An einem unserer New Yorker Kurse nahmen gleichzeitig ein Doktor der Philosophie und ein etwas rauhbeiniger Bursche teil, der seine Jugend bei der englischen Marine verbracht hatte. Der Mann mit dem akademischen Grad hielt Vorlesungen an einem College. Der ehemalige Seebär besaß ein Fuhrunternehmen. Seine Reden wurden von den Kursteilnehmern sehr viel besser aufgenommen als die des Professors. Warum? Der Akademiker gebrauchte ein ausgezeichnetes Englisch. Er war höflich, gebildet, kultiviert. Seine Reden waren stets logisch und klar. Doch fehlte ihnen etwas Wesentliches – die Wirklichkeit, das Faßbare. Sie waren verschwommen und allgemein. Nicht ein einziges Mal untermauerte er seine Ausführungen mit der Schilderung persönlicher Erfahrungen. Meistens waren seine Reden nichts anderes als eine Folge abstrakter Ideen, an einem dünnen Fädchen Logik aufgehängt. Der Fuhrunternehmer dagegen redete bestimmt, gegenständlich und anschaulich. Er benutzte Redewendungen aus dem täglichen Sprachgebrauch. Er stellte eine Behauptung auf und belegte sie mit Erlebnissen aus seinem Berufsleben. Er beschrieb die Menschen, mit denen er zu tun hatte, und das Kopfzerbrechen, das ihm die Arbeitsvorschriften bereiteten. Seine Kraft und seine Frische machten seine Reden lehrreich und unterhaltsam zugleich.
Wenn ich diese Reden beschreibe, so nicht, weil sie typisch für Collegeprofessoren und Fuhrunternehmer wären, sondern weil dadurch deutlich wird, wie die vielfältigen, farbigen Einzelheiten einer Rede die Zuhörer zur Aufmerksamkeit zwingen.
Es gibt vier Regeln zur Entwicklung einer Rede, die mit Sicherheit die Aufmerksamkeit der Hörer fesselt. Folgen Sie bei Ihren Vorbereitungen diesen vier Wegweisern, so werden Sie die Hörer in Ihren Bann ziehen.
Wenn Sie Ihr Thema gewählt haben, ist der erste Schritt die Abgrenzung des Feldes, das Sie bearbeiten wollen. Und an diese Abgrenzung sollen Sie sich strikt halten. Machen Sie nicht den Fehler, die ganze Landschaft einzubeziehen. Ein junger Mann versuchte, eine Zwei-Minuten-Rede zu halten über Athen vom Jahre 500 vor Christi Geburt bis heute. Wie vollkommen nutzlos! Er hatte knapp die Gründung der Stadt behandelt, da mußte er sich wieder setzen. – Ein Opfer der Zwangsvorstellung, allzu vieles in eine Rede hineinstopfen zu müssen. Ich weiß, das ist ein extremes Beispiel. Ich habe Tausende von Reden gehört, deren Rahmen weniger weit gespannt war, die aber aus dem gleichen Grund keine Aufmerksamkeit erreichten. Sie umfaßten einfach zu viele Punkte.
Es ist dem menschlichen Geist nicht möglich, einer monotonen Aufzählung von Tatsachen aufmerksam zu folgen. Klingt Ihre Rede wie eine Textsammlung oder ein Lexikon, so werden Sie die Aufmerksamkeit nicht lange fesseln können. Nehmen Sie ein einfaches Beispiel wie die Schilderung eines Ausflugs zum Yellowstone Park. In ihrem Eifer, ja nichts auszulassen, wollen die meisten Menschen über jeden einzelnen Aussichtspunkt im Park sprechen. Mit schwindelerregender Eile wird der Zuhörer von einem Punkt zum anderen gejagt. Und was bleibt am Ende im Gedächtnis? Ein verschwommenes Durcheinander von Wasserfällen, Bergen und Geysiren. Wieviel besser haftet eine solche Rede in der Erinnerung, wenn der Redner sich auf ein einziges Erlebnis im Park beschränkt, das Wild zum Beispiel oder die heißen Quellen. Dann bleibt ihm Zeit, das einzelne so lebendig darzustellen, daß der Zuhörer den Park in seinen Farben und seiner Vielfalt vor sich sieht.
Das gilt für alle Themen, wie sie auch lauten mögen: Verkaufsstrategie, Kuchenbacken, Steuerfreiheit oder die Flugbahn einer Rakete. Ehe Sie beginnen, müssen Sie begrenzen und auswählen und den Umfang Ihres Themas dem Umfang der Ihnen zur Verfügung stehenden Zeit angleichen.
