~ Auszug aus Band 2 ~

 

September
1939

Jemand hatte das Radiogerät ausgeschaltet, und trotz der vielen Menschen im Raum herrschte absolute Stille – in der Polly spürte und beinahe auch zu hören glaubte, wie ihr Herz klopfte. Solange niemand sprach und sich niemand bewegte, herrschte noch Frieden, die allerletzten Minuten …

Aber der Brig, ihr Großvater, bewegte sich doch. Schweigend stand er auf, blieb einen Moment stehen, legte eine Hand zitternd auf die Lehne seines Stuhls und fuhr sich mit der anderen langsam über die trüben Augen. Dann ging er durch den Raum und gab seinen beiden ältesten Söhnen, Pollys Vater Hugh und ihrem Onkel Edward, nacheinander einen Kuss. Sie wartete, dass er auch Onkel Rupe küsste, doch das tat er nicht. Sie hatte ihn noch nie einen Mann küssen sehen, aber das hier erschien ihr eher wie eine Entschuldigung und eine Ehrenbezeugung. Es ist dessentwegen, was sie durchgemacht haben, als es das letzte Mal Krieg gab, und weil es umsonst war, dachte sie.

Polly sah alles. Sie sah, dass Onkel Edward dem Blick ihres Vaters begegnete und ihm zuzwinkerte, und dass sich das Gesicht ihres Vaters verzog, als erinnerte er sich an etwas, an das zu denken er kaum ertragen konnte. Sie sah ihre Großmutter, die Duchy, stocksteif dasitzen und Onkel Rupert mit einem Ausdruck blanker Wut anstarren. Sie ist nicht auf ihn wütend, sie hat Angst, dass er eingezogen wird. Altmodisch, wie sie ist, glaubt sie, es wären nur die Männer, die kämpfen und sterben müssen. Sie versteht nichts. Polly verstand alles.

Allmählich rutschten alle auf ihren Stühlen hin und her, tuschelten miteinander, zündeten sich Zigaretten an, die Kinder wurden zum Spielen nach draußen geschickt. Das Allerschlimmste war eingetreten, und sie machten mehr oder minder weiter wie sonst. Genau das tat ihre Familie in kritischen Situationen. Als es vor einem Jahr einen ehrenhaften Frieden gegeben hatte, da waren alle plötzlich ganz anders gewesen, aber Polly hatte das gar nicht richtig mitbekommen, denn kaum war sie von ihrer Überraschung und Freude überwältigt worden, hatte es sich angefühlt, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. Sie war in Ohnmacht gefallen. »Du bist weiß geworden und hast die Augen verdreht, und dann bist du umgekippt. Es war maßlos spannend«, hatte ihre Cousine Clary gesagt und das in ihr Erfahrungsbuch notiert, das sie führte für die Zeit, wenn sie Schriftstellerin sein würde. Jetzt spürte Polly, dass Clary sie ansah, und gerade, als sich ihre Blicke begegneten und Polly zustimmend nickte, ja, komm, lass uns verschwinden, setzte in der Ferne das an- und abschwellende Heulen einer Sirene ein, und ihr Cousin Teddy rief: »Ein Luftangriff! Wahnsinn! So schnell!«, und alle standen auf, und der Brig sagte, sie sollten ihre Gasmasken holen und in der Halle warten, um gemeinsam zum Unterstand zu gehen. Die Duchy verschwand, um die Dienstboten zu informieren, ihre Mutter Sybil und Tante Villy meinten, sie müssten Wills und Roly aus dem Pear Tree Cottage holen, und Tante Rach sagte, sie müsse zur Mill Farm, um der Vorsteherin mit den evakuierten Kindern zu helfen – kurz, kaum jemand tat, was der Brig wollte.

»Wenn du deine Schreibsachen mitnehmen möchtest, trage ich deine Maske«, erbot sich Polly, während sie in ihrem Zimmer nach den Kartons mit ihren Gasmasken suchten. »Mist! Wo haben wir sie hin?« Sie hatten sie immer noch nicht gefunden, als die Sirene wieder losging, jetzt aber nicht auf- und abschwellend, sondern mit einem gleichmäßigen Heulton. »Entwarnung!«, rief jemand aus der Halle.

