3 Wirkungsvoll sprechen – schnell und leicht gelernt

Tagsüber schaue ich mir selten eine Fernsehsendung an. Kürzlich aber bat mich ein Freund, eine Nachmittagssendung anzusehen, die sich in erster Linie an Hausfrauen wendete. Es war eine besonders beliebte Sendung, und mein Freund meinte, sie müsse mich wegen der Reaktionen des Publikums interessieren. Und so war es auch. Ich sah mir mehrere Fortsetzungen an und war begeistert davon, wie der Moderator Leute aus dem Publikum zum Reden brachte. Es waren keine Berufsredner. Diese Menschen waren nie in der Kunst der Kommunikation unterwiesen worden. Einige drückten sich grammatikalisch ungenügend aus und sprachen Wörter falsch aus. Doch alle Beiträge waren interessant. Wenn diese Menschen zu sprechen begannen, schien alle Angst vor der Fernsehkamera von ihnen abzufallen, und man hörte ihnen gespannt zu.

Wie war das möglich? Ich kenne die Antwort, denn ich habe viele Jahre die gleiche Technik benutzt, die hier angewandt wurde. Diese Menschen, einfache, gewöhnliche Männer und Frauen, gewannen die Aufmerksamkeit der Zuschauer, weil sie über sich selbst sprachen, über die beschämendsten oder die erfreulichsten Ereignisse ihres Lebens oder darüber, wie sie ihre Frauen, ihre Männer kennengelernt hatten. Sie wußten nichts von Einleitung, Hauptteil und Schluß. Sie kümmerten sich nicht um Stil oder Satzbau. Sie erhielten die höchste Anerkennung ihrer Zuschauer: ungeteilte Aufmerksamkeit für das, was sie zu sagen hatten. Das ist die sinnfällige Probe auf die erste von den meines Erachtens drei wichtigsten Grundregeln, um schnell und leicht erfolgreich sprechen zu lernen:

Regel 9 Sprechen Sie über etwas, wozu Sie sich durch Erfahrung oder Studium das Recht erworben haben.

Die Männer und Frauen, deren lebendige Geschichten diese Fernsehsendung so interessant machten, sprachen aus eigener, persönlicher Erfahrung. Sie sprachen über etwas, das sie kannten. Überlegen Sie doch einmal, was für ein langweiliges Programm das geworden wäre, hätte man diese Menschen aufgefordert, den Hinduismus zu charakterisieren oder die Struktur der UNO zu erläutern. Aber genau hier liegt der Fehler, den zahllose Redner bei vielen Tagungen und Festessen begehen. Sie beschließen, über Themen zu sprechen, zu denen sie keine oder zu wenig persönliche Beziehung haben. Sie wählen Themen wie Demokratie oder Gerechtigkeit – und nachdem sie ein paar Stunden lang fieberhaft in einer Zitatensammlung oder einem Handbuch für Redner herumgeblättert haben, fügen sie in Eile einige Gemeinplätze hinzu, an die sie sich nebelhaft aus Studienzeiten erinnern. Und dann geben sie eine Rede von sich, die sich durch nichts auszeichnet als durch ihre Länge. Nie käme es diesen Rednern in den Sinn, daß ihre Zuhörer sich für Tatsachenmaterial interessieren könnten, das dieses hochfliegende Gerede auf den Boden der Wirklichkeit stellen würde. Bei einem unserer Kurse begann ein Teilnehmer folgendermaßen: «Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das sind die gewaltigsten Begriffe im Wortschatz der Menschheit. Ohne Freiheit ist das Leben nicht lebenswert. Führen Sie sich vor Augen, was das Dasein für Sie bedeuten würde, wenn Ihre Handlungsfreiheit allseits eingeengt wäre.»

