Kapitel 13

 

U.S.S. Enterprise NCC-1701,

Mandylion-Riss, Sternzeit 1007.2

 

Kirk brachte es einfach nicht fertig, untätig zu sein.

Als die Enterprise seit sieben Stunden mit Unterlichtgeschwindigkeit durch die Gaswolke des Mandylion-Risses kroch, suchte ihr Captain die Sporthalle auf.

Nur ein anderes Besatzungsmitglied befand sich dort: Spock. Der Vulkanier hob Antigravgewichte. Danach sah es zumindest aus.

»Captain …«, grüßte Spock, als Kirk zum Gestell mit den Antigrav-Trainingseinheiten schritt.

»Mr. Spock …«, erwiderte Kirk. Die Funktion der Subraumsensoren der Enterprise war noch nicht wiederhergestellt und deshalb überraschte es ihn kaum, den wissenschaftlichen Offizier an diesem Ort anzutreffen. Auf der Brücke gab es erst dann wieder etwas für ihn zu tun, wenn die Sensoren neue Daten ermittelt hatten. Nun, wenigstens kamen Scotts Reparaturgruppen gut voran.

Kirk ließ den Blick übers Gestell schweifen und hielt nach geeigneten Gewichten Ausschau. Er hob die Hände zu den beiden Enden des Handtuchs am Hals und sah noch einmal verstohlen zu Spock. Für jemanden, der angeblich mit Gewichten trainierte, schien sich der Vulkanier nicht sehr anzustrengen.

»Stimmt was nicht, Captain?«

Kirk schüttelte den Kopf, legte das Handtuch aufs Gestell, nahm zwei Gewichte und justierte sie beide auf eine Masse von fünf Kilogramm, um sich aufzuwärmen. Die Warnlichter an den beiden Einheiten blinkten, als Casimir-Generatoren die Polarität umkehrten und damit begannen, Masse zu gewinnen.

Als das Blinken aufhörte, nahm Kirk eine Antigraveinheit in jede Hand und ließ die Arme hängen. Beide Antigravfelder erzeugten eine Kraft, die das Äquivalent von fünf Kilo Masse darstellte. Er atmete tief durch und sah erneut zu Spock.

Der Vulkanier hatte sich noch immer nicht bewegt.

Was macht er da?, dachte Kirk.

Spock trug einen weiten Overall und hielt eine Antigraveinheit in jeder Hand. Seine Arme standen in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad vom Körper ab. In dieser Haltung hatte der Vulkanier bereits gestanden, als Kirk hereingekommen war.

»Captain?«, fragte Spock erneut. Kirk starrte den wissenschaftlichen Offizier inzwischen ganz offen an und machte keinen Hehl aus seiner Verwunderung.

»Was genau machen Sie da, Mr. Spock?« Erst jetzt bemerkte Kirk, dass der Vulkanier schwitzte.

»Ich hebe Gewichte, Sir. Das gehört zur Routine meines Körpertrainings.«

Kirk winkelte die Arme an, stemmte seine eigenen Antigravgewichte in die Höhe und belastete die Schultermuskeln. »Das Problem ist nur: Sie heben die Gewichte gar nicht, Mr. Spock. Sie … halten sie nur.«

»Ganz im Gegenteil, Sir. Ich hebe sie, aber sehr langsam.«

Kirk brachte seine Gewichte vierzehnmal nach oben und ließ die Antigraveinheiten dann los. Ihre Sensoren registrierten die Fallgeschwindigkeit und schalteten die Polaritätsfelder um. Daraufhin schwebten die Gewichte sanft zu Boden.

Der Captain behielt Spock im Auge, während er die Schultern bewegte. Die Arme des Vulkaniers mochten nun ein wenig höher sein als vorher, aber nicht viel.

»Langsam?«, fragte Kirk.