»Muss ein falscher Alarm gewesen sein«, sagte Teddy. Er klang enttäuscht.

»Obwohl wir da unten in dem schrecklichen Unterstand sowieso nichts mitbekommen hätten«, meinte Neville. »Und wahrscheinlich habt ihr schon gehört, sie benutzen den Krieg als Ausrede, um nicht an den Strand zu fahren. So etwas Ungerechtes habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gehört.«

»Sei nicht so dumm, Neville!«, zischte Lydia. »In Kriegszeiten fährt man nicht an den Strand.«

Allgemein herrschte eine streitsüchtige Stimmung, fand Polly, obwohl es ein warmer Septembermorgen war, ein Sonntag. Draußen roch es nach Mr. McAlpines Laubfeuer, und alles sah aus wie immer. Die Kinder waren aus dem Salon geschickt worden – die Erwachsenen wollten sich unterhalten, und das ärgerte natürlich alle, die nicht dazugehören durften. »Ist ja nicht so, als würden sie die ganze Zeit Witze erzählen und brüllen vor Lachen, wenn wir da sind«, sagte Neville, als sie in die Halle abzogen. Bevor jemand ihm beipflichten oder widersprechen konnte, steckte Onkel Rupert den Kopf zur Tür des Salons hinaus und rief: »Jeder, der seine Maske nicht finden konnte, geht sie jetzt suchen, und in Zukunft werden sie im Waffenraum aufgehoben. Und zwar zack, zack.«

***

»Es ärgert mich wirklich, zu den Kindern gezählt zu werden«, sagte Louise zu Nora auf dem Weg hinunter zur Mill Farm. »Sie werden stundenlang zusammensitzen und unser weiteres Leben verplanen, als wären wir Schachfiguren. Wir sollten zumindest die Möglichkeit haben, Einspruch zu erheben, bevor sie uns vor vollendete Tatsachen stellen.«

»Da bleibt einem nichts anderes übrig, als ihnen zuzustimmen und dann zu tun, was man für richtig hält«, antwortete Nora. Womit sie vermutlich meinte, zu tun, was sie wollte, dachte Louise.

»Was hast du nach der Kochschule vor?«

»Dahin gehe ich jetzt nicht zurück. Ich fange eine Ausbildung als Krankenschwester an.«

»O nein, bitte nicht! Bleib doch noch bis Ostern. Dann können wir gemeinsam abgehen. Ohne dich würde es ganz schrecklich werden. Außerdem wette ich, dass sie niemanden unter siebzehn Krankenschwester werden lassen.«

»Mich nehmen sie«, sagte Nora. »Und du kommst bestimmt zurecht. Das mit deinem Heimweh ist doch schon viel besser geworden, das Schlimmste hast du überstanden. Es ist einfach Pech, dass du ein Jahr jünger bist und noch warten musst, um etwas wirklich Nützliches zu machen. Aber dann kannst du viel besser kochen wie ich …«

»Als ich«, korrigierte Louise sie automatisch.

»Also gut, als ich, und das wird sehr nützlich sein. Du kannst dich beim Militär als Köchin bewerben.«

