(III)

Patricia träumte von Feuer und Rauch. Sie rannte durch einen Wald, vorbei am mondbeschienenen Meer, und obwohl um sie herum eine Feuersbrunst tobte, hatte sie nicht die geringste Angst. Stattdessen fühlte sie sich unverwundbar, sicher. Hitze hüllte sie ein, konnte sie aber nicht verletzen. Viel eher verstärkte sie das Brennen ihrer eigenen Begierde.

»Darum geht es bei Hitze«, erläuterte eine ruhige Stimme.

Es war Dr. Sallee, der neben ein paar Bäumen auf einem Stuhl saß. »Die Symbolik des Traums. Unser Wille wird von bewussten und unterbewussten Impulsen gelenkt. So werden wir als Individuen definiert, in subjektiven Begriffen, die für die reale Welt um uns herum viel zu komplex sind: durch Träume.«

Seine Stimme waberte umher wie der Qualm. Patricia versuchte, sich auf die Worte des Arztes zu konzentrieren und zu verstehen, was sie im Hinblick auf sie persönlich bedeuten könnten, aber zu viele Eindrücke stürzten gleichzeitig auf sie ein. So zum Beispiel ihre Gelassenheit inmitten dieses Waldbrands oder das heiße Kribbeln ihrer Haut. Sie war erregt, sie war …

O Gott …

»Nur ein Traum«, sagte sie leise. So viel war ihr klar. »Es ist nur ein Traum, also muss ich keine Angst haben.«

»Das stimmt«, sagte Dr. Sallee. Aber warum sah er auf einmal aus, als wäre er tot, das Gesicht ausdruckslos und leichenblass? Sein dunkler Anzug war voller Staub und der Stoff ausgefranst.

Als wäre er gerade aus einem Sarg gestiegen, in dem er eine lange, lange Zeit begraben gewesen war.

»Der Tod freudianischer Übertragung, nehme ich an«, sagte er niedergeschlagen. »Heutzutage zählen psychologische Theoreme nicht mehr, sie sind tot, fürchte ich. Ich bin tot.«

Aus unerfindlichen Gründen brachte das Patricia zum Lachen.

»Aber Sie haben recht«, wiederholte er. Seine Stimme war zu einem tiefen Gluckern geworden. »Das ist nur ein Traum, Sie müssen also keine Angst haben.«

Patricia blinzelte ihn durch den Qualm hindurch an.

»Und Sie müssen sich auch keine Gedanken über das machen, was Sie tun werden.«

Der Rauch hüllte ihn ein. Hinter ihr loderte das Feuer, also rannte sie los, obwohl sie immer noch keine Furcht verspürte. Auf dem warmen Boden zertrat sie Zweige und Blätter. Ihr sexuelles Verlangen – ihre weibliche Hitze – wuchs mit den Flammen. Plötzlich lagen die Bäume und der Qualm hinter ihr, und sie stellte fest, dass sie den Rand eines Sees erreicht hatte – nein …

Ein Teich.

Da traf sie die Erkenntnis.

Das ist der Teich in Bowen’s Field …

Das Mondlicht blendete sie. Selbst jetzt, mitten in der Nacht, konnte sie ihre Reflexion auf der spiegelglatten Wasseroberfläche sehen.

Der Anblick versetzte ihr einen Stich.

Sie trug kein Höschen unter ihrem durchsichtigen Nachthemd, das von ihrem Schweiß noch durchsichtiger wurde. Der Traum blähte ihre Geschlechtsteile auf, sodass sie aussah wie eine Karikatur weiblicher Sexualität. Ihre Brüste – schon im wahren Leben ausladend – waren im Traum noch größer, aufrechter und so angeschwollen, als wäre sie schwanger. Das feuchte Nachthemd klebte an ihnen und betonte Brustwarzen, die ebenso unmäßig vergrößert waren, mit fleischigen Nippeln in der Größe von Oliven. Der Traum hatte ihre Kurven verstärkt und ihre Hüften ausladender gemacht, und als sie den Saum des Nachthemds anhob, bemerkte sie, dass sie nicht nur keinen Slip trug, sondern auch keinerlei Schambehaarung hatte.

Ihr Verlangen brachte ihre Nerven zum Klingen und die Hitze der Nacht presste mehr Schweiß aus ihren Poren und stürzte sie in unerklärliche Lust.

