Jede Rede, ob es dem Sprecher bewußt ist oder nicht, hat eins von vier Hauptzielen. Welche Ziele sind das?
Beeinflussen oder Handlung bewirken
Informieren
Beeindrucken und überzeugen
Unterhalten
Lassen Sie uns das durch eine Reihe bestimmter Beispiele aus der Rednerlaufbahn Abraham Lincolns erhärten.
Wenige Menschen wissen, daß Abraham Lincoln einst ein Verfahren erfand und patentieren ließ, um gestrandete Schiffe, die auf Sandbänke oder andere Hindernisse aufgelaufen waren, wieder flottzumachen. In der Werkstatt eines Mechanikers nahe bei seinem Anwaltsbüro ließ er ein Modellgerät bauen. Als Freunde ihn aufsuchten, um das Modell zu betrachten, gab er sich außerordentliche Mühe, es ihnen zu erklären. Der Hauptzweck dieser Erklärungen war die Information.
Als er seine unsterbliche Ansprache in Gettysburg oder als Präsident seine Antrittsreden hielt, als er beim Tod des Staatsmannes Henry Clay in beredten Worten dessen Taten rühmte, war der Hauptzweck seiner Ansprachen, zu beeindrucken und zu überzeugen.
In seinen Plädoyers vor Gericht bemühte er sich, günstige Urteile zu erreichen. In seinen politischen Reden ging es ihm um den Gewinn von Wählerstimmen. In diesen Fällen war der Zweck, Handlung zu bewirken.
Zwei Jahre ehe er zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, erarbeitete Lincoln einen Vortrag über Erfindungen, mit dem Ziel zu unterhalten. Wenigstens war das seine Absicht – aber offenbar hat er sein Vorhaben nicht erreicht. Seine Laufbahn als Volksredner wurde eine Enttäuschung. Einmal erschien in einer Stadt nicht ein einziger Mensch, um ihn zu hören.
Aber mit seinen anderen Reden hatte er bemerkenswerten Erfolg. Einige sind zu klassischen Beispielen der Redekunst geworden. Warum? Vor allem, weil er bei diesen Gelegenheiten sein Ziel kannte und es zu erreichen wußte.
Viele Redner versäumen es, ihre Absicht mit dem Zweck der Versammlung, zu der sie sprechen, in Einklang zu bringen. Sie zappeln sich dann ab und kommen doch zu Fall.
Ein Beispiel: Ein Mitglied des Kongresses der Vereinigten Staaten wurde einst niedergeschrien und ausgepfiffen und schließlich gezwungen, das Rednerpult im alten New Yorker Hippodrom zu verlassen, weil er sich – zweifellos unwissentlich, aber dennoch törichterweise – entschlossen hatte, eine rein informierende Rede zu halten, während die Volksmenge nicht nur trocken instruiert werden wollte. Sie wollte auch unterhalten sein. Ganz geduldig und höflich wurde ihm zehn Minuten, eine Viertelstunde zugehört, in der Hoffnung, die Rede würde rasch zu Ende gehen. Doch das geschah nicht. Der Redner schwafelte weiter und weiter. Da war es mit der Geduld vorbei. Mehr wollte man sich nicht bieten lassen.
Einer begann höhnisch zu applaudieren. Andere machten es nach. Einen Augenblick später pfiffen und schrien Tausende von Menschen. Der Redner, zu dumm und unfähig, die Stimmung seiner Zuhörer zu erfühlen, war so töricht fortzufahren. Das brachte die Leute auf die Barrikaden. Ihre Ungeduld wurde zum Zorn. Jetzt wollten sie ihn zwingen zu schweigen. Lauter und lauter wurde der Sturm ihres Protestes. Endlich gingen seine Worte in diesem Gebrüll, dieser Wut unter; man verstand ihn auch in nächster Nähe nicht mehr. So war er gezwungen, aufzugeben, sein Versagen zuzugeben und sich gedemütigt zurückzuziehen.
Ziehen Sie Nutzen aus diesem Beispiel. Passen Sie den Zweck Ihrer Rede dem Hörerkreis und der Gelegenheit an. Hätte das Kongreßmitglied von vornherein erkannt, daß sein Ziel – die reine Information seiner Zuhörer – dem Wunsch dieser Zuhörer nicht entsprach, die auch unterhalten werden wollten, so hätte er sein Mißgeschick vermeiden können. Wählen Sie einen der vier Zwecke erst, nachdem Sie die Gruppe und die Gelegenheit, zu der sie zusammentrifft, analysiert haben.
