Rel-Schiff, Mandylion-Riss,
Sternzeit 1008.1
Kirk rematerialisierte in einem Raum, der ihm hunderte von verschiedenen Grüntönen präsentierte, und mit dem ersten Atemzug atmete er einen Duft ein, der ihn an einen Dschungel mit blühenden Pflanzen und glitzernden Flüssen erinnerte.
Er blickte nach vorn und sah eine lumineszierende Wand aus miteinander verflochtenen scharlachroten und safrangelben Blumen. Kirk glaubte nur deshalb nicht, sich auf einem paradiesartigen Planeten zu befinden, weil sich einige Dutzend Meter jenseits der üppigen Vegetation eine transparente Wand nach oben wölbte, ihm Sterne und die nur einen Kilometer entfernt im All schwebende Enterprise zeigte.
Er fühlte sich fast verletzt von der unerträglichen Schönheit dieses Anblicks.
Dann fühlte er, wie ihm jemand von hinten zwei Hände auf die Schultern legte.
Erschrocken drehte er sich um und bevor er ein Wort sagen konnte, fanden Norindas Lippen die seinen zu einem innigen Kuss.
Sie schmiegte sich an ihn, hob eine Hand zu seinem Nacken und zog ihn näher, so als stünde ein Liebesakt bevor, wie ihn noch nie ein Mensch zuvor erlebt hatte.
Und dann, als wäre es ihr nur darum gegangen, seine Aufmerksamkeit zu wecken, wich Norinda zurück und faltete wie prüde die Hände.
Kirk musste sich daran erinnern, wieder zu atmen.
Die Fremde trug ein durchscheinendes Gewand, in dem die Farben der Dschungelblumen zu glühen schienen. Hier und dort ermöglichten breite Schlitze im Gewand einen erregenden Blick auf glatte, goldene Haut.
Norindas leises Lachen war aufreizend und vertraut, als teilten sie beide ein Geheimnis, von dem nie jemand anders erfahren würde.
Ihr langes, dunkles und glänzendes Haar wirkte wie ein windgepeitschter Schatten.
»Möchten Sie spielen?«, fragte sie.
Kirk dachte nicht unbedingt an ein Spiel. Er wusste, dass es ganz einfach gewesen wäre, einen Schritt vorzutreten und sie in die Arme zu schließen, jenen elektrisierenden Moment zurückzugewinnen, den Norinda ihm geboten und dann …
… wieder genommen hatte.
Aber er zwang sich, den Blick abzuwenden, den Kontakt mit ihren dunklen Augen zu unterbrechen, die so glitzerten, als enthielten sie Sterne oder Edelsteine.
Kirk atmete tief durch und rief sich ins Gedächtnis zurück, was Piper ihm erklärt hatte.
Telepathie … limbische Regionen des Gehirns … Manipulation …
Als er versuchte, sich unter Kontrolle zu bringen, bemerkte er aus dem Augenwinkel etwas, das im dunklen All glänzte.
Die Enterprise. Sein Schiff.
Erhellt von ihren Positionslichtern schwebte sie jenseits der gewaltigen transparenten Wand.
Das genügte.
Kirk wandte sich wieder der schönen Fremden zu, sah ihre vollen roten Lippen, die zu einem weiteren Kuss einluden. Er glaubte, den Duft ihres Atems zu riechen und seine Wärme zu spüren, stellte sich vor, wie er sich anfühlen würde, wenn sie ihm etwas ins Ohr flüsterte …
»Nein«, sagte Kirk laut. »Ich bin James T. Kirk.« Er glaubte, sich zu einem Gang über glühende Kohlen zwingen zu müssen – so groß war die Anstrengung. »Captain der …«
»U.S.S. Enterprise.« Sie nannten den Namen des Schiffes gemeinsam und ihre Stimmen vereinigten sich zu einem Chor. Sie vereinigten sich wie … Kirk schüttelte den Kopf, um seine Gedanken zu klären.
»Sie sind Norinda.«
»Ich bin, was immer Sie in mir sehen möchten.«
Kirk sah erneut zur Enterprise, zu seinem Schiff, seinem Zuhause, seinem Traum. Und wie Antäus, der Kraft von seiner Mutter Erde aufnahm, wandte er sich mit neuer Entschlossenheit an Norinda.
»Sind Sie die Kommandantin dieses Schiffes?«
Norinda schürzte die weichen, feuchten, verlockenden Lippen, die geküsst werden wollten. »Möchten Sie, dass ich die Kommandantin bin?«
Aber inzwischen war Kirk wieder Herr seiner selbst. Er wünschte sich, Spock wäre zugegen gewesen, um Zeuge dieses Phänomens zu werden, nein, um es zu erfahren. Kirk hätte gern die Wechselwirkungen der vulkanischen Logik mit dieser primordialen Kommunikationsform beobachtet.