Dann trat Ernie aus dem Wasser: nackt, mit mildem Lächeln und begehrlichem Blick. Auch Patricia schmachtete ihn an, aber ihr Lächeln war eindeutig anzüglich und ihre Gier nach Befriedigung ließ sie feucht werden. Sie blieb einfach vor ihm stehen und hob erneut ihr Nachthemd bis zum Nabel.

Warum sollte sie sich auch schuldig fühlen? Es war nur ein Traum, und sogar Dr. Sallee – offensichtlich ein Arzt, dessen Berufsethos gerade gestorben war – hatte bestätigt, dass sie tun konnte, was immer sie wollte. Beim Telefonat mit dem echten Dr. Sallee hatte dieser ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie das Trauma ihrer Vergangenheit überwunden hatte.

Dieser Traum bewies das doch, oder? Hier stand sie nun, am Ort ihrer Vergewaltigung, aber als vollkommen normale und nicht traumatisierte, sexuell erwachte Frau.

Ihre Sinne spielten verrückt – sie kam sich unzüchtig vor wie eine Schlampe. War das ihr wahres Selbst, das sich offenbarte? War das die echte Patricia? Oder schenkte ihr der Traum nur den Luxus, auf eine Art loszulassen, wie sie es sonst nicht konnte?

»Das ist einfach nur die Weiterentwicklung Ihrer sexuellen Sozialisation«, beruhigte sie Dr. Sallees körperlose Stimme. »Das Über-Ich gegen das Es. Die sozialen Gefüge des modernen Lebens unterstützen die Aufrechterhaltung unserer tragischen sexuellen Unterdrückung.«

Sie versuchte, diesen Worten Sinn zu verleihen, schaffte es aber nicht.

»Wir sind alle Tiere, Patricia. Wir tun nur so, als wären wir mehr. Daher die Unterdrückung und ihr lähmender Effekt. Im Grunde ist es was? Unnatürlich!«

Was mache ich hier? Das ist ein Traum. Warte ich allen Ernstes darauf, dass mein Arzt mir erlaubt, Sex zu haben? Fast musste sie über diese Absurdität lachen. Der Gedanke hinter seiner letzten Bemerkung blieb haften: Wir sind Tiere, aber wir tun so, als wären wir mehr.

»Die Höhlenmenschen haben sich nicht derart limitiert«, erklärte die Stimme des Arztes als Nächstes. »Auch nicht die Höhlenfrauen

Okay …

Ihr Blick blieb an Ernie haften, der nackt im Wasser kniete. Auch ihn hatte der Traum zu einer Sexpuppe mit optimierten männlichen Geschlechtsmerkmalen transformiert. Rücken, Schultern und Nacken waren viel breiter, Brust und Bizeps wie aufgepumpte Fleischbrocken, seine Genitalien unnatürlich groß.

»Komm her«, sagte sie, jetzt im vollen Schlampenmodus. »Und vergiss deinen Mund nicht; den wirst du brauchen.«

Ernie gehorchte, ohne zu zögern, ganz ihr williger Sklave. Er kroch auf Händen und Knien zu ihr: der ideale Mann für jede Frau. Patricia blieb stehen, denn im Traum hatte sie das Verlangen, über ihm zu sein, ihn zur Unterwerfung zu zwingen. Schamlos streichelte sie durch den Stoff hindurch ihre dicken Brüste und spürte, wie sie einen Schwall nervöser Lust in ihre Lenden sandten. Sie spreizte ihre Beine ein wenig weiter, schloss mit einem gebieterischen Lächeln die Augen und wartete darauf, dass er sie mit dem Mund befriedigte …

Aber nichts passierte.

Sie blickte wieder nach unten und musste feststellen, dass er spurlos verschwunden war.

Außer man nahm das leichte Kräuseln des Wassers als Spur.

Was als Nächstes aus dem Teich kroch, war eindeutig nicht Ernie. Es war etwas Dünnes, Graues und sehr Totes.