Um Ihnen beim Redeaufbau zu helfen, handelt dieses ganze Kapitel von der kurzen Rede, die die Zuhörer zum Handeln bewegen soll. Die folgenden Kapitel werden den drei anderen wichtigen Redezwecken gewidmet sein: zu informieren, zu überzeugen und schließlich zu unterhalten. Jedes dieser Ziele erfordert ein anderes Schema, bei jedem gibt es besondere Fallstricke, die man vermeiden muß. Als erstes wollen wir von dem Aufbau der Reden sprechen, die zum Handeln führen sollen.
Gibt es eine Methode, unser Material so anzuordnen, daß wir unsere Zuhörer tatsächlich dazu veranlassen können zu tun, was wir wünschen? Oder ist es purer Zufall, ob wir Erfolg oder Mißerfolg haben?
Ich erinnere mich noch gut, wie ich mit meinen Kollegen dieses Thema besprach, als sich meine Kurse über das ganze Land zu verbreiten begannen. Wegen des Umfangs unserer Klassen legten wir eine Begrenzung von zwei Minuten für die von den Teilnehmern zu haltenden Reden fest. Diese Begrenzung beeinträchtigte die Reden nicht, wenn der Redner lediglich unterhalten oder informieren wollte. Doch bei Reden, die Aktion bewirken sollten, war das etwas anderes. Die Rede, die Handlung hervorrufen soll, kam mit dem seit Aristoteles bewährten Aufbau von Einleitung, Ausführung und Schluß einfach nicht aus. Offensichtlich wurde etwas Neues und Andersartiges benötigt, um uns eine sichere Methode an die Hand zu geben, mit einer Rede von zwei Minuten die Zuhörer zum Handeln zu veranlassen.
Wir hielten also Tagungen ab. Wir forderten alle unsere Lehrer auf, sich etwas einfallen zu lassen – manche von ihnen waren als Dozenten für Rhetorik an unseren hervorragendsten Universitäten tätig. Andere hatten Schlüsselpositionen in der Geschäftswelt oder kamen aus Werbeagenturen und Finanzierungsgesellschaften. Aus der Verschmelzung der Gedanken dieser Männer mit so unterschiedlichen Erfahrungen hofften wir, zuverlässige Hinweise für eine neue, sozusagen stromlinienförmige Redetechnik zu gewinnen, geschaffen für unsere Zeit mit ihrem Verlangen nach einer sowohl psychologisch als auch logisch wirksamen Methode, Zuhörer zum Handeln zu bewegen. In der Tat entwickelte sich aus diesen Diskussionen die sogenannte Zauberformel des Redeaufbaues. Wir begannen, sie in unseren Kursen zu verwenden, und wir haben sie seither immer benutzt. Wie heißt diese Zauberformel?
Erstens: Beginnen Sie Ihre Rede mit einem lebendigen Beispiel, einem anschaulich dargestellten Ereignis, das die Hauptidee übermittelt. Zweitens: Nennen Sie in klaren, knappen Worten Ihre Absicht; sagen Sie genau, was Sie von Ihren Zuhörern wollen. Und drittens: Nennen Sie den Grund, das heißt, machen Sie den Nutzen oder Vorteil klar, den der Zuhörer gewinnt, wenn er Ihrer Aufforderung folgt. Das ist eine Formel, die in hohem Grade unserem schnellen Lebenstempo entspricht. Heutzutage kann kein Redner es sich leisten, in langen gemächlichen Einführungen zu schwelgen, denn seine Hörerkreise bestehen aus stark beschäftigten Menschen, die erwarten, daß der Redner in präzisen Worten sein Anliegen vorträgt. Sie sind an den komprimierten, direkten Zeitungsstil gewöhnt, in dem die Tatsachen unverbrämt dargeboten werden. Sie sind einer Form von Werbung ausgesetzt, die ihre Botschaften zwingend und eindeutig von Plakaten, Fernsehschirmen, Zeitungs- und Zeitschriftenseiten verkündet. Jedes Wort ist berechnet, nichts ist verschwendet. Benutzen Sie die Zauberformel, und Sie können sicher sein, daß Sie Aufmerksamkeit erlangen und der Hauptpunkt Ihrer Rede im Brennpunkt des Interesses stehen wird. Sie schützt Sie vor albernen Eingangsworten wie: «Ich habe nicht genügend Zeit gehabt, diese Rede sorgfältig vorzubereiten», oder: «Als ich aufgefordert wurde, hier zu sprechen, konnte ich mir gar nicht vorstellen, weshalb die Wahl wohl auf mich gefallen sein könnte.» Zuhörer sind an Entschuldigungen und Rechtfertigungen nicht interessiert, gleichgültig, ob sie echt oder vorgegeben sind. Sie wollen Handlung. Mit der Zauberformel bieten Sie ihnen diese vom ersten Wort an.
