Violet und Tante Abigail banden dreihundertsiebenundzwanzig Blumensträußchen, dann waren die Primeln alle und Violet musste zum Mittagessen nach Hause.
Um drei fuhr Onkel Nick sie zu den Dumplings. Eigentlich waren es nur ein paar Meter bis dorthin, aber sie mussten das Punschglas transportieren, das so groß war wie ein Goldfischaquarium, und außerdem vier Honigmelonen, ein Netz Zitronen, vier Beutel Malventee und zwölf Flaschen mit Himbeersirup, Apfelsaft und Mineralwasser.
„Na, ihr habt ja einiges vor“, sagte Mrs Dumpling, als sie ihnen die Tür öffnete.
„Glückspunsch für eine ganze Fußballmannschaft!“, erklärte Onkel Nick und schleppte die Melonen in die Küche.
Violet und Zack schnitten die Melonen auf und würfelten das Fruchtfleisch, sie kippten den Saft und das Mineralwasser zusammen und als sie gerade fertig waren, klingelte es.
„Das sind sie!“, rief Zack und rannte zur Tür, um zu öffnen.
Es waren aber nicht Jack und die Jungs, sondern es war Jordan, mit zwei Geschenken im Arm.
„Hi, Jack!“, sagte er, als er Zack sah. „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.“ Er reichte ihm eines der Päckchen.
„Ich bin nicht Jack, sondern Zack“, sagte Zack. „Aber die Glückwünsche nehm ich trotzdem. Und das Geschenk auch.“
Jordan konnte es gar nicht fassen, wie ähnlich sich die Zwillinge sahen. Das Geschenk nahm er allerdings wieder zurück und reichte Zack stattdessen das andere Päckchen.
„Bin ich etwa der Erste?“, fragte er dann verlegen.
„Nee, Violet ist auch schon da“, sagte Zack, aber das hatte Jordan bereits bemerkt, sie stand ja direkt neben ihm. Sie hatte bisher nur noch nichts gesagt, weil ihr Herz so wild klopfte und ihr Mund ganz trocken war.
„Die anderen kommen auch gleich“, erklärte sie jetzt. „Du kannst schon mal unseren Punsch probieren, wenn du magst.“
Aber vorher machte Zack sein Geschenk auf. Es war ein 3-D-Puzzle von einem Tyrannosaurus Rex, den Tipp hatte Jordan von Violet.
„Super.“ Beglückt drehte Zack die Packung hin und her. „Danke!“
„Und jetzt einen Punsch?“, fragte Violet.
„Ich würde an deiner Stelle zuschlagen“, sagte Zack. „Wenn die Fußballer erst mal hier sind, ist das Zeug im Handumdrehen weg.“
„Den Punsch gibt es doch erst nach der Pizza“, widersprach Violet. „Als Nachtisch! Aber du kannst ihn jetzt schon mal kosten. Wir müssen schließlich wissen, ob er überhaupt schmeckt.“
Der Punsch schmeckte sehr gut, fand Jordan. Er hatte seinen Becher im Nu ausgetrunken und ging gleich noch mal in die Küche und holte sich Nachschlag.
Als sie gerade mit dem 3-D-Puzzle anfangen wollten, klingelte es wieder und diesmal waren es Jack und die anderen Jungs. Sogar Mr Campbell, der Trainer, war mitgekommen.
Violet stellte Jordan vor.
Sie war ein bisschen nervös, immerhin war er ja der Stürmer der Blauen, und ihre schlimmsten Befürchtungen wurden wahr, als Finlay sein Gesicht verzog und sagte: „Na, du traust dich was. Reicht es dir denn nicht, dass wir euch morgen fertigmachen?“
Violet holte tief Luft, um Jordan zu verteidigen, aber Olli war schneller. Er boxte Finlay gegen die Schulter. „Hast du sie noch alle, du Lusche? So was Unsportliches hab ich ja noch nie gehört!“
„Sehr gut, Olli!“, sagte Mr Campbell. „Fairness geht vor! Merk dir das, Finlay.“
Da wurde Finlay knallrot und murmelte, dass das doch nur ein Witz gewesen sei, und Jordan sagte: „Ist schon okay. Kein Problem, Mann.“
Inzwischen hatte Mrs Dumpling den Tisch gedeckt und nun gab es erst mal Kuchen und Kakao.
Danach packten Jack und Zack ihre Geschenke aus. Bei so vielen Gästen hörte das gar nicht mehr auf! Vor Jack türmte sich in null Komma nichts ein Berg von bedruckten Fußbällen, Stutzenhaltern und Trillerpfeifen, aber das beste Geschenk kam von Jordan: eine elektrische Zahnbürste mit Fußballmuster!
Zack bekam Spiele, Puzzle und Bücher. Darüber freute nicht nur er sich, sondern auch Violet. Die Spiele würden sie zusammen spielen und die Bücher konnte sie ausleihen, wenn Zack sie gelesen hatte.
Als der Kaffeetisch abgeräumt war, spielten sie Promi-Raten, Mord in der Disko und Wahrheit oder Pflicht, und dabei passierte etwas Wunderschönes.
Als die Flaschenmündung auf Jordan zeigte, wählte dieser nämlich Wahrheit. Jack durfte die Frage stellen.
„Wen würdest du aus dieser Runde mit auf eine einsame Insel nehmen?“, wollte sie wissen.
„Violet“, sagte Jordan, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Daraufhin guckten alle Violet an. Ein paar der Jungs grinsten blöd und Finlay öffnete schon den Mund, um etwas Spöttisches zu sagen, aber da versetzte ihm Olli wieder einen Schlag gegen die Schulter.
