PROLOG
Der Mond verschwamm vor seinen Augen. Während er wartete, starrte er vor sich hin, starrte durch den Schleier der Nacht zur anderen Seite des Flusses. Er lächelte. Bald …
Das Mondlicht schien auf stillstehende Bulldozer, Bauholzstapel und Wohnwagen, die offenbar als Büros dienten. Fortschritt, hatte sein Gönner vor nicht allzu langer Zeit gesagt. Fortschritt bedeutet mehr Jobs, mehr Zufriedenheit und mehr Geld. In Ihrer Tasche und in meiner. Das ist exponentiell.
Dwaynes Kenntnisse der englischen Sprache schlossen dieses spezielle Adjektiv nicht ein – aber er glaubte zu verstehen. Er sorgte für Fortschritt, und das war etwas Gutes, nicht wahr?
Eine knarzende Stimme drang aus dem Dunkel: »Ich will, dass Sie diesen Job zu meiner vollen Zufriedenheit erledigen.«
»Das mach ich doch immer, oder etwa nich’?«, sagte Dwayne Parker. Als der schnell eingeschnappte Redneck, der er nun mal war, fühlte er sich von der Bemerkung des anderen Mannes beleidigt.
»Das tun Sie, o ja. Das will ich nicht leugnen.«
»Wurd noch keiner gefunden, oder?«, forderte Dwayne ihn heraus.
»Richtig.«
Arbeitsstiefel knirschten leise, als der Sprecher vortrat. Im Mondlicht erkannte Dwayne Blätter und Moos, die an den Stiefelspitzen klebten, aber keinen Schlamm wie an seinen eigenen. Das war der wahre Unterschied zwischen Angestellten und Arbeitern, zwischen Köpfchen und Kraft. Na und?, dachte er. Ich wette, ich werd doppelt so oft flachgelegt wie der … Das schien ihm ein fairer Ausgleich.
»Klingt, als würden Sie mir nich’ zutrauen, den Job richtig zu erledigen«, gab Dwayne schließlich zu. »Ihr Tonfall und so. Vielleicht weil ich kein toller College-Absolvent bin wie Ihre Kumpels.«
»Seien Sie nicht so unsicher.« Jetzt schwang im Tonfall etwas Neues mit. Das gefiel Dwayne gar nicht, aber er ging nicht weiter darauf ein. Die Stiefel machten noch ein paar knirschende Schritte nach vorn, unter ihnen brachen Zweige. Mondlicht drang zwischen den Bäumen hindurch, die Schatten der Äste legten dunkle Balken auf das Gesicht des anderen Mannes. »Ich setze höchstes Vertrauen in Sie«, sagte er zu Dwayne und reichte ihm einen Umschlag.
Schon besser …
Im Umschlag befanden sich fünf druckfrische 100-Dollar-Scheine.
Die Stimme des anderen schien zu schwingen, ein tiefes Hallen aus einem kaum erkennbaren Gesicht. »Sie werden das nicht mehr allzu häufig machen müssen, ehe alle abhauen.«
»Und was is’ dann?«, fragte Dwayne.
»Ihre Frau verkauft Ihr Land an mich. Dann ist sie reich, und Sie sind es auch.«
Dwayne steckte das Geld ein. O ja, so ist es. Und bis dahin werd ich ’ne Menge Spaß haben.
Die Zikaden zirpten, ein fast elektrisch klingendes Dröhnen, das aus dem Wald in alle Richtungen schallte. Wenn es ein Geräusch gab, dessen man schnell überdrüssig wurde, dann dieses. Es bedrückte ihn wie die widerlich süße Feuchtigkeit des Sumpfes.
»Hier isses gut«, sagte Dwayne.
Die Frau wirkte überrascht. »Hier?«, fragte sie. »Willste nich’ lieber in meine Hütte?«
Dwayne runzelte die Stirn. Er wusste, wie die Squatter, die schon seit Ewigkeiten geduldeten Landbesetzer der Gegend, lebten: Die meisten hatten Blechhütten an der Bucht. Er zögerte. »Ähm …«
»Oh, ’s is’ hübsch da«, versprach die Frau. »Nich’ wie die andern. Meine Brüder haben’s für mich gebaut, un’ jetzt, wo ich 18 bin, wohn ich da ganz allein.«
Dwayne unterdrückte ein Grinsen. 18? Scheiße, das Mädel sieht höchstens aus wie 14. Sie war spindeldürr, wog vielleicht 40 Kilo. Aber alle Squatter wirkten winzig – typisch für Stanherds Sippe. Die Größten ihrer Männer erreichten 1,70 Meter und die Frauen waren alle wie die hier: 1,50, höchstens 1,52. Das musste was Vererbtes sein, im Blut ihrer Vorfahren. Stanherds Squatter waren kleine Leute.