Die Zauberformel ist ideal für kurze Reden, weil sie auf einem bestimmten Maß von Spannung aufgebaut ist. Der Zuhörer wird durch die Geschichte gepackt, weiß aber erst gegen Ende Ihrer Zwei- oder Drei-Minuten-Rede, was Sie eigentlich bezwecken wollen. Diese Methode ist fast unumgänglich, wenn Sie etwas von Ihren Zuhörern fordern. Kein Redner, der wünscht, daß seine Hörer tief in ihre Taschen greifen, für welchen wichtigen oder unwichtigen Zweck es auch immer sein mag, wird sehr weit kommen, wenn er etwa folgendermaßen beginnen wollte: «Meine Damen und Herren! Ich bin hier, um von Ihnen fünf Dollar zu erbitten.» Ein allgemeines Gerenne zum Ausgang würde anheben. Beschreibt der Redner aber seinen Besuch eines Kinderspitals, wo er einem ganz besonders ergreifenden Fall begegnete – etwa einem kleinen Kind, dem die finanzielle Hilfe für eine Operation in einer Spezialklinik im Ausland fehlt –, und bittet dann um Spenden, wird sich die Aussicht auf Unterstützung durch seine Zuhörer ganz außerordentlich steigern. Es ist die Geschichte, das Beispiel, das den Weg für die erwünschte Handlung vorbereitet. Beachten Sie, in welch mustergültiger Weise das Beispiel von Leland Stowe angewandt wurde, als er seine Zuhörer veranlassen wollte, den Appell der Vereinten Nationen für Kinder zu unterstützen:
Ich bete, daß mir das nie wieder zustoßen möge. Kann es irgend etwas Schrecklicheres geben als lediglich eine Erdnuß zwischen einem Kind und dem Tod? Ich hoffe, Sie werden nie dazu gezwungen werden, so etwas tun und mit der Erinnerung daran weiterleben zu müssen. Hätten Sie ihre Stimmen gehört und ihre Augen gesehen an jenem Januartag in dem zerbombten Arbeiterviertel von Athen ….. Doch alles, was mir geblieben war, war eine Dose Erdnüsse. Als ich an ihr herumfingerte, um sie aufzubekommen, hielten mich Dutzende zerlumpter Kinder mit gierig zupackenden Händen wie in einem Schraubstock. Scharen von Müttern, Babys auf den Armen, drängten sich vor und kämpften darum, in Reichweite zu kommen. Sie streckten mir ihre Säuglinge entgegen. Winzige Händchen, nur Haut und Knochen, zuckten und zitterten. Ich versuchte jedem eine Erdnuß zu geben.
In ihrem Wahnsinn hätten sie mich fast umgerissen. Nichts als Hunderte und Aberhunderte von Händen: bittende Hände, packende Hände, verzweifelte Hände; alles bemitleidenswerte kleine Hände. Eine gesalzene Erdnuß hier, eine da. Sechs Erdnüsse, die mir aus den Fingern glitten, verursachten ein wüstes Durcheinander ausgemergelter kleiner Leiber zu meinen Füßen. Wieder eine Erdnuß hier, eine dort. Hunderte von Händen, greifend und verlangend, Hunderte von Augen, in denen das Licht der Hoffnung erlosch. Ich stand da, hilflos, eine leere blaue Dose in meiner Hand … Ja, ich hoffe, das möge Ihnen nie geschehen.
Die Zauberformel kann auch benutzt werden, um Geschäftsbriefe zu schreiben und Mitarbeitern und Angestellten Anweisungen zu geben. Mütter können sie anwenden, wenn sie ihren Kindern etwas begründen, und Kinder werden sie nützlich finden, wenn sie ihre Eltern um etwas bitten. Sie werden in ihr ein psychologisches Hilfsmittel erkennen, wenn es im täglichen Leben darum geht, Ihre Ideen einem anderen nahezubringen.
Selbst in der Werbung wird die Zauberformel Tag für Tag verwendet. Die Firma Eveready warb im Rundfunk mit einer Reihe von Werbespots für ihre Batterien – und die Werbeaktion war auf dieser Formel aufgebaut. Der Spot begann mit dem Bericht eines Mannes, der in tiefer Nacht sich nicht aus seinem verunglückten Auto hatte befreien können. Nachdem ein Sprecher die Einzelheiten des Unfalls anschaulich geschildert hatte, wurde der Autofahrer aufgefordert, die Geschichte mit der Beschreibung zu beenden, wie die Strahlen seiner Taschenlampe, gespeist von einer Eveready-Batterie, rechtzeitig Hilfe brachten. Nun folgten Absicht und Begründung: «Kaufen Sie Eveready-Batterien, und Sie können einen ähnlichen Unfall überleben!»