Weiter kam er nicht, denn der Kursleiter unterbrach ihn mit der Frage, warum er das alles glaube. Er wurde aufgefordert, seine Behauptung durch die Schilderung persönlicher Erfahrungen zu belegen. Da hörten die Anwesenden eine erstaunliche Geschichte. Der Mann war Angehöriger der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung, gewesen und beschrieb nun die Grausamkeiten, denen er und seine Familie während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg ausgesetzt gewesen waren. Er schilderte, wie er vor der Gestapo geflohen und schließlich nach Amerika entkommen war. Er schloß mit den Worten: «Als ich heute die Straße entlang zu diesem Hotel ging, konnte ich aus freiem Entschluß kommen oder gehen, wie es mir beliebte. Ich ging an einem Polizisten vorüber, doch der nahm keine Notiz von mir. Ich betrat dieses Hotel, ohne nach einem Ausweis gefragt zu werden, und wenn wir heute abend auseinandergehen, kann ich gehen, wohin ich will. Glaubt mir, Freunde, die Freiheit ist wert, daß man für sie kämpft.» Seine Zuhörer erhoben sich spontan von den Plätzen, um ihm Beifall zu klatschen.

Berichten Sie, was das Leben Sie gelehrt hat

Nie wird ein Redner sich über Unaufmerksamkeit seiner Zuhörer zu beklagen haben, der von dem berichtet, was das Leben ihn gelehrt hat. Aus Erfahrung weiß ich, daß Redner diese Einsicht gar nicht leicht annehmen – sie gehen der Schilderung persönlich erfahrener Lehren aus dem Weg, betrachten sie als zu geringfügig und zu belanglos. Lieber schwingen sie sich in die Höhen grundsätzlicher Ideen und philosophischer Prinzipien auf, in denen unseligerweise die Luft für gewöhnliche Sterbliche allzu dünn zum Atmen ist. Sie speisen uns mit Leitartikeln ab, wenn wir hungrig auf Neuigkeiten sind. Keiner von uns hat etwas gegen Leitartikel, wenn sie von Menschen verfaßt werden, die berufsmäßig dazu befähigt sind. Worum es hier geht: Sprechen Sie von dem, was das Leben Sie gelehrt hat, und ich werde Ihr dankbarer Zuhörer sein!

Von Ralph Waldo Emerson, dem Philosophen und Dichter, heißt es, daß er immer bereit war, einem Menschen – wie unbedeutend dieser auch sein mochte – zuzuhören, weil er wußte, daß er von jedem, dem er begegnete, lernen konnte. Möglicherweise habe ich mehr Reden Erwachsener zugehört als irgendein anderer Mensch. Und ich kann aufrichtig versichern, daß mich nie eine Rede gelangweilt hat, wenn der Redner von seinen persönlichen Erfahrungen berichtete, wie unerheblich sie gelegentlich auch gewesen sein mögen.

Zur Erläuterung: Vor einigen Jahren unterrichtete einer unserer Lehrer die leitenden Angestellten der Banken von New York in freier Rede. Verständlicherweise war es für die vielbeschäftigten Teilnehmer oft schwierig, sich ausreichend vorzubereiten. Ihr ganzes Leben lang hatten sie ihre eigenen persönlichen Gedanken gedacht, hatten ihre eigenen persönlichen Überzeugungen gehegt, sich Ansichten aus ihrem besonderen Blickwinkel heraus gebildet, ihren höchst persönlichen Erfahrungen gemäß gelebt. Jahrelang hatten sie Stoff angesammelt für Reden. Doch für manche von ihnen war es schwer, sich das klarzumachen. Eines Tages stellte ein Bankmann – nennen wir ihn Mr. Jackson – fest, daß er nur noch eine Stunde Zeit bis zum Kursbeginn hatte. Worüber sollte er nur sprechen? Er kaufte an einem Kiosk eine Zeitschrift und las in der Untergrundbahn einen Artikel mit dem Titel Sie haben nur zehn Jahre Zeit, um erfolgreich zu sein. Er las diesen Artikel nicht, weil er sich besonders dafür interessiert hätte, sondern weil er über irgend etwas sprechen mußte.

Eine Stunde später erhob er sich und versuchte überzeugend und eindringlich über den Inhalt dieses Artikels zu reden. Was war das Ergebnis, das unvermeidliche Ergebnis?

