Epilog
Vier Monate später
* * * * *
Daiven
Mit verschränkten Armen stand ich am Fenster der uns überlassenen Diplomatenwohnung im Ebon Range Spires
und sah hinaus. Vom fünfzigsten Stockwerk aus wirkte das geschäftige Treiben der Menschen auf den Straßen Elverstons wie das Getümmel herum wuselnder Ameisen. Mit einem Lächeln ließ ich den Blick in die Ferne schweifen. An klaren Tagen sah man kilometerweit in alle Himmelsrichtungen. Zu meiner Rechten brandete der stets ruhelose Atlantik gegen die Küste und spiegelte meine aufgewühlten Empfindungen wider. Mein Blick wanderte weiter gen Westen. Nur zu deutlich erkannte ich die Spuren der einstigen Detonation. Die gewaltige Explosion des unterirdischen Labors hatte zwei der Gewächshäuser und einen Teil der äußeren Grenzmauer zerstört. Weit weniger, als Adam befürchtet hatte.
Zu unser aller Erstaunen hatte es kaum Opfer gegeben. Die Zeit hatte gerade so gereicht, um die Kinder zu befreien und uns in Sicherheit zu bringen. Die Rebellen, die mit Callahan in der Stadt aufgetaucht waren, hatten sich, ihres Anführers beraubt und angesichts der Übermacht von Edwards Truppen, rasch ergeben. Im Wesentlichen hatte die Liquidierung genau jene Leben gefordert, die es hatte treffen sollen. Von Brent Lamont und Callahan waren lediglich verkohlte Leichenteile gefunden worden. Beide wurden durch DNA-Tests eindeutig identifiziert. Ohne Lamonts Einfluss konnte General Edwards endlich durchsetzen, dass die Surges außer Betrieb gesetzt wurden. Sie verweilten derzeit in einem hermetisch abgesicherten Lager.
Ich weinte keinem Opfer eine Träne nach, vor allem nicht Ray Callahan. Seine Schreckensherrschaft hatte endlich ein Ende gefunden. Er, sowie Lamont und Smith waren für mich inzwischen nicht mehr als ein unangenehmer Gedanke an die Vergangenheit.
Gedankenverloren nahm ich das Porträt in die Hand, das Adam aus Lamonts Schlafzimmer geholt hatte. Es war das Einzige, das er von seinem vorherigen Leben behalten wollte. Weder er noch ich hatten den Wunsch verspürt, länger auf dem Anwesen zu verweilen als unbedingt nötig. Mittlerweile war die Villa verkauft und der Erlös würde uns in Zukunft vieles erleichtern.
Ein plötzliches Rascheln riss mich aus den Gedanken. Ohne mich umzudrehen, wusste ich, dass Adam gekommen war.
»Würden wir heute nicht abreisen, hätte ich jetzt mit dir einen Ausflug an den Strand unternommen«, hauchte er mir ins Ohr. Er legte mir von hinten die Arme um die Taille und bettete sein Kinn sanft auf meine Schulter.
»Und ich würde nicht nein sagen ...« Zufrieden kuschelte ich mich an ihn und sog seinen unwiderstehlichen Duft ein.
»Vielleicht im nächsten Sommer ...«, murmelte Adam. Er hauchte mir einen Kuss auf die linke Schläfe. Sein Blick fiel auf das Bildnis seiner Mutter und ein wehmütiges Seufzen entsprang seiner Brust. »So oft wie du dir meine Mum ansiehst, könnte ich fast eifersüchtig werden«, neckte er mich.
»Spinner! Ich betrachte es nur deshalb andauernd, weil du mich immer allein lässt. Du siehst ihr so ähnlich. Speziell deine Augen. Die hast du eindeutig von ihr.« Ich legte das Foto auf die Fensterbank und drehte mich lächelnd zu ihm um. Mein Herzschlag beschleunigte sich wie so oft, wenn er mich mit seinen strahlenden, jadegrünen Iriden ansah. Ich liebte das Kribbeln auf der Haut, das Adams unmittelbare Nähe in mir auslöste. Langsam fuhr ich mit dem Daumen die Konturen
seiner schmalen Lippen nach. »Verrate mir ... wird das jetzt für uns der Anfang eines neuen Lebens oder ist Ailmoor nur eine Zwischenstation?«
Adam liebkoste meine Fingerspitzen, dann sprach er leise: »Ich denke, es ist ein Neuanfang. Ich gehöre nicht mehr nach Elverston und du nicht nach Timbermore Point. Wir würden uns in beiden Orten nicht mehr wie zu Hause fühlen. Ailmoor scheint mir eine gute Alternative zu sein. Wir starten neu durch, bekommen unser eigenes Haus und im Gegenzug sind wir künftig für die Sicherheit der Siedlung verantwortlich.«
»... und haben hoffentlich viel Zeit für uns«, ergänzte ich mit einem anzüglichen Grinsen.
