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K urze Zeit später war die Schleife um den Sportplatz neun auf Randall’s Island voll mit Streifen- und Krankenwagen. Leigh Ann Longfellow und Joe Brenner waren in Handschellen zu unterschiedlichen Polizeifahrzeugen geführt worden und würden bald zur erkennungsdienstlichen Behandlung nach Manhattan gebracht werden.
Lauries Handy klingelte zum dritten Mal. Ein weiterer Anruf von ihrer Immobilienmaklerin Rhoda Carmichael. Sie ignorierte ihn.
»Sie wird einfach auf Wahlwiederholung drücken«, sagte Leo und hatte recht damit. Nur Sekunden später klingelte es erneut. »Schon deine Nerven und geh ran.«
Das Letzte, was sie jetzt wollte, war, über irgendwelche Wohnungen zu reden. Aber sie befolgte Leos Ratschlag. »Rhoda, ich kann jetzt nicht …«
Die Maklerin ließ sie gar nicht weiter zu Wort kommen. »Laurie, hören Sie zu. Diese Wohnung dürfen Sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Ein neues Gebäude in der 85th Street zwischen 2nd und 3rd Avenue. Die Wohnung umfasst das gesamte fünfzehnte Stockwerk. Es gibt vier ausnehmend große Schlafzimmer, jeweils mit eigenem Badezimmer. Die gegenwärtigen Eigentümer wollten eigentlich selbst einziehen, aber dann nahm der Ehemann das Angebot an, eine der großen Banken in England zu leiten. Jetzt wollen sie die Wohnung so schnell wie möglich loswerden. Die Maklerin, die für sie den Verkauf regeln soll, ist eine Freundin von mir. Sie hat sich bereit erklärt, Sie die Wohnung besichtigen zu lassen, bevor sie sie morgen annonciert. Der Preis ist alles andere als überzogen, ich weiß, dass sie wesentlich mehr dafür bekommen könnten. Wenn es nicht sein muss, ersparen Sie sich eine Auktion. Sie und Alex sollten sich die Wohnung sofort ansehen. Wahrscheinlich treffen Sie vor mir dort ein, ich habe dem Portier daher schon Bescheid gegeben und ihm Ihren und Alex’ Namen genannt. Die Wohnung steht leer, er lässt Ihnen die Tür offen.«
Leo neben ihr lachte nur – er konnte sich Rhoda Carmichael am anderen Ende der Leitung wunderbar vorstellen. Laurie rollte mit den Augen. »Wir besichtigen die Wohnung morgen, okay?«
»Nein, ich sagte doch: Sofort oder gar nicht. Morgen ist Sonntag, und das mitten in der Kaufsaison. Jede Maklerin, die auch nur ein bisschen was auf sich hält, hat morgen den ganzen Tag mit Terminen zugepflastert.«
»Momentan kommt es etwas ungelegen«, sagte Laurie und spürte, wie sie langsam mürbe wurde.
»Es muss aber jetzt über die Bühne gehen«, beharrte Rhoda. »Beste Upper East Side, lassen Sie sich das gesagt sein. Ein Katzensprung vom Park und dem Metropolitan Museum entfernt. Und ganz in der Nähe von Ihrem Dad und der Schule. Es ist genau das, was Sie gesucht haben, und alles absolut neuwertig und in bestem Zustand.«
»Das klingt ziemlich toll.«
Leo machte ihr deutlich, dass er ihr etwas zu sagen hatte. »Geh ruhig, wenn es sein muss. Das hier wird ewig dauern, und man wird dich dann sowieso auf die Dienststelle vorladen.«
»Meinst du wirklich?«
»Ich bin Leo Farley. Natürlich meine ich das. Ich schicke dir die Adresse der Dienststelle, sobald sie so weit sind, dass sie Zeit für uns haben. Ich fahr dann mit einem der Polizisten zurück.«
»Gut. Und Jerry wird sich freuen, wenn er seinen Wagen heil zurückbekommt.« Laurie wandte sich wieder ihrem Handy zu und teilte Rhoda mit, dass sie unterwegs sei.
»Wunderbar. Ich komme von den Hamptons – da sehen Sie, wie sicher ich mir mit dieser Wohnung bin. Rufen Sie Alex an und sagen Sie ihm, dass er dazustoßen soll. Wenn Sie vor mir da sind, wird der Portier Sie reinlassen.«
Nachdem Laurie ihr Vorhaben mit dem leitenden Polizisten abgesprochen hatte, stieg sie in Jerrys Wagen und fuhr an den aufgereihten Streifenwagen vorbei in Richtung Parkausgang. Sie wählte Alex’ Nummer. Beim vierten Klingeln fiel ihr ein, dass er wahrscheinlich noch mit seinen Mitarbeitern beim Yankees-Spiel war. Als sich die Mailbox meldete, hinterließ sie eine Nachricht. »Hallo, es ist heute besser gelaufen als erwartet. Ich hab dir eine Menge zu erzählen, bin im Moment aber unterwegs, um mit Rhoda eine Wohnung zu besichtigen. Komm dazu, wenn du Zeit hast«, sagte sie und gab noch die Adresse an, die Rhoda ihr mitgeteilt hatte.
Sie stellte im Radio den Sportsender ein, als sie sich dem Parkausgang näherte. Die Yankees lagen nach der oberen Hälfte des neunten Innings in Führung. Mit ein bisschen Glück war ihr Timing perfekt. Den weißen SUV , der auf sie wartete, bemerkte sie nicht.