Spock bewegte keinen Muskel, als er antwortete. Besser gesagt: Wenn er einen Muskel rührte, so fiel es Kirk nicht auf. »Die Länge der Zeit, die meine Muskelgruppen während einer langen Hebephase belastet sind, entspricht der Gesamtsumme der Belastungen durch wiederholtes Stemmen, wie Sie es bevorzugen.«

Kirk starrte den fast reglosen wissenschaftlichen Offizier einige Sekunden lang sprachlos an und griff dann wieder nach seinen Antigraveinheiten. »›Logisches‹ Gewichtheben, Spock?«

»Ich spreche in diesem Zusammenhang lieber von Effizienz.«

Kirk programmierte seine Gewichte darauf, ihre Masse in fünf Stufen von zehn auf zwei Kilo zu verringern. Dann begann er damit, sie erneut zu stemmen.

»Seit wann … heben Sie … die …«, brachte Kirk zwischen schnaufenden Atemzügen hervor.

»Diese Gewichte?«, fragte Spock.

Kirk nickte und spürte, wie der erste Wechsel erfolgte, von zehn auf acht Kilo.

»Ich hielt sie seit vier Minuten und siebzehn Sekunden, als Sie hereinkamen«, sagte Spock. »Ein vollständiges Heben und Senken dauert elf Minuten.«

Kirk spürte, wie seine Schultern brannten, als die Antigraveinheiten auf sechs Kilo umschalteten. Er setzte das Stemmen fort, obwohl die Muskeln immer müder wurden. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass es ebenso viel nützt wie dies hier«, keuchte er.

»Es ist sogar noch besser.«

Schweiß rann Kirk über die Schläfen, als er die Arme immer wieder hob und senkte. Der Wechsel auf vier Kilo fand statt, aber es fühlte sich trotzdem so an, als bohrten sich heiße Nadeln in die Schultern.

»Liegt es daran … dass Sie … Vulkanier sind?«

»Nein. Diese Art der Übung wäre auch für Menschen effizienter.«

Die Gewichte schalteten auf zwei Kilo um, aber Kirks Muskeln waren erschöpft. Nach zwei vergeblichen Versuchen, die Arme zu heben, ließ er die Antigraveinheiten los.

»Mr. Spock«, sagte er und schnappte nach Luft, »wenn Ihre Art des Gewichthebens so viel besser ist als die normale, warum macht es dann nicht jeder auf Ihre Weise?«

»Weil es viel schwerer ist.«

Kirks Schultern brannten. »Soll das ein Witz sein? Nein, diese Frage brauchen Sie nicht zu beantworten.« Er versuchte, die Anzeigen an Spocks Gewichten zu erkennen. »Auf welchen Wert haben Sie Ihre Antigraveinheiten eingestellt?«

»Auf vierzig Kilo«, erwiderte Spock.

Kirk runzelte die Stirn. Er bezweifelte, ob er mit vierzig Kilo in jeder Hand auch nur einmal die Arme heben konnte, geschweige denn, sie elf Minuten gestreckt zu halten.

»Diese Einstellung habe ich gewählt, weil ich Vulkanier bin. Mein Muskelgewebe unterscheidet sich von Ihrem.«

Kirk brummte, griff nach einer seiner Antigraveinheiten, justierte sie auf vierzig Kilo und spannte die Muskeln, als das Warnlicht blinkte – das Gewicht wurde schwerer und schwerer.

Er versuchte, es mit beiden Händen zu halten, gelangte dann zu dem Schluss, dass sich vulkanische Muskeln völlig von menschlichen unterscheiden mussten. Er ließ die Antigraveinheit los und sie sank auf den Boden zurück.

»Haben Sie ein Problem mit Ihrem Gewicht?«, fragte Spock unschuldig.

»Ganz und gar nicht«, entgegnete Kirk. Er programmierte die Antigraveinheiten wieder auf einen Zyklus wechselnder Masse und begann erneut. »Was wird Ihrer Meinung nach mit dem klingonischen Schiff geschehen, wenn es auf den Subraumimpuls trifft?«

»Nicht viel.«

»Warum? Können die Klingonen einem solchen Angriff standhalten und wir nicht?«

»Die Klingonen sind einem solchen Angriff gegenüber weniger empfindlich als wir.«

Spock wirkte noch immer reglos, obwohl seine Arme jetzt fast ganz ausgestreckt waren. Kirk stellte zufrieden fest, dass sie wenigstens zitterten.