Eine Frau. Sie wog sicherlich keine 40 Kilo. Die graue Haut war über einen fragilen Skelettrahmen gespannt. Patricia sah, wie sich die Knochen bewegten, als die Frau auf sie zukroch. Mit eingefallenen Augen blickte sie durch das V ihrer dicken, tropfnassen Haare, die ihr in ein Gesicht wie ein blanker Schädel fielen. Patricia war sich nicht sicher – nicht dass Details in einem Traum von Relevanz wären –, aber sie meinte grobe Nähte an der Hüfte der Leichenfrau zu sehen, als wäre sie in zwei Hälften geschnitten und anschließend von schludrigen Chirurgen wieder zusammengenäht worden. An ihrem dürren Hals baumelte ein Stein-Anhänger.

»Verlasse diesen bösen Ort, Kind«, erklang die vage Ahnung einer Stimme. Tönte da ein Squatter-Akzent durch die Zerstörung, die der Tod ihren Stimmbändern gebracht hatte? »Lauf fort von hier, jetzt, und flehe den Herrn um Gnade an. Lauf. Lauf.«

»Wovor soll ich denn weglaufen?«, fragte Patricia.

Der Leichnam brach zusammen, als hätten mit einem Mal sämtliche Gelenke ihren Zusammenhalt verloren.

Patricias Frage blieb ohne Antwort, aber als sie hinter sich ein Trampeln hörte – etwas, das aus dem Wald stapfte –, brauchte sie auch keine, um einfach loszurennen.

Ihre Füße schleuderten Matsch in die Luft, als sie am Ufer des Teichs entlanghetzte. Es schien ihr, als lauerten Wesen im Teich, knapp unter der Wasseroberfläche, die sie beobachteten und versuchten, ihre Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Sie wollte das nicht allzu genau wissen, also eilte sie zurück in den Wald und dessen mondbeschienene Dunkelheit. Weiter hinten zwischen den Bäumen tobte nach wie vor das Feuer. Der Rauch brannte in ihren Augen, und sie spürte, wie unter ihren bloßen Fußsohlen kleine, fragile Dinge zerbrachen. Es waren Zikaden, die bei ihrem Fluchtversuch geröstet worden waren.

Hinter ihr dröhnten immer noch die Schritte.

Sie schlug sich tiefer in den Wald und hoffte, sich vom Feuer zu entfernen. Wer verfolgt mich? War es überhaupt ein Wer? Dies war ein Traum – daran musste sie sich nun erst recht beständig erinnern.

»Es handelt sich um etwas, das Sie eigentlich niemals sehen sollten.« Wieder drängte sich irgendwie Dr. Sallees Stimme in ihren Geist. Aber natürlich war er nirgends zu sehen. »Manchmal jagen wir uns selbst. Wir sind unser schlimmster Feind. Kann es sein, dass die Person oder das Wesen, das Sie verfolgt, einfach nur ein Teil Ihrer eigenen Persönlichkeit ist?«

Mir egal!, dachte sie. Jetzt hatte sie wirklich Angst, und sie erwartete fast einen weiteren freudianischen Schlag, als ihr klar wurde, dass ihre sexuelle Erregung von vorhin sich mittlerweile verzehnfacht hatte. Ich kann nicht fassen, dass ich unterbewusst noch mal vergewaltigt werden will! Was das anging, war sie sich absolut sicher. Freud kann mich am Arsch lecken! Ihre vom Traum vergrößerten Brüste schwangen unter dem engen Stoff des Nachthemds wild hin und her. Ihre Nippel kribbelten. Dann …

Scheiße!

… stürzte Patricia bäuchlings zu Boden. Sie war über etwas gestolpert. Eine Wurzel? Ein Ast?

Nichts von beidem. Als sie zurückblickte, sah sie von Mondlicht gesprenkelt, was es wirklich gewesen war: ein abgetrennter Kopf.

Dwaynes Kopf, dachte sie.

Die schnellen Schritte ihres Verfolgers kamen immer näher.

Was ist … das?

Hörte sie da ein Klopfen, von irgendwo weit her? Als ob jemand an eine Tür klopft, dachte sie. Aber in diesem brennenden Wald gab es keine Türen. Der Wald repräsentierte ihr Verlangen, das hatte sie verstanden, und auch die Gefahren, die damit einhergingen. Ihr Verfolger war das Unbekannte.

Aber was sollte das Klopfen?

