Die Hitze drang mühelos durch die geschlossenen Fenster in mein Büro, die frische Luft blieb allerdings draußen. Also war es nicht nur heiß, sondern auch stickig. Die Jalousien hatte ich heruntergelassen und einen Spalt so eingerichtet, dass sich über meiner Lektüre ein kleiner Lichtpunkt bildete. Ab und zu nippte ich an meiner Schale Tee und wischte mir dann den Schweiß von der Stirn. Lesen war Schwerstarbeit. Meine Gedanken verliefen sich ständig im Labyrinth von Paninis Sätzen und fanden nicht mehr heraus. Im Herz des Irrgartens wartete dann ständig eine dunkelhaarige Schönheit. Schweigend und rätselhaft wie die Sphinx, viel gefährlicher als der Minotaurus.
Ich kam nicht so ganz dahinter, was da im Weidinger vor sich gegangen war, und das ließ mir keine Ruhe. Schließlich klappte ich das Buch zu und beschloss, nur mehr zu grübeln. Lesen konnte ich später immer noch. Über dem Grübeln verging die Zeit, der Tee wurde kälter, dann weniger, dann gab es neuen, und als der Neue sich auch wieder zu leeren begann, hatten sich ein paar Vermutungen festgesetzt. Ich schnappte mir meine Hemden, Unterhosen und Socken, steckte das Porträt von Johannes Paul ein und machte mich auf den Weg nach Hause.
Eine halbe Stunde später stellte ich den Wäschesack vor der Tür der Hausmeisterin ab und klopfte. Es dauerte keine zehn Sekunden und mir wurde aufgetan. Die nette alte Dame bemerkte meinen Sack und nickte. Ich lächelte und nickte ebenfalls, dankbar. Schließlich holte ich das signierte Porträt heraus und reichte es ihr. Sie hielt es sich vors Gesicht, um dann mit einer Hand den Mund zu bedecken. Eine Geste des Erstaunens. Dann ging alles blitzschnell. Irgendwie verschwand der Wäschesack, ich wurde am Arm gepackt und landete in ihrem kleinen Wohnzimmer. Ich auf der Bank. Vor mir Butterbrot mit Salz und eine Flasche polnischen Wodka. Das Butterbrot war in kleine Bissen aufgeschnitten, und vor der Wodkaflasche stand ein dunkelgrünes, dickwandiges Schnapsglas. Das andere hielt die Hausmeisterin in der Hand. Da sie nicht Deutsch und ich nicht Polnisch spreche, war die Unterhaltung holprig. Es gelang trotzdem jedem von uns, zwei Schnäpse zu trinken und das Brot aufzuessen. Dann wurde ich auf die Stirn geküsst und wieder zur Tür hinausgeschoben. Morgen würde die Wäsche sauber, tadellos gebügelt und zusammengelegt auf mich warten. Leider aber auch gestärkt, was mir immer den Eindruck vermittelte, in Karton gekleidet durch Wien zu laufen.
Ich stieg die ausgetretenen Stiegen hinauf in das Mezzanin. Meine Wohnungstür stand ausgehängt neben dem Rahmen, und aus der Wohnung heraus dröhnten Hammerschläge. Kalkweißer Staub hing schwer in der Luft. Ich ging auf die Tür zu und klopfte. Der Gewinner des Stalin-Lookalike-Bewerbs hörte mich, beendete eine Messung und kam auf mich zu.
»Servas Dokta.«
»Guten Tag, Meister.«
»Hamma missma Tir aushänga, fir Werkzeug.«
»Kein Problem, solang sie nacher wieder drin ist.«
»Besser nicht reinschaun, ist Baustelle«, er breitete die Hände aus und versuchte, mir den Weg zu versperren, als ich an ihm vorbeizulinsen suchte. Was sich einigermaßen seltsam ausnahm, da er mindestens einen Kopf kleiner war als ich. Dafür war sein Schnauzer umso größer. Und sein Ego erst recht.
»Schon gut. Ich bin nur gekommen, weil ich wissen wollte, ob eine Dame hier war und nach mir gefragt hat.«
Bei dem Wort Dame verebbte der Baulärm und im niedersinkenden Staub erschienen plötzlich die anderen Handwerker. Einer steckte bis zum Hals in meiner Badezimmerwand, auf die ich von der Türe eigentlich gar keinen Blick habe, weil die Küchenwand dazwischen liegt. Liegen sollte, verbesserte ich mich. Gelegen hatte. Der kleine Stalin bemerkte meinen entsetzten Blick und schob mich zur Türe hinaus. Seinen Arbeitern schnippte er nur mit den Fingern, und der gnädige Staub verdeckte wieder den Blick auf die Baustelle.