Er hatte nicht verarbeitet, nicht verdaut, was er zu sagen versuchte. «Zu sagen versuchte», das drückt genau aus, was er tat. Es drängte ihn nicht, eine wichtige Botschaft mitzuteilen, und das verriet die Art seines Auftretens, das verriet auch unmißverständlich sein Ton. Wie konnte er von seinen Hörern erwarten, stärker beeindruckt zu sein, als er selbst es war? Er hielt sich ganz an den Artikel und referierte über die Meinungen des Autors. Die anderen Teilnehmer wurden mit Magazin-Meinungen gefüttert – doch von Jacksons eigenen Gedanken erfuhren sie wenig.

Nach Schluß des Referates sagte der Kursleiter: «Mr. Jackson, diese nebelhafte Gestalt, die den Artikel geschrieben hat, interessiert uns nicht. Sie ist nicht hier. Wir können sie nicht sehen. Aber wir interessieren uns für Sie und Ihre Ideen. Sagen Sie uns, was Sie denken, Sie ganz persönlich, nicht was irgendjemand gesagt hat. Stecken Sie mehr von Mr. Jackson hinein. Wollen Sie bitte nächste Woche zum gleichen Thema sprechen? Lesen Sie diesen Artikel nochmals, und stellen Sie sich die Frage, ob Sie dem Verfasser zustimmen oder nicht. Tun Sie es, so geben Sie Beispiele aus Ihrem Leben, die das erläutern. Sind Sie entgegengesetzter Meinung, so erklären Sie uns weshalb. Benutzen Sie diesen Artikel als Ausgangspunkt, von dem aus Sie sich in Ihre eigene Rede stürzen.»

Mr. Jackson las den Artikel nochmals und stellte fest, daß er dem Autor durchaus nicht zustimmte. Er suchte in seiner Erinnerung nach Beispielen, mit denen er seine Ablehnung begründen konnte. Aus seiner persönlichen beruflichen Erfahrung in der Bank entwickelte und erweiterte er im einzelnen seine Gedanken. In der darauffolgenden Woche hielt er eine Rede, die voller persönlicher Überzeugungen und eigener Erfahrungen war. Anstelle des aufgewärmten Artikels aus einer Zeitschrift gab er uns nun Erz aus seiner eigenen Mine, Geld aus seiner eigenen Münze. Sie werden selbst wissen, welche Rede die anderen stärker beeindruckte.

Suchen Sie Themen in Ihrer Vergangenheit

Eine Gruppe unserer Kursleiter wurde einmal gebeten, kurz niederzuschreiben, welches die größte Schwierigkeit bei Kursbeginn sei. Als die Zettel eingesammelt waren, fand sich als meistgenannte Schwierigkeit: Anfänger dazu zu bringen, die richtigen Themen zu wählen.

Was sind denn richtige Themen? Richtig ist ein Thema für Sie, wenn Sie mit ihm gelebt und es sich durch Erfahrung und Durchdenken zu eigen gemacht haben. Wie findet man solche Themen? Graben Sie in Ihrer Erinnerung, durchforschen Sie Ihre Erlebnisse nach dem, was im Laufe Ihres bisherigen Lebens den nachhaltigsten Eindruck auf Sie gemacht hat. Vor einigen Jahren untersuchten wir, welche Themen in besonderer Weise die Aufmerksamkeit unserer Kursteilnehmer gefesselt hatten. Wir fanden heraus, daß es sich im einzelnen besonders um folgende Themen aus dem persönlichen Erlebnisbereich handelte:

Frühe Kindheit und Jugend. Themen, die die Familie behandeln, Kindheitserinnerungen, Schulerlebnisse finden stets Aufmerksamkeit, weil wir eigentlich alle gern erfahren, welche Schwierigkeiten andere Menschen hatten, als sie heranwuchsen, und wie sie diese Schwierigkeiten überwanden.

Wo immer sich die Möglichkeit ergibt, flechten Sie Ereignisse und Erlebnisse aus Ihrer Kindheit und Jugend in Ihre Reden. Es ist erwiesen, daß Theaterstücke, Filme und Geschichten, die sich mit Kindheits- und Jugendproblemen befassen, besonderes Interesse erwecken. Daraus sollten Sie den Wert solcher Themen für Ihre Reden erkennen. Wie aber können Sie gewiß sein, daß es andere interessieren wird, was Sie in Ihrer Jugend erlebt haben? Es gibt einen zuverlässigen Test: Wenn Sie sich an ein Geschehnis noch nach Jahren lebhaft erinnern, haben Sie nahezu die Garantie, daß es auch andere interessieren wird.