»Mr. Spock, wollen Sie behaupten, dass ein klingonischer Schlachtkreuzer besser ist als die Enterprise?«

Spock atmete tief durch und Kirk hoffte, dass er müde wurde. »Nein, Sir. Ich weise nur darauf hin, dass ein klingonischer Schlachtkreuzer nicht wie wir dazu ausgerüstet ist, umfassende wissenschaftliche Untersuchungen vorzunehmen. Einen großen Teil des schädigenden Subraumsignals werden die Klingonen gar nicht empfangen, weil ihre Sensoren keine Möglichkeit haben, die betreffende Energie zu orten.«

Daran hatte Kirk nicht gedacht. »Bedeutet das, die Klingonen können im Innern der Wolke mit Warpgeschwindigkeit fliegen?«

»Das bezweifle ich. Die klingonischen Navigationssysteme müssten ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie unsere.«

Spocks Arme bildeten nun einen Winkel von neunzig Grad zum Körper und die Ellenbogen waren ein wenig höher als die Schultern. Schweiß rann ihm über die Schläfen und die Arme zitterten deutlicher.

Doch die körperliche Anstrengung hinderte den Vulkanier nicht daran, eine Frage zu stellen. »Darf ich ganz offen sprechen, Captain?«

Kirk seufzte und rieb sich die Schultern. »Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt, Spock. Sie brauchen nicht zu fragen und können immer ganz offen sprechen.«

»Nun gut. Warum verwandeln Sie alles in einen Wettbewerb?«

Wie kommt er denn darauf?, dachte Kirk. »Ich verwandle nicht alles in einen Wettbewerb.«

»Unsere Mission im Zentrum des Mandylion-Risses ist ein Beispiel dafür«, sagte Spock.

Kirk schnaubte. »Ich habe diese Mission nicht in einen Wettbewerb verwandelt. Sie ist ein Wettbewerb. Die Enterprise und mindestens vier andere Raumer versuchen, das fremde Schiff zu erreichen …«

»Wenn es tatsächlich ein Raumschiff ist«, sagte Spock. »Nun, ein weiteres Beispiel sind die Gewichte.«

Kirk verstand den Themawechsel nicht. »Was soll damit sein?« Er hob die Antigraveinheiten, als der neue Zyklus begann, diesmal bei acht Kilo.

»Sie versuchen, sich mit mir zu messen«, erklärte Spock.

»Nein, das stimmt nicht.«

»Sie haben die Antigraveinheit auf vierzig Kilo eingestellt.«

»Ich war neugierig, Mr. Spock. Sie haben selbst gesagt, dass sich vulkanisches Muskelgewebe von menschlichem unterscheidet. Unter solchen Bedingungen hat ein Wettbewerb wohl kaum Sinn. Es wäre wie …«

Spock vervollständigte den Vergleich. »Wie die Enterprise mit ihrem modernen Potenzial gegen die einfachere Technik eines klingonischen Schlachtkreuzers antreten zu lassen?«

Kirk fragte sich, ob es Spock um etwas ging, das zu subtil war, als dass er es erkennen konnte. Oder handelte es sich bei diesem Gespräch um die vulkanische Version von Smalltalk? »Mr. Spock, die Rivalität zwischen dem Klingonischen Imperium und der Föderation besteht seit Jahrzehnten. Auch dafür bin nicht ich verantwortlich.«

»Aber Sie versuchen nicht, diese Rivalität zu vermeiden.«

Kirk verlor den Rhythmus seiner Bewegungen. Er ließ die Arme sinken, während die Antigraveinheiten noch eine Masse von jeweils sechs Kilo erzeugten.