In einer kurzen Rede, von weniger als fünf Minuten Dauer, können Sie nur ein oder zwei Hauptpunkte aufführen. In einer längeren Rede, bis zu dreißig Minuten, gelingt es nur wenigen Rednern, mit Erfolg zu sprechen, wenn sie mehr als vier oder fünf Hauptgedanken behandeln.
Es ist viel leichter, ein Thema oberflächlich zu behandeln, als fundierte Tatsachen zu bringen. Wählen Sie jedoch den leichten Weg, so werden Sie auf die Zuhörer nur wenig oder gar keinen Eindruck machen. Nachdem Sie Ihr Thema begrenzt haben, sollten Sie als nächstes sich selbst Fragen stellen, die das eigene Verständnis vertiefen und Sie befähigen, als Autorität zum gewählten Thema zu sprechen. Warum glaube ich das? Wann habe ich in meinem Leben etwas Beispielhaftes hierzu erfahren? Was versuche ich damit zu beweisen? Wie hat sich das im einzelnen abgespielt?
Derartige Fragen rufen nach Antworten, die Ihnen Kraftreserven vermitteln werden – die Kraft, die Ihre Zuhörer gespannt lauschen läßt. Von Luther Burbank, dem großen Botaniker, wird erzählt, daß er eine Million Pflanzenarten züchtete, um dann ein oder zwei außergewöhnliche Arten zu finden. Ebenso ist es mit einer Rede. Sammeln Sie hundert Gedanken zu Ihrem Thema – und dann verwerfen Sie neunzig.
«Ich bemühe mich stets, zehnmal so viele Informationen zu sammeln, wie ich benötige, manchmal hundertmal so viele», sagte John Gunther vor einiger Zeit. Dabei sprach der Autor, der für seine Inside-Reports bekannt wurde, über die Art und Weise, wie er sich vorbereitete, zu schreiben oder eine Rede zu halten. Bei einer Gelegenheit wurden diese Worte ganz besonders veranschaulicht. Er arbeitete an einer Artikelserie über psychiatrische Anstalten. Bei seinen Besuchen verschiedener Kliniken sprach er mit deren Leitern, Angestellten und Patienten. Einer meiner Freunde begleitete und unterstützte ihn ein wenig bei seinen Recherchen. Von ihm erfuhr ich, daß sie endlose Kilometer zurücklegten, treppauf, treppab, Korridor nach Korridor, Gebäude nach Gebäude, tagein, tagaus. John Gunther füllte viele Notizbücher. In sein Büro zurückgekehrt, stapelte er Berichte von Regierung und Behörden auf, Auskünfte privater Hospitäler und Stöße von statistischen Erhebungen, und arbeitete sie durch.
«Schließlich», erzählte mir mein Freund, «schrieb er vier kurze Artikel, die einfach und anekdotenhaft genug waren, um gute Reden abzugeben. Die beschriebenen Seiten mögen zusammen einige Gramm schwer gewesen sein. Die vollgeschriebenen Notizbücher und alles, was er sonst als Ausgangsmaterial für seine Artikel benutzt hatte, muß zwanzig Kilo gewogen haben.»
Gunther wußte, daß er nichts vernachlässigen durfte. Erfahren wie er in solcher Arbeit war, kniete er sich wirklich hinein, und er schied die Spreu vom Weizen. Ein mir befreundeter Chirurg sagte: «Ich kann dir in zehn Minuten beibringen, wie man einen Blinddarm entfernt. Aber es würde mich vier Jahre kosten, dir beizubringen, was man tun muß, wenn dabei etwas schiefgeht.» So ist es auch mit dem Reden. Bereiten Sie sich immer so vor, daß Sie auch für den Notfall gewappnet sind: wenn sich zum Beispiel der Schwerpunkt durch die Worte eines Vorredners verschiebt oder wenn eine wohlgezielte Frage in der anschließenden Diskussion gestellt wird.
