Kapitel 19

 

U.S.S. Enterprise NCC-1701,

Mandylion-Riss, Sternzeit 1008.0

 

»Was zum Teufel ist mit mir geschehen?«, fragte Kirk.

Zehn Minuten waren seit seinem Gespräch mit Norinda vergangen und er schwitzte noch immer. Die Kehle fühlte sich trocken an und das Herz schlug schneller als sonst.

Dr. Piper sah auf die Anzeigen seines Scanners, blickte auf die Bioindikatoren über dem Bett und lachte.

»Wenn Sie meine medizinische Meinung hören möchten … Sie sind verliebt.«

Kirk setzte sich an der Bettkante auf. »Das finde ich gar nicht komisch, Doktor.«

»Na schön. Es ist nicht Liebe, sondern Begierde. Ihr endokrines System ist aktiver als bei einem Fünfzehnjährigen. Ihr Hormonniveau ist so hoch, dass ich Sie in zermahlenem Zustand als Aphrodisiakum an einen Tellariten verkaufen könnte.«

So humorvoll die Bemerkungen des Doktors auch klangen, Kirk fühlte sich von ihnen beunruhigt. »Wie ist das möglich?«

Piper trat zu seinem Schreibtisch und schaltete dort einen kleinen Monitor ein. »Es gibt da ein Volk, das man Deltaner nennt. Angeblich haben Deltaner eine ähnliche Wirkung auf menschliche Männer und Frauen, doch dabei handelt es sich um einen unterschwelligeren Reiz, der auf Pheromone zurückgeht. Bildschirmdarstellungen können natürlich keine Pheromone übertragen.«

Kirk streifte den Uniformpulli über, als Piper durch medizinische Daten scrollte.

»Und alle anderen auf der Brücke wurden auf die gleiche Weise betroffen?«, fragte Piper.

Kirk nickte. »Bis auf Spock.«

»Seien Sie da nicht so sicher«, sagte Piper. »Vulkanier zählen zu den leidenschaftlichsten Völkern in der Galaxis.«

Kirk starrte den Arzt groß an.

Piper zuckte mit den Schultern. »Sie werden es eines Tages herausfinden«, sagte er rätselhaft. Dann seufzte er. »Ich zeige Ihnen noch einmal das Gespräch. Passen Sie gut auf.«

Kirk stand neben Pipers Schreibtisch und sah, wie Norinda auf dem Monitor erschien. Die Aufzeichnungen zeigten nur ihren Teil des Gesprächs. Es blieb Kirk erspart, seine unbeholfenen Reaktionen zu beobachten.

Anschließend schaltete Piper den Monitor aus. »Wie war es diesmal?«

Kirk atmete tief durch. »Sie ist … wunderschön …«

»Ja«, sagte Piper. »Eine unnatürliche Schönheit. Insbesondere für ein fremdes Geschöpf, das sich unter ganz anderen evolutionären Bedingungen entwickelt hat.« Er richtete einen Scanner auf Kirk. »Ihr Herz schlägt jetzt langsamer. Die Aufzeichnung hatte nicht die gleiche Wirkung auf Sie wie das Gespräch mit ihr auf der Brücke?«

Kirk schüttelte den Kopf.

»Telepathie«, sagte Piper.

»Sie hat … mein Bewusstsein kontrolliert?«

»Wenn sie eine Möglichkeit dazu hätte, wären Sie nicht hier. Dann wüssten Sie wahrscheinlich nicht einmal, was geschehen ist. Nein. Ich vermute, die Fremde – oder das Schiff – sendete extrem kurzwellige EM-Signale, die sich auf die limbischen Regionen Ihres Gehirns auswirkten, insbesondere auf den Bereich, der mit der … Fortpflanzung in Zusammenhang steht.«

»Sie hat mein Gehirn manipuliert?«, fragte Kirk. Diese Vorstellung entsetzte ihn.

»Nicht Ihr Gehirn, Captain. Ihre emotionalen Reaktionen. Im Grunde genommen unterscheidet es sich kaum von einem Elektroschock, der das Aggressionsniveau hebt, oder einer entspannenden Massage. Die Fremde präsentierte sich außerordentlich attraktiv. Und es gelang ihr über eine gewisse Entfernung hinweg.«

»Aber ich muss mich an Bord ihres Schiffes beamen«, sagte Kirk. »Ich muss versuchen, mit ihr zu … verhandeln, um Daten über das Warptriebwerk zu bekommen.«

»Ich glaube, das ist die Mission, mit der Starfleet uns beauftragt hat, nicht wahr?«

»Nun, ja«, bestätigte Kirk. »Aber … Kann ich mich nicht irgendwie vor ihrem … Einfluss schützen?«

»Oh, natürlich«, erwiderte Piper forsch. »Ich gebe Ihnen den gleichen Rat wie jungen Kadetten, wenn sie an Bord kommen: Üben Sie Selbstbeherrschung.«

Kirk richtete einen finsteren Blick auf den Arzt.

»Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden … Einige andere Brückenoffiziere erwarten beruhigende Worte von mir.«

Piper ging zur Tür, bevor Kirk protestieren konnte.

»Der Nächste«, sagte der Doktor.

Hounslaw Tanaka kam herein, die Wangen noch immer gerötet, ein dünner Schweißfilm auf der Stirn. Er sah Kirk und wirkte verlegen. »Lieutenant Uhura, Sir … Sie hat die Kommunikationsstation übernommen. Nur für kurze Zeit. Während ich hier bin.«

»Das ist schon in Ordnung«, sagte Kirk. Er blickte zu Piper und schenkte ihm ein unaufrichtiges Lächeln. »Danke für Ihre Hilfe, Doktor.«

Piper erwiderte das Lächeln mit der gleichen Unaufrichtigkeit. »Danke dafür, dass Sie meinen Tag so interessant gestalten.«

 

Zwanzig Minuten später betrat Kirk den Transporterraum, das Haar noch immer feucht von der langen kalten Dusche.

Spock wartete auf ihn.

»Wollen Sie mitkommen?«, fragte Kirk.

»Norinda nimmt nur eine Person an Bord ihres Schiffes in Empfang.«

»Da kann ich ja von Glück sagen«, erwiderte Kirk. Dann fiel ihm Pipers Bemerkung über die Leidenschaft der Vulkanier ein. »Mal ganz ehrlich, Spock … Hatte Norinda irgendeine Wirkung auf Sie?«

Spocks Gesicht blieb ausdruckslos, aber er sah kurz zur Seite, um festzustellen, ob Mr. Kyles Aufmerksamkeit tatsächlich ganz der Transporterkonsole galt. »Bitte um Erlaubnis, offen sprechen zu dürfen.«

»Wenn Sie mir versprechen, diese Frage nie wieder zu stellen«, sagte Kirk.

»Ich bin Norinda gegenüber nicht immun gewesen.«

Aus irgendeinem Grund fühlte sich Kirk nach diesem Geständnis des Vulkaniers besser. »Nun, es war Ihnen nicht anzusehen«, sagte Kirk.

»Natürlich nicht«, entgegnete Spock. »Ich bin Vulkanier.«

Kyle näherte sich, reichte Kirk einen Kommunikator und einen Phaser. Die Waffe wies der Captain zurück. »Haben Sie die Koordinaten?«, fragte er den Transportertechniker.

»Ja, Sir«, bestätigte Kyle.

»Irgendeine Nachricht von den Klingonen?«, wandte sich Kirk an Spock.

»Sie schenken unseren Kom-Signalen noch immer keine Beachtung. Allerdings bleiben ihre Schilde auf Navigationsniveau und alle Waffensysteme sind deaktiviert. Sie benehmen sich, wie es Mr. Scott ausdrückte.«

»Behalten Sie sie im Auge.«

Aber Spock hatte noch etwas auf dem Herzen. »Captain, ich muss erneut einen Einwand dagegen erheben, dass Sie selbst diesen Einsatz durchführen. Sie gehen damit ein unnötiges Risiko ein.«

»Starfleet hat uns angewiesen, abgesehen von Gewalt alle Mittel zu nutzen, um in den Besitz von Norindas Warptechnik zu gelangen, und Norindas Einladung gilt allein mir. Ich folge nur dem Missionsbefehl.«

Spock wirkte nicht überzeugt, aber er legte die Hände auf den Rücken. »Dann sehe ich Ihrer sicheren Rückkehr entgegen.«

»Sie sehen ihr entgegen?«, erwiderte Kirk. »Was ist mit mir?« Er trat auf die Transporterplattform und wollte Kyle gerade auffordern, ihn zu transferieren, als ein Rufsignal aus dem Interkom-Lautsprecher kam.

»Brücke an Captain Kirk«, ertönte Uhuras Stimme.

Kirk trat von der Plattform herunter, schritt zur Wand und aktivierte den Kommunikator. »Hier Kirk.«

Diesmal erklang nicht Uhuras Stimme aus dem Lautsprecher, sondern die des Chefingenieurs Scott.