»Möchten Sie die Rivalität mit den Klingonen vermeiden, Spock?«

»Aus dem Zusammenhang gerissen könnten einige Antworten auf diese Frage so klingen, als stünden sie im Widerspruch zu dem Eid, den ich als Starfleet-Offizier geleistet habe.«

»Da haben Sie verdammt Recht«, sagte Kirk. »Hat dieses Gespräch einen tieferen Sinn?«

Spock neigte den Kopf ein wenig zur Seite und schien damit zu beginnen, die Arme zu senken.

»Wir nähern uns einer Situation, deren Möglichkeiten nicht unbedingt zu logischen Resultaten führen müssen.«

Kirk schüttelte den Kopf. »Wie bitte?«

Spock blinzelte, als ihm Schweiß ins Auge rann. »Die Bedingungen, die wir vielleicht im Zentrum des Mandylion-Risses antreffen …«

»Sie meinen, wenn wir das fremde Schiff finden«, sagte Kirk und fügte rasch hinzu. »Wenn es wirklich ein Schiff ist.«

»Ja, Sir. Bei jenen Bedingungen kommt es wahrscheinlich auch zu … Konkurrenzsituationen mit den Kommandanten der anderen Schiffe, die ebenfalls nach dem fremden … Objekt suchen.«

Kirk wusste noch immer nicht, worauf Spock hinauswollte. »Warum bereiten Ihnen ›Konkurrenzsituationen‹ solche Sorgen, Mr. Spock?«

»Meine Sorge gilt der Risikostufe, mit der wir es vielleicht zu tun bekommen. Insbesondere der Stufe des Risikos, auf das Sie sich einlassen.«

Es faszinierte Kirk, diese Worte von einem Vulkanier zu hören. Risikostufen, dachte er. Wie kann so etwas logisch sein? Er begann zu vermuten: Wenn sich Spock von den unleugbaren Fakten der Wissenschaft entfernte, so war er nicht mehr der unbesiegbare Debattiermeister, den Kirk gefürchtet hatte.

Er griff wieder nach seinen Gewichten. Es wurde Zeit für eine weitere Übung. Er bezweifelte, dass Spock ihn ein zweites Mal würde ablenken können.

»Was ›Risikostufen‹ betrifft, Mr. Spock … Ich glaube, bei unserer Mission ist das Risiko absolut. Entweder es existiert oder es existiert nicht. Daher erübrigt sich eine Diskussion über einzelne ›Stufen‹ des Risikos.«

Kirk gewann den Eindruck, dass in Spocks Augen Interesse aufleuchtete. Er nimmt die Herausforderung an, dachte er.

»Wenn Sie mir gestatten, anderer Meinung zu sein, Captain … Ich möchte auf eine früher von Ihnen getroffene Entscheidung hinweisen, die einen Fehler in der Logik Ihrer Argumentation aufzeigt.«

Spock möchte dieses Gespräch in einen Wettbewerb mit mir verwandeln, dachte Kirk. »Wie Sie wünschen, Mr. Spock«, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, während er die Arme hob und senkte. »Seien Sie ruhig anderer Meinung.«

Spock räusperte sich. »Vor zwei Monaten trafen Sie eine Entscheidung, die ein akzeptables Risiko betraf: Sie senkten die Schilde, um unsere friedlichen Absichten zu beweisen, als wir uns dem Schiff der Trelorianer näherten. Und um eine andere Stufe des Risikos zu verdeutlichen: Ihre Entscheidung, eine Landegruppe zur Kolonie auf Dimorus zu begleiten, bevor eine gründliche Untersuchung in Bezug auf den rätselhaften Tod der Kolonisten stattgefunden hatte, könnte man als inakzeptables Risiko bewerten. Zwischen diesen beiden Risiken gibt es durchaus einen Unterschied.«

Kirk beendete die Übung und ließ die Gewichte los. Dem Brennen in den Schultern schenkte er kaum Beachtung – das Gespräch mit Spock wurde immer interessanter. Vor allem deshalb, weil er die Möglichkeit sah, einen leichten Sieg zu erringen. »Beantworten Sie mir eine Frage, Mr. Spock: Was hätte vor zwei Monaten schlimmstenfalls passieren können, wenn meine Entscheidung, die Schilde zu senken, falsch gewesen wäre?«

Kirk nahm sein Handtuch vom Gestell.