Alle angeführten Berichte waren tatsächliche Erlebnisse aus den Unterlagen der Firma Eveready. Ich weiß nicht, wie groß der Verkaufserfolg dieser speziellen Werbeserie war, doch weiß ich, daß die Zauberformel eine wirkungsvolle Methode ist, Ihren Zuhörern das ans Herz zu legen, was sie nach Ihrer Ansicht tun oder unterlassen sollten. Gehen wir die einzelnen Stufen nacheinander durch.
Dieser Teil Ihrer Rede wird die meiste der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit in Anspruch nehmen. In ihm beschreiben Sie eine Erfahrung, aus der Sie etwas gelernt haben. Psychologen haben festgestellt, daß wir auf zwei verschiedene Weisen lernen. Einmal durch das Gesetz der Übung: Eine Reihe gleicher Ereignisse führt zu einer Änderung unserer Verhaltensweise. Zum anderen durch das Gesetz der Wirkung, wenn nämlich ein einziges Erlebnis so aufrüttelnd ist, daß es eine Änderung in unserem Verhalten bewirkt. Wir alle haben diese Art ungewöhnlicher Erfahrungen gesammelt.
Wir brauchen nicht lange nach solchen Ereignissen zu suchen, denn sie liegen an der Oberfläche unseres Gedächtnisses. Unser Verhalten wird zum großen Teil von diesen Ereignissen geprägt. Wenn wir derartige Geschehnisse lebhaft rekonstruieren, können wir damit andere wirkungsvoll beeinflussen. Daß wir das können, liegt daran, daß Menschen auf Worte weitgehend genauso reagieren wie auf tatsächliches Geschehen. In dem Teil Ihrer Rede, der dem Beispiel gewidmet ist, müssen Sie daher einen Ausschnitt aus Ihrer Erfahrung wieder lebendig machen. Das muß auf eine Weise geschehen, daß Ihre Worte die gleiche Wirkung auf Ihre Zuhörer haben, wie das ursprüngliche Geschehen auf Sie hatte. Sie müssen also Ihre Erfahrungen derart klar berichten, intensivieren und dramatisieren, daß sie für Ihre Zuhörer interessant und zwingend werden. Hier folgen einige Vorschläge, die Ihnen helfen werden, den Beispiel-Teil Ihrer Rede klar, intensiv und bedeutungsvoll zu gestalten.
Ein Beispiel ist ganz besonders wirkungsvoll, wenn Sie ein einmaliges Geschehen schildern, das einen nachhaltigen Eindruck auf Sie selbst machte. Vielleicht hat dieses Ereignis nur wenige Sekunden gedauert – doch in dieser kurzen Zeitspanne haben Sie eine unvergeßliche Lehre erhalten.
In einem unserer Kurse berichtete ein Mann von einer entsetzlichen Erfahrung, die er machen mußte, als er versuchte, von seinem umgeschlagenen Boot aus zur Küste zu schwimmen. Ich bin ganz sicher, daß jeder seiner Zuhörer sich entschloß, in ähnlicher Lage dem Rat des Redners zu folgen und bei dem gekenterten Boot auszuharren, bis Hilfe herbeikäme.
Ein anderes Beispiel: Ein Redner berichtete von dem schrecklichen Erlebnis, als ein Kind durch einen sich überschlagenden elektrischen Rasenmäher verunfallte. Diese Schilderung ist so unauslöschlich in meine Erinnerung eingegraben, daß ich in alle Zukunft Vorsicht walten lassen werde, wenn Kinder in die Nähe meines Rasenmähers kommen. Viele unserer Kursleiter waren von dem, was sie in ihren Kursen zu hören bekamen, so beeindruckt, daß sie sich entsprechend verhielten, um ähnliche Unfälle in ihrer Umgebung zu verhüten. Einer hat beispielsweise einen Feuerlöscher griffbereit in seiner Küche, da er in einer Rede die anschauliche Schilderung eines tragischen Brandunfalls anhörte, der durch ein Mißgeschick beim Kochen ausgelöst wurde. Ein anderer hat alle Flaschen mit giftigem Inhalt deutlich gekennzeichnet und achtet stets darauf, daß sie außerhalb der Reichweite seiner Kinder aufbewahrt werden. Das wurde durch die Rede einer Mutter bewirkt, die davon berichtete, wie sie ihr Kind bewußtlos im Badezimmer auffand, eine Flasche mit Haushaltsgift in den verkrampften Fingern.
Eine einmalige, persönliche Erfahrung, die Ihnen eine unvergeßliche Lehre erteilt hat, ist der erste Bestandteil einer überzeugenden Rede, die Handlung bewirken soll. Mit einem derartigen Beispiel können Sie Ihre Zuhörer zum Handeln veranlassen. Wenn Ihnen so etwas zugestoßen ist – das ist der logische Schluß, den Ihre Hörer ziehen –, so kann es ihnen selbst auch passieren, und deshalb sind sie bereit, Ihren Rat anzunehmen und zu tun, was Sie ihnen empfehlen.