Adam lachte. »Vorausgesetzt Lio kommt nicht auf die Idee, uns ständig als Babysitter zu missbrauchen. Mit den vier Rackern hat er ja einiges am Hals.«
Ich nickte amüsiert und dachte an die drei Jungs, die wir aus dem Labor gerettet hatten und die seit fast vier Monaten in Ailmoor lebten. Sie waren erst drei, sechs und sieben Jahre alt, und wichen Caren kaum von der Seite. Obwohl sie mit ihrem eigenen Baby genug zu tun hatte, sah sie sich als Ersatzmutter und hatte die kleinen Racker sofort in ihr Herz geschlossen.
»Ich glaube, Lio ist ein wenig überfordert damit, dass Judy-Sophie gleich drei große Brüder hat, die sie beschützen. Aber die Kinder können so in einem entspannten Umfeld aufwachsen und dort zur Schule gehen. Ich glaube, das war die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Deshalb sollten wir den frisch gebackenen Eltern auch hin und wieder unter die Arme greifen.«
»Nicht zu vergessen, da du der Patenonkel der Kleinen bist und Nash zurück nach Timbermoor Point muss.« Adam legte die Hände an mein Gesicht und gab mir einen langen intensiven Kuss. Ich genoss mit geschlossenen Augen jede Sekunde, die wir zwei gemeinsam genießen durften.
»Bleibt nur zu hoffen, dass sich alle an die neuen Verträge halten.« Ich seufzte, denn wohl war mir bei dem Gedanken immer noch nicht. Vermutlich lag es daran, dass sich die Ratssitzungen der letzten Wochen endlos hingezogen hatten und jede Partei mehr Kompromisse eingehen musste, als ihr lieb war. Der Frieden stand auf wackeligen Beinen.
»Warum sollten sie nicht?«, antwortete Adam zuversichtlich. »Wir haben hart dafür gekämpft. Außerdem hat Lamonts und Callahans Tod den anderen ordentlich zu denken gegeben. Ich glaube, alle sind froh, wenn sie endlich eine Verschnaufpause bekommen. Jetzt, da die zwei Störenfriede unter der Erde sind, gibt es niemanden mehr, der Unruhe stiftet.«
»... bis das nächste Arschloch aus irgendeinem Loch gekrochen kommt. Du weißt, Schurken sprießen wie Unkraut.«
»Jetzt hörst du Flöhe husten.« Lachend kraulte mir Adam den Nacken.
»Wahrscheinlich hast du recht.« Seufzend schloss ich die Augen und Sekunden später trafen sich auch schon wieder unsere Lippen.
Augenblicklich durchströmte mich die unbeschreiblich liebevolle Wärme, die jeder Kuss von ihm in mir heraufbeschwor. Tanzende Schmetterlinge ergriffen von mir Besitz und zogen mich in ihren unverwechselbaren Bann. Mit jeder zärtlichen Berührung seiner Zunge versank ich tiefer in unsere kleine Welt, die nur Adam und mir allein gehörte. In seinen Armen konnte ich mich fallen lassen und ich selbst sein. Liebevoll wanderten seine Hände über meinen Rücken und fanden schließlich den Weg unter meinen Pullover. Adams zarten Finger liebkosten meine nackte Haut.
»Ich liebe dich«, wisperte er mir zu und bedeckte meinen Hals mit sanften Küssen.
»Ich dich auch«, presste ich stöhnend hervor. Ich legte den Kopf in den Nacken und konzentrierte mich voll und ganz auf ihn.
»Äh ... häm«, erklang aus heiterem Himmel ein lautes Räuspern.