Kraftreserven können Sie auch gewinnen, wenn Sie Ihr Thema so früh wie möglich wählen. Warten Sie nicht bis zum letzten oder vorletzten Tag, ehe Sie sprechen müssen. Entscheiden Sie sich frühzeitig für ein Thema, so haben Sie den unschätzbaren Vorteil, daß Ihr Unterbewußtsein für Sie mitarbeitet. Dann und wann im Lauf des Tages, wenn Sie gerade nicht angespannt tätig sind, können Sie Ihre Gedanken mit Ihrem Thema spielen lassen, Sie können Ihre Ideen verfeinern, die Sie Ihren Zuhörern übermitteln wollen. Die Zeit, die Sie üblicherweise verträumen, wenn Sie auf der Heimfahrt sind, auf den Bus warten, in der U-Bahn fahren, kann sinnvoller verwendet werden, indem Sie über das Thema Ihrer Rede nachsinnen. In dieser Inkubationsperiode, dieser Zeit des Brütens werden Sie blitzartig Einsichten gewinnen, gerade weil Sie Ihr Thema weit im voraus gewählt haben und Ihre Gedanken sich auch unbewußt damit beschäftigen.
Der Politiker Norman Thomas, ein prächtiger Redner, dem selbst politische Gegner respektvolle Aufmerksamkeit zollten, meinte: «Wenn eine Rede auch nur irgendeine Bedeutung haben soll, so muß der Redner mit dem Thema oder der Botschaft leben und sie wieder und wieder in seinen Gedanken bewegen. Er wird überrascht sein, wieviel brauchbare Illustrationen oder Möglichkeiten der Darstellung ihm einfallen werden, während er auf der Straße spaziert oder die Zeitung liest oder sich zum Schlafengehen anschickt oder morgens erwacht. Mittelmäßige Reden sind oft nur die unvermeidliche, genaue Widerspiegelung mittelmäßigen Denkens und die Folge unzulänglicher Vertrautheit mit dem aufgegriffenen Thema.»
Während Sie in diesem Stadium der Vorbereitung sind, werden Sie versucht sein, Ihre Rede Wort für Wort aufzuschreiben. Widerstehen Sie dieser Versuchung; denn haben Sie erst einmal ein Muster entworfen, liegt es nahe, daß Sie zu rasch damit zufrieden sind und aufhören, weitere konstruktive Gedanken darauf zu verwenden. Und hinzu kommt noch die Gefahr, das einmal Niedergeschriebene auswendig zu lernen. Über solches Auswendiglernen hat Mark Twain folgendes zu sagen: «Geschriebene Dinge sind nichts für die Rede. Ihre Form ist literarisch. Sie sind steif und unbiegsam und eignen sich nicht für frohgemute mündliche Übermittlung. Deren Zweck aber ist vor allem die Unterhaltung, nicht die Instruktion. Die Rede soll geschmeidig sein, der Umgangssprache ähnlich und wie aus dem Stegreif heraus wirken. Andernfalls werden Sie Ihre Hörer langweilen – statt sie zu unterhalten.»
Charles F. Kettering, dessen erfindungsreicher Geist die Entwicklung von General Motors wesentlich beeinflußte, war einer der berühmtesten und gewinnendsten Redner Amerikas. Auf die Frage, ob er gelegentlich Teile seiner Reden oder ganze Vorträge aufschreibe, antwortete er: «Was ich zu sagen habe, ist, wie ich glaube, viel zu wichtig, als daß man es auf Papier schreiben dürfte. Ich ziehe es vor, es mit jeder Faser meines Wesens in den Geist, in das Empfinden meiner Zuhörer zu schreiben. Ein Stück Papier kann doch nicht zwischen mir und denen stehen, die ich beeindrucken will.»
In seinem Buch Die Kunst, lesbar zu schreiben beginnt Rudolf Flesch ein Kapitel mit dem Satz: «Nur Geschichten sind wirklich lesbar.» Dann zeigt er auf, wie dieses Prinzip von Time und Reader’s Digest befolgt wird. Fast jeder Artikel dieser äußerst auflagenstarken Magazine ist entweder als reine Erzählung geschrieben oder reichlich mit Anekdoten durchsetzt. Niemand bezweifelt, daß eine Geschichte – ob sie nun erzählt oder für eine Zeitschrift geschrieben wird – immer Aufmerksamkeit findet.
Norman Vincent Peale, dessen Predigten von Millionen im Radio und Fernsehen gehört wurden, sagte, daß die von ihm bevorzugte Form der Übermittlung in einer Rede das Bild oder das Beispiel sei. Einem Interviewer erzählte er einmal, daß «das wahre Beispiel die beste mir bekannte Methode ist, eine Idee klar, interessant und überzeugend zu machen. Üblicherweise gebrauche ich mehrere Beispiele, um jeden Hauptpunkt zu untermauern.»