»Da war keine Frau da. Heite ganze Tag nicht.«
»Gestern?«
»Schon, aber …«
»Wollte sie zu mir, hat sie nach meiner Nummer gefragt?«
»Nein. Nicht so. War Frauen von oben, von Cheffe. Und erst nach Feierabend.«
Ich lächelte. Nun war mir klar, wieso Mike mitten in der Nacht Handwerker zur Verfügung gehabt hatte. Mit Honig fängt man Fliegen.
»Kein Problem deswegen. Nach mir hat außer der Polizei niemand gefragt?«
»Nein, niemand. Nur Kiberer waren da.«
»Sehr gut. Und wie lange brauchen Sie noch für meine Wohnung?«
»Schwer zum Sagen. Zehn Tage, zwei Wochen?« Er machte eine unsichere Bewegung mit der Rechten.
»Na gut, werd ich schon überleben.«
»Sichalich.«
»Wiederschauen und viel Glück.«
»Glick hat damit nix zum Tun. Mir samma Handwerker.«
Ein paar Minuten später stand ich im Nibelungenviertel vor Korkarians Tür und klingelte, während ich mir die Blüten der Sommerlinden von den Sohlen kratzte. Der ganze Gehsteig war gelbgrün eingesaut. Schließlich krachte und rauschte es in der Gegensprechanlage. Die Blüten befanden sich immer noch an meinen Sohlen.
»Arno«, sprach ich hinein.
Keine Antwort. Dann brach das Krachen ab. Oben hatte man, entweder Vater oder Tochter, die Verbindung unterbrochen. Dann dauerte es. Als ich es schon für nicht mehr möglich hielt, summte der Türöffner und ich trat ein. Bei Tageslicht besehen war das Stiegenhaus nicht ganz so romantisch wie in der Nacht, aber dafür kam das schöne dunkle Holz des Handlaufs am schmiedeeisernen Treppengeländer viel besser zur Geltung, ebenso die Fliesen, die schwarz, weiß, braun den Boden der Stockwerke bedeckten. Die Stufen bestanden aus grauem Stein.
Im zweiten Stock schloss gerade ein älterer, sehr schlanker Mann mit dem Aussehen eines französischen Aristokraten des 18. Jahrhunderts die Tür hinter sich ab. Er trug ein kleines, in Packpapier gewickeltes Päckchen unter dem Arm und blickte mich nervös an. Dann war ich schon an ihm vorbei und er die Treppe hinunter verschwunden.
Oben bei den Korkarians wurde in dem Moment die Wohnungstüre geöffnet. Egal ob Vater oder Tochter, nur nicht beide, dachte ich bei mir. Obwohl, lieber natürlich die Tochter. Ich kam zur Tür, schon ein wenig schneller atmend, und da stand sie auch. Wortlos ließ sie mich ein. Kaum war die Tür zu, fragte sie schnell:
»Woher weißt du, wo wir wohnen?«
»Hab im Büro vorbeigeschaut, dein Vater hat’s mir verraten.«
»Nein, woher?«
»Aus meinen Unterlagen.«
Einen Moment blitzte Unsicherheit in ihren Augen auf. Dann fing sie sich wieder.
»Hast du keine.«
»Willst du mich nicht hereinbitten? Außerdem, bei dem Wetter bietet man einem Gast eine Erfrischung an.«
»Komm mit.« Sie drehte sich im Gehen um. »Aber zieh die Schuhe aus.« An der Tür am Ende des Ganges blieb sie stehen und wies mich ins Wohnzimmer.
»Kannst dich da hinsetzen. Was willst du zu trinken?«
»Tee oder Wasser.«
»Gut.«
Ich ging an ihr vorbei ins Wohnzimmer und setzte mich auf den Stuhl, auf dem ich auch das letzte Mal gesessen hatte. Die Katze lag auf der Couch und blinzelte mir träge zu. Ich lockte sie mit ein paar Zungenlauten und kratzte ein bisschen auf dem Stoff des Sitzpolsters. Das interessierte sie zwar nicht sonderlich, aber immerhin hatte sie nun beide Augen weit geöffnet und der buschige Schwanz bewegte sich. Schließlich reckte und streckte sie sich, ließ sich zu Boden gleiten und setzte sich mir vor die Füße, wobei sie ihren Schwanz elegant um sich selbst legte, wie eine große Dame es mit ihrer Federboa tut. Ich streckte ihr meinen Finger hin und sie roch interessiert. Die Ohren waren gespitzt und ganz nach vorne gedreht. Schließlich rieb sie ihre Lefzen an meinem Finger und sprang mit einem leisen Maunzen auf meinen Schoß. Dort richtete sie es sich bequem ein, stupste mir den Kopf in den Bauch und begann zu schnurren, als ich sie kraulte. Die bernsteinfarbenen Augen hielt sie vor Wohlbehagen geschlossen.