Erschrocken riss ich die Augen auf und erblickte Nash. Er lehnte am Türrahmen und sah uns mit einem dümmlichen Grinsen an.
»Dein Timing ist in letzter Zeit echt beschissen, großer Bruder«, knurrte Adam. Demonstrativ verschränkte er die Arme vor der Brust.
»Wie wäre es mit Anklopfen?«, schloss ich mich ihm an. Nur widerwillig ließ ich von meinem Traummann ab und zupfte den Pullover zurecht.
Nash zwinkerte. »Auch wenn ihr mir das nicht glaubt, das habe ich. Gleich drei Mal.«
»Echt jetzt?«, hakte ich nach.
Nash lachte. »Echt jetzt! Ich wollte nicht stören, aber ich fliege in einer Stunde in Richtung Heimat.« Er sah mich unsicher an. »Könnten wir vorher noch kurz miteinander reden, Daiven?«
Neugierig beäugte ich ihn. Nash wirkte seit seiner Genesung nicht mehr wie der Mann, den ich einmal gekannt hatte. Er hatte sich verändert und dann wiederum auch nicht. Er schien gereift zu sein, dennoch hatte er nichts von seiner lebenslustigen Art verloren. Die Wahrheit über seine Verbindung zu Adam und somit auch zu Callahan hatte ihn hart getroffen. Hinzu kam Sophies Tod und das Wissen, wer dafür verantwortlich war. Nash schämte sich dafür, dass er dem Oberkommandanten blind vertraut hatte. Seitdem versuchte er, jedem zu beweisen, dass er ein völlig anderer Mensch war und er keinesfalls in die Fußstapfen seines Vaters treten wollte. Mit Erfolg. Nicht umsonst war er erst kürzlich von den Bewohnern Timbermore
Points in einer demokratischen Abstimmung zum neuen Oberhaupt gewählt worden. Das und die zufriedenstellenden Verhandlungen mit Elverston und den anderen Siedlungen hatten Nash zum Positiven verändert.
Mir gegenüber verhielt er sich distanzierter als früher. Ich vermutete, dass es nicht nur an der Beziehung zwischen Adam und mir lag. Mit dieser Wendung hatte er zwar nicht gerechnet, doch unsere Verbindung war nie so eng gewesen, dass sie seine traurigen Blicke erklären würde.
»Sorry, Kleiner, aber kannst du deine hinreißende Kehrseite mal kurz ins Freie schieben?« Nash sah ihn grinsend an.
»Ich warne dich! Lass die Finger von meinem Süßen. An dem knabbere nur ich!«, mokierte sich Adam und warf mir einen kessen Luftkuss zu.
Nashs Grinsen wurde breiter. »Bring mich nicht auf verbotene Gedanken. Schließlich weiß ich zufällig genau, was für ein verdammtes Glück du hast.«
»Und ich werde hier nicht gefragt?«, warf ich mit einem unschuldigen Blick ein und schüttelte lachend den Kopf.
»Nein!«, kam es von beiden wie aus einem Mund.
Wir drei prusteten los.
»Los, verschwinde endlich!« Nash klopfte seinem Bruder auf den Hintern.
»Aua!«, beschwerte sich Adam scherzhaft und rieb sich über die angeblich schmerzende Stelle.
»Raus mit dir! Dein Süßer wird dich später nur zu gerne verwöhnen.« Zur Unterstreichung seiner Worte schob er ihn in Richtung Flur.
Kurz darauf war ich mit ihm allein. Augenblicklich verschwand Nashs Fröhlichkeit und er blickte mich mit erster Miene an. Langsam kam er näher und senkte dabei den Blick.
Ich wusste, was er mir sagen wollte. Und ehrlich gesagt, hatte ich darauf gewartet, dass er um eine Aussprache bat,
bevor er für die restlichen Sommermonate verschwand. Auch wenn ich es nie laut ausgesprochen hatte, war mein Hass auf ihn längst abgeflaut. Ich hatte verstanden, dass er bei seinem Angriff durch den Anblick des Drachens getriggert worden war. Er hatte aufgrund Adams Erinnerungen unsägliche Qualen mit ihm verbunden. Ich war in diesem Moment zu seinem ärgsten Feind geworden und somit hatte er begonnen, das Übel aus mir herauszuschneiden. Adam hatte bei der zweiten Apexsitzung herausgefunden, dass ich es nur Nashs Willenskraft verdankte, dass er den Angriff nicht zu Ende geführt und mich getötet hatte. Ich hatte zwar unser Abzeichen verloren, doch mein Leben behalten. Was anfangs für mich kaum zu ertragen war, hatte nun kaum noch Gewicht. Die Black Devils
gab es nicht mehr. Und seit ich wusste, dass unser Drache auch Mistkerle wie Smith geziert hatte, war ich beinahe froh, dass ich ihn nicht mehr trug.