„Einfach mal die Fresse halten“, riet er ihm. „Dann passiert dir auch nichts.“
Das Finale am nächsten Tag war natürlich das allerwichtigste Thema auf der Party. Jack versuchte alles, um aus Jordan irgendwas über die Mannschaftsaufstellung und die Taktik der Blauen rauszuholen, aber es war leider so, wie Violet es vorausgesagt hatte: Er verriet überhaupt nichts.
„Das erfährst du alles morgen“, sagte er nur und grinste.
Jack nahm ihm das zum Glück nicht übel, sie hätte es ja selbst genauso gemacht.
Zum Abendessen gab es Pizza, die Jacks und Zacks Mum selbst gebacken hatte. Obwohl die Jungs gerade eben erst Berge von Kuchen vertilgt hatten, griffen sie zu, als hätten sie die letzten vier Wochen bei Wasser und Brot in einem Kerker verbracht.
„Hoffentlich habt ihr hinterher noch ein bisschen Platz im Bauch für den Punsch“, sagte Violet.
„Keine Pforge“, erwiderte Olli mit vollem Mund. „Pumpf gehp imma!“
Jordan half Violet in der Küche dabei, die Becher zu füllen und auf ein Tablett zu stellen. Zack verzierte jeden Drink mit grün-pinken Papierschirmchen, nur für Jordan hatte er ein blaues Schirmchen besorgt.
„Das ist echt nett von dir“, sagte Jordan. „Aber ich bin pappsatt, ich krieg keinen Tropfen mehr runter. Außerdem hatte ich vorhin schon zwei Becher.“
Weil das Tablett so schwer war, trugen Violet und Jordan es zusammen ins Wohnzimmer.
Die ganze Rivenhoe-Mannschaft applaudierte, als sie die hübsch dekorierten Becher sahen, und jeder nahm sich einen Punsch – bis auf Jordan, weil er so pappsatt war.
„Jetzt singen wir alle Happy Birthday und dann stoßen wir auf die Geburtstagskinder an!“, rief Violet. Dabei sah sie, wie Zack seinen Becher wieder zurück aufs Tablett stellte. „Was ist denn jetzt los?“, fragte sie leise. „Stimmt was nicht mit dem Punsch?“
„Weiß nicht“, sagte Zack.
Violet schnüffelte an ihrem Becher. Der Punsch roch lecker nach Melone und Zitrone und Malve.
„Was weißt du nicht?“, flüsterte sie ihrem Freund zu, aber Zack beachtete sie gar nicht, weil er Jordan anstarrte, der Jack anlächelte.
„Auf dich, Jack“, sagte Jordan.
„Auf uns.“ Jack lächelte zurück und hob ihren Becher an die Lippen.
Im gleichen Moment hörte Violet Lady Madonna wieder zwitschern. „Hände weg vom Punsch!“
Und plötzlich verstand sie alles. Das ganze gemeine, abscheuliche, falsche Spiel. Dass Jordan sie nur benutzt hatte. Und warum er vorhin allein in die Küche gegangen war, um sich noch einen Becher Punsch zu holen.
„Nicht!“, schrie Violet Jack zu. „Trink das bloß nicht!“ Und dann sprintete sie los.
Sie rempelte Liam an, stieß den völlig verblüfften Olli zur Seite und erreichte Jack, die mitten in der Bewegung innegehalten hatte und Violet entsetzt entgegenblickte.
„Wa-wa-was …?“, begann Jack, aber dann verstummte sie, weil Violet ihr den Punsch aus der Hand schlug. Der Becher flog im hohen Bogen durch die Luft, der Punsch ergoss sich über den armen Mr Campbell und über Finlay, der gerade einen Witz über die Blauen gemacht hatte.
„Spinnst du, Violet?“, rief Jack. „Was machst du da?“
„Der Punsch ist vergiftet!“, schrie Violet. „Trinkt das Zeug bloß nicht!“
Da ließen alle ihre Becher sinken. Mr Campbell, Finlay und Sunil guckten besonders erschrocken, sie hatten ihre Becher nämlich schon geleert, obwohl sie noch gar nicht angestoßen hatten.
„Was meinst du mit vergiftet?“, fragte Olli.
„Jordan hat da was reingetan“, sagte Violet. „Glaub ich zumindest.“
Im Wohnzimmer der Dumplings war es jetzt totenstill. Alle starrten Violet verständnislos an, nur Zack nickte düster. Violets Knie wurden auf einmal so weich, dass sie sich auf einen Stuhl setzen musste, sonst wäre sie umgefallen.
Was erzählte sie denn da? Es war doch alles nur eine Vermutung, ein Floh, den ihr Lady Madonna ins Ohr gesetzt hatte.
„Quatsch!“, sagte Jack. „So was würde doch niemand tun.“
„Also, wirklich, Violet“, meldete sich nun auch Mr Campbell zu Wort. „Das sind schlimme Anschuldigungen. Wie kommst du denn auf so was?“
„Ich weiß nicht.“ Violet verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie schämte sich so schrecklich. Vor ein paar Minuten hatte Jordan noch gesagt, dass er mit ihr auf eine einsame Insel gehen wollte, und nun behauptete sie solche entsetzlichen Dinge über ihn. Und das alles nur, weil Lady Madonna dummes Zeug geplappert hatte.
„Vielleicht fragen wir Jordan einfach selbst, ob an der Sache was dran ist“, hörte sie Zacks Stimme.
Nein, dachte Violet. Bitte nicht! Nur das nicht.
„Das ist eine Superidee“, fand Mr Campbell. „Wo steckt er eigentlich?“
Lautes Gemurmel von allen Seiten.
„Er war doch eben noch hier.“
„Vielleicht ist er mal kurz aufs Klo.“
„Jordan? JOOORDAAN!“
Langsam, ganz langsam nahm Violet die Hände von den Augen. Und blickte sich um.
Jordan war weg.