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D
er Oberkellner im Daniel führte sie zu einem Tisch im hinteren Bereich des Restaurants. Alex bestellte Martini für sie beide.
Laurie lächelte. »Hätte ich gewusst, dass ich für die Besichtigung einer weiteren schrecklichen Wohnung zur Belohnung ein spontanes Essen mit dir im Daniel bekomme, hätte ich Rhoda schon vor Wochen gebeten, uns einen Termin nach dem anderen anzubieten.«
Es war Freitagabend, und Timmy übernachtete bei einem Schulfreund. Die Wohnung, die sie sich angesehen hatten, verfügte über vier Schlafzimmer und hatte einiges für sich – der Grundriss, der Schnitt der einzelnen Zimmer stimmte, die Gegend passte. Zum Glück hatten sie sie nach der Arbeit besichtigt, denn in der Zwischenzeit war das Pärchen im Stockwerk darüber nach Hause gekommen. Und durch die Lüftungsschächte hörten Laurie, Alex und Rhoda, wie eine gewisse Trina einen gewissen Mark beschuldigte, dass er sie angelogen habe und nicht auf einer Konferenz in Denver, sondern mit seiner Sekretärin in Atlantic City gewesen sei. Sie kamen in den Genuss von Marks ausgiebigen Protesten und Trinas Erwiderung: »Mein Pech, dass ich dich geheiratet habe.«
»Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn Timmy Trompete übt?«, hatte Laurie zu Rhoda gesagt.
Sie strich Alex eine Locke zurück, die ihm in die Stirn gefallen war. »Bitte sag mir, dass wir nie so werden wie dieser Mark und diese Trina«, sagte Laurie
.
»Keine Sorge. Ich kann Atlantic City sowieso nicht leiden«, antwortete Alex mit einem Lachen.
Laurie tat so, als wollte sie ihre Serviette zerknüllen und sie ihm an den Kopf werfen.
Der Kellner kam mit den Martinis und den Speisekarten. Als sie wieder allein waren, stießen sie an. »Darauf, niemals so zu sein wie sie«, sagte Laurie entschlossen und nahm einen Schluck von ihrem Cocktail. »Und jetzt vergessen wir sie wieder.«
»Amen«, stimmte Alex zu. »Was außerdem sehr viel wichtiger ist, Senator Longfellows Assistent hat sich gemeldet. Nachdem ich klargemacht habe, dass die Sendung auf jeden Fall ausgestrahlt wird, ob mit dem Senator oder ohne ihn, hat er dir eine halbe Stunde zugestanden – nächsten Dienstagnachmittag, zusammen mit Leigh Ann. Er bestand darauf, dass du sie beide zusammen interviewst, bis ich darauf hinwies, dass jeder Journalist Informationen, die unter solchen Umständen erworben werden, mit großer Skepsis betrachtet. Er hat sich ewig gesträubt, bis er schließlich doch zusagte, dass du die beiden jeweils alleine sprechen kannst.«
»Gute Arbeit, Euer Ehren.«
»Aber keine Kamera, und er will, dass du in ihre Wohnung kommst, damit dich keiner in seinem Büro sieht und irgendwelche Fragen stellt. Und er besteht darauf, dass du höchstens noch einen Mitarbeiter mitbringst, damit es keinen großen Rummel gibt.«
»Damit kann ich leben.«
»Trotzdem sollte ihm jemand sagen, dass eine Laurie Moran dich bis auf den letzten Tropfen ausquetscht, wenn du ihr eine halbe Stunde zugestehst.«
»Das werden wir ja sehen.« Sie senkte die Stimme, damit niemand von den anderen Gästen hören konnte, was sie sagte. »Selbst wenn Martin Bell und Leigh Ann Longfellow wirklich eine Affäre hatten, kann ich mir den Senator beim besten