Die Leser meiner Bücher erkennen rasch, wie ich die Anekdote als ein Mittel benutze, um die wichtigsten Gesichtspunkte meiner Botschaft zu veranschaulichen. Die Regeln des Buches Wie man Freunde gewinnt können auf anderthalb Seiten aufgeführt werden. Die übrigen dreihundert Seiten dieses Buches sind mit Geschichten und Beispielen gefüllt, um aufzuzeigen, wie andere diese Regeln mit Nutzen und Erfolg angewandt haben.
Wie können wir diese außerordentlich wichtige Technik erlernen, anschauliches Material zu gebrauchen? Fünf Regeln sind dabei zu beachten: Werden Sie in Ihrer Rede menschlich, persönlich, erwähnen Sie Einzelheiten, dramatisieren Sie, machen Sie Bilder sichtbar!
Einmal forderte ich eine Gruppe amerikanischer Geschäftsleute in Paris auf, über das Thema zu sprechen: Wie man Erfolg hat. Die meisten brachten eine bloße Aufzählung abstrakter Eigenschaften und predigten über den Wert von harter Arbeit, Beharrlichkeit und Ehrgeiz. Ich unterbrach die Gruppe und sagte folgendes: «Wir wollen hier nicht belehrt werden. Das mag keiner. Denken Sie daran, Sie sollen uns unterhalten, oder wir werden Ihnen keine Aufmerksamkeit schenken, was Sie auch immer sagen mögen. Denken Sie auch daran, daß eines der interessantesten Dinge auf der Welt dramatisierter, besserer Klatsch ist. Darum erzählen Sie uns die Geschichte zweier Menschen, die Sie gekannt haben. Erzählen Sie uns, warum der eine Erfolg hatte und der andere versagte. Dem werden wir gerne zuhören, daran können wir uns erinnern, und vermutlich werden wir daraus Nutzen ziehen.»
In diesem Kurs war ein Teilnehmer, der ständig entweder Schwierigkeiten hatte, selbst Interesse an seinem Thema zu entwickeln oder die anderen dafür zu erwärmen. An diesem Abend jedoch begriff er den Vorschlag, seine Hörer menschlich zu interessieren, und erzählte uns von zwei Mitschülern in seinem College. Der eine von ihnen war so übervorsichtig gewesen, daß er Hemden in den verschiedenen Geschäften der Stadt gekauft und Listen angelegt hatte, aus denen hervorging, welches Hemd sich am besten waschen ließ, welches am längsten hielt, welches pro investierten Dollar den größten Nutzen brachte. Seine Gedanken kreisten nur um Cents. Nach seinem Abschlußexamen – es war ein College für Ingenieure –, hatte er eine so hohe Meinung von seiner eigenen Bedeutung, daß er nicht willens war, von der Pike auf zu beginnen und sich emporzuarbeiten, wie es die anderen Absolventen des Colleges taten. Als sich der Abschlußtermin zum drittenmal jährte, machte er immer noch Wäschelisten von seinen Hemden und wartete darauf, daß ihm eine besonders gute berufliche Chance über den Weg käme. Diese aber kam nie. Seither ist ein Vierteljahrhundert vergangen, und der Mann, enttäuscht und verbittert über das Leben, hat immer noch eine unbedeutende Stellung.
Nun stellte der Redner diesem Versager die Geschichte eines Mitschülers gegenüber, der alle Erwartungen übertroffen hatte. Dieser junge Mann paßte sich überall gut an. Jeder mochte ihn. Obwohl er voller Ehrgeiz war, später etwas Großes zu erreichen, begann er als technischer Zeichner. Doch immer hielt er nach einer guten Gelegenheit Ausschau. Damals wurden die Pläne für die Weltausstellung in New York gemacht. Er wußte, daß man dort fähige Ingenieure brauchen würde. Also kündigte er seine Stellung in Philadelphia und zog nach New York. Dort tat er sich mit einigen anderen zusammen und gründete eine Ingenieurfirma. Die Gruppe führte umfangreiche Arbeiten für die Telefongesellschaft durch, und diese Gesellschaft übernahm den jungen Mann schließlich gegen gute Bezahlung.
Ich habe hier nur den kurzen Umriß von dem wiedergegeben, was der Redner erzählte. Er machte seine Rede interessant und anschaulich durch eine Fülle amüsanter und menschlich berührender Einzelheiten. Er sprach weiter und weiter – dieser Mann, der sonst nicht genug Material finden konnte, um auch nur eine Zwei-Minuten-Rede zu halten. Er war überrascht, als er nachher erfuhr, daß er bei dieser Gelegenheit zehn Minuten gesprochen hatte. Die Rede war so interessant gewesen, daß sie jedem kurz erschien, und sie brachte dem Redner den ersten wirklichen Triumph.
