ende bringt, was er in Kaliningrad begonnen hat.«
Ich konnte das nachvollziehen. An seiner Stelle hätte ich genauso gehandelt. Trotzdem war mir nicht wohl bei der Sache.
»Gib mir die Adresse und ich werde deinen Verbindungsmann aufsuchen«, sagte ich.
»Heute?«
Ich zuckte vage mit den Schultern. »Da bei uns momentan nichts ansteht … klar.«
»Noch was«, meinte er.
»Was?«
»Eher eine Kleinigkeit.«
»Ja?«
»Ich brauche eine Waffe. Ich sage dir, wo du sie findest.«