Willen nicht als Mörder vorstellen. Wäre die Affäre aufgeflogen, wäre er doch als der Betrogene dagestanden. Die Wähler hätten ihm bestimmt Mitgefühl entgegengebracht. Außerdem hätte es wieder einen attraktiven Junggesellen mehr in Washington gegeben.«
»Ganz zu schweigen davon, dass sie keine Kinder hatten«, bemerkte Alex. »Er hätte sich einfach scheiden lassen und weiterziehen können.«
Laurie schüttelte den Kopf. »Kein Motiv, in der Vergangenheit nicht die geringsten Anzeichen von Gewalttätigkeit. Ich sehe es einfach nicht. Was ich aber sehe, ist eine eifersüchtige und gekränkte Kendra Bell, die bei einem Drink in einer Kellerbar im East Village einen Auftragskiller anheuert und ihm Fünfziger und Hunderter zusteckt, die sie in ihrer Sockenschublade hortet. Ich kann mir vorstellen, dass sie ihn bezahlt – auch jetzt noch –, damit er den Mund hält, weil sie weiß, dass ihre Schwiegereltern sie am liebsten hinter Gittern sehen und ihr die Kinder wegnehmen wollen.«
Sie versuchte das Bild zu verscheuchen. Sie fühlte sich, als hätte sie die ganze Woche durchgearbeitet, sie wollte an diesem Abend nicht mehr an Martin und Kendra Bell denken. Sie nahm zweimal einen schnellen Schluck und ging die Speisekarte durch. Und ohne lange darüber nachzudenken, sprach sie auch schon aus, was ihr durch den Kopf ging. »Vielleicht sollten Timmy und ich einfach bei dir einziehen. Du hast doch genügend Platz.«
Alex ließ überrascht die Speisekarte sinken. »Außer dass die Wohnung zu weit von deinem Vater und von Timmys Schule entfernt ist. Und dazu ist es meine Wohnung, sie würde sich nicht wie unsere anfühlen. Du hast dazu doch eine sehr klare Meinung.«
»Ich habe auch eine sehr klare Meinung zur Wohnungssuche – ich bin diese ganzen Besichtigungen jetzt schon leid.
Keine dieser Wohnung würde sich jemals wie ein Zuhause anfühlen.«
»Wir wissen, dass wir die richtige Wohnung gefunden haben, wenn wir sie sehen.«
»Und wir müssen nach wie vor ein Datum festlegen und einen Ort für die Feier buchen und die nötigen Vorbereitungen für die Hochzeit treffen. Alex, ich mach mir Sorgen, dass ich etwas egoistisch war, als ich sagte, ich hätte gern eine kleine Hochzeit. Habe ich dich eigentlich jemals gefragt, was du willst? Hättest du gern eine große Hochzeit?«
»Um Himmels willen, nein.«
»Was willst du wirklich?«
»Ich will die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich will, dass wir so schnell wie möglich heiraten und unter einem Dach wohnen – egal, wie wir das bewerkstelligen. Das würde mich glücklich machen.« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr. »Laurie, ich habe viel darüber nachgedacht und weiß, was ich will. Eine stille Zeremonie in der Kirche mit unseren Familien und engen Freunden, danach ein festliches Dinner. Fassen wir dazu Ende August ins Auge. Dann sind Gerichtsferien. Und du hast Zeit, deine Arbeit darauf abzustimmen. Wenn es klappt, geht es anschließend in die Flitterwochen.«
Laurie lächelte. »Wow! Du hast dir ja wirklich viele Gedanken gemacht!«
Alex erwiderte ihr Lächeln. »Ich hab dir gesagt, was ich will. Wie klingt das für dich?«
»Absolut perfekt.« Das wäre es wirklich. Davon war sie überzeugt. So lange hatte sie geglaubt, dass es nach Greg keinen Mann mehr in ihrem Leben geben könnte. Bis sie vor fast zwei Jahren Alex kennengelernt hatte. Und jetzt würde sie in kaum mehr als fünf Monaten ihre zweite und letzte große Liebe heiraten.