Fast jeder kann aus diesem Beispiel lernen. Die übliche Durchschnittsrede würde sehr viel mehr Anklang finden, wenn sie durch menschlich interessierende Geschichten bereichert würde. Der Redner sollte versuchen, nur wenige Gesichtspunkte zu behandeln, diese aber durch tatsächliche Geschehnisse illustrieren. Einer solchen Rede wird die Aufmerksamkeit kaum versagt bleiben.
Die reichste Quelle menschlich interessierenden Stoffes ist selbstverständlich die eigene Lebenserfahrung. Zögern Sie nicht, Ihre Erfahrungen mitzuteilen, nur weil Sie unklar empfinden, daß Sie nicht über sich selbst sprechen sollten. Ein Hörerkreis wird es nur dann ablehnen, einem Menschen zuzuhören, der über sich selbst spricht, wenn das in eitler, ichbezogener Weise geschieht. Sonst aber sind Zuhörer ganz außerordentlich interessiert an den persönlichen Erlebnissen, die Redner ihnen erzählen. Sie sind das sicherste Mittel, die Aufmerksamkeit zu fesseln. Vernachlässigen Sie diese Möglichkeit nicht.
Benützen Sie um jeden Preis Namen, wenn Sie Geschichten erzählen, die von anderen handeln; oder erfinden Sie Namen, wenn Sie die Identität eines Menschen schützen wollen. Selbst so unpersönliche Namen wie «Hans Schmidt» oder «Fritz Meyer» sind sehr viel anschaulicher als «dieser Mann» oder «ein Mensch». Das Etikett identifiziert und unterscheidet. Wie Rudolf Flesch ausführt, «fügt nichts einer Geschichte mehr Realität hinzu als Namen – nichts ist so unreal wie Anonymität. Kennen Sie einen Roman, dessen Held keinen Namen hat?»
Benützen Sie viele Namen und persönliche Fürwörter in Ihrer Rede, dann wird Ihnen mit Sicherheit aufmerksam zugehört werden; Ihr Vortrag enthält dann einen kostbaren Bestandteil: menschliche Anteilnahme.
Vielleicht sagen Sie an dieser Stelle: «Alles gut und schön, wie fange ich es aber an, genug Einzelheiten in meine Rede einzuflechten?» Dafür gibt es einen Test. Benützen Sie die Fünf-W-Formel, die jeder Reporter anwendet, wenn er eine Nachricht aufschreibt. Geben Sie Antwort auf die Fragen: Wann? Wo? Wer? Was? Warum? Gebrauchen Sie diese Formel – und Ihre Beispiele werden von Leben und Farbe strotzen. Lassen Sie mich das durch eine Anekdote aus meinem eigenen Leben illustrieren.
«Nach Abschluß des Colleges verbrachte ich zwei Jahre auf Geschäftsreisen für die Firma Armour & Co. in Süddakota. Kreuz und quer fuhr ich mit Güterzügen durch meinen Bezirk. Eines Tages hatte ich einen zweistündigen Aufenthalt in Redfield, ehe ich einen Anschlußzug nach Süden bekam. Diese Zeit konnte ich für Geschäfte nicht nutzen, da Redfield nicht zu meinem Bezirk gehörte. Da ich spätestens in einem Jahr nach New York gehen wollte, um das Studium an der Akademie für Schauspielkunst aufzunehmen, entschied ich mich, diese freie Zeit für Sprechübungen zu nutzen. Ich wanderte über das Bahnhofsgelände und begann eine Szene aus Macbeth zu proben. Wild mit den Armen gestikulierend, rief ich dramatisch: ‹Ist das ein Dolch, was ich vor mir erblicke, der Griff mir zugekehrt? Komm, laß dich packen – ich faß dich nicht, und doch seh ich dich immer.›
Ich war noch ganz vertieft in die Szene, als mich vier Polizisten umringten und fragten, weshalb ich Frauen erschrecke. Hätten sie mich des Raubüberfalls auf einen Zug beschuldigt, so hätte ich nicht verblüffter sein können. Sie erklärten mir, daß mich eine Hausfrau aus ihrem Küchenfenster beobachtet hätte, aus einem wohl hundert Meter entfernten Haus. Nie zuvor hatte sie so etwas gesehen. Deshalb hatte sie die Polizei gerufen, und als diese eintraf, hörte man mich etwas von Dolchen schreien.
