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(I)
Während Chief Sutter so tat, als würde er seinen täglichen Bericht schreiben, musterte er Pams Beine. Er brauchte Ablenkung – von dem mehr als offensichtlichen Fakt, dass in seiner Stadt auf einmal allerorten die Leute starben –, und diese Beine boten eine ausgesprochen gute Ablenkung. Pam war eine lokale Schönheit, die er als Disponentin und Sekretärin eingestellt hatte. Beide Aufgaben erledigte sie mit Bravour, sodass die Tatsache, dass sie mit ihrem Aussehen einen Aufstand in einem Kloster verursachen konnte, ihren Nutzen im Büro schlicht maximierte. Immerhin sorgte sie für eine angenehme Arbeitsatmosphäre, und das war doch wichtig für hart arbeitende, schwer gestresste Polizisten, oder etwa nicht?
Trey saß am gegenüberliegenden Schreibtisch, tat, als wäre er mit dem Protokollbuch beschäftigt, und bewunderte ebenfalls Pams Beine, die ihrerseits an ihrem Schreibtisch saß und tippte. Die Beine könnte man vermutlich als fohlenartig beschreiben. Lang und schlank, wohl definiert, ohne »muskulös« zu sein – von männlicher Warte aus betrachtet waren es perfekte Beine. Auch der Rest ihres Körpers war nahezu makellos: drall und kurvig, mit hohen Brüsten mit ausgeprägten Nippeln und einem straffen Hintern, für den man töten würde. Kurzes kastanienbraunes Haar rahmte ein hübsches kleines Engelsgesicht mit braunen Augen ein. Sie war das ideale Material für spektakuläre Tagträume aller Sexisten-Ärsche: die ultimative Bürorakete.
Sutters Blut wallte auf, als sie plötzlich ihre Beine übereinanderschlug. Ein köstliches – und winziges – Stoffdreieck lockte ihn. Verdammt, sie trägt einen String. Das hat mir gerade noch gefehlt …
Dann stand sie auf, um etwas ins Aktenarchiv zu bringen. Der Blick des Chiefs schoss auf den kleinen Arsch, der sich unter dem engen Mini-Jeansrock bewegte, und glitt dann erneut die Beine hinab. Die straffe, gebräunte Haut schien unter den Netzstrümpfen zu schimmern. Ihre hohen Absätze klackerten über den Boden, bis sie verschwunden war.
Trey schüttelte den Kopf. »Herr im Himmel, Chief. Sie hat echt ’n paar verdammt hübsche Stelzen, finden Sie nich’? Hätt nix dagegen, wenn sie die ma’ um meinen Kopf wickeln würd, für ’ne Stunde oder drei.«
Sutter warf ihm einen warnenden Blick zu. »Haben Sie jemals keine schmutzigen Gedanken, Trey? Das ist unsere Angestellte, der Sie da nachgaffen.«
Trey schlug sich grinsend aufs Knie. »Chief, Sie ham grad geschlagene 20 Minuten diese Beinchen regelrecht angesabbert.«
»Das habe ich nicht«, beharrte er. »Und jetzt halten Sie den Mund. Wir müssen uns überlegen, was wir wegen dieser Drogengeschichte in Squatterville unternehmen.«
»Da gibt’s nich’ viel zu tun. Die Drogenfahndung is’ dran.«
»Schon, aber das ist unsere Stadt, Trey. Vielleicht ist ja ein Teil davon unsere Schuld.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Die ganzen Jahre haben wir’s als selbstverständlich betrachtet, dass es in Squatterville keine Verbrechen gibt. Vielleicht wäre nichts von alldem passiert, wenn wir da draußen mehr Präsenz gezeigt hätten.«
»Blödsinn. Leute werden einfach so zu Abschaum. Wir können doch nich’ jeden verdammten Schuppen in der Bucht beobachten.«
»Das sage ich ja auch gar nicht. Was ich meine, ist …«
Pam kam zurück an ihren Schreibtisch und der Anblick ihrer Beine schnitt den Rest des Satzes ab. Herr im Himmel, diese Beine sind der Wahnsinn … Als sie sich setzte, schaute sie ihn aus ihren braunen Augen kurz an. Sie lächelte und machte sich wieder an die Arbeit.