Es war nicht wichtig. Sie rappelte sich hoch und wollte erneut losrennen, aber dann bemerkte sie etwas in einem Strahl Mondlicht auf dem Baum direkt vor ihr. In die Rinde war ein Muster geschnitten worden … Und blutete die Rinde? Nein, natürlich nicht, es war nur Harz. Das Muster erregte ihre Aufmerksamkeit: ein grobes, aber sorgfältig ausgearbeitetes Kreuz, das von den komplexen Kringeln und Schnörkeln des Glückssymbols des Stanherd-Clans umgeben war.

Flach auf dem Rücken liegend wand sie sich. Der Traum war verschwunden und sie spürte die Wellen eines Orgasmus.

Ihre Nerven vibrierten und ihre Hände rieben heftig ihren Schritt, und dann …

»Patricia! Patricia!«

Die Stimme ihrer Schwester.

Patricia kam mit einem Ruck zu sich. Anfangs war sie irritiert, weil die mondbeschienene Dunkelheit ihres Zimmers der im Wald ihres Traums glich. Dann verstand sie, dass sie aufgewacht war. Und dass es Judy war, die sie geweckt hatte.

»Patricia, es tut mir so leid, dich um diese Uhrzeit zu wecken, aber …«

Herr im Himmel … Sie bemerkte, dass ihr Nachthemd – dasselbe, das sie im Traum angehabt hatte – über ihre Brüste nach oben gerutscht war. Ihre Brustwarzen pochten in köstlichem Schmerz, und ihr war auch klar, woran das lag: Sie selbst hatte daran gezupft. Das Laken war zur Seite gerutscht und ihre Beine gespreizt. Sie hatte erneut im Schlaf masturbiert.

Dann fiel ihr der Rauchgeruch auf.

»Brennt das Haus?«, stieß sie hervor. Warum sonst sollte Judy sie so spät und so plötzlich wecken?

»Nein, nein, zum Glück nicht. Aber …«

»Und … ich habe so ein lautes Klopfen gehört«, sagte sie und zog schnell ihr Nachthemd nach unten.

»Das war Sergeant Trey, der an die Eingangstür geklopft hat.«

Die Polizei? »Was wollte er?«

»Mir sagen, was passiert ist. Es gab einen Brand in der Bucht, in Squatterville. Beeil dich und zieh dir was über, damit wir hingehen und nachsehen können.«

Ein Feuer in der Bucht. Offensichtlich hatte der Geruch des echten Qualms sie bis in ihren Traum verfolgt. »Ich komme sofort«, sagte sie.

Ehe Judy ging, drehte sie sich mit einem anzüglichen Grinsen um. »Du hattest einen ganz schön abgefahrenen Traum, Schwesterherz.«

Zum Glück konnte sie nicht sehen, wie Patricia errötete.

»Ist nix Schlimmes dran, wenn sich ein Mädel um sich selbst kümmert«, ergänzte Judy. »Jetzt beeil dich. Wir warten draußen.«

Mein Gott, dachte Patricia, als Judy weg war. Meine eigene Schwester hat mich gerade beim Masturbieren erwischt … Sie zog sich eine Bluse, kurze Hosen und Turnschuhe an. Bevor sie das Zimmer verließ, warf sie noch einen Blick aus ihrem Fenster und entdeckte die Flammen in der Ferne.

Es war kein Anblick, wie man ihn an einem Ort wie Agan’s Point je erwartet hätte. Rote, blaue und weiße Lichter zuckten durch die Nacht. Mit wie Tentakel ausgebreiteten Schläuchen standen mehrere Löschfahrzeuge der Feuerwehr herum und ein halbes Dutzend Polizeiwagen kreiste den Ort des Geschehens ein. Patricia bemerkte darunter einige der State Police. Officers mit ernsten Gesichtern gingen auf und ab. Mit makabrer Faszination beobachteten Patricia, Judy und Ernie die Szene.

»O Gott, nein«, keuchte Judy.

»Das ist der Schuppen von David Eald«, sagte Ernie. »Also schätz ich mal, das …«

Ernie beendete seinen Satz nicht. Die drei sahen zu, wie Feuerwehrleute auf einer Trage einen schwarzen Leichensack aus der Hütte brachten.

In der Luft hing ein Geruch, der Patricia Übelkeit verursachte. Es war nicht der Gestank, den sie erwartet hatte, sondern fast ein Duft – so ähnlich wie Schweinebraten. O Gott, dachte sie und ihr Magen drehte sich um.