»Bild dir deswegen bloß nichts ein. Sie mag alle Männer, vor allem, wenn es heiß ist. Sie ist ganz verrückt nach dem Geruch.« Elena trat mit einem Tablett ein, auf dem sich zwei hohe Gläser und eine Karaffe mit Wasser befanden. Als sie das Tablett abstellte, klirrten die Eiswürfel in der Karaffe. Im Wasser schwammen ein paar Zitronenstücke ohne Schale. Elena schenkte uns beiden ein.
»Du hast Glück, vor 20 Minuten war ich noch im Büro, bin gerade erst heimgekommen.« Sie nahm einen Schluck. Ich auch. Wasser ist nicht so mein Ding, vor allem nicht ohne Teeblätter drin. Zitronenstücke sind da gar kein Ersatz. Ich war höflich und trank. Dazu brauchte ich eine Hand, was der persischen Schönheit auf meinem Schoß gar nicht passte. Sie öffnete ein Auge und blickte mich strafend an. Maunzte sogar ganz leise. Erst als ich sie wieder am Ohransatz kraulte, war sie zufrieden.
»Ich konnte nicht aufhören, über unser Gespräch im Weidinger nachzudenken.«
»Jetzt macht dir die Tote doch zu schaffen?«
»Nein, die Lebende.« Ich hielt kurz inne und dachte nach. »Das trifft’s auch nicht. Sagen wir so, beide gemeinsam gehen mir nicht mehr aus dem Kopf.«
»So? Warum?«
»Da bin ich mir selbst nicht so im Klaren darüber.«
Elena hatte sich mir gegenüber auf die Bank gesetzt. Das Möbel stand ihr extrem gut. Fast noch besser als der Katze.
»Woher hast du meine Nummer gehabt?«
»Von den Leuten bei dir zu Hause.«
»Welchen?«
»Na, von der Hausbesorgerin.«
»So.«
»Ja, die hatte einen Block, mit all so Zeug drauf.«
»Und über was habt ihr euch so unterhalten?«
»Dies und das.«
»Beeindruckend.«
»Warum?«
»Sie spricht nur Polnisch. Warum hast du nicht einfach die Handwerker in meiner Wohnung gefragt?«
Elena sah mich böse an.
»Weil du gar nicht dort warst. Siehst du, darum geht es mir nicht aus dem Kopf. Wie bist du zu meiner Nummer gekommen?«
»Machen wir einen Deal.«
»Lass hören.«
»Du sagst mir, wie du meine Adresse herausgekriegt hast, und ich sag dir, wie ich zu deiner Nummer gekommen bin.«
Ich beschäftigte mich ein wenig mit der Katze auf meinem Schoß. Sie schnurrte leise und drückte mir das harte Köpfchen in den Bauch. Dann schüttelte ich den Kopf.
»Dabei gewinne ich nichts.«
»Doch, …«
»Ja, ja, ich weiß dann, wie du an meine Nummer gekommen bist. Das weiß ich ohnedies, oder vermute es zumindest. Was mich eigentlich interessiert, ist ganz was anderes.«
»Was denn?«
»Warum habt ihr euch überhaupt für mich interessiert? Da finde ich momentan einfach keine Antwort.«
Sie nahm einen Schluck von ihrem Glas. Ich lag offenbar gar nicht so falsch.
»Wie meinst du? Versteh ich jetzt nicht ganz.«
»Also gut. Du hast meine Nummer von der Toten.«
»Wie das?«
»Weil sie deine Freundin war. Ganz sicher habt ihr euch gekannt.«
»Wie kommst du darauf?«
»Weil sich so der Kreis schließt. Du hast mich angerufen. Woher hattest du die Nummer? Sie kam bei mir vorbei, woher wusste sie überhaupt von mir? Du hast ihr erzählt, dass jemand bei euch einen Seelenkredit aufgenommen hatte, deswegen kam sie damals bei mir vorbei. Sie wollte über die Kredite was wissen. Sie meinte, sie hätte es bei deinem Vater versucht, wäre aber abgeblitzt. Stimmt nicht, hat sie gar nicht. Sie wusste über dich von der Sache und wollte eine Story draus machen.«
»So in etwa, ja.«
»Was ich nicht verstehe, ist also nur das: Warum habt ihr euch für mich interessiert?«
Elena schaute ernst drein, nahm einen Schluck, doch sagen wollte sie nichts.