Aber was hatte sie gesagt? Sie will nicht im Wald anschaffen, dachte er. Ich soll mit ihr in ihre Bude gehen – Scheiße, nein. Jemand könnte ihn sehen.
»Nee, hier is’ gut«, wiederholte er. »Ich hab nur Zeit für ’nen Quickie.«
Im Dunkeln wirkte die Frau wie ein geschmeidiger Schatten. »Oh, okay«, sagte sie. »’s wird spät und deine Frau will bestimmt wissen, wo du warst.«
»Lass meine Frau mal meine Sorge sein«, sagte Dwayne genervt. »Die hat mir gar nix zu sagen.«
»Wird die nie misstrauisch?« Die Frau stellte diese Frage aufreizend gelassen und zog dabei ungeniert ihre Flip-Flops und die Shorts aus. »Wir ham sie alle so gern, so großzügig, wie sie zu uns is’.«
Verschissene Krebse knacken zum Mindestlohn, dachte Dwayne mit einem weiteren verborgenen Lächeln. Und diese Siebhirne glauben, das wär viel Geld. Scheiße. Natürlich hatte Dwayne das selbst eine ganze Zeit lang gemacht, das und alle möglichen anderen Handlangerjobs für Leute ohne Vorurteile. Müllcontainer leeren, Abfall entsorgen, Ölwechsel und all so was – jeden Job, den sein Bewährungshelfer ihm beschaffen konnte.
Dwayne war jetzt fast 40 und hatte schon dreimal im Gefängnis von Russell County eingesessen, insgesamt sieben Jahre. Nach dem letzten Mal (zwei Jahre, tätlicher Angriff mit einem Baseballschläger) war er hier gelandet, um für Agan’s Point Krustentiere Krebsfleisch zu pulen. Nicht gerade der tollste Job, den er je gehabt hatte. Nach einer Weile hatte er begonnen, nach Krebs-Innereien zu stinken; egal wie oft er duschte, ständig ging ein schaler, fischiger Geruch von ihm aus. Aber dann hatte er Judy kennengelernt und sein Leben hatte sich vollkommen verändert. Ihr gehörte die Firma, und ihre Schwester oben in D. C. hatte ihr bei der Umstrukturierung geholfen. Ein Kleinunternehmen, das heimlich, still und leise sehr lukrativ geworden war. Als Dwayne Judy lange genug umgarnt hatte, hatte sie ihn regelrecht angefleht, sie zu heiraten. Und jetzt?
Jetzt bin ich fein raus, dachte er.
Dwayne musste keine Krebse mehr pulen. Jetzt war er der Aufseher über die Squatter und das übrige Gesindel, die das taten.
Aber man bekam niemals genug, oder etwa doch?
Die 500 Dollar in seiner Tasche erinnerten ihn daran.
Als sich die Frau im Mondlicht umwandte, erkannte Dwayne, dass sie mittlerweile völlig nackt war. Die Schlampe verschwendet keine Zeit, dachte er. Er erkannte noch etwas anderes: einen Hinweis, dass sie wirklich mindestens 18 Jahre alt war. Volle, feste Brüste mit dunklen Nippeln; sehr feminine Formen von den Schultern über die Taille bis zur Hüfte; ein üppiger Wuchs ungebändigten Schamhaars. Nicht dass Dwayne ein Problem mit Unzucht mit Minderjährigen hätte … Nein, bei der nicht, dachte er. Oder bei den anderen sechs.
»Ich kann’s nich’ fassen, dass du’s lieber hier machen willst als in meiner Hütte«, sagte sie. Sie beugte sich im Dunkeln nach vorn, als würde sie Netzstrümpfe anziehen. Aber warum sollte sie das tun? Mitten im Wald?
»Un’ wie gesagt«, fuhr sie fort, »deine Frau is’ so nett zu uns un’ gibt uns gute Arbeit.« Sie blickte direkt zu ihm auf, ihre Augen wie dunkle Funken. »Ich find’s nich’ so gut, das hier zu machen, wo du doch Miss Judys Mann bist un’ so.«
Dwayne runzelte die Stirn. »Hey, Geld ist Geld, oder etwa nich’? Du willst mit mir wegen meiner Frau nich’ ficken? Na, eine von deinen kleinen Freundinnen macht’s bestimmt. Ohne zu nörgeln.«
»Ich weiß …«
»Außerdem geb ich dir 20 Kröten für fünf Minuten deiner Zeit. Dafür müssteste drei Stunden lang Krebse pulen.«
»Ich weiß«, wiederholte sie.