Dennoch wollte ich Nash den Weg zur Versöhnung nicht einfach ebnen. Daher wandte ich mich wieder dem Fenster zu und zeigte ihm die kalte Schulter. Ich kannte meinen Kameraden bereits mein ganzes Leben und wusste, dass er sich am Ende selbst nur verzeihen konnte, indem er um unsere Freundschaft kämpfte.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn und schmunzelte innerlich. Er stand seufzend neben mir und blickte auf einen imaginären Punkt in der Ferne. Immer wieder leckte er sich nervös mit der Zunge über die trockenen Lippen und suchte vergebens nach Worten. Erfolglos. Nachdem wir fast fünf Minuten geschwiegen hatten, beschloss ich, ihn aus seinem Dilemma zu befreien.
»Nun mach schon! Rück endlich mit deiner Entschuldigung heraus!« Ich drehte mich zu ihm um, ohne eine Miene zu verziehen. Zum ersten Mal wirkte er hilflos.
Nash schluckte merklich und knetete nervös die Finger. »Aber mit einer Entschuldigung ist es nicht getan. Das weißt du«, murmelte er.
»Wo du recht hast, hast du recht«, antwortete ich kühl und musste gegen ein Lächeln ankämpfen.
»Du hast keine Ahnung, wie ich mich fühle, oder?« Erneut wanderte sein Blick nach draußen, während ich meinen nicht von ihm abließ.
»Ehrlich gesagt ... nein. Aber du könntest versuchen, es mir zu erklären«, lockte ich ihn weiter aus der Reserve.
»Reicht es, wenn ich dir sage, dass es mir total beschissen geht?« Nash drehte den Kopf zu mir und wir beide sahen uns nach langer Zeit zum ersten Mal wieder tief in die Augen. Sofort fiel mir das unverwechselbar lodernde Feuer in ihnen auf. Es war so typisch für ihn. Doch gleichzeitig entdeckte ich auch eine Spur Unbehagen gemischt mit Enttäuschung. Einerseits, weil er dachte, dass er mir eine Erklärung für seinen Angriff schuldete. Andererseits war es die Desillusion, dass wir beide kein heimliches Paar mehr waren und auch nie mehr sein würden. Für einen Moment versank ich selbst in Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit und seufzte. Nash war zweifelsohne ein toller Partner gewesen, aber mein Herz gehörte Adam und daran gab es nichts mehr zu rütteln.
»Ich kann dir sagen, dass ich so einen Mist nie wieder erleben will«, fing er leise an zu reden. Er legte seine Hand an die Stelle, an der ich das Tattoo des feuerspeienden Drachens getragen hatte, und senkte den Blick erneut. Ich ließ es zu, denn ich wusste, dass ich ihn jetzt nicht zurückweisen durfte.
»Es war alles so krass. Es war, als wäre ich auf einem merkwürdigen Trip gewesen und doch hatte ich alles um mich herum bewusst wahrgenommen. Ich war ich ... und dann wieder Adam. Ich weiß gar nicht, wie man das erklären kann. Ich switchte zwischen seinem und meinem Bewusstsein hin und
her, bis ich nicht mehr zwischen ihnen unterscheiden konnte. Plötzlich gehörten seine Erinnerungen mir. Ich fühlte, was er einmal gefühlt hatte und dann war da dieser unkontrollierbare Hass. Es lässt sich nicht beschreiben, selbst wenn ich es wollte. Es fühlte sich an, als wäre ich in einer Art Albtraum gefangen. Ich wollte aufwachen, aber ich konnte nicht. Wenn ich euch sah, kam es mir manchmal so vor, als wärt ihr Dämonen, die nur meinen Tod wollten. Dann wiederum sah ich in euch meine Waffenbrüder, die ich schützen musste. Ich weiß, das alles ändert nichts daran, dass ich dich beinahe umgebracht hätte, und ich wusste nicht einmal den Grund dafür. Erst als mir Adam erzählt hatte, dass Smith ebenfalls unseren Drachen trug, konnte ich mir endlich einen Reim darauf machen.«
Nun war ich derjenige, der die Hand auf seinen Oberarm legte. »Die wahren Schuldigen haben ihre gerechte Strafe erhalten. Callahan, Lamont und Smith schmoren für immer in der Hölle, wo sie hingehören«, sagte ich leise.