»Also muss ich mich weiter zum Trottel machen, indem ich rate?«
»Bitte, nur zu.«
»Da du ihre Freundin bist, brauchte sie nicht wirklich Kunden, um Informationen über die Seelensache zu erhalten. Also warum der Aufwand. Die einzige Antwort, die mir einfällt, ist eine seltsame.«
»Ja, nur raus damit.«
»Es muss irgendetwas ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich gewesen sein an meiner Vertragsunterzeichnung. Das ist die einzige Möglichkeit. Da bei der Unterzeichnung überhaupt nichts Auffälliges dran war, kann es sich nicht um das ›Was‹, sondern nur um das ›Dass‹ handeln.«
»Bitte?«
»Was auffällig war, war, dass ich unterschrieben habe, dass ich davon gewusst habe, dass ich gekommen bin. Nicht irgendein Detail an meinem Kommen, an der Unterschrift oder sonst was. Nein, schlicht und einfach die Tatsache, dass ich überhaupt gekommen bin, hat euch stutzig gemacht.«
»Kann sein.«
»Wie viele Kontrakte dieser Art gibt es?«
»Weiß ich nicht, hält mein Vater unter Verschluss.«
»Von wie vielen weißt du, warst dabei oder irgendwie involviert?«
»In zwei.«
»Buehlin und mich.«
»Genau. Was nicht viel heißen muss, da ich während der Studienzeit nur selten im Büro bin.«
»Egal, wichtig ist nur, dass ich seit eineinhalb Jahren der Erste bin, der wegen des Kredits gekommen ist. Sonst weiß einfach gar niemand, dass es das gibt. Oder?«
»Wahrscheinlich.«
»Woher wusstet ihr von der Sache?«
»Aria kannte Buehlin gut. Als sie ihn fragte, woher er das Geld hatte und der Name Korkarian gefallen ist, kam sie zu mir.«
»Aber dann war Sendepause, bis ich auftauchte.«
»Ja.«
»Warum fragst du nicht einfach deinen Vater?«
»Du hast ihn im Büro gesehen?«
»Ja.«
»Den fragt man nicht einfach so nach solchen Sachen.«
»Du warst aber bei Buehlin schon dabei?«
»Sicher.«
»Gut.«
Die Katze hatte genug Liebe bekommen, sie setzte sich auf, schüttelte sich und sprang zu Boden. Dort strich sie mir noch ein wenig um die Füße, bis sie sich dann lautlos in das andere Zimmer aufmachte. Die Tür stand einen Spalt offen und sie verschwand. Zum Abschied winkte sie mir noch einen Gruß mit der Schwanzspitze nach.
»Wie kommt es eigentlich, dass du Elena heißt?«
»Wie meinst du das jetzt?«, fragte sie ehrlich verdutzt.
»Das ist kein jüdischer Name.«
»Ach so.« Ein Lachen erhellte ihre Stimme. »Wir sind keine Juden. Papa erzeugt nur gern bei anderen den Eindruck und bestärkt die Leute dann in ihrem Vorurteil. Er meint, das wäre gut fürs Geschäft.«
Irgendeinen Vorteil muss man ja aus dem Antisemitismus der Leute ziehen, und wenn es nur ein pekuniärer ist.
»Hast du irgendeine Ahnung, wie dein Vater draufgekommen ist, diese Seelensache überhaupt durchzuziehen?«
»Nein, das hat sich Ria auch immer gefragt.«
»Hat dein Vater auch Akten und Unterlagen hier oder nur im Büro?«
»Sowohl als auch. Die wirklich wichtigen Sachen bringt er aber immer abends mit heim.«
»Kannst du mich einen Blick drauf werfen lassen? Nur ganz schnell?«
»Unmöglich. Papa hat einen Safe.«
»Safes kann man knacken. Wie lange haben wir Zeit, bis er wiederkommt?«
»Er kommt sicher erst gegen 11 heim. Schlag dir das aus dem Kopf.«
»Warum?«
»Erstens kauft Papa keinen Safe, den du so leicht knacken kannst. Zweitens, wenn du ihn knackst, merkt er das, und ich bin dran. Drittens mach ich so was einfach nicht.«
»Schade.«
»Hättest du den Safe aufgekriegt?«
»Vielleicht.« Ich sicher nicht, aber ich kannte da wen, der hätte.
Nun blieb mir nur noch eine Chance. Wenn auch die nächste Frage zu nichts führte, würde nichts mehr rauskommen.