»Captain, ich bin froh, dass ich Sie noch erreicht habe, bevor Sie sich zu jenem Geschöpf beamen.«

»Geschöpf, Mr. Scott?«

»Einige der Sensoren funktionieren wieder und …« Offenbar brauchte der Chefingenieur ein wenig Ermunterung.

»Heraus damit, Scott.«

»Wir haben die orbitalen Trümmer von zwei Raumschiffen entdeckt, Sir. Eines andorianischen und eines orionischen. Beide sind starker Strahlung ausgesetzt gewesen.«

Kirk merkte plötzlich, dass Spock neben ihm stand. »Mr. Scott«, warf der wissenschaftliche Offizier ein, »lässt sich die Strahlung auf die Explosion primitiver Kernspaltungswaffen zurückführen?«

»Aye, Mr. Spock. Die orbitalen Kursdaten der Trümmer deuten darauf hin, dass die beiden Schiffe mit Atombomben gegeneinander kämpften, wie vor einigen Jahrhunderten.«

»Und beide Schiffe wurden durch atomare Explosionen zerstört?«

»Nun … äh …« Scott zögerte.

»Mr. Scott, ich habe eine Verabredung und bin bereits spät dran«, sagte Kirk ungeduldig.

»Nein, Sir, die beiden Schiffe fielen keinen atomaren Explosionen zum Opfer. Das ist das Problem. Ich weiß nicht, was sie zerstört hat. Nur eines steht fest: Jemand oder etwas hat ihnen ziemlich übel mitgespielt.«

Spock bat den Captain nicht um eine Erklärung, wenn er auf der Brücke umgangssprachliche Ausdrücke verwendete, aber dem Chefingenieur gegenüber übte er keine derartige Zurückhaltung. »Könnten Sie sich bitte etwas präziser ausdrücken, Mr. Scott?«

»Die Schiffe wurden pulverisiert, Mr. Spock. Ich habe so etwas noch nie zuvor gesehen. Die Reste der beiden Raumschiffe sind kaum mehr als Sand. Kein Trümmerstück ist größer als die Faust eines Babys.«

Spock und Kirk wechselten einen Blick, aber bevor der Vulkanier wieder Einwände erheben konnte, drückte Kirk die Interkom-Taste. »Mr. Scott, gibt es Anzeichen dafür, dass eine klingonische Waffe für die Zerstörung der beiden Schiffe verantwortlich ist?«

»Nein, Sir«, antwortete der Chefingenieur. »Der einzige Hinweis darauf, dass die Klingonen Böses im Schilde führen, ist das Wrack der andorianischen Rettungskapsel. Sie brach auseinander, als sie von der Entladung einer klingonischen Disruptorkanone getroffen wurde.«

»Danke, Mr. Scott. Kirk Ende.« Er deaktivierte das Interkom und wandte sich an Spock. »Wenn Sie diese neuen Informationen Ihrer Situationsbewertung hinzufügen – bleiben Sie dann bei Ihrem Einwand?«

Spock schüttelte den Kopf. »Eine Waffe, die imstande ist, ganze Raumschiffe zu pulverisieren … Eine solche Technik darf man bei einer Kultur erwarten, die ein Warp-fünfzehn-Triebwerk bauen kann. Die Vorteile, die sich durch einen solchen Apparat für die Föderation und Starfleet ergäben, wären wichtiger als Ihre persönliche Sicherheit.«

Kirk musterte Spock aufmerksam, überrascht von der Kühnheit des Vulkaniers. »Mit anderen Worten, Mr. Spock: Bei dieser Mission bin ich entbehrlich?«

»Ich verstehe nicht, warum Sie meine Einschätzung zu überraschen scheint«, sagte Spock. »Was ich beobachtet habe, seit Sie das Kommando der Enterprise übernahmen, und unsere Diskussionen während der letzten Tage – alles deutet darauf hin, dass Sie ein Leben mit Risiko vorziehen.«

»Ich lebe mit dem Risiko, Mr. Spock. Was aber nicht bedeutet, dass es meinem Wunsch entspricht.«

Spock schwieg, so wie auch nach dem Gespräch in der Sporthalle. Kirk wusste: Wenn der Vulkanier einmal auf die Logik einer bestimmten Situation hingewiesen hatte, hielt er weitere Diskussionen darüber für Zeitverschwendung. Als Kirk zur Transporterplattform zurückkehrte, begriff er, dass Spock Recht hatte. Es gab nichts mehr zu besprechen.

Welche Gefahren auch immer ihn an Bord von Norindas Schiff erwarteten: Er war erpicht darauf, sich ihnen zu stellen.

Ganz gleich, welchen Preis das Risiko von ihm verlangte.