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W illie Hayes am Steuer seines weißen SUV freute sich, als er den kleinen BMW mit nur einer Insassin kommen sah. Laurie – und endlich allein.
Frustriert hatte Willie die Ereignisse auf Randall’s Island mitverfolgt. Was er für einen Glücksfall gehalten hatte – Laurie an einer abgelegenen Stelle –, hatte sich als das genaue Gegenteil entpuppt. Natürlich hatte er recherchiert. Natürlich wusste er, dass ihr Vater ein hochrangiger Polizist war. Seine Vermutung, dass Daddy Leo immer noch eine Waffe trug, wurde bestätigt, als er sah, wie Leo und Laurie die beiden Leute verhafteten, die ihren Wagen zu Schrott gefahren hatten. Als er schon glaubte, auch diese Gelegenheit würde ungenutzt verstreichen, stieg Laurie allein in den Wagen und fuhr los.
Er folgte ihr und überlegte, ob er sie auf dem Weg zur Triborough Bridge von der Straße rammen sollte. Um ihr aber solche Verletzungen zuzufügen, wie sie ihm vorschwebten, war schon ein schwerer Unfall nötig – außerdem gab es im Leben keine Garantie, das wusste er. Als sie die Ausfahrt zur 69th Street nahm, ging er davon aus, dass sie zu ihrer Wohnung zurückkehrte. Er hatte sie bislang nie selbst einen Wagen steuern sehen. Parkte sie auf der Straße oder hatte sie eine Garage? Würde sich ihm die Gelegenheit bieten, sie in den SUV zu zerren? Er musste sie nur allein auf dem Bürgersteig abpassen und sich von hinten nähern. Er hatte eine neue Waffe in seiner Jackentasche, die würde reichen. Wenn er sie bloß schon am Abend vor der Pianobar gehabt hätte. Dann wäre das alles hier längst vorbei.
Seine Zuversicht schwand, als sie an einen Wasserhydranten heranfuhr, wo ihr ein großer, schlaksiger Typ zuwinkte. Willie erkannte ihn als den Freund, der auf der nervigen Verlobungsparty diesen widerlichen Song über die Hochzeit geträllert hatte. Würde sie ihm erneut durch die Lappen gehen, nachdem er so lange gewartet hatte?
Er wollte schon losfahren, als Laurie ihrem Freund die Autoschlüssel zuwarf. Der setzte sich hinters Steuer, ließ fröhlich die Hupe ertönen und brauste davon. Langsam näherte sich Willie mit seinem Wagen, er war zu allem bereit, aber dann überraschte Laurie ihn erneut, als sie sich vom Bürgersteig zum Eingang des Apartmentgebäudes wandte. War sie schon umgezogen? Nach den Mails, die er auf dem gestohlenen Laptop gelesen hatte, war sie doch noch auf der Suche.
Ein Lebensmittellieferwagen machte in diesem Augenblick seinen Parkplatz in der Mitte des Blocks frei. Sofort besetzte Willie den Platz und behielt im Rückspiegel Laurie im Auge, die sich mit dem Portier unterhielt. Willie stieg aus, wartete kurz auf dem Bürgersteig und erreichte den Gebäudeeingang, als sie gerade in den Aufzug trat. Er vermutete, dass sie eine weitere Wohnung besichtigte. Er spürte, dass das seine Chance war.
Er ging auf den Portier zu, der mittlerweile telefonierte. »Entschuldigen Sie, die Frau, die gerade gekommen ist …«
»Sind Sie der Ehemann?«, fragte der Portier.
»Ähm, ja, der bin ich.«
»Fünfzehnter Stock. Die Tür gleich gegenüber vom Aufzug«, sagte er und widmete sich wieder seinem Telefonat.
»Meine Frau ist allein da?«
»Ja, bislang schon. Die Maklerin ist noch unterwegs. Aber ich soll Sie schon mal hochlassen, falls Sie vor ihr eintreffen. «
Willie nickte ihm zu, ging zum Aufzug, trat ein und wartete, bis die Tür geschlossen war und er den Knopf für den fünfzehnten Stock gedrückt hatte, bevor er laut loslachte. Der Aufzug setzte sich in Bewegung.