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L aurie sah auf die Uhr, als das Taxi von Kendras Haus losfuhr, und vergewisserte sich, dass ihr noch etwas Zeit blieb.
Sie hatte beschlossen, zu diesem besonderen Anlass etwas zu tragen, was Alex noch nicht gesehen hatte: einen dunkelblauen Hosenanzug. Die Farbe stand ihr wunderbar, wie Alex immer sagte.
Laurie überprüfte ihr Make-up und frischte den Lippenstift auf. Kurzerhand löste sie ihren Pferdeschwanz und strich sich die Haare über die Schultern. Alex gefiel es so besser.
Sie trug die Perlenhalskette und die kleinen Diamant-Ohrringe ihrer Mutter. Wie würde sie sich für mich freuen , dachte Laurie, als das Taxi vor dem Gerichtsgebäude hielt. Wegen des Verkehrs blieben ihr nur noch zehn Minuten bis zum Beginn der Zeremonie. Timmy und ihr Vater würden sicherlich schon da sein.
Wie von Laurie erwartet, saßen sie auf einer Bank vor dem Gerichtssaal der Vorsitzenden Richterin Maureen Russell. Timmy sprang auf, als er sie entdeckte. »Grandpa hatte schon Angst, du würdest zu spät kommen.«
»Aber heute doch nicht«, sagte sie und lächelte ihren Vater an.
Leo befürchtete immer, dass man aus irgendwelchen Gründen zu spät kam. Etwas verlegen sah er sie an. »Ich hab mir nur Sorgen gemacht wegen des Verkehrs.«
»Ah ja«, antwortete Laurie. »Wo ist denn Alex?«
»Drinnen. Der Saal füllt sich schon. Ramon hat genug Horsd’ œuvres für die anschließende Party im Konferenzraum mitgebracht, dass man damit die gesamte Schweizer Garde verköstigen könnte.«
Ramon war Alex’ Assistent, Koch und Vertrauter, bestand aber darauf, als »Butler« bezeichnet zu werden. Ebenso war er ein begnadeter Partyplaner, der über Alex’ Nominierung zum Bundesrichter vor Stolz schier platzte. Laurie hatte ihn am vergangenen Abend in der Küche wirbeln sehen und konnte sich bestens vorstellen, mit welch auserlesenen Köstlichkeiten er beim heutigen Empfang aufwarten würde.
»Gnade demjenigen, der sich zwischen Ramon und die perfekte Party stellt«, sagte Laurie.
»Ich hab einmal in einer Sache, die später ans Bundesgericht ging, vor der Vorsitzenden Richterin Russell aussagen müssen, und ich muss gestehen, sie ist eine sehr beeindruckende Frau«, sagte Leo. »Ich bin schon sehr gespannt, sie heute in Aktion zu erleben. Sie kommt später ebenfalls zum Empfang.«
Im Gerichtssaal waren bereits alle Plätze besetzt, als Richterin Russell erschien. Viele der Anwesenden, wusste Laurie, waren Kollegen von Alex. Den täglichen Austausch mit ihnen würde er sicher schmerzlich vermissen, ging ihr durch den Kopf.
Alex’ jüngeren Bruder Andrew, der aus Washington angereist war, hatte man damit beauftragt, alle willkommen zu heißen. Laurie wusste, wie nah er und Alex sich standen. Ihre Eltern waren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, als Andrew neunzehn und Alex einundzwanzig war. Alex war daraufhin Andrews Vormund geworden, eine Pflicht, die er äußerst ernst genommen hatte. Wie nicht anders zu erwarten, wurden alle von Andrew aufs Herzlichste begrüßt.
Als es dann so weit war, trat Laurie vor und hielt die Bibel, auf die Alex mit klarer und feierlicher Stimme den Eid ablegte und das Amt des Bundesrichters antrat. Danach gab er Laurie einen Kuss, dankte der Vorsitzenden Richterin und sagte: »Ich bin äußerst dankbar für die Ehre, die mir heute zuteilwurde. Aber ich muss Ihnen auch sagen, keine Ehre wäre von irgendeiner Bedeutung für mich, wenn ich sie nicht mit meiner Verlobten und künftigen Ehefrau Laurie Moran teilen könnte.«
Fünf Minuten später verließen sie den Gerichtssaal, und die Familienangehörigen und die eingeladenen Gäste begaben sich zur Cocktailparty in den Konferenzraum.
Kurz darauf plauderte Laurie mit mehreren Anwälten aus Alex’ Kanzlei, als einer unter ihnen, Grant Smith, ein heikles Thema zur Sprache brachte.
»Ehrlich gesagt war ich doch etwas entsetzt, dass ein Strafverteidiger einfach so durch die Anhörungen gewinkt wird. Wahrscheinlich hat keiner der Senatoren Geld im Newman-Skandal verloren.«
Alex hatte ursprünglich befürchtet, dass die öffentliche Empörung seine Bestätigung als Bundesrichter verzögern könnte. In diesem Zusammenhang hatte er es fast bedauert, für Carl Newman einen Freispruch erzielt zu haben – Newman war angeklagt gewesen, Investoren um mehrere Millionen Dollar gebracht zu haben. Allerdings waren der Polizei bei den Ermittlungen schwerwiegende Fehler unterlaufen. Er hatte nur seine Arbeit als Verteidiger gemacht, als er darauf hingewirkt hatte, dass zentrale und wesentliche Beweismittel für unzulässig erklärt wurden. Zu seiner eigenen Überraschung hatten die Geschworenen Newman daraufhin freigesprochen. Wie auch immer, sie hielt es für unnötig, dass Smith dieses Thema gerade jetzt aufbrachte.
Er ist neidisch auf Alex , dachte Laurie und nahm sich vor, sich später mit Alex darüber zu unterhalten.