Einer der Gründe, weshalb Sie als erstes Ihr Beispiel bringen sollten, ist der, sofort Aufmerksamkeit zu erreichen. Manche Redner versagen beim Versuch, schon durch die Eingangsworte Aufmerksamkeit zu erlangen, weil diese ersten Worte allzuoft aus abgegriffenen Bemerkungen bestehen, aus Klischees oder halben Entschuldigungen, die die Zuhörer nicht interessieren. «Ungewohnt, wie mir ein öffentliches Auftreten als Redner ist», klingt besonders dumm; doch viele andere Gemeinplätze, mit denen Reden häufig eingeleitet werden, sind genauso ungeeignet, um Aufmerksamkeit zu erreichen. Einzelheiten darüber auszubreiten, weshalb Sie gerade dieses Thema gewählt haben, Beglückung der Hörer durch das Bekenntnis, daß Sie nicht gut vorbereitet sind (das wird man ohnehin bald genug feststellen), Ankündigung Ihres Themas mit einem Pathos, als trüge ein Prediger die Textstelle seiner Predigt vor – all diese Methoden gilt es zu vermeiden, wenn Sie mit einer kurzen Rede zum Handeln aufrufen wollen. Springen Sie mitten hinein in Ihr Beispiel, und Sie werden augenblicklich die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer haben.
Hier ein paar Einleitungssätze, die meine Aufmerksamkeit wie ein Magnet angezogen haben: «Am 24. Mai fand ich mich im Bett eines Krankenhauses.» – «Gestern morgen beim Frühstück, meine Frau schenkte gerade Kaffee ein, da … ». – «Im vergangenen Juli fuhr ich mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn von ….. nach …» – «Die Tür meines Büros wurde aufgerissen, und Herbert Fink, unser Vorarbeiter, stürzte herein.» – «Ich fischte mitten auf dem See. Als ich aufschaute, sah ich ein Motorboot in voller Fahrt auf mich zukommen.»
Wenn Sie am Anfang Ihrer Rede Antwort geben auf «Wer», «Wann», «Wo», «Was», «Wie» oder «Warum», so benutzen Sie einen der ältesten Kunstgriffe, um Aufmerksamkeit zu erlangen, nämlich – die Geschichte. «Es war einmal …» sind die Zauberworte, die das Schleusentor zur kindlichen Phantasie öffnen. Nutzen Sie sie, so können Sie den Geist Ihrer Zuhörer mit Ihren allerersten Worten bannen.
Einzelheiten für sich allein betrachtet sind nicht interessant. Ein mit Möbeln und Kinkerlitzchen vollgestopftes Zimmer ist nicht anziehend. Ein Bild mit allzu vielen Details, die nicht zueinander passen, hält das Auge nicht lange fest. Genauso machen viele Einzelheiten – unwichtige Einzelheiten – Gespräch und Vortrag zu einer quälenden Geduldsprobe. Das Geheimnis heißt Auswahl – Auswahl jener Details, die dazu dienen, den Zweck und den Grund der Rede zu betonen. Wenn Sie sich bemühen, Ihren Zuhörern den Gedanken nahezulegen, vor langen Fahrten ihren Wagen überprüfen zu lassen, dann sollten alle Einzelheiten im Beispiel-Teil Ihrer Rede das betreffen, was Ihnen zustieß, als Sie das unterließen. Falls Sie sich darüber auslassen, welch entzückende Ausblicke Sie während der Fahrt genossen haben oder in welchem Hotel Sie am Ziel Ihrer Reise wohnten, werden Sie den Zweck Ihres Vortrags lediglich verschleiern und die Aufmerksamkeit wird bald nachlassen.
Erläuternde Einzelheiten hingegen, in anschaulicher, farbiger Sprache vorgetragen, sind das geeignetste Mittel, das Geschehnis wieder aufzufrischen und Ihre Zuhörer es nacherleben zu lassen, als wären sie selbst dabeigewesen.