Mehr blieb nicht zu sagen. Die Squatter waren arm und sie waren nicht einmal registrierte Bürger. Unsichtbar wie illegale Einwanderer. Sie arbeiteten hart für wenig Geld, und die attraktiveren Mädchen – wie diese hier – nutzten zusätzlich andere Einkommensquellen. So lief es in der Welt, seit die Menschen von den Bäumen geklettert waren.
Dwayne kniff die Augen zusammen, um im Dunkeln etwas zu erkennen. Was macht sie? Wieder beugte sie sich nach vorn, und wieder fand er, dass es aussah, als zöge sie Strümpfe oder Hüfthalter oder so etwas an. Ja, sie hatte irgendetwas hochgezogen, bis zu ihren nackten Oberschenkeln.
»Was ziehste da an?«, fragte er sie schließlich.
»Weizenbänder«, sagte sie. »Muss aber ’n bestimmter Weizen sein, un’ sie sind gar nich’ so leicht zu machen. Schwer, die Körner zusammenzuhalten, wenn man sie ans Band näht.«
Was zum Teufel?, dachte er. Plötzlich fühlte er sich abgelenkt. Zunächst mal vom endlosen Chor der periodisch in Massen auftretenden Zikaden, diese hier in der Dreijahresvariante. In diesem Teil Virginias, in Agan’s Point, gab es sie alle – drei Jahre, sieben Jahre, 13 Jahre und 17 Jahre. Als Kind hatte Dwayne diese Wellen um Wellen von Insektenlauten als rätselhaft und fesselnd empfunden. Aber jetzt – ein Ex-Häftling kurz vor der 40 – fand er sie nur noch nervtötend.
Auch die Stimme der Frau irritierte ihn, ihr Akzent. Alle Squatter hatten ihn, zumindest die aus Everd Stanherds Sippe. Niemand wusste ihn so recht einzuordnen. Teils war es der typische Hinterwäldler-Singsang, aber darunter war etwas gemischt, das nicht einmal amerikanisch klang. Da lag etwas Sattes und Betörendes in der Art, wie sie redeten. Wenn sie sprachen, schienen sich ihre Lippen kaum zu bewegen.
Und dann war da diese neue, seltsame Information. Was zum Teufel?, dachte Dwayne wieder. Hat sie »Weizenbänder« gesagt?
Sie stand nun im Mondlicht, ihr draller junger Körper nahezu strahlend, die Brüste ragten vor, ihr Bauchnabel ein perfekter schwarzer Schatten. Sie hatte sich um jeden Oberschenkel eines der Bänder gelegt wie löchrige Strumpfbänder.
»Die Dinger sind aus Weizen gemacht?«
»Mhm. Es is’ Futterweizen und er is’ nich’ von hier. Die Clanmutter macht sie, und jedes Mädchen kriegt ’n Paar, wenn ihre Periode kommt. Das is’ ganz alte Magie.«
»Magie«, sagte Dwayne.
»Ja, wenn man mit ’nem Typen zusammen is’. Wenn man ’nen Jungen will, macht man’s an den linken Schenkel, und wenn man ’n Mädchen will, an den rechten.« Anmutig richtete sie die seltsamen Bänder mit ihren Fingern. »Un’ wenn man gar nix will, zieht man beide an.«
Dwayne schüttelte den Kopf. Squatter. Herrgott. Er wusste, dass sie recht abergläubisch waren, aber das hier war neu. Er lachte tief in sich hinein. Dumme Assis. Das Letzte, worüber die sich Sorgen machen muss, is’ ’n Braten in der Röhre.
Es wurde spät. »Zeit, zur Sache zu kommen«, sagte er und ging zu ihr. Er ließ einen 20-Dollar-Schein auf ihre Kleidung fallen, dann drehte er sie brutal herum, bis sie mit nacktem Rücken zu ihm stand, und griff um ihren Körper, um seine schwieligen Hände über die zarte Haut ihres Bauches und ihrer Brüste gleiten zu lassen. Er rieb seine Lenden an ihrem Hintern und spürte eine verbotene Gier. Ihre Haut schien wärmer zu werden, als er mit seinen rauen Liebkosungen fortfuhr, und ihr Atem ging schneller. Innerlich lachend dachte Dwayne: Sieh sich einer das an, ich mach die Schlampe heiß. Ich mach ’ne Hure geil. Die dreckigen kleinen Jungs aus ihrer Sippe bringen’s wohl nicht. Aber Dwayne eilt zur Rettung …
Das war das Mindeste, was er tun konnte, wenn man bedachte …
Er saugte an ihrem Hals und spielte intensiv an ihren Brüsten herum. Ihre Nippel wurden hart wie Kiesel, und als er sie fest drückte, quietschte sie vor Wonne und erhob sich auf die Zehenspitzen.