Er lächelte, als Spock zögerte. Der Vulkanier schien zu ahnen, dass eine Falle vorbereitet wurde, ohne zu erkennen, wo und wann sie zuschnappen würde.

»Im schlimmsten Fall wäre die Enterprise zerstört worden, was alle Personen an Bord das Leben gekostet hätte.«

»Das erscheint mir logisch«, kommentierte Kirk und freute sich über die Reaktion, die Spock zu verbergen versuchte, als er das Wort »logisch« hörte. »Haben Sie Geduld mit mir, wenn ich …«

»Ich bin daran gewöhnt, den Menschen an Bord dieses Schiffes mit Geduld zu begegnen«, unterbrach Spock den Captain. Seine Arme waren jetzt fast ganz gesenkt und zitterten kaum mehr.

Diesmal gibt es keinen Zweifel, dachte Kirk. Ich locke ihn aus der Reserve.

»Dann haben Sie sicher nichts dagegen, mir zu sagen, was sich schlimmstenfalls aus meiner Entscheidung ergeben hätte, mit einer Landegruppe die Kolonie auf Dimorus zu besuchen.«

Spock kniff andeutungsweise die Augen zusammen und Kirk schloss daraus, dass er die Falle identifiziert hatte. »Der schlimmste Fall wäre ein kompletter Verlust der Landegruppe gewesen.«

»Fünf Personen«, sagte Kirk. »Von vierhundertachtzehn.«

»Zu jenem Zeitpunkt bestand die Crew der Enterprise aus vierhundertzwölf Personen«, sagte Spock.

Kirk freute sich auf den unmittelbar bevorstehenden Sieg. »Wenn ich Ihren Hinweis richtig verstanden habe …«

»Ich werde Sie im Falle eines Missverständnisses korrigieren.«

»Danke, Mr. Spock.« Kirk wischte sich das Gesicht mit dem Handtuch ab und begriff, dass der Vulkanier jene Strategie anwandte, von der er selbst gelegentlich Gebrauch machte: Er versuchte, seinen Kontrahenten mit ungeeigneten Kommentaren aus dem Konzept zu bringen. Kirk hatte diesen Trick mit großem Erfolg auf den Lacrosse-Feldern der Akademie benutzt. Allerdings waren seine damaligen Bemerkungen recht derb gewesen und hatten oft der Abstammung seines Gegners gegolten.

Kirk legte sich das Handtuch über die Schultern. »Lassen Sie mich rekapitulieren. Sie halten die Zerstörung der Enterprise und damit den Tod aller Besatzungsmitglieder für ein akzeptables Risiko. Aber Ihrer Meinung nach war es inakzeptabel, das Leben von fünf Crewmitgliedern zu riskieren.«

Spock wirkte so geduldig wie ein Vater, der einem eigensinnigen Kind etwas zum zehnten Mal erklärte. »Sie gehörten zu jenen fünf Crewmitgliedern, Captain. Wenn Lieutenant Mitchell nicht vor Sie gesprungen wäre, um den Giftpfeil der dimoranischen Wühlmaus abzufangen, so hätten Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tod gefunden.«

»Gary starb nicht.« Aber es hatte sehr schlimm um ihn gestanden, wusste Kirk. Seit sechs Wochen befand sich sein bester Freund nicht mehr an Bord der Enterprise und wurde gegen das Gift der dimoranischen Wühlmaus behandelt. Bei seiner letzten Anfrage in der medizinischen Abteilung von Starfleet hatte Kirk erfahren, dass es noch zwei weitere Monate dauern würde, bis Mitchell in den Dienst zurückkehren konnte.