Ich klärte die Polizisten darüber auf, daß ich ‹Shakespeare probte›, doch ich mußte erst mein Auftragsbuch von Armour & Co. vorlegen, ehe sie mich in Frieden ließen.»
Beachten Sie, wie in dieser Anekdote die Fünf-W-Formel angewandt wird. Nun sind jedoch allzu viele Einzelheiten schlechter als gar keine Einzelheiten. Wir alle sind schon einmal zu Tode gelangweilt worden durch lang und breit gewalzte, überflüssige und weit hergesuchte Details. Beachten Sie, wie in der Geschichte über die Fast-Verhaftung in Süddakota jede der fünf W-Fragen kurz und bündig beantwortet wird. Wenn Sie Ihre Rede jedoch mit einem Übermaß von Einzelheiten vollstopfen, so werden Ihre Zuhörer Ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit verweigern. Und keine Zensur kann schwerwiegender sein als Unaufmerksamkeit.
Stellen wir uns einmal vor, Sie wollten schildern, wie Sie mit Erfolg einen erzürnten Kunden beruhigten, indem Sie eine der Regeln für gute menschliche Beziehungen anwandten. Sie könnten etwa folgendermaßen beginnen:
«Neulich kam ein Mann in mein Büro. Er war recht verärgert, weil die Lieferung, die er eine Woche vorher von uns erhalten hatte, nicht wunschgemäß ausgefallen war. Ich sagte ihm, wir würden unser möglichstes tun, alle Mängel zu beheben. Nach einiger Zeit beruhigte er sich und schien zufrieden, daß wir vorhatten, alles in Ordnung zu bringen.» Diese Darstellung hat einen Vorzug, sie ist ziemlich genau. Es fehlen ihr aber Namen, spezielle Details, und vor allem der echte Dialog, durch den dieses Geschehen erst Leben bekommen würde. Hören wir die gleiche Geschichte noch einmal in der anderen Version: «Vorigen Dienstag wurde die Tür meines Büros aufgerissen. Als ich hochfuhr, stand mit wütender Miene Charles Blexam vor mir, einer meiner ständigen Kunden. Ich fand nicht einmal die Zeit, ihm einen Platz anzubieten, da schimpfte er schon los: ‹Jetzt habe ich aber genug, Ed! Lassen Sie nur gleich einen Transporter vorfahren und die Waschmaschine wieder abholen.›
Ich fragte ihn, was los sei. Er schleuderte mir die Worte entgegen: ‹Sie geht nicht! Die Wäsche wird ganz verknäult›, schrie er, ‹meine Frau hat es satt, sich drüber zu ärgern!›
Ich bat ihn, sich zu setzen und mir die Sachlage etwas genauer zu erklären.
‹Ich hab keine Zeit, mich auch noch hinzusetzen›, polterte er, ‹ich komme zu spät zur Arbeit. Ich wünschte nur, ich wäre nie hergekommen, um irgend etwas von Ihnen zu kaufen. In Zukunft werde ich klüger sein.› Hierbei schlug er mit der Faust auf meinen Tisch und warf dabei das Bild meiner Frau um.
‹Hören Sie, Charley›, sagte ich, ‹wenn Sie sich jetzt nur hinsetzen und mir alles in Ruhe sagen, verspreche ich Ihnen, daß ich alles tun werde, was Sie wollen.› Auf diese Worte hin setzte er sich, und wir besprachen den Fall.»
Nicht immer ist es möglich, direkte Rede in Ihrem Vortrag zu verwenden. Doch Sie werden erkennen, wie Rede und Gegenrede in unserem Beispiel hilft, die Geschichte für den Zuhörer spannender zu machen. Hat der Redner ein wenig schauspielerisches Talent und vermag er auch stimmlich die verschiedenen Personen zu charakterisieren, so wird der Dialog sogar noch wirkungsvoller werden. Außerdem bringt der Dialog den echten alltäglichen Ton der Konversation in Ihre Rede. Das verhilft Ihnen dazu, daß Ihre Worte klingen, als sprächen Sie ungezwungen am Wohnzimmertisch – nicht, als läse ein Langweiler einen Schrieb vor einer ehrenwerten Versammlung ab oder als fabriziere ein Berufsredner einen Schwulst am Mikrofon.
Wir wissen von den Psychologen, daß mehr als 85 Prozent unseres Wissens auf bildhafte Eindrücke zurückzuführen sind. Ganz ohne Zweifel erklärt das auch die große Wirkung des Fernsehens als Werbemittel und als Medium der Unterhaltung. Öffentliche Reden sollten ebenfalls gleichzeitig ein Erlebnis für Auge und Ohr sein.