Gott helfe mir.
Er und Trey blickten auf, als die Türglocke bimmelte.
Ricky Caudill trat ein. Er sah aus wie immer: unordentlich, fett, nicht besonders sauber. Aber heute fehlte sein typischer arroganter Gesichtsausdruck.
Stattdessen sah er verängstigt aus.
Sutter bemerkte einen genauso seltsamen Ausdruck auf Sergeant Treys Gesicht, als der den unerwarteten Besucher erkannte. Für den Bruchteil einer Sekunde lief so etwas wie Furcht über seine Miene, doch er versteckte das rasch wieder hinter einer Fassade polizeilicher Autorität.
Was sollte das denn?, fragte sich Sutter. Hatte er sich das nur eingebildet?
»Sieh an, was die Katze da ins Haus getragen hat«, sagte Trey und stand auf.
Sutter war zu erschöpft, also sparte er sich die Mühe. »Was willst du, Ricky? Du weißt doch, dass du hier nur kriegst, was du nicht willst: ’nen Arschtritt.«
»Ich will, dass ihr mich einsperrt«, erklärte Ricky.
»Du musst aber doch das Gesetz brechen, um eingesperrt zu werden«, erklärte ihm Pam überrascht. »Hast du in letzter Zeit das Gesetz gebrochen?«
»Mein Bruder is’ tot«, sagte er, ohne zu zögern.
Jetzt blickte Sutter auf. »Gestehst du hier gerade einen Mord, Ricky?«
»Teufel, nein, ich hab Junior nich’ umgebracht.«
»Warum sollen wir dich dann einsperren?«
»Weil ich Schutz brauch vor dem, der’s wirklich gemacht hat. Ich bin der Nächste.«
Sutter runzelte die Stirn und lehnte sich zurück. »Du bist betrunken, Ricky. Du redest Müll. Jetzt hau ab, sonst kriegst du ’nen Haufen Ärger.«
»Ich bin nich’ betrunken …«
»Du stinkst wie ’ne Brauerei«, sagte Trey. »Ich kann’s bis hier riechen.«
Frustriert ballte Ricky die Fäuste. »Ich sag doch, mein Bruder wurd ermordet. Kommt zum Haus und seht selbst. Es warn die Squatter.«
Sutter stand auf. »Prüfen Sie das«, befahl er Trey.
»Warum prüfen Sie das nich’, Chief? Der Typ is’ ’n harter Hund, ich kümmer mich um ihn.«
Sutter starrte Trey an. Ihm gefiel die Unterstellung hier nicht. »Gehen Sie nachsehen. Jetzt. Ich werde ihn befragen.«
Pikiert schnappte sich Trey den Autoschlüssel und ging.
»Soll ich einen Krankenwagen rufen?«, fragte Pam den Chief.