»Zum Glück teilt Lieutenant Mitchell nicht Ihre vielen Allergien in Hinsicht auf fremde Proteine.«

Kirk seufzte. Was nach einem interessanten verbalen Duell ausgesehen hatte, verwandelte sich immer mehr in einen sinnlosen Zank über bedeutungslose Details.

»Mr. Spock, der wichtige Punkt ist: Ich bin nicht gestorben. Und die Trelorianer griffen das Schiff nicht an, als ich beschloss, die Schilde zu senken.«

»Der Umstand, dass es keine negativen Resultate gab, ändert nichts an den Anfangsbedingungen beider Szenarien.«

Kirk hätte es nicht besser ausdrücken können. Damit war alles klar. Er hatte gewonnen. »Genau, Mr. Spock.«

Der Vulkanier öffnete den Mund, um etwas zu sagen, richtete dann einen verwunderten Blick auf Kirk. »Sie stimmen mir zu?«

Die Frage überraschte den Captain. »Nein. Sie stimmen mir zu.«

»Da muss ich Ihnen widersprechen.«

»Sie haben gerade selbst darauf hingewiesen.«

»Ich habe gesagt, dass Ihr Erfolg in beiden Fällen nichts an der Tatsache ändert, dass negative Ergebnisse möglich waren.«

»Und genau darum geht es mir, Mr. Spock. Negative Ergebnisse waren in beiden Fällen möglich. Es existierten Risiken. Welche Rolle spielt es, ob das Risiko eine Person betrifft oder vierhundert?«

Spock ließ die Gewichte los und die beiden Antigraveinheiten schwebten zu Boden. »Für die anderen dreihundertneunundneunzig spielt es eine beträchtliche Rolle.«

»Mr. Spock, wollen Sie damit sagen, dass das Leben einer Person an Bord der Enterprise mehr wert ist als das einer anderen?«

Der Vulkanier wirkte fast besorgt. »Das gebietet die Logik.« Er bewegte die Schultern, wie zuvor Kirk, aber viel langsamer.

»Logik hat damit nichts zu tun.«

Daraufhin zeigte Spocks Gesicht fast so etwas wie Entsetzen. »Logik hat mit allen Dingen zu tun.«

»Erklären Sie es mir.«

Spock nahm sein Handtuch, das sorgfältig zusammengefaltet neben dem Gestell lag. »Wenn Ihr Yeoman stirbt, ändert das nichts an der Mission des Schiffes. Wenn Sie sterben …«

»Dann würden Sie das Kommando übernehmen, bis Starfleet einen neuen Captain schickt, und die Mission des Schiffes bliebe unverändert. Und wenn die Enterprise verloren ginge, nähme ein anderes Schiff ihren Platz ein, um die Mission fortzusetzen. Und nach jenem Schiff käme wieder ein anderes. Es liegt in der Natur der Dinge, mit denen wir uns befassen, Mr. Spock.« Kirk verschränkte die Arme. »Niemand ist wichtiger als die Mission. Und kein Leben ist wichtiger als ein anderes. Nicht an Bord meines Schiffes.«

Spock stand bereits kerzengerade, aber er schien sich noch mehr aufzurichten – wenn das überhaupt möglich war –, als würde er sich dazu zwingen, nichts mehr zu sagen.

Kirk wartete einige Sekunden. »Das ist alles?«, fragte er dann.

»Captain, Sie sind die wichtigste Person an Bord dieses Schiffes. Es gibt kein logisches Argument, mit dem Sie etwas anderes behaupten können. Woraus folgt, dass sich eine Fortsetzung der Diskussion über dieses Thema erübrigt.« Spock wischte sich mit dem Handtuch den Schweiß ab.

»Gibt es nichts mehr zu sagen, weil Sie mir zustimmen? Oder gibt es nichts mehr zu sagen, weil ich ein schwachsinniger Dummkopf bin?«

Spock sah von seinem Handtuch auf und wählte seine Worte mit großer Sorgfalt, bevor er erwiderte: »Ich … stimme Ihnen nicht zu.«

Es überraschte Kirk, wie sehr ihm das offensichtliche Unbehagen des Vulkaniers gefiel. Es ging ihm dabei nicht um Spock, sondern um die emotionale Reaktion, die in dem Unbehagen zum Ausdruck kam. Es gab eine echte Person hinter der leeren Fassade und es gelang Kirk immer besser, sie zum Vorschein zu bringen.