»Wie kam Schauberger zu Buehlin?«
»So genau weiß ich das nicht, doch sie arbeitete als freie Journalistin, vor allem in Wirtschaftssachen, und irgendwann vor drei Monaten stand sie vor der Tür. Wir hatten uns schon länger nicht mehr gesehen. Ich half ihr natürlich.«
»Was hat sie zuletzt gemacht?«
»Dich getroffen. Darum wollte ich ja sehen, ob du es etwa warst.«
»Hm. Meinst du, es könnte dein Vater gewesen sein? Ich glaub nicht, dass er gerne von kleinen Mädchen ausgeschnüffelt wird. Außerdem hat er immer eine Knarre dabei.«
Elena spielte mit den winzigen Silberglöckchen, die sie um die Fesseln trug. Ihr Gesicht verriet großen Ernst. Offenbar hatte sie auch schon an solch eine Möglichkeit gedacht.
»Sonst hatte sie nichts?«
»Nicht wirklich, sie hat nicht allzu viel rausgefunden gehabt.«
»Wie hat die Schauberger Buehlin kennen gelernt? Der ist nicht gerade der kontaktfreudige Typ.«
»Weiß nicht. Keine Ahnung.«
»Was war denn das Letzte, an dem sie gearbeitet hat? Bevor sie mit dem Seelenhandel angefangen hat.«
»Das war eine Artikelserie über einen, der das AMS ausgetrickst hat, mit Schuldverschreibungsscheinen der Republik.«
Das sagte nun mir wieder nur Bahnhof. So würden wir nicht weiterkommen.
»Sie hatte auch ein Notizbuch, die Polizei hat es nicht gefunden. Weißt du, wo es sein könnte?«
»Sie hatte es immer bei sich. Wenn es nicht bei ihr zu Hause gefunden wurde, dann ist es weg.«
»Oder der Mörder hat es.«
Wieder zwei Sackgassen. Manchmal führt jede Spur an einen toten Punkt. Dann kann man noch ein bisschen den Helden markieren, der nie aufgibt, doch die Sache ist dann für gewöhnlich vorbei. Ich trank noch mein Glas aus und verabschiedete mich, mit dem Versprechen, mich wieder zu melden, sobald es etwas Neues gäbe.
Draußen begann der Abend sein mediterranes Flair zu entfalten. Ich ging über den klebrigen Gehsteig, in einem Park bei der Stadthalle spielten Kinder und in einem Schanigarten lärmten ein paar Gäste alkoholfroh. Am Gürtel tobte die Rush Hour. Autos, Laster, Busse und dazwischen Fahrradfahrer, die sich todesmutig in Linien durch den zäh fließenden Verkehr schlängelten. In all dem Trubel und in der Hektik kam ich mir einsam und verlassen vor. Es war an der Zeit, sich die Niederlage einzugestehen.
Ich holte mein Handy raus, schaltete ein, gab die PIN ein und rief Erich an.
»Ja, Arno, gibts was Neues?«
»Doch, einiges. Ich bin auch hungrig.«
»Gut, wo sollen wir essen?«
»Was hältst du von der Meinl Bar?«
»Wir sind die Kirche, keine Investmentbanker.«
»Erstens seh ich zwischen diesen beiden sozialen Phänomenen keinen rasend großen Unterschied, und zweitens entgeht mir die Relation zur Meinl Bar.«
»Also für Dumme: So viel Geld haben wir nicht.«
»Genau, ihr habt viel mehr.«
»Ja, Ausgaben. Allein der Steffl verschlingt im Jahr mehr an Unterhalt als die Ex von Donald Trump.«
»Dafür stehst du noch ordentlich im Futter, muss ich sagen. Also, wohin lädst du mich ein?«
»Ich bin gerade Maria am Gestade, wie wär’s mit dem Stopfer?«
»Hm, gut. Wenn’s sein muss. Wie lange brauchst du?«
»Ich riech schon das Bratfett.«
»Gut, dann wart ein bisschen. So eine halbe Stunde brauch ich schon noch.«
»Soll sein.«
Die Gastwirtschaft zum braunen Hirschen, vulgo Stopfer, liegt an der östlichen Längsseite des Rudolfsplatzes. An der westlichen befindet sich das k.u.k.-Hotel und rundum erstreckt sich das Textilviertel. Das Herz des Platzes bildet ein kleiner Park. Obwohl mitten im ersten Bezirk gelegen, sind die Gassen kaum von Autos befahren. Der Park kühlt und wirkt ein bisschen waldig. So sitzt man recht angenehm und ruhig im Schanigarten. Weder Essen, Service noch Atmosphäre sind berühmt, aber alles ist tadellos, die Portionen groß und billig.
Als ich vom Kai her kommend um die Ecke bog, sah ich Erich schon von Weitem an einem Zweiertisch sitzen. Ich schlängelte mich durch den vollgestellten Schanigarten und setzte mich. Erich hatte schon ein Glas Wein vor sich stehen, irgendwas Weißes, Gespritztes. Eine dampfende Suppenschale verriet, dass er schon angefangen hatte.