»Nich’ nötig«, sagte Ricky. »Mein Bruder is’ tot. Ruf ’nen Bestatter. Aber sperrt mich gefälligst ein.«
»Du redest wirr, Junge. Hau ab hier, ich hab keine Zeit, mich mit deinem Quatsch zu beschäftigen.«
»Sperrt mich ein«, wiederholte Ricky. »Sonst werd ich auch getötet.«
Sutter verzog das Gesicht. »Ja, klar, von den Squattern . Es waren also die Squatter, die Junior umgebracht haben, hm?«
»Ja.«
»Hast du sie gesehen?«
»Ja.«
Sutter spürte nahende Kopfschmerzen und kniff sich in die Nasenwurzel. »Ricky, du behauptest, du hast gesehen, wie Squatter deinen Bruder getötet haben?«
»Ich hab nich’ gesehn, wie sie’s gemacht ham, aber einer von denen war in unserm Haus. Everd Stanherd. Er war in meinem Haus un’ hat seine komische Clan-Hexerei benutzt, um Junior zu töten. Un’ dann hat er mich verflucht. Er will mich als Nächsten holen, also müsst ihr mich einsperren, Chief, für meinen Schutz. Ich fleh Sie an, Mann.«
Sutter kam kopfschüttelnd um seinen Schreibtisch herum. »Ricky, du bist ein Drecksack und ein totaler Verlierer, aber dafür kann ich dich nicht einsperren. Da musst du schon ein Verbrechen begehen, Junge, und dummerweise ist Scheiße labern kein Verbrechen.«
Ricky dachte nach. »Okay«, sagte er, wandte sich um, räumte mit seinem dicken Unterarm Pams Schreibtisch ab und zerrte ihr Oberteil runter. Trotz seiner Empörung weiteten sich Chief Sutters Augen bei dem wunderbaren Anblick. Messerscharfe Bräunungslinien umgaben jeden der festen Fleischbälle, und die hübsch abgesetzten Brustwarzen standen hervor, als wären sie gekühlt, gezwickt und angesaugt worden. Damit bekam der Tag des Chiefs zumindest einen Höhepunkt.
Der Rest des Tages stellte allerdings eindeutig einen Tiefpunkt dar. Pam kreischte bei dem Übergriff auf und flüchtete sich in ihren Stuhl, während Ricky losging und begann, die Bücherregale umzuwerfen. Schulungshandbücher flogen umher. Die Kommentierte Staatsverordnung für Virginia segelte durch den Raum, einen Moment später folgte die volle Kaffeedose, die an der Wand zerbrach. Unglaube verzögerte Sutters Reaktion. Er schüttelte seine Starre ab, als Ricky sich mit der großen Flasche im Wasserspender abmühte.
»Wag es ja nicht, du irrer Prolet!«, brüllte Chief Sutter.
Ricky schmiss die Flasche durchs Zimmer. An der Wand explodierte sie mit einem Knall und verspritzte überall Wasser.
Sutter zog sich einen Schlaghandschuh über und sprang über seinen Tisch. Er mochte zwar fett sein, aber stark war er immer noch. Drei feste Bauchschwinger mit dem Handschuh ließen Ricky taumeln und ein kräftiger Hieb ins Gesicht schickte ihn praktischerweise direkt in Richtung der drei Zellen der Polizeistation. Ricky krachte zu Boden wie ein 100-Kilo-Sack Blumenerde.
»Verrückter Penner!«, schrie Sutter. Er beugte sich vor und packte Ricky am Gürtel, um ihn in die erste Zelle zu schleifen. »Du hast mein Büro versaut! Ich werd den ganzen Tag brauchen, das Durcheinander aufzuräumen! Ich hab keine Zeit für so eine dämliche Scheiße!«
Ricky lag keuchend am Boden der Zelle. Er stöhnte ein paarmal und lehnte sich dann benommen an die Wand.
»Du wolltest eingesperrt werden, Arschgesicht – das hast du geschafft!«, brüllte Sutter weiter. Mit einem lauten Klirren schlug er die Zellentür zu.
Ricky grinste ihn an. »Danke, Chief«, sagte er.
Was für ein verfickter Irrer! Sutter walzte zurück ins Büro.
Er runzelte die Stirn, als das Telefon klingelte. Eigentlich wollte er einfach nur auf seinem Hintern sitzen und einen netten, ereignislosen Tag verleben. Immerhin war er die halbe Nacht mit dem Eald-Feuer beschäftigt gewesen.
In Pams braunen Augen stand eine düstere Warnung, als er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte. Sie hatte gerade aufgelegt.
»Bitte sag, dass sich jemand verwählt hat«, flehte er.
»Sorry, Chief. Es war Trey. Er braucht Sie beim Caudill-Haus. Er sagt, Junior liegt mausetot mitten auf dem Boden.«