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G ute Arbeit«, flüsterte Ryan, als sie zum Aufzug gingen. »Den beiden ist jetzt hoffentlich klar geworden, dass du dich nicht herumschubsen lässt.«
»Danke«, sagte sie. »Du warst eine große Hilfe. Wirklich. Aber siehst du eine Möglichkeit, um mehr über die Klagen gegen Martin herauszufinden? Ich möchte sie nicht einfach so von der Liste streichen, ohne nicht wenigstens einen Blick darauf geworfen zu haben.«
»Genau. Trotz der Verschwiegenheitserklärung sollte es möglich sein, dass ich die ursprünglichen Klageschriften einsehen kann. Wir kennen dann zwar die Anschuldigungen, wissen allerdings nicht, ob sie vor Gericht auch Bestand gehabt hätten.«
»Ich nehme alles, was du ausgraben kannst«, sagte sie. »Vielen Dank.«
»Leider weiß ich nicht, wie ich dir bei den Longfellows helfen könnte. Die Bells behaupten, die Polizei hätte die Vorwürfe als gegenstandslos abgetan, aber wie können wir das überprüfen? Ich könnte mich mal in meinem Golfclub umhören. Ich bin mir sicher, dass wir gemeinsame Bekannte haben.«
»Ich glaube sogar, dass ich jemanden kenne, der einen guten Draht zum Senator hat«, sagte Laurie und hoffte, dass sie damit auch richtig lag.
Im Büro war Jerry über Graces Schulter gebeugt und starrte mit ihr auf den Computerbildschirm. Beide schreckten hoch, als Laurie hereinkam .
»Könntet ihr beide endlich damit aufhören, so zu tun, als wäre ich eine Horrorchefin wie Brett Young? Warum jedes Mal diese schuldbewussten Blicke, wenn ich um die Ecke biege?«
Grace schloss hastig einige Fenster auf dem Monitor.
»Was treibt ihr beide eigentlich?«
»Nichts«, sagte Jerry ganz unschuldig, was sie noch argwöhnischer machte.
»Ach, wirklich«, entgegnete sie trocken.
Sobald sie an ihrem Schreibtisch saß, rief sie Alex an.
»Hallo«, meldete er sich, »ich wollte dir gerade eine SMS schicken. Hast du Rhodas Mail gesehen? Sie möchte mit uns was an der 88th Street, Ecke Lexington Avenue besichtigen. Nach der Arbeit. Hast du um sechs Zeit?«
»Natürlich. Zumindest liegt es in der richtigen Gegend. Davor möchte ich dich um einen großen Gefallen bitten. Kannst du für mich ein Treffen mit Senator Longfellow arrangieren? Ich muss mit ihm und seiner Frau über den Mordfall Bell reden.«
Alex hatte im Vorfeld seiner Berufung zum Bundesrichter eng mit den Senatoren aus New York zusammengearbeitet. Aber wegen Timmys Anwesenheit beim Abendessen am Vortag hatte sie Alex nicht auf Kendras Vermutungen bezüglich ihres Mannes und der Frau von Senator Longfellow ansprechen können.
»Oje.« Sie sah Alex’ gequältes Gesicht am anderen Ende der Leitung regelrecht vor sich. »Der Anruf wird ihm nicht sonderlich gefallen.«
»Ich weiß. Die andere Option wäre natürlich, dass sein Name und der seiner Frau in einer Fernsehsendung genannt würden. Ich gehe davon aus, dass man ihm zumindest die Gelegenheit einräumen sollte, sich dazu zu äußern.«
»Diese Vorgehensweise kommt mir doch recht bekannt vor«, sagte er. Als Alex noch Moderator der Sendung war, hatten sie häufig Leute auf diese Weise zur Kooperation bewogen – indem sie ihnen ausmalten, was geschehen würde, sollten sie sich gegen eine Beteiligung sperren. »Wie in den guten alten Zeiten.«
»Nur besser. Ich hoffe nur, nicht alles, was ich mache, wird dir bekannt vorkommen.«
»Keine Sorge. Du wirst mich immer in Erstaunen versetzen. Lass mich erst mal in Longfellows Büro anrufen, dann sehen wir weiter.«
Lauries nächstes Telefonat galt Caroline Radcliffe. Es war kurz vor Mittag. Kendra war noch in der Praxis, die Kinder waren in der Schule. Laurie wollte mit ihr allein sprechen.
Nach dem zweiten Klingeln meldete sich die Kinderfrau. Ihr Widerwillen war ihr deutlich anzuhören, als Laurie erklärte, sie wolle mit ihr über den Abend von Martins Ermordung reden.
»Alles, was ich weiß, hat doch schon in den Zeitungen gestanden«, sagte sie.
»Kendra hat Ihnen bestimmt erzählt, worum es in unserer Sendung geht. Sie hat sich zur Teilnahme bereit erklärt. Das hat für Sie natürlich keine bindende Wirkung, aber natürlich weiß sie von unserer Erwartung, dass Sie ebenfalls mitmachen.«
Laurie ging davon aus, dass Caroline erst mit Kendra darüber sprechen wollte, aber stattdessen fragte sie Laurie, ob sie zu ihr ins Haus kommen könne. »Ich muss noch einkaufen und um drei die Kinder abholen.«
»Ich kann in einer halben Stunde bei Ihnen sein«, sagte Laurie.