»Der dicke Mann ist am hungrigsten«, meinte er entschuldigend.
»Sicher. So ein Supperl zählt doch eh nicht.«
»Na, ich weiß nicht. Heiß und fein muss es sein, dass es einem den Schweiß auf die Stirn treibt, in der Sommerhitze.«
»Es hat doch eh schön abgekühlt, untertags da war’s heiß. Jetzt ist es angenehm.«
»Das ist der Vorteil von Renaissance-Steinmauern: die sind sommers wie winters eiskalt.« Er nahm einen Löffel voll Frittatensuppe. »Gut für Pergament und Mönche.«
Erich kümmerte sich um seine mit Safran verfeinerte Suppe und ich nahm mir derweil die Speisenkarte vor. Tiger und Mönche soll man nicht beim Essen stören, sagt ein altes indisches Sprichwort. Wenn man nun in Betracht zieht, dass Viagra auf Sanskrit Tiger heißt, ergeben sich doch etliche nette Assoziationen. So weit kam ich jedoch nicht, da mich der Kellner schon ins Auge gefasst hatte. Mit frechem Blick, spitzem Gesicht und einem schönen Schnauzer gab er ganz das Bild eines Wiener Strizzis ab. So wie sie früher die Ränge der Deutschmeister gefüllt hatten.
Ich bestellte einen Zwiebelrostbraten und nach längerem Überlegen ein Bier. In solchen Restaurants gibt es keinen guten Tee.
Rings um uns waren die Tische gut besetzt, so dass vom grünen Plastikrasen kaum mehr etwas zu sehen war. Zwischen den Beinen von Stühlen, Tischen und Menschen hüpfte ein kleiner Spatz herum. Mit tollkühnem Mut suchte er nach heruntergefallenen Brotstückchen und ähnlichen Leckerbissen. Um die Menschen kümmerte er sich genauso wenig wie sie sich um ihn. Einen Augenblick sahen wir uns beide in die Augen, dann brach er den Blickkontakt ab und hüpfte weiter.
»Sie säen nicht und doch ernten sie«, meinte Erich salbungsvoll, den Mund voller Hirn mit Ei. Inzwischen war serviert worden. Er schluckte, nahm einen tüchtigen Schluck von seinem Sommerspritzer und fuhr fort: »Erinnern mich irgendwie an dich.«
»Du säst auch nicht.«
»Bin ja auch im Zölibat.« Er zwinkerte mir zu. »Also, was ist mit unserem Malefikanten?«
»Überstürz ja nichts, noch ist er bloß verdächtig, bis zum Missetäter ist es noch ein schönes Stück.«
»Na gut, also wie steht’s mit ihm?«
Ich erzählte ihm, was ich für klug hielt. Wie immer hielt ich ein bisschen zurück und wie immer fiel ihm das auf, allerdings kümmerte er sich diesmal nicht darum. Mit einer kurzen Schilderung von Korkarians Wohnung beschloss ich meine Ausführungen.
»Damit kommen unsere Ermittlungen langsam zu einem Ende.«
»Warum?«
»Weil ich nicht mehr weiterkomme. Es gibt nur zwei Kreditnehmer, einer sitzt vor dir, der andere ist ausgelutscht. Da ist nichts mehr zu finden. Ich hab mich um Korkarians persönliches Umfeld gekümmert, Schach und Tochter. Beides recht genau angeschaut, aber ohne Befund. Ich war sowohl bei ihm zu Hause als auch im Büro. Nirgends gab’s einen weiterführenden Hinweis. Es gibt nur zwei Kreditnehmer, deswegen muss sich Mutter Kirche keine Sorgen um die Seelen ihrer Schäfchen machen und vom Ritter mit dem Pferdefuß war auch überhaupt nichts zu merken. Darum: Ich habe fertig.«
»Ich will offen sein, so ganz zufrieden bin ich nicht, da hätte ich mir schon ein wenig mehr erwartet.«
»Ich auch.«
»Du könntest noch einen Anlauf nehmen. Vielleicht hast du was übersehen.«
»Man übersieht immer etwas. Die Frage ist nur, ob noch irgendwas rausschauen kann, und ich glaube nicht.«
»Zwei Fragen sollten geklärt werden. Wie Korkarian seine Geschäfte betreibt und ob sich irgendetwas …«, Erich zögerte einen Moment, »findet. Beide sind noch offen. Du warst zwar sowohl bei ihm im Büro als auch in seiner Wohnung, mit und ohne ihn. Daraus hättest du ruhig mehr rausholen können.«
»Du meinst, ein bisschen in den Regalen seines Kastens rumschnüffeln, ob seine Unterhosen auch schön sauber sind?«
»Eher, ob in seinem Safe alles sauber ist. Ich denke, dass diese Unterlagen durchaus interessant sein könnten.«
»Du weißt schon, dass das ungesetzlich ist?«
»Darum haben wir ja dich ausgesucht, normalerweise hast du da keine Hemmungen.«
»Aber diesmal geht’s ja auch gegen beide Gesetze, sowohl das positive als auch das natürliche.«
»Das göttliche, nicht das natürliche.«
»Läuft doch auf das Gleiche hinaus. Oder ist die Natur nicht göttlich?«
»Sie ist nur geschaffen, man soll Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Außerdem ist der Pantheismus der erste Schritt in den Atheismus.«
»Du meiner Seel’, da wär ich ja fast in was reingerutscht! Wenn du mich nicht gerettet hättest.« Erich fand meinen Sarkasmus gar nicht witzig. Da er nicht darauf einstieg, machte ich weiter.