»Aber ich bin mitverantwortlich. Ich habe mich freiwillig immer und immer wieder dem Apex ausgesetzt, obwohl mir Mum jedes Mal aufs Neue davon abriet. Sie kannte die Risiken einer falschen Handhabung und trotzdem tat ich es ... für ihn«, bedeutete Nash geknickt. Er hob den Kopf und sah mich mit verräterisch glitzernden Augen an. »Auch wenn Worte nichts daran ändern, sollst du wissen, dass es mir unendlich leidtut. Nie wieder werde ich solch einen Fehler begehen. Du bist und bleibst ein wichtiger Mensch in meinem Leben und ich hoffe, wir können weiterhin Freunde bleiben.«
»Es gab eine Zeit, da dachte ich, zwischen uns wäre alles zerbrochen.« Ich schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. Die Aufrichtigkeit seiner Worte spiegelte sich in seinen Augen wider. Noch nie hatte ich Nash den Tränen nah gesehen. »Aber ... nachdem ich einigermaßen verstanden habe, was da in dir vorging, habe ich dir längst verziehen. Ehrlich gesagt, wollte ich
dich nur ein wenig schmoren lassen. Es bedeutet mir viel, dass wir zwei uns endlich einmal ganz privat unterhalten.«
»Du hast mir verziehen?«, hakte er nach und die Anspannung fiel von ihm ab.
Ich nickte und aus dem Lächeln wurde ein Grinsen. »Natürlich. Immerhin warst du einmal einer der Männer, für die ich jederzeit eine tödliche Kugel abgefangen hätte. Wir haben zusammen einiges durchgemacht. Daher kann ich dir reinen Gewissens sagen, ich verzeihe dir.« Ich streckte ihm meine Hand entgegen. »Freunde?«
Nash strahlte über das ganze Gesicht. Dennoch entdeckte ich eine Spur Traurigkeit. Er wusste, dass ein kleiner Riss für immer bleiben würde. »Freunde!«, wiederholte er und nahm den Handschlag erleichtert entgegen. »Versprichst du mir etwas?«, fragte einen Moment später.
»Kommt ganz darauf an was«, sagte ich, ohne seine Hand loszulassen.
Nash schmunzelte. »Pass auf meine Brüder auf! Die beiden sind manchmal gar nicht so verschieden, wie sie vielleicht denken. Sie sind das Einzige, das mir von meiner Familie geblieben ist. Und auch wenn es weh tut, dich als Partner verloren zu haben, wünsche ich dir alles Gute ... für dich und Adam.«
Ich lächelte. »Das bedeutet mir mehr, als jede Entschuldigung von dir. Dieses Versprechen kann ich dir aus tiefstem Herzen geben.« Nachdenklich betrachtete ich ihn. »Nash, ich hoffe, du weißt, dass du nicht jede Schwierigkeit allein meistern musst. Wenn du uns an deiner Seite brauchst, scheue dich nicht, uns zu rufen. Du kannst jederzeit auf uns zählen.« Ich verstärkte den Händedruck.
Nash nickte schweigend, dann schüttelte er die Traurigkeit ab und sagte: »Wenn ich heute noch hier wegkommen will, sollte ich los.«
»Okay. Holen wir Adam und dann bringen wir dich gemeinsam zum Pyrobird«, schlug ich vor.
»Danke«, formte Nash mit den Lippen und verließ als erster den Raum.
Für einen Moment verharrte ich an Ort und Stelle und blickte ihm nach. Nicht nur er hatte sich verändert. Wir alle hatten Spuren davongetragen. Nun blieb nur zu hoffen, dass auch die Welt ihre zweite Chance nutzte und sich zu einem friedlichen Ort entwickeln würde.