Äußern Sie lediglich, daß Sie früher einmal einen Unfall infolge von Nachlässigkeit gehabt haben, so ist das armselig und uninteressant und wird kaum jemand veranlassen, mehr Sorgfalt walten zu lassen. Malen Sie hingegen ein Bild mit Worten, die Ihre schreckliche Erfahrung wiedergeben, und gebrauchen die ganze Skala sinnfälliger Ausdrücke, so werden Sie dieses Ereignis wichtig machen. Hier ist der Beispiel-Teil der Rede eines Kursteilnehmers, der darauf hinweisen wollte, wie vorsichtig man im Winter fahren sollte:
Eines Morgens vor Weihnachten fuhr ich auf dem Highway 41 in Indiana in Richtung Norden. Meine Frau und meine Kinder saßen mit im Wagen. Mehrere Stunden mußten wir auf einer Fläche spiegelblanken Eises dahinkriechen. Die geringste Drehung des Steuerrads ließ das Heck meines Fords beängstigend rutschen. Nur wenige Fahrer scherten aus oder versuchten zu überholen. Die Stunden schienen so langsam dahinzuschleichen wie die Wagen.
Dann kamen wir zu einer offenen Strecke, auf der das Eis von der Sonne geschmolzen war. Ich gab Gas, um die verlorene Zeit aufzuholen. Andere Fahrer taten dasselbe. Plötzlich schien jeder in Eile, um als erster in Chicago zu sein. Die Kinder hinter mir fingen an zu singen, als die Anspannung nachließ. Plötzlich stieg die Straße an, und es ging in einen Wald. Als der stark beschleunigte Wagen die Kuppe erreichte, sah ich zu spät, daß der nördliche Abhang des Hügels, von der Sonne noch nicht getroffen, einem Strom von Eis glich. Mit einem flüchtigen Blick gewahrte ich zwei seitwärts schleudernde Wagen, und dann gerieten wir selbst auch ins Schleudern. Ohne etwas dagegen tun zu können, überschlugen wir uns seitwärts und landeten in einer Schneewehe – doch aufrecht. Der uns folgende Wagen fing an derselben Stelle an zu schleudern, krachte in die Seite unseres Autos, zerschmetterte die Türen und überschüttete uns mit Glassplittern.
Die Fülle der Einzelheiten bei diesem Beispiel machte es den Hörern leicht, sich selbst in die Situation zu versetzen. Ihre Absicht ist es ja vor allem, Ihren Zuhörern das vor Augen zu führen, was Sie selbst sahen, sie hören zu lassen, was Sie selbst hörten, fühlen zu lassen, was Sie fühlten. Sie können diesen Effekt einzig und allein durch die Schilderung vieler Einzelheiten erzielen. Wie wir in Kapitel vier ausführten, besteht die Aufgabe der Vorbereitung einer Rede darin, die Fragen nach dem «Wer», «Wann», «Wo», «Wie» und «Warum» zu beantworten. Sie müssen das Vorstellungsvermögen Ihrer Zuhörer anregen, indem Sie mit Worten Bilder malen.
Zusätzlich zum Gebrauch bildhafter Einzelheiten sollte der Redner das Geschehen, das er beschreibt, wieder mit Leben erfüllen. Hier nähert sich die Rede dem benachbarten Gebiet des Schauspiels. Alle bedeutenden Redner haben einen Sinn fürs Dramatische, doch ist das nicht etwa ein seltenes Talent, das sich nur bei den Wortgewandten findet. Fast alle Kinder haben diese Gabe in reichem Maß. Viele unserer Bekannten sind begabt im Einsatz von ausdrucksvollen Gesten, Mimik oder Pantomime, was ja zu der unschätzbaren Fähigkeit des Dramatisierens gehört. Die meisten von uns haben da einige Talente, und mit ein wenig Mühe und Übung können wir diese Fähigkeiten weiterentwickeln.
Je mehr Handlung und Spannung Sie in die Wiedergabe eines Geschehens hineinbringen können, desto stärker wird der Eindruck sein, den Sie auf Ihre Zuhörer machen. Ganz gleich, wie reich an Details eine Rede sein mag, sie hat keine Durchschlagskraft, wenn der Redner sie nicht mit der Leidenschaft der wieder durchlebten Erfahrung vorträgt. Beschreiben Sie eine Feuersbrunst, dann lassen Sie uns fühlen, welche Erregung durch die Menge lief, als die Feuerwehrmänner die Flammen bekämpften. Berichten Sie uns von dem Streit mit einem Nachbarn, dann beleben Sie Ihre Rede, indem Sie dramatisieren. Wollen Sie schildern, wie Sie einmal fast von Panik überwältigt worden wären? Dann lassen Sie Ihre Zuhörer das Entsetzen empfinden, das Sie in diesen fürchterlichen Augenblicken fühlten. Denn eine Aufgabe Ihres Beispiels ist es (unter anderen), Ihre Geschichte so zu vermitteln, daß sie unvergeßlich bleibt. Haftet das Beispiel im Gedächtnis Ihrer Zuhörer, so werden sie sich Ihrer Rede und dessen, was Sie von Ihnen forderten, entsinnen.
