Als Luise Kampmann vom Einkaufen zurückkam, hatte es bereits angefangen zu regnen.
Von Minute zu Minute wurde der Regen stärker, und Luise dachte, als sie in ihr noch leicht warmes und mit selbstgemachter Pfirsichmarmelade bestrichenes Brötchen biss, dass sie doch besser auf ihre Tochter hätten hören und – statt nach Nöggenschwiel zu fahren – auf die Kanaren hätten fliegen sollen.
Doch das Rosendorf im Schwarzwald war den beiden Dortmundern über die mehr als zwei Jahrzehnte ans Herz gewachsen. Das gute badische Essen, die herzlichen Menschen, die immer zu einem Gespräch am Gartenzaun oder im Restaurant bereit waren, und vor allem die Rose, die Königin der Blumen, hatten es der 67-Jährigen angetan.
Sie liebte Blumen, besonders die Gartenarbeit zu Hause in ihrem Vorgarten, und daher konnte sie sich nie sattsehen an den Schönheiten, die ihr die Natur jedes Jahr aufs Neue schenkte.
Wenn nur dieses scheußliche Wetter nicht wäre.
„Meinst du, wir hätten doch nach Teneriffa fliegen sollen?“, fragte sie ihren Mann, der gerade den Sportteil der Bildzeitung las.
„Hm, du weißt doch, dass ich Flugangst habe. Und hier ist es doch sehr schön“, entgegnete Herbert Kampmann kurz und nahm einen Schluck Kaffee, ehe er sich wieder seiner Morgenlektüre widmete.
„Hier ist es schön? Dass ich nicht lache. Du schaust den ganzen Tag doch nur Sport, von morgens bis abends. Das hättest du auch in Dortmund tun können“, musste Luise ihrem Frust einmal Luft machen. „Immer wieder vertröstest du mich auf morgen, wenn ich mal mit dir etwas unternehmen will, dabei weißt du, wie gerne ich spazieren gehe.“
„Hm“, erwiderte ihr Mann.
„Und ich kann nun mal nichts für dieses Sauwetter“, protestierte sie, um sich gleichzeitig für ihren scharfen Ton zu entschuldigen: „Bitte, lass uns mal ein wenig rausgehen, und wenn es nur bis zum Witznaustausee ist“, hörte Herbert bereits den leicht verzweifelten Unterton in den Worten seiner Frau.
Für Luise war nichts schlimmer, als zur Untätigkeit verdammt zu sein. Und er wusste, auch wenn es wie aus Eimern goss, er musste auch einmal etwas für sie tun.
„Luise, lass uns noch in Ruhe zu Ende frühstücken und dann ziehen wir uns wetterfest an und laufen den Weg hinunter zum Stausee“, sagte Herbert und sah über den Rand seiner Zeitung hinweg, wie er damit ein freudiges Strahlen auf das Gesicht seiner Frau zauberte. Auch wenn wir dort noch weniger erleben werden als hier in unserer Ferienwohnung, fügte er gedanklich hinzu.
Einen Gedanken, den er keine Stunde später mehr als bereuen sollte.