»Ich fand dich schon immer toll«, flüsterte sie mit ihrem seltsamen Akzent. »Du hast da was an dir …«
Der Beweis dieser Aussage lag klar vor ihm, als er mit den Fingern durch das Dickicht ihrer Schamhaare in ihr Geschlecht tauchte. Dwayne spürte eine Regung unterhalb der Gürtellinie. »Ich hab auch schon vor ’ner Weile ’n Auge auf dich geworfen.«
»Haste nich’!«, widersprach sie spielerisch.
»Klar doch. Du bist die Hübscheste von allen Mädels aus der Sippe …«
»Bin ich das?«
»… und ich hab dich oft bei der Arbeit gesehen. Eine der fleißigsten Schälerinnen. Das hab ich auch meiner Frau gesagt.«
»Das sagste doch nur so«, kokettierte sie. »Ich wette, du weißt nich’ ma’ meinen Namen, obwohl du jede Woche die Gehaltsumschläge machst.«
»Klar weiß ich deinen Namen«, behauptete Dwayne, der nach wie vor ihre Brüste bearbeitete, aber dabei dachte er: Scheiße, wie heißt die kleine Schlampe noch? »Äh …« Er zögerte. »Sunny, richtig?«
»Fast«, sagte sie. Immerhin schien sie nicht beleidigt zu sein. »Cindy. Zumindest nennt man mich meistens so.«
Dwayne interessierte es einen Dreck, wie sie hieß … Dennoch fragte er nach. »Was meinste mit meistens? Entweder isses dein Name oder nich’.«
»Es is’ nich’ mein Clanname. Der is’ furchtbar.«
Er bearbeitete ihre Brüste fester, mit mehr Aufmerksamkeit. »Wie is’ denn dein Clanname?«
»Sag ich nich’!« Sie schien sich zu schämen. »Du lachst eh nur!«
»Nein, echt nich’.«
»Everd sagt, wenn wir mit den Leuten aus der Gegend zusammen sind, solln wir unsre andern Namen benutzen. Everd sagt, dann passen wir besser rein. Wir wissen aber alle, dass wir bei euch nich’ reinpassen.«
Dwayne dachte nur an eine Sache, die »reinpassen« sollte, und die hatte wahrlich nichts mit Namen zu tun. Aber der Mann, den sie erwähnte – Everd Stanherd –, war in der Tat ein merkwürdiger alter Sack. Er war der Clanälteste, der weise Mann der Squatter, wenn man so wollte. Der Scheißer behauptete, 60 zu sein, sah aber aus wie 80. Mit Ausnahme seiner Haare: Kein einziges graues Haar wuchs auf seinem Kopf, sie waren alle rabenschwarz. Alle in der Sippe hatten dieses seltsame, glänzende, kohlschwarze Haar, auch die alten Frauen. Dwayne konnte sich nicht vorstellen, dass Leute wie die sich die Haare färbten.
»Du fühlst dich echt gut an … Cindy«, flüsterte er. Als seine eigene Erregung wuchs, klang der dichte Chor der Zikaden fast ohrenbetäubend. Jetzt hatte er seine Hände überall – sie fühlte sich so klein an, die geschmeidige Form, die spindeldürre Figur mit den beinahe übermäßig großen Brüsten, die fest und voll waren wie die Brötchen, die Judy an Feiertagen machte – und genauso warm.
Das Vorspiel war beendet; hinter seinem Reißverschluss war Dwayne mehr als bereit. Er drängte sie zwischen die Bäume, von denen große Büschel Louisianamoos herunterhingen, schob sie regelrecht mit seinen Lenden und ließ seine Finger erneut hoch zu ihren Nippeln gleiten. Als sie die Lichtung erreicht hatten, keuchte sie.
»Genau da«, sagte er, drehte sie um und legte ihre Hände an seinen Gürtel, um ihr zu bedeuten, dass es Zeit für sie war, ihm die Hose auszuziehen.
Jetzt klangen ihre Worte vor Lust ganz ausgetrocknet. »Willste sicher nich’ mit zu meiner Hütte kommen?« Sie flehte fast.
Seine Jeans fiel zu Boden. »Nee.«
»Da wär’s viel gemütlicher. Was is’ denn so besonders hier?«
Dwayne drängte sie auf den dreckigen Boden und beantwortete in Gedanken ihre Frage, während er ihr die Knie bis zu den Ohren schob. Hier? Hier sind wir nur drei Meter von dem Loch weg, das ich letzte Nacht gegraben hab …