Das Neue Testament ist eine wahre Schatzkammer von Beispielen, die ethische Grundsätze veranschaulichen, wie etwa die Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Ein selbst erlebtes Beispiel trägt nicht nur dazu bei, daß Ihre Rede leichter im Gedächtnis haftet, es macht sie außerdem auch interessanter, überzeugender und leichter verständlich. Das, was das Leben Sie gelehrt hat, wird unmittelbar von Ihren Hörern aufgenommen. In gewissem Sinne sind Ihre Zuhörer dadurch schon vorbereitet auf das, was sie tun sollen. Das führt uns nun zum zweiten Teil der Zauberformel.
In Ihrer Rede, die Ihre Zuhörer zur Handlung bewegen soll, hat der Beispiel-Teil mehr als dreiviertel Ihrer Redezeit beansprucht. Nehmen wir an, Sie sprächen zwei Minuten. Es verbleiben Ihnen etwa zwanzig Sekunden, in denen Sie Ihren Zuhörern die geforderte Handlung und den Nutzen, den sie davontragen werden, wenn Sie Ihrem Rat folgen, eindringlich einprägen können. Die Notwendigkeit für Einzelheiten besteht nun nicht mehr. Jetzt ist der Augenblick für eine klare, unverblümte Aussage gekommen. Wir finden hier das genaue Gegenteil der Zeitungsartikel-Technik: Anstatt als erstes die Schlagzeile zu bringen, beginnen Sie mit dem Bericht der Neuigkeit und setzen die Schlagzeile, nämlich Ihren Aufruf zur Handlung, an den Schluß. Für diesen Teil der Rede gelten drei Regeln.
Machen Sie genaue Angaben, wenn Sie Ihren Zuhörern sagen, was Sie von ihnen erwarten. Die Leute tun nur das, was sie genau verstehen. Werden Sie sich zunächst selbst darüber klar, was Ihre Hörer eigentlich tun sollen, nachdem Ihr Beispiel ihre Bereitschaft geweckt hat. Es ist zweckmäßig, diesen Punkt schriftlich festzuhalten. Versuchen Sie dabei, wie in einem Telegramm die Zahl der Wörter zu beschränken und diese Wörter so klar und deutlich wie möglich zu wählen.
Sagen Sie also nicht: «Helfen Sie den Kindern in unserem örtlichen Waisenhaus.» Das wäre zu allgemein. Sagen Sie statt dessen: «Verpflichten Sie sich heute abend, am nächsten Sonntag fünfundzwanzig Waisenkinder zu einem Picknick einzuladen.» Es ist wichtig, eine offenkundige Handlung zu verlangen, eine Handlung, die man sehen kann; nur von der geistigen Handlung zu sprechen, die jeder Handlung vorausgeht, ist zu vage.
«Denken Sie ab und zu an Ihre alten Eltern» wäre zu allgemein, um eine Handlung zu provozieren. Sagen Sie statt dessen: «Entschließen Sie sich, Ihre Eltern am kommenden Wochenende zu besuchen.» Eine Feststellung wie «Seien Sie ein guter Staatsbürger» sollte umgewandelt werden in «Gehen Sie nächsten Sonntag wählen!»
Gleichgültig, ob es sich um ein umstrittenes Thema handelt oder nicht: Der Redner hat die Pflicht, seinen Aufruf zur Aktion so zu formulieren, daß es für seine Zuhörer leicht ist, ihn zu verstehen und zu befolgen. Drücken Sie sich deshalb genau aus, spezifizieren Sie Ihre Aufforderung. Sollen Ihre Zuhörer zum Beispiel die Fähigkeit, Namen zu behalten, verbessern, dann sagen Sie nicht: «Beginnen Sie jetzt, Ihr Namensgedächtnis zu verbessern.» Das ist zu allgemein und deshalb auch schwierig zu befolgen. Sagen Sie statt dessen: «Wiederholen Sie den Namen des nächsten Unbekannten, den Sie kennenlernen, fünfmal innerhalb der darauf folgenden fünf Minuten.»
Redner, die ihren Zuhörern genau sagen, was sie tun sollen, sind viel erfolgreicher als jene, die sich mit Allgemeinheiten begnügen. Zu sagen: «Unterschreiben Sie bitte die Karte mit guten Wünschen, die ich hinten auf den Tisch gelegt habe», ist weit besser als die Aufforderung, doch an ein erkranktes Mitglied des Kurses eine Karte oder einen Brief zu schreiben. Fragt man sich, ob es besser sei, die Aufforderung positiv oder negativ zu formulieren, so sollte man sich den Gesichtspunkt der Zuhörerschaft zu eigen machen. Durchaus nicht alle negativ ausgesprochenen Aufforderungen sind wirkungslos. Warnen Sie vor einer unerwünschten Haltung, so ist dieses Verfahren vermutlich für die Zuhörer überzeugender als ein positiv formulierter Vorschlag. «Seien Sie kein Krawatten-Muffel» war die negative Formulierung in einer Werbekampagne, die den Krawattenverkauf enorm gesteigert hat.