»Und?«, fragte Kirk so unschuldig wie ein Kind.

Aber Spock war natürlich nicht so dumm, sich dazu provozieren zu lassen, den Captain einen »schwachsinnigen Dummkopf« zu nennen.

»Und Sie sind ein intelligenter, fähiger Kommandant, der sich Schiff und Crew verpflichtet fühlt und den Respekt aller Besatzungsmitglieder verdient.«

»Ich bewundere Ihre Diplomatie, Mr. Spock.«

»Danke, Captain.«

Der Vulkanier faltete sein Handtuch wieder zusammen und blickte zur Tür, als wollte er Kirk vorsichtig darauf hinweisen, dass andere Dinge ihre Aufmerksamkeit erforderten.

Aber Kirk war noch nicht mit ihm fertig. »Da wäre noch eine Sache, Mr. Spock.«

»Ja, Sir?«

»Ich entnehme diesem Gespräch, dass Sie mich für einen guten Captain halten, der den Respekt der Crew verdient.«

»Zweifellos.«

Kirk atmete tief durch und stellte dem Vulkanier eine Frage, deren Antwort er nicht kannte. »Lassen Sie uns kurz zu einem anderen, früheren Gespräch zurückkehren. Warum wollen Sie mein Schiff verlassen?«

Spock gab eine ganz einfache Antwort, die Kirk überraschte. »Ich möchte es nicht verlassen.«

»Sie haben Ihre Versetzung beantragt, Mr. Spock.«

»Mein Versetzungsgesuch bedeutet nicht notwendigerweise, dass ich mir wünsche, dieses Schiff zu verlassen.«

»Aber Sie haben einen solchen Antrag gestellt.«

»Ja.«

Kirk schob alle Gedanken an Subtilität und Strategie beiseite, legte die Karten stattdessen offen auf den Tisch. »Warum?«

»Nach meinem Karriereplan habe ich genug Zeit an Bord eines Raumschiffs verbracht.«

»Mr. Spock … was gibt es Besseres für einen wissenschaftlichen Offizier?«

»Was mich selbst betrifft: Versetzung zu einer Starfleet-Forschungsstation auf einem Planeten mit einer andersartigen Entwicklungsgeschichte, für eine Dauer von vier Komma fünf Jahren. Anschließend fünf Jahre als Dozent und Ausbilder an der Akademie. Dann Versetzung zu einem wissenschaftlichen Austauschprogramm der Föderation, für die Dauer von zehn bis zwanzig Jahren; es kommt darauf an, welche Kultur ausgewählt wird und wie viel Zeit Hin- und Rückflug in Anspruch nehmen. Dann ein Lehrstuhl bei einem angesehenen Forschungs- und Lehrinstitut wie dem Jet Propulsion Laboratoy auf der Erde oder dem Cochrane-Institut von Alpha Centauri, für die Dauer von maximal zwanzig Jahren. Dann die Tätigkeit als Gastprofessor bei verschiedenen kolonialen Außenposten, bis ich mich aus Gesundheitsgründen in den Ruhestand zurückziehen muss oder sterbe.«

Kirk wusste nicht, ob er Spock bewundern oder Mitleid haben sollte. Wie konnte jemand sein Leben so detailliert verplanen? Er selbst konnte sich nicht einmal den Tag vorstellen, an dem er die Enterprise verließ. Ganz zu schweigen davon, was er am Tag danach machen würde.

»Mr. Spock«, sagte er schließlich, »ich verstehe Sie nicht.«

»Nein, Sir, Sie scheinen mich tatsächlich nicht zu verstehen.«

Schachmatt, dachte Kirk.

Dann heulten die Alarmsirenen der Enterprise.