»Norinda, wer ist der Kommandant dieses Schiffes?«
Sie drehte sich ein wenig zur Seite und neigte den Kopf, strich mit der einen Hand langsam übers dünne Gewand, das ihren Leib umhüllte. »Möchten Sie der Kommandant sein?«
Kirks Interesse erwachte jäh, aber er achtete darauf, sich nichts anmerken zu lassen. »Wäre das möglich?«
Norinda nickte wie ein Kind, langsam und mit Nachdruck. »Wir müssen das Schiff jemandem geben. Jemandem, der … sich darum kümmern kann. Und um uns.«
Kirk dachte rasch über all die Möglichkeiten nach, die sich aus diesen Worten ergaben.
»Gibt es noch mehr von Ihnen? Von Ihrem Volk? An Bord dieses Schiffes?«
»Viele«, erwiderte Norinda. »Wir sind schon so lange hier. Und wir wissen nicht, wie …«
»Wie was?«, fragte Kirk.
»Wie alles«, antwortete Norinda. Sie trat vor und streckte die Arme aus, blieb aber stehen, als Kirk zurückwich. »Wir … sind allein. Wir mussten fort. Wir mussten fliehen. Entkommen.«
»Fliehen wovor?«
Norinda zuckte mit den Schultern und aufgrund ihrer Manieriertheit und ihrer Worte begriff Kirk plötzlich, dass sie trotz ihres Erscheinungsbild nur ein Kind war.
»Vor allem«, sagte sie schließlich. »Vor der … Totalität.«
Und was macht ein Kind an Bord eines solchen Schiffes?, dachte Kirk verwundert. Es sei denn …
»Norinda … ist dies Ihr Schiff? Oder haben Sie und die anderen es sich genommen?«
Sie nickte erneut, ein Kind, das das größte Geheimnis auf der Welt bestätigte. »Wir mussten. Es war die einzige Fluchtmöglichkeit.«
»Um der Totalität zu entkommen?«
Wieder ein Nicken.
»Gehört dieses Schiff jenen anderen?«
»Nicht den anderen. Ihr.«
»Es ist das Schiff der Totalität?«
»Des Feindes.«
Allmählich ergab sich ein Bild aus den einzelnen Teilen. Kirk wusste, was es nun zu tun galt.
»Norinda … Wenn ich mich um Sie und die anderen kümmere, wenn ich Sie vor der Totalität schütze und Ihre Sicherheit gewährleiste … Übergeben Sie mir dann dieses Schiff?«
Norinda lächelte entzückt und Kirk fühlte sich so, als ginge die Sonne in einem neuen Universum auf, das nur er sehen konnte.
»Ja, Captain Kirk! O ja, Captain Kirk! O ja!« Sie sank vor ihm auf die Knie und neigte den Kopf. »Beschützen Sie uns. Retten Sie uns. Dann bekommen Sie dieses Schiff. Dann bekommen Sie alles, was Sie wollen und sich wüschen.« Sie sah voller Sehnsucht zu ihm auf. »Dann bekommen Sie mich.«
Kirk glaubte zu spüren, wie sein Herzschlag kurz aussetzte. Er sah sich selbst, wie er ebenfalls auf die Knie sank, Norinda umarmte und sie nie mehr verließ.
Aber sie war tatsächlich nur ein Kind. Und er erlebte keine echten Gefühle, ganz gleich, wie intensiv und überwältigend sie sein mochten.
»Das ist nicht nötig.« Er bückte sich und griff nach Norindas Hand. »Bitte stehen Sie auf.«
Die Fremde erhob sich anmutig, nahm Kirks Hand und schmiegte sich erneut an ihn.
Kirk ließ ihre Hand los, voller Bedauern, aber ohne zu zögern.
»Wir sind uns also einig? Ich gewähre Ihnen Schutz und dafür bekomme ich dieses Schiff?«
»Ja, Captain Kirk«, sagte Norinda und es erklang ein wenig Trauer in ihrer Stimme, als sie begriff, dass Kirk ihr nicht nachgeben würde. »Dieses Schiff gehört Ihnen, wenn Sie uns schützen.«
Kirk seufzte und lächelte. Ein Raumschiff, das mit Warp fünfzehn fliegen konnte! Wahrscheinlich würde der Föderationsrat extra für ihn einen neuen Orden stiften. Wenn die Föderation über eine solche Technik verfügte, war während der nächsten Jahre keine andere Macht des Quadranten imstande, es mit ihrer Expansion aufzunehmen.
Norinda hob einen Finger an ihren Mund und sah Kirk mit ihren verlockenden Augen an. »Und wenn Sie der Beste sind.«
Kirk runzelte die Stirn. Woher kam plötzlich diese zusätzliche Bedingung? Und was bedeutete sie?
»Der Beste wobei?«
»Uns zu beschützen«, erwiderte Norinda.
»Und wie stellen wir das fest?«, fragte Kirk.
Norinda lächelte erneut und stahl damit Kirks Herz, wenn nicht gar seinen Verstand. »Zu diesem Zweck spielen wir.«
Es gefiel Kirk gar nicht, wieder das Gefühl zu haben, die Kontrolle zu verlieren. »Was spielen wir? Und mit wem?«
»Mit mir«, knurrte eine tiefe Stimme hinter ihm.
Kirk wirbelte herum.
Und der Klingone griff an!