»Das is’ noch nich’ das Schlimmste, fürcht ich«, sagte Sergeant Trey. Die blitzenden Lichter warfen seltsame Schatten auf sein Gesicht.

»David Eald hat eine Tochter, nicht wahr?« Judy würgte die Frage regelrecht hervor.

Trey und Ernie nickten. Einen Moment später kamen auch schon Männer mit einer zweiten Trage.

Hatte eine Tochter, dachte Patricia.

Das Feuer, das die heruntergekommene Hütte, die David Ealds Zuhause gewesen war, verzehrt hatte, war bereits gelöscht worden. Auch ein paar Bäume hatten Feuer gefangen und waren zu geschwärzten Pfosten verbrannt, von denen noch Qualm aufstieg.

»Ich bin sicher, dass die Elektroleitungen und Sicherungen okay waren«, erklärte Ernie. Ob er sich sorgte, dass jemand behaupten könnte, er hätte einen Fehler gemacht? »Sie entsprechen alle den Vorgaben. Ich hab sie selbst installiert, jeden einzelnen Anschluss in Squatterville.«

»Halt einer dieser Unfälle«, sagte Trey. »Passiert doch dauernd, so schlimm das auch is’. Er und seine Tochter sind wahrscheinlich ins Bett und haben vergessen, den Herd auszuschalten. Der Rauch knockt sie aus und die Hütte brennt ab.«

Eine alltägliche Tragödie.

Über solche Unfälle wird ständig in der Zeitung berichtet, dachte Patricia. Und man denkt nie groß darüber nach … »Dafür ist ganz schön viel Polizei hier. Und warum all die Leute von der State Police?«

»Das kommt mir auch komisch vor«, stimmte Judy zu. »Die nächste Dienststelle ist eine halbe Stunde entfernt.«

»Das ist wegen dem, was vorher war«, sagte Trey. »Mit den Hilds. Sie untersuchen den Fall … Und dann passiert das hier.«

»Aber der Mord an den Hilds und der Brand können doch unmöglich miteinander zu tun haben«, sagte Patricia.

»Das kann man so nicht sagen. Noch nicht«, erklang eine andere Stimme hinter ihnen. Chief Sutter schob sich aus dem Dunkel.

Judy sah verwirrt aus. »Was meinen Sie, Chief?«

»Die Hilds waren Drogenproduzenten – Crystal Meth.« Der Chief musterte den Aschehaufen, der mal Ealds Hütte gewesen war. »Nicht viel übrig, aber die Jungs von der State haben drinnen ein paar Flaschen mit Chemiezeugs gefunden. Und einen Topf auf dem Herd, in dem eindeutig kein Essen war.«

Sofort fiel Patricia ein, was sie gestern noch im Internet gelesen hatte. »Ein Meth-Labor«, sagte sie. »Ist es das, was die Polizei annimmt?«

»Die Flaschen und der andre Kram müssen erst mal für Tests ins Labor, aber es sieht schon sehr danach aus.« Sutter schüttelte den Kopf. »Macht aber auch Sinn, wenn man drüber nachdenkt.«

Einen sehr traurigen Sinn.

Starr vor Entsetzen sah Judy den Polizisten und Feuerwehrleuten bei ihrer Arbeit zu.

Patricia wagte es, die düsterste Frage zu stellen: »Wie alt war die Tochter des Mannes?«

»13, 14, so in dem Dreh«, antwortete Ernie.

Judy schluchzte auf.

»Daran sind nur die verdammten Drogen schuld«, sagte Sutter. »Verdammt üble Scheiße …«

Patricia spürte die Hitze, die von den Überresten der Hütte ausging. Das alles hier schien gar nichts mit ihr zu tun zu haben. Sie war eine reine Beobachterin. Diese malerische kleine Stadt geht ganz schön schnell den Bach runter. Vier Tote in den paar Tagen, die ich jetzt hier bin. Plus Dwayne …

Die Türen der Krankenwagen schlugen zu. Das Kratzen von Funkgeräten flog durch die Luft. Patricia legte einen Arm um ihre Schwester, die die Tränen wegblinzeln musste. Als Judy schließlich sprach, bebte ihre Unterlippe. »Vermutlich muss ich das Grundstück doch verkaufen.«

Niemand erwiderte etwas.

Und niemand bemerkte das kurze Lächeln, das über Sergeant Treys Gesicht huschte.