Eine durch und durch unschöne Vorstellung, dachte Louise. Im Grunde wollte sie überhaupt nichts Nützliches machen. Sie wollte eine große Schauspielerin werden, was Nora, wie sie mittlerweile wusste, für ungemein trivial hielt. Darüber hatten sie in den Ferien heftig … nun ja, nicht richtig gestritten, aber hitzig diskutiert, und seitdem hielt sich Louise mit ihren Zukunftsplänen etwas bedeckt. »Schauspielerinnen sind nicht notwendig«, hatte Nora gesagt, aber auch eingeräumt, dass es, wenn es keinen Krieg gäbe, relativ gleichgültig sei, was Louise mache. Im Gegenzug hatte Louise den Nutzen von Nonnen hinterfragt (Noras Berufswunsch, den sie jetzt allerdings hintanstellen musste – zum Teil, weil sie im vergangenen Jahr gelobt hatte, nicht Nonne zu werden, wenn es keinen Krieg gäbe, und jetzt, weil Krankenschwestern in den kommenden Monaten und Jahren dringend gebraucht würden). Aber Nora hatte erwidert, Louise habe keine Vorstellung von der Bedeutung des Gebets und wie notwendig Menschen seien, die ihr Leben dem Beten weihten. Das Problem war, dass es Louise nicht interessierte, ob die Welt Schauspielerinnen brauchte oder nicht, sie wollte einfach eine sein. Ihre Einstellung war Noras also moralisch unterlegen, was den Vergleich ihrer beider Charaktere in Bezug auf ihren Wert eher unerfreulich gestaltete. Aber Nora kam jeder eventuellen indirekten Kritik zuvor, indem sie unweigerlich einen viel schwerer wiegenden und abstoßenderen Fehler ansprach. »Überheblichkeit ist wirklich eins meiner großen Probleme«, sagte sie etwa, oder: »Sollte ich je auch nur probehalber als Novizin angenommen werden, scheitere ich bestimmt an meiner schrecklichen Selbstgerechtigkeit.« Was konnte man darauf erwidern? Eigentlich wollte Louise sich gar nicht so eingehend kennen, wie Nora es tat. »Wenn du wirklich glaubst, dass du so bist, wie kannst du es dann ertragen?«, hatte sie am Ende des Streits/der hitzigen Diskussion gefragt.

»Mir bleibt ja nichts anderes übrig. Aber zumindest bedeutet es, dass ich weiß, woran ich arbeiten muss. Und jetzt ertappe ich mich schon wieder dabei! Ich bin überzeugt, dass du deine Fehler auch kennst, Louise. Im tiefsten Inneren tun das die meisten Menschen. Es ist der erste Schritt.«

Im Versuch, Nora doch noch vom Wert der Schauspielkunst zu überzeugen, hatte Louise Genies wie Shakespeare, Tschechow und Bach angeführt. (Bach hatte sie als List eingefügt, weil er, wie man wusste, sehr religiös gewesen war.) »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du jemand wirst wie sie!« Daraufhin war Louise verstummt. Denn in einem ganz kleinen, geheimen Winkel ihrer selbst war sie überzeugt, dass sie tatsächlich so jemand werden würde – zumindest eine Bernhardt oder ein Garrick (denn die Männerrollen hatten es ihr schon immer besonders angetan). Ebenso wie alle früheren Auseinandersetzungen, die sie mit anderen geführt hatte, blieb auch diese ungelöst, nur war sie danach noch überzeugter, dass sie genau das tun wollte, und Nora war noch verbissener der Ansicht, dass sie es nicht wollen sollte.

»Andauernd kritisierst du mich!«, hatte sie geschrien.

»Du mich auch«, hatte Nora zurückgeschossen. »So gehen Menschen eben miteinander um. Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob es wirklich Kritik ist – vielleicht hat es mehr damit zu tun, einen Menschen an bestimmten Maßstäben zu messen. Das mache ich bei mir selbst auch, und zwar ständig«, hatte sie hinzugefügt.

»Und natürlich genügst du immer deinen Erwartungen.«

»Aber natürlich nicht!« Ihr unschuldig funkelnder Blick der Entrüstung hatte Louise erneut verstummen lassen. Als sie allerdings die buschigen Augenbrauen ihrer Freundin betrachtete und den leichten, aber unverkennbaren Ansatz eines Damenbarts auf ihrer Oberlippe, war sie doch froh, nicht wie Nora auszusehen, was in gewisser Weise auch eine Kritik darstellte. »Ich halte dich für einen viel besseren Menschen als mich«, hatte sie gesagt, ohne hinzuzufügen, dass sie trotzdem lieber sie selbst war.