Eine der besten Möglichkeiten, eine Rede durch Einzelheiten zu bereichern, ist es, sie durch Gesten und Mimik anschaulich darzustellen. Es mag Stunden kosten, wenn Sie mir mit Worten klarmachen wollen, wie man einen Golfball schlägt – und vermutlich werden Sie mich dabei langweilen. Aber gehen Sie mit mir auf den Golfplatz, und zeigen Sie mir, was Sie tun, wenn Sie den Ball zu dem weit entfernten Loch befördern – dann werde ich ganz Auge und Ohr sein. Ebenso wird es mir gehen, wenn Sie mir ungewöhnliche Flugmanöver eines Flugzeugs unter Zuhilfenahme Ihrer Arme und Schultern deutlich machen, um mir von einer gerade noch vermiedenen Katastrophe zu berichten.
Ich erinnere mich noch gut an eine Rede, die vor einem Unternehmerkreis gehalten wurde. Sie war ein Meisterstück anschaulicher Einzelheiten. Der Redner scherzte in netter Weise über Inspektoren und Reorganisationsfachleute. Wie er die Gesten und Grimassen dieser Herren nachahmte, wenn sie eine Maschine inspizierten, das war vergnüglicher als alles, was ich im Fernsehen gesehen habe. Darüber hinaus ließ die schauspielerische Leistung diese Rede in der Erinnerung haften – ich werde sie nie vergessen und bin sicher, daß auch andere Teilnehmer noch heute darüber sprechen.
Es ist eine gute Hilfe, sich selbst zu fragen: «Wie kann ich sichtbare Einzelheiten in meine Rede einbauen?» Und dann fangen Sie getrost an zu demonstrieren. Denken Sie an die chinesische Weisheit, daß ein Bild mehr sagt als tausend Worte.
Beim Bemühen, Aufmerksamkeit zu gewinnen und zu halten – dem ersten Anliegen eines jeden Redners –, gibt es eine Hilfe, eine Technik, die von höchster Wichtigkeit ist. Meist wird sie aber dennoch nicht berücksichtigt. Der Durchschnittsredner scheint sie überhaupt nicht zu kennen. Vermutlich hat er sich gedanklich nie mit ihr auseinandergesetzt. Ich meine das Verfahren, Worte zu verwenden, die Bilder schaffen. Der bildhaften Rede kann man leicht folgen. Aber der Redner, der nebelhafte, farblose Begriffe verwendet, schläfert seine Hörer ein.
Bilder, Bilder und nochmals Bilder. Sie sind umsonst zu haben wie die Luft, die wir atmen. Flechten Sie sie in Ihre Reden, in Ihre Unterhaltung ein – und Sie werden andere besser unterhalten, stärker beeinflussen. In seinem berühmten Essay Philosophie des Stils wies der englische Philosoph und Soziologe Herbert Spencer schon vor langer Zeit daraufhin, wie unübertrefflich Redewendungen sind, die farbige Bilder hervorrufen:
«Wir denken nicht in Allgemeinheiten, sondern in bestimmten Begriffen … Wir sollten Sätze vermeiden wie: ‹Im entsprechenden Verhältnis zur Grausamkeit und Unzivilisiertheit der Sitten, Bräuche und Gewohnheiten einer Nation werden sich auch die Bestimmungen ihres Strafgesetzes verhalten!›
Statt dessen sollten wir schreiben:
‹In dem Maße, wie die Menschen Vergnügen finden an Schlachten, Stierkämpfen und Gladiatorenwettspielen, werden sie durch den Galgen, den Scheiterhaufen und die Folter strafen.›
Bildhafte Ausdrücke beleben die Seiten der Bibel und die Werke Shakespeares wie Bienen einen Bienenkorb. Wie wird ein durchschnittlicher Schreiber ausdrücken, daß eine bestimmte Sache überflüssig ist? Er wird etwa sagen, sie sei der Versuch, das Vollkommene zu verbessern. Wie drückt Shakespeare den gleichen Gedanken aus? Mit einem Bildersatz, der unsterblich geworden ist: ‹Vergülden feines Gold, die Lilie malen, auf die Viola Wohlgerüche streuen.›»
Haben Sie je darüber nachgedacht, daß fast alle Sprichwörter und Redensarten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, bildhafte Redensarten sind? «Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach.» – «Es regnet Bindfäden.» – «Man kann einen Esel zur Krippe führen, aber fressen muß er selber.» Und das gleiche Element des Bildhaften werden Sie in fast allen Gleichnissen und Vergleichen finden, die Jahrhunderte überdauert haben und vom vielen Gebrauch Patina angesetzt haben: «Schlau wie ein Fuchs.» – «Platt wie eine Wanze.» – «Hart wie ein Fels.»