Schwierigkeiten zu Beginn des Berufslebens. Diesem Gebiet wird immer großes Interesse entgegengebracht. Sie können auch hier die Aufmerksamkeit einer Gruppe fesseln durch die Schilderung Ihrer ersten Versuche, in der Welt voranzukommen. Wie kamen Sie zu einem bestimmten Beruf? Welche Ereignisse verbanden sich miteinander und bewirkten, daß Sie weiterkamen? Berichten Sie über Ihre Enttäuschungen, Ihre Hoffnungen, Ihre Erfolge, als Sie sich Ihren Platz im Leben erkämpften. Der wahre Lebensbericht der meisten Menschen kommt – wenn er bescheiden vorgetragen wird – fast immer an.

Hobbies und Freizeit. Da Themen aus diesem Bereich von persönlicher Entscheidung abhängen, fesseln sie von vornherein die Aufmerksamkeit der Zuhörer. Sie können nicht falsch wählen, wenn Sie über etwas sprechen, das Sie aus reiner Freude tun. Ihre natürliche Begeisterung für Ihr spezielles Hobby wird Ihnen helfen, wenn Sie Ihren Zuhörern berichten.

Besondere Wissensgebiete. Haben Sie sich viele Jahre mit besonderen Dingen beschäftigt, so machen Ihre Kenntnisse Sie zum Experten. Berichten Sie von Ihrem Wissen oder Ihrem Beruf, der auf diesen jahrelangen Bemühungen basiert – und Sie können der Anerkennung und Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer gewiß sein.

Ungewöhnliche Erfahrungen. Haben Sie einmal einen bedeutenden Menschen kennengelernt? Haben Sie Außergewöhnliches erlebt? Haben Sie einen geistigen Umbruch in Ihrem Leben durchgemacht? Erfahrungen dieser Art bieten die beste Grundlage für eine Rede.

Ansichten und Überzeugungen. Vielleicht haben Sie viel Zeit und Mühe darauf verwandt, sich über Ihre eigene Einstellung zu drängenden Fragen unserer Zeit klarzuwerden. Wenn Sie sich viele Stunden ernsthaft mit solchen Fragen auseinandergesetzt haben, steht Ihnen zu, darüber zu sprechen. Geben Sie anschauliche Beispiele für Ihre Meinung. Einer Aufzählung von Gemeinplätzen hört niemand gerne zu. Keinesfalls ist die gelegentliche Lektüre einiger Zeitungsartikel eine ausreichende Vorbereitung für einen derartigen Stoff. Wissen Sie zum Thema wenig mehr als Ihre Zuhörer, so sollten Sie über etwas anderes sprechen. Wenn Sie sich aber gründlich damit auseinandergesetzt haben, ist dieses Thema ganz gewiß das richtige für Sie.

Wie im zweiten Kapitel erläutert wurde, besteht die wichtigste Vorbereitung einer Rede nicht darin, ein paar allgemeine Worte zu Papier zu bringen oder eine Serie von Phrasen auswendig zu lernen. Sie besteht auch nicht darin, Ideen aus zweiter Hand vorzutragen, etwa aus Büchern oder aus Zeitungsartikeln. Vielmehr sollten Sie tief in Ihrer Erinnerung graben und wesentliche Überzeugungen zutage fördern. Zweifeln Sie nie! Das Material liegt dort in großer Vielfalt bereit; Sie brauchen es nur zu nutzen. Glauben Sie nicht, dieser Stoff sei zu persönlich oder zu unbedeutend für Ihre Zuhörer. Ich bin durch solche Reden aufs höchste erfreut und aufs tiefste bewegt worden – höher erfreut und tiefer bewegt als durch so manchen Berufsredner.

Nur wenn Sie etwas berichten, über das zu sprechen Sie das Recht erworben haben, können Sie die zweite Voraussetzung zum schnellen und leichten Erlernen der Redekunst erfüllen. Sie lautet:

Regel 10 Begeistern Sie sich für Ihr Thema.