Die Aufforderung ist der Angelpunkt Ihrer Rede. Deshalb sollten Sie sie mit Schwung und Überzeugung vortragen. So wie die Schlagzeile in Großbuchstaben hervorsticht, sollte Ihre Aufforderung zum Handeln durch größere Lebhaftigkeit in Ihrer Stimme und entsprechende Betonung hervorgehoben werden. Sie sind jetzt dabei, den abschließenden Eindruck auf Ihre Zuhörer zu machen. Tun Sie das so, daß Ihre Hörer die Echtheit Ihres Aufrufs zum Handeln spüren. Es darf keine Unsicherheit oder Schüchternheit in Ihrem Appell geben. Diese Überzeugungskraft sollte zu Ihren letzten Worten überleiten, mit denen Sie den dritten Teil der Zauberformel anwenden.
Hier sind wiederum Knappheit und Kürze notwendig. In dem Begründungsteil sagen Sie, welchen Anreiz oder Lohn die Zuhörer erwarten können, wenn sie Ihrer gerade ausgesprochenen Forderung folgen.
In der kurzen Rede, die zur Aktion auffordert, mit der wir uns in diesem Kapitel befassen, können Sie den Nutzen nur mit einem oder zwei Sätzen herausstellen. Wichtig ist dabei vor allem, daß Sie den Nutzen hervorheben, der dem Beispiel entspricht. Wenn Sie von Ihrer Erfahrung berichten, wie Sie durch den Kauf eines gebrauchten Autos Geld sparten, und Ihre Zuhörer auffordern, einen Gebrauchtwagen zu kaufen, müssen Sie in Ihrer Begründung den finanziellen Vorteil eines derartigen Kaufes herausstreichen. Sie sollten nicht von Ihrem Beispiel abweichen, indem Sie als Grund angeben, daß manche älteren Automodelle eine elegantere Form haben als die neuesten Modelle.
Die meisten Verkäufer können ein halbes Dutzend Gründe aufzählen, warum man ihr Erzeugnis kaufen soll. Es ist durchaus möglich, daß auch Sie verschiedene Gründe für Ihre Aufforderung angeben können und daß all diese Gründe dem von Ihnen gewählten Beispiel entsprechen. Aber wiederum ist es am besten, für die Rede nur einen hervorragenden Grund oder Nutzen auszuwählen und sich darauf zu beschränken. Die letzten Worte, die Sie an Ihr Publikum richten, sollten so einleuchtend und klar sein wie die Botschaft einer wohldurchdachten, wirkungsvollen Zeitungsanzeige. Studieren Sie diese Anzeigen, auf die soviel Sorgfalt verwendet wurde, und Sie werden die Fähigkeit entwickeln, Aufforderung und Begründung in Ihrer Rede überzeugend zu formulieren. In keiner Anzeige wird der Versuch gemacht, mehr als ein Produkt, mehr als eine Idee auf einmal zu verkaufen. Und nur ganz wenige Anzeigen in den auflagestarken Zeitschriften verwenden mehr als eine Begründung, warum Sie kaufen sollten. Ein Produzent mag sein Kaufinotiv von einem Medium zum anderen wechseln, wenn er sich beispielsweise des Fernsehens und der Zeitung bedient, doch äußerst selten wird er verschiedene Beweggründe in einer Anzeige ansprechen, mögen sie nun an das Auge oder an das Ohr appellieren.
Untersuchen Sie Anzeigen in Zeitschriften, Zeitungen und Fernsehen und analysieren ihren Inhalt, so werden Sie erstaunt sein, wie häufig die Zauberformel angewandt wird, um Menschen zum Kaufen zu veranlassen. Dann werden Sie auch erkennen, wie gut die einzelnen Elemente jeder Anzeige aufeinander abgestimmt sind.
Es gibt noch andere Möglichkeiten, Beispiele aufzubauen: Man kann Schaustücke verwenden, etwas vorführen, Autoritäten zitieren, Vergleiche ziehen und Statistiken vorlegen. In Kapitel dreizehn, das die längere Rede behandelt, die zur Tat auffordert, sollen diese Möglichkeiten ausführlicher besprochen werden. Im vorliegenden Kapitel ist die Zauberformel ausschließlich auf das persönlich erlebte Beispiel bezogen. Denn in der kurzen Aktivierungsrede ist das bei weitem die leichteste, interessanteste, dramatischste und wirksamste Methode, die ein Redner anwenden kann.