»Gut, also das göttliche Gesetz. Auf jeden Fall kannst du nicht gutheißen, dass ich das breche.«
»Ich hätte gedacht, dass es dich reizen würde, mit Dispens von höchster Stelle ein bisschen zu sündigen.«
»Diesmal kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass etwas dabei herausschaut. Das wird alles kein Ergebnis liefern.«
»Mir hat deine Anleihe bei der medizinischen Terminologie besser gefallen. Ohne Befund. Das heißt nicht, dass nichts da ist, sondern nur, dass noch nichts gefunden wurde.«
»Wo nichts ist, da kann man auch nichts finden.«
»Wie meinen?«
»Du erinnerst mich ein wenig an die Art von Philosophen, die meint, dass Einhörner existieren, weil man eben noch nie eines gesehen hat.«
»Da tust du mir ein wenig unrecht.«
»Ja, aber nicht viel. Wie auch immer, Nicht-Existenz ist gar nicht so leicht zu beweisen. Ich habe nirgendwo einen Hinweis darauf gefunden, dass eine Spur Schwefel involviert sein könnte.«
»Kann schon sein, aber versteh doch, wir müssen sehr genau sein.«
»Du willst also unbedingt, dass ich bei Korkarian einbreche.«
Er breitete die Hände in einer beredten Geste aus, sagte jedoch nichts.
»Natürlich bin ich grundsätzlich für so eine Blödheit zu haben. Aber was wollen wir in seinem Safe finden? Den Vertrag mit Luzi wird er dort nicht aufbewahren. Bestenfalls finden wir irgendetwas Inkriminierendes, so dass wir ihn vielleicht zwingen könnten, sein Geschäft aufzugeben. Das wäre schon das Höchste der Gefühle. Jedoch bei nur zwei Kreditnehmern, sag selbst, ist da der Einsatz nicht viel zu hoch?«
»Es geht doch nicht nur darum, was wir konkret finden und notfalls gegen ihn verwenden können. Es geht darum, dass der Kardinal den Radikalen damit den Wind aus den Segeln nimmt, indem er alles getan hat, was möglich war. Weil, wenn sich nirgendwo auch nur der kleinste Hauch eines Verdachts bestätigen lässt, beruhigen sich die hitzigen Geister bei uns und wir ersparen uns eine Blamage.«
»Seh’ ich ein. Dann sag halt einfach, ich hätte schon eingebrochen und das hätte auch nichts gebracht.«
»So geht das schon gar nicht.«
»Ein Bruch ist ok, lügen nicht?«
»Beides ist verwerflich. Aber sub specie aeternitatis …« Erich lies den Satz unvollendet im Raum stehen.
»Meinst du nicht, dass es anmaßend ist, so zu sprechen?«
»Warum?«
»Na, schließlich hast du gerade so getan, als wüsstest du, was Gott denkt.«
»Das war ex cathedra, sozusagen.«
»Jetzt bist du nicht nur Gott, sondern auch noch der Nachfolger Petri. Mangelnden Ehrgeiz kann man dir auf keinen Fall nachsagen. Ich darf schon noch Erich sagen, oder soll ich deinen Ring küssen?«
»Schon in Ordnung, für meine Freunde bleibe ich immer der Alte.« Erich grinste übers ganze Gesicht. Wenn sich die runde Perfektion einer Kugel steigern ließe, dann wäre das in diesem Augenblick geschehen. Nach ein paar Momenten Pause trieb ich die Sache weiter.