Nicht alle Themen, über die zu sprechen wir das Recht erworben haben, begeistern uns. Da ich mich zum Beispiel gern im Haushalt beschäftige, bin ich ganz bestimmt berechtigt, über das Abwaschen von Geschirr zu sprechen. Aber ich kann mich für dieses Thema einfach nicht erwärmen. Ich habe aber Hausfrauen vorzügliche Reden über dieses Thema halten hören. Sie haben in ihrem Inneren eine derartige Wut über den sich ewig wiederholenden Zwang zum Abwaschen angesammelt, oder sie haben eine so geniale Methode entwickelt, diese unangenehme Arbeit zu erledigen, daß sie davon richtig bewegt wurden. Das Ergebnis: Sie sind imstande, eindrucksvoll über das Abwaschen von Geschirr zu reden.

Wenn Sie sich nicht entscheiden können, ob die Themen, denen Sie sich gewachsen fühlen, wirklich die richtigen sind, dann sollten Sie sich folgende Frage stellen: Wenn einer Ihrer Zuhörer aufstünde und genau das Gegenteil von dem behauptete, was Ihre Meinung ist – wäre das ein Anstoß für Sie, Ihren Standpunkt mit Überzeugung und Eifer zu vertreten? Ist das der Fall, dann haben Sie das richtige Thema gewählt.

Kürzlich fielen mir ein paar Notizen in die Hand, die ich mir 1926 gemacht hatte, nachdem ich einer Sitzung des Völkerbundes in Genf beigewohnt hatte. Ein Absatz lautete: «Nachdem drei oder vier langweilige Redner ihre Manuskripte abgelesen hatten, trat Sir George Foster aus Kanada aufs Podium. Mit Genugtuung bemerkte ich, daß er keinerlei Notizen oder Papiere hatte. Er gestikulierte fast unentwegt. Seine Worte kamen aus vollem Herzen. Es trieb ihn geradezu, seine Botschaft mitzuteilen. Es war so klar wie der Genfer See draußen vor den Fenstern, daß die Überzeugungen, die er der Versammlung beizubringen versuchte, aus seinem tiefsten Inneren kamen. Meine eigenen Prinzipien wurden hier aufs beste illustriert.»

Oft rufe ich mir diese Rede von Sir George wieder ins Gedächtnis. Er meinte es aufrichtig, es war ihm ernst. Nur wenn wir Themen wählen, die wir sowohl mit dem Herzen fühlen als auch mit dem Hirn verstehen, wird diese Aufrichtigkeit offenbar. Schon früh in seinem Leben lernte Bischof Fulton J. Sheen, einer der dynamischsten Redner Amerikas, diese Lektion.

«Im College wurde ich in die Debattiermannschaft gewählt», schreibt er in seinem Buch Auch du kannst besser leben, «und am Abend vor der sogenannten Notre-Dame-Debatte rief mich der dem Seminar vorstehende Professor in sein Zimmer und wusch mir gehörig den Kopf. ‹Sie sind völlig unmöglich. In der Geschichte dieses Colleges haben wir nie jemanden gehabt, der ein schlechterer Redner war, als Sie es sind›, sagte er.

‹Aber›, sagte ich und versuchte mich zu verteidigen, ‹wenn ich so unmöglich bin, weshalb haben Sie mich denn dann für die Mannschaft ausgewählt?› ‹Weil Sie denken können›, antwortete er, ‹nicht weil Sie reden können. Stellen Sie sich dort in die Ecke. Nehmen Sie einen Absatz Ihrer Rede und arbeiten Sie ihn durch.› Wieder und wieder durchdachte ich einen Absatz, wohl eine volle Stunde lang, bis er fragte: ‹Haben Sie einen Fehler gefunden?› – ‹Nein!› Eine weitere Stunde verging, zwei Stunden, zweieinhalb Stunden, an deren Ende ich völlig erschöpft war. Erfragte: ‹Merken Sie immer noch nicht, was falsch ist?›

Ich bin einigermaßen schnell von Begriff, und – nach zweieinhalb Stunden ging mir ein Licht auf. ‹Ja›, sagte ich, ‹ich bin nicht aufrichtig. Ich bin nicht echt. Ich spreche nicht, als glaubte ich es selbst.›»

In diesem Augenblick hatte Sheen eine Lektion gelernt, die er sein Leben lang nicht vergessen sollte: Er brachte sich selbst in seine Rede ein. Er begeisterte sich für sein Thema. Erst jetzt konnte der weise Professor ihm die Befähigung zu dieser Rede zuerkennen.