»Ja, ich könnte wohl irgendwo als Köchin arbeiten«, sagte sie jetzt, als sie in die Auffahrt zur Mill Farm einbogen, wo sie bis vor zwei Tagen gewohnt hatten. Am Freitagvormittag war beschlossen worden, dass alle von dort in die neuen Cottages des Brig ziehen sollten, die zu einem ziemlich großen Haus umgebaut und Pear Tree Cottage getauft worden waren wegen des uralten Birnbaums im Garten. Dort gab es acht Schlafzimmer, aber die waren belegt mit Villy und Sybil sowie Edward und Hugh am Wochenende, Jessica Castle, die mit Raymond ihren jährlichen Besuch abstattete (er war an dem Tag nach London gefahren, um Miss Milliment und Lady Rydal abzuholen), und so blieb nur noch Platz für Lydia und Neville sowie die ganz Kleinen, Wills und Roland.

Der Umzug ins Pear Tree Cottage hatte den ganzen Tag in Anspruch genommen. Die älteren Kinder waren nach Home Place umquartiert worden, wo bereits Rupert und Zoë wohnten sowie die Großtanten und Rachel. Am Samstag war die Kinderherberge eingetroffen: fünfundzwanzig Säuglinge und Kleinkinder, sechzehn Schwesternschülerinnen sowie die Vorsteherin und Schwester Crouchback. Sie waren in zwei Bussen gekommen, gefahren von Tonbridge und Rachels Freundin Sid. Die Schwesternschülerinnen sollten in der Squashhalle schlafen, die mittlerweile mit drei mobilen Toiletten und einer höchst widerspenstigen Dusche ausgestattet war. Die Vorsteherin und die Schwester waren mit den Kindern in der Mill Farm untergebracht und wurden nachts von wechselnden Schwesternschülerinnen unterstützt. Am Samstagnachmittag hatte Nora vorgeschlagen, dass sie und Louise das Dinner für die Schwesternschülerinnen zubereiteten, was Tante Rachel mit großer Dankbarkeit annahm. Sie war seit dem Morgengrauen auf den Beinen und völlig erschöpft von dem Versuch, die Squashhalle so herzurichten, dass Menschen dort nicht nur schlafen, sondern auch ihre persönlichen Habseligkeiten aufbewahren konnten. Das Kochen hatte sich als ausgesprochen schwierig erwiesen, weil alle Küchenutensilien von der Mill Farm ins Pear Tree Cottage gewandert waren und die Ausstattung der Kinderherberge in die Irre gegangen war; der Lastwagen der Firma Cazalet, der sie transportierte, sollte erst um neun Uhr abends auftauchen. So mussten die beiden das Essen im Pear Tree Cottage zubereiten, und Villy sollte es mit ihnen zur Mill Farm fahren. Das bedeutete, unter dem fast beleidigend herablassenden Blick Emilys zu arbeiten, nach deren Verständnis Damen und ihre Töchter nicht einmal ein Ei zu kochen imstande waren. Außerdem zeigte sie ihnen nur höchst widerwillig, wo Dinge aufbewahrt wurden, zum einen, weil sie bei der ganzen Aufregung nicht wusste, wo ihr der Kopf stand, und zum anderen, weil sie sowieso nicht wollte, dass sie ihre Sachen verwendeten. Louise musste zugeben, dass sich Nora wunderbar taktvoll verhielt und offenbar jegliche Beleidigung an ihr abperlte. Sie bereiteten zwei riesige herzhafte Aufläufe zu, und Louise backte eine Ladung süßer Hefebrötchen, weil sie das gerade gelernt hatte und sich sehr gut darauf verstand. Das Essen wurde dankbar angenommen, und die Vorsteherin bezeichnete sie beide als Retterinnen in der Not.

Als sie das Haus erreichten, empfing sie Babygeschrei. Nora meinte, dass der Fliegeralarm die Kleinen wohl aus ihrem Vormittagsschlaf gerissen hatte und sie dann auch noch in den Unterstand gebracht worden waren, den der Brig hatte bauen lassen. »Obwohl mir völlig schleierhaft ist, wie die Schwestern bei einem Luftangriff nachts von der Squashhalle rechtzeitig dorthin kommen wollen«, fügte sie hinzu. Louise versuchte sich vorzustellen, wie in der Dunkelheit Bomben aus dem Nichts herabfielen, und schauerte. Waren die Deutschen zu so etwas wirklich in der Lage? Wahrscheinlich nicht, dachte sie, aber sie sagte nichts, weil sie es im Grunde gar nicht wissen wollte.