Abraham Lincoln sprach stets in bildhaften Redewendungen. Wenn er der langen, komplizierten, vom Amtsschimmel diktierten Berichte überdrüssig wurde, die auf seinem Tisch im Weißen Haus landeten, dann führte er sehr bewegte Klage darüber. Nicht etwa mit farbloser Phrasendrescherei, sondern mit einem Bild, das man kaum vergessen kann: «Wenn ich einen Mann losschicke, ein Pferd zu kaufen, will ich nicht hören, wieviel Haare dessen Schweif hat. Ich will lediglich von der Schnelligkeit seiner Beine wissen.» Machen Sie Ihre Wortbilder eindeutig und klar. Malen Sie geistige Bilder, die so scharf und deutlich sind, wie sich das Geweih eines Hirsches gegen den Sonnenuntergang abhebt. Das Wort «Hund» zum Beispiel ruft in uns eine mehr oder weniger deutliche Vorstellung eines solchen Tieres hervor – eines Dackels etwa oder eines Pudels, eines Bernhardiners oder eines Schäferhundes. Bedenken Sie, wieviel deutlicher das Bild ist, das blitzartig in Ihrem Geist aufflammt, wenn der Redner «Bulldogge» sagt – diese Bezeichnung ist weniger allgemein. Und ruft «eine gefleckte Bulldogge» nicht ein noch klareres Bild hervor? Ist es nicht lebendiger, von einem «schwarzen Shetland-Pony» zu sprechen als von «einem Pferd»? Vermittelt ein «weißer Bantam-Hahn mit einem gebrochenen Bein» nicht ein sehr viel schärferes Bild als nur das Wort «Hahn»?
In seinem Buch Stilelemente schreibt William Strunk jun.: «Wenn diejenigen, die die Kunst des Schreibens erlernt haben, in einem Punkt übereinstimmen, dann in diesem: Der zuverlässigste Weg, die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen und zu behalten, ist, genau, bestimmt und gegenständlich zu schreiben. Die größten Dichter – Homer, Dante, Shakespeare – sind so wirkungsvoll, weil sie Einzelheiten schildern, und zwar Einzelheiten, die wichtig sind. Ihre Worte rufen Bilder hervor.»
Diese Regel ist für das Sprechen genauso wichtig wie für das Schreiben.
In einem meiner Kurse machte ich Versuche damit, wie man sich gegenständlich ausdrückt. Wir stellten eine Regel auf, daß der Redner in jedem Satz entweder eine Tatsache zu bringen hatte oder ein echtes Hauptwort, eine Person oder eine Zeitangabe. Die Ergebnisse waren revolutionär. Die Teilnehmer machten einen Sport daraus, sich gegenseitig bei Gemeinplätzen zu erwischen. In kürzester Zeit gab es kein Geschwafel mehr, das über die Köpfe der Zuhörer hinwegging, sondern nur noch die klare, handfeste Sprache des Mannes auf der Straße.
«Ein abstrakter Stil», sagt der französische Philosoph Alain, «ist immer schlecht. Deine Sätze sollten voller Steine, Metalle, Stühle, Tische, Tiere, Männer und Frauen sein.»
Für die tägliche Unterhaltung trifft das genauso zu. Tatsächlich gilt alles, was in diesem Kapitel über den Gebrauch von Einzelheiten beim Vortrag vor Gruppen gesagt wurde, genauso für die alltägliche Unterhaltung. Die Einzelheit ist es, die die Konversation aufleuchten läßt. Jeder, der zu einer besseren Unterhaltung beitragen will, wird Gewinn aus der Befolgung der hier gemachten Vorschläge ziehen. Auch Verkäufer werden die Zauberkraft des Details entdecken, wenn sie die gegebenen Ratschläge in ihren Verkaufsgesprächen anwenden. Jeder, der eine leitende Stellung hat, jede Hausfrau, jeder Lehrer, wird feststellen, daß die Erteilung von Anweisungen und die Weitergabe von Informationen sehr viel besser aufgenommen werden, wenn man genaue, anschauliche Einzelheiten gebraucht.