Wenn einer unserer Kursteilnehmer sagt: «Mich begeistert gar nichts, dazu ist mein Leben viel zu eintönig», dann fragen unsere Lehrer weisungsgemäß nach der Freizeitbeschäftigung. Einer schaut sich Filme an, ein anderer kegelt, wieder ein anderer züchtet Rosen. Ein Mann berichtete, daß er Zündholzbriefchen sammle. Als der Kursleiter fortfuhr, ihn über dieses Hobby zu befragen, wurde er nach und nach lebendiger. Schließlich gestikulierte er, als er die Schränke beschrieb, in denen er seine Sammlungen aufbewahrte. Er berichtete dem Lehrer, daß er Zündholzbriefchen aus fast allen Ländern der Erde besitze. Als er sich über diese Lieblingsbeschäftigung ereiferte, unterbrach ihn der Lehrer. «Warum sprechen Sie nicht einmal über dieses Thema? Ich finde es höchst interessant.» Der Mann erwiderte, er könne sich nicht vorstellen, daß irgendjemand etwas davon hören wolle. Da war also ein Mann, der Jahre seines Lebens mit einem Steckenpferd verbracht hatte, das ihm geradezu zur Passion geworden war – und doch dachte er, es sei zu unbedeutend als Thema für eine Rede. Der Kursleiter versicherte ihm, nur dann könne man den Wert eines Themas ermessen, wenn man sich selbst frage, wie stark es einen interessiere. An dem Abend sprach unser Mann mit aller Leidenschaft des wahren Sammlers über sein Hobby. Und später erfuhr ich, daß er eine gewisse Lokalberühmtheit auf seinem Gebiet erlangte, weil er Gelegenheiten suchte und fand, bei verschiedenen Tagungen und Versammlungen über das Sammeln von Zündholzbriefchen zu sprechen.

Dieses Beispiel führt unmittelbar zum dritten wesentlichen Punkt für alle, die auf schnelle und leichte Weise in der Öffentlichkeit sprechen lernen wollen.

Regel 11 Brennen Sie darauf, Ihren Zuhörern Ihre Botschaft zu vermitteln.

Bei allen Redesituationen spielen drei Faktoren eine entscheidende Rolle: der Redner, die Rede oder Botschaft und die Zuhörer. Die beiden ersten Regeln dieses Kapitels behandelten die Wechselbeziehungen zwischen Redner und Rede. Bis zu diesem Punkt handelt es sich noch nicht um die eigentliche Redesituation. Erst wenn der Redner seine Botschaft seinen Zuhörern vorträgt, entsteht diese Redesituation. Wir stellen uns vor, die Rede sei gut vorbereitet, sie behandle ein Thema, das den Redner begeistert. Doch für den vollen Erfolg ist noch etwas weiteres notwendig. Der Redner muß seine Zuhörer von der Bedeutung seiner Botschaft für sie selbst überzeugen. Es genügt nicht, daß er selbst sich für sein Thema begeistert, er muß diese Begeisterung auch auf seine Zuhörer übertragen. In jedem großen Redner in der Geschichte der Redekunst ist dieses Verkaufstalent, dieses Sendungsbewußtsein oder wie immer Sie es nennen wollen, wach gewesen. Der erfolgreiche Redner hat das Verlangen, seine Hörer fühlen zu machen, was er fühlt. Sie sollen das für richtig halten, was er für richtig hält. Sie sollen tun, was er von ihnen fordert. Er möchte, daß sie seine Erfahrungen nachvollziehen. Er ist auf seine Zuhörer eingestellt, nicht auf sich selbst. Er weiß, daß nicht er über Erfolg oder Mißerfolg seiner Rede entscheidet – in den Köpfen und in den Herzen seiner Zuhörer wird hierüber entschieden.