Die Vorsteherin und Tante Rach waren in der Küche. Tante Rach packte Teekisten aus, die Vorsteherin saß am Tisch und schrieb Listen.

Eine Schwesternschülerin füllte aus einer gigantischen Vorratsdose Trockenmilchportionen ab, eine andere stand am Herd und sterilisierte Fläschchen in zwei Töpfen. Es herrschte die muntere Atmosphäre einer Krisensituation.

»Not kennt kein Gebot«, sagte die Vorsteherin gerade. Louise fand, dass ihr Gesicht Ähnlichkeit mit dem einer naturverbundenen Queen Victoria hatte: die gleichen ziemlich vortretenden blassblauen Augen und die gleiche kleine Hakennase, die gleichen vollen, birnenförmigen Wangen, jedoch in der Farbe von Blumentöpfen, durchzogen von geplatzten Äderchen. Ihre Figur hingegen war reinste Queen Mary – die gepolsterte Statur der Jahrhundertwende. Sie trug ein langärmliges marineblaues Sergekleid, dazu eine frisch gebügelte weiße Schürze und eine Kappe mit gestärktem Schleier.

»Wir sind hier, um mit dem Lunch zu helfen«, erklärte Nora.

»Euch schickt der Himmel«, sagte Tante Rachel. »In der Speisekammer liegen ein paar Lebensmittel, aber ich habe mich noch nicht richtig darum gekümmert. Irgendwo ist auch ein Schinken, glaube ich, und Billy hat ein paar Salatköpfe gebracht.«

»Und dann sind da noch die Backpflaumen, die Schwester Crouchback gestern Abend eingeweicht hat«, warf die Vorsteherin ein. »Ich lege großen Wert darauf, dass meine Mädchen ihre Backpflaumen bekommen – das spart ein Vermögen an Feigensirup.«

»Sie müssen aber noch gedünstet werden«, gab Nora zu bedenken. »Ich glaube nicht, dass sie bis zum Lunch abgekühlt sind.«

»In der Not frisst der Teufel Fliegen«, sagte die Vorsteherin, klemmte ihren Füller oben an ihre Schürze und erhob sich, wobei ihre Gelenke knacksten.

Louise bot an, die Backpflaumen zu dünsten.

»Nehmen Sie die Flaschen noch nicht vom Herd. Wenn die schon zwanzig Minuten dort stehen, fresse ich einen Besen. Ach, Miss Cazalet, wo wären wir ohne unsere fleißigen Helferinnen? Aber nicht doch, Miss Cazalet, Sie heben sich noch einen Bruch!« Rachel gab ihren Versuch auf, eine Teekiste aus dem Weg zu räumen, und ließ sich von Nora helfen. Mittlerweile weinten noch mehr Kinder.

»Mr. Hitler hat unsere Routine völlig durcheinandergebracht. Wenn es so weitergeht, muss ich ihm einmal persönlich schreiben. Der Vormittag ist eine geradezu irrwitzige Zeit für einen Bombenangriff. Aber da sieht man es wieder einmal – Männer!«, sagte sie. »Ich frage nur kurz Schwester Crouchback, ob sie noch etwas auf die Liste setzen möchte – allerdings ist heute Sonntag, nicht? Da haben die Läden geschlossen. Nun ja, besser spät als nie.« Damit stürmte sie zur Tür hinaus und stieß fast mit einer Schülerin zusammen, die zwei Eimer dampfender Windeln trug. »Machen Sie doch die Augen auf, Susan. Und stellen Sie die zum Einweichen nach draußen, sonst vergeht allen der Appetit.«

»Ja, Frau Vorsteherin.« Alle Schwesternschülerinnen trugen kurzärmelige malvenfarben-weiß gestreifte Baumwollkleider und schwarze Strümpfe.

»Schau doch mal, ob du Sid findest, Herzchen, ja?«, bat Tante Rachel. »Wir müssen vor dem Lunch der Schwesternschülerinnen möglichst viele Teekisten aus der Küche schaffen. Sie ist oben beim Verdunkeln.«

Aus dem Englischen von
Ursula Wulfekamp