Während eines Werbefeldzugs für das Volkssparen unterrichtete ich einst eine Reihe von Bankleuten in freier Rede. Einem der Männer wollte dieser Brückenschlag zu seinen Zuhörern gar nicht gelingen. Der erste Schritt bei den Bemühungen, ihm zu helfen, war, ihn selbst mit Begeisterung für sein Thema zu erfüllen. Ich schlug ihm vor, sich zurückzuziehen und dort so lange sein Thema zu durchdenken, bis er sich wirklich an ihm «entzündete». Ich bat ihn, sich an statistische Erhebungen in New York zu erinnern, die belegen, daß über 85 Prozent der Menschen bei ihrem Tod keinen Pfennig hinterlassen, daß nur 3,3 Prozent 10000 Dollar oder mehr hinterlassen. Ich forderte ihn auf, sich vor Augen zu halten, daß er ja keinen Gefallen für sich oder etwas Unbilliges oder Unerfüllbares von den Leuten erbäte. Er sollte sich immer vorsagen: «Ich will diesen Menschen ja helfen, daß sie in ihren alten Tagen Fleisch und Brot und Kleider haben und daß sie ihre Frauen und Kinder über den eigenen Tod hinaus absichern.» Er sollte einfach ständig daran denken, daß er einen echten sozialen Dienst leisten würde. Kurz gesagt: Er sollte einen Kreuzzug durchführen. Diese Tatsachen überdachte er zunächst einmal. Er brannte sie sich geradezu ins Bewußtsein. Er weckte sein eigenes Interesse. Er fachte sein Gefühl mehr und mehr an und gewann das Empfinden, daß er tatsächlich eine Mission hatte. Als er nun ansetzte zu sprechen, war der Klang echter Überzeugung in seinen Worten. Er «verkaufte» seinen Zuhörern den Nutzen des Sparens, weil er das echte Verlangen hatte, den Menschen zu helfen. Nun war er nicht mehr lediglich ein mit Fakten ausgestatteter Redner: Er war ein Missionar, der Anhänger für eine sinnvolle Sache suchte.

Früher habe ich bei meiner Unterrichtspraxis weitgehend an Lehrbuchregeln für freies Sprechen geglaubt. Solange ich das tat, wiederholte ich eigentlich nur einige der schlechten Gewohnheiten, die mir von Lehrern eingetrichtert worden waren, die an einer gespreizten Mechanik der Vortragskunst festhielten.

Nie werde ich meine erste Unterrichtsstunde im Reden vergessen. Man hatte mich gelehrt, die Arme lose am Körper herabhängen zu lassen, die Handflächen nach hinten gewandt, die Finger halb geschlossen, der Daumen hatte das Hosenbein leicht zu berühren. Ich war angewiesen worden, den Arm in malerischem Schwung zu heben, mit dem Handgelenk eine klassische Drehung zu vollführen und dann zunächst den Zeigefinger auszustrecken, darauf den Mittelfinger und als letzten den kleinen Finger. War diese ganze kunstvolle und ästhetische Bewegung ausgeführt, so hatte der Arm in umgekehrter Reihenfolge diese Kurve wieder zu beschreiben und schließlich wieder neben dem Bein in Ruhestellung zu gehen. Die ganze Vorstellung war hölzern und affektiert. Nichts an ihr war vernünftig oder ehrlich.

Mein Lehrer gab mir keinerlei Hilfe, mich selbst in meinen Vortrag einzubringen, keinerlei Hinweis, daß ich sprechen solle wie ein normales, menschliches Wesen, das sich seinen Zuhörern lebhaft mitteilt.

Halten Sie diese mechanische Methode einer Redetechnik einmal den drei Grundregeln entgegen, die ich in diesem Kapitel erläutert habe und die die Grundlage meiner gesamten Lehre über wirkungsvolles Sprechen sind. Wieder und wieder werden Sie ihnen in diesem Buch begegnen. Jede dieser Regeln wird in den drei nächsten Kapiteln ausführlich erklärt werden.