»Du hast keine Hemmungen, mich in so was reinzuschicken.«
»Du willst für so wenig Ertrag nicht in den Knast. Verstehe ich. Vielleicht können wir den monetären Anreiz ein wenig erhöhen.«
Da musste ich schmunzeln, er wollte den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
»Ist nicht Mammon einer der Hauptdiener Luzifers, von dem Milton sagt, kein anderer Teufel bringe seinem Herrn so viele Seelen wie er? Du scheinst mir im Auftrag der Doppelmoral unterwegs zu sein.«
Erich winkte ab.
»Das ist anglikanische Theologie. Bei uns gibts das nicht. Wir zahlen.« Ein breites Grinsen zeigte sich auf seinem runden Gesicht. Er wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. »Also, was würde dich so in Versuchung führen?«
»Vergiss es, Erich. Die Tatsache, dass ich keine Vorstrafe habe, ist mir so viel wert, das kannst du nicht zahlen.«
»Jetzt hör schon auf, dich so zu zieren. Du kommst mir schon fast vor wie die sprichwörtliche Jungfrau am Ehebett.«
»Woher weißt denn du in solchen Sachen Bescheid?«
»Die demütigen Diener Gottes müssen in allem Bescheid wissen. Unwissenheit ist Sünde. Lenk nicht dauernd ab. Mit deiner Weigerung willst du doch bloß den Preis in die Höhe treiben. Oder hast du Angst vor dem Knast?«
»Ach, der Bau ist sicher nicht angenehm, aber das schreckt mich nicht so sehr. Solange ich keine Waffe dabeihabe, kein Werkzeug mitgebracht habe, sondern nur Vorgefundenes verwende, komme ich bedingt durch.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich habe ein Rechtsanwaltsbüro hinter mir.«
»Du siehst mich erstaunt. Kannst du dir so was leisten?«
»Ist ein guter Freund, macht gerade das Studium fertig. Kennt sich aus.«
»Wenn es nicht das Gefängnis ist, warum wehrst du dich dann mit Händen und Füßen?«
»All die kleinen Nebengeschäfte, die ich so treibe, könnte ich nicht machen, wenn ich eine Vorstrafe hätte. Mit einer Vorstrafe bist du immer im Zentrum der Aufmerksamkeit. Sobald ich irgendwo im Zusammenhang mit Ermittlungen auftauche, bin ich dann verdächtig. Solange man in den Akten nicht aufscheint, kann man unbemerkt bleiben. Sobald der Name drinsteht, ist es vorbei.«
»Du meinst, so ähnlich wie bei den Flughafenkontrollen. Wenn man einmal herausgefischt wurde, scheint die Passnummer auf und die Wahrscheinlichkeit steigt dann von Kontrolle zu Kontrolle?«
»Ungefähr.«
»Quod non est in actis, non est in mundo.«
»So kann man es auch ausdrücken.«
»Ich würde vorschlagen, schlaf noch einmal drüber, überleg es dir genau, dann reden wir noch einmal über die Sache. Ich kenn schon Leute, die so was machen würden. Du musst dir halt auch im Klaren darüber sein, dass du hoch pokerst.«
Erich nickte.
»Damit kann ich leben.« Erich umgibt immer eine Aura von Leichtigkeit und Lebensfrohsinn, die war nun verschwunden, schließlich würde er sich für den Rest seines Lebens in einem abgelegenen Kloster zu verstecken haben, wenn das aufflog. Ich war richtig froh, ihm die Idee mit dem Einbruch ausgeredet zu haben. Wenigstens für den Moment. Anschließend spielten wir noch ein bisschen mit den uns bekannten Fakten herum, bis alles wenigstens ein klein wenig Sinn machte. Während der geistigen Arbeit führte Erich seinem Metabolismus zwei Marillenmarmeladepalatschinken zu, fingerdick mit Staubzucker bestreut. Beim Stopfer sind die Palatschinken wirklich einzigartig, was unter anderem daran liegt, dass Safran verwendet wird.
Als er mit den letzten Bissen auch noch den kleinsten Rest Marmelade erwischt hatte, beendete Erich das Gespräch, indem er die weitere Vorgangsweise festlegte.
»Also, du wirst morgen, um Punkt acht Uhr dreißig hier läuten.« Er reichte mir eine Karte. Auf dem reinweißen, leicht gerippten Karton stand eine Adresse in feiner Schrift. So dünn, dass das Schwarz wie Grau wirkte. Kein Name, keine Anschrift, keine Kontaktdaten, nichts. Nur eine Gasse und eine Hausnummer.
»Das ist doch nicht das Erzbischöfliche Palais.«
»Nein, dort kommst du nicht hinein. Außerdem ist es das des Kardinals. Und zieh dich ordentlich an. So kannst du nicht vorsprechen, du siehst ja aus, als hättest du in deinen Sachen geschlafen. Und benimm dich!«
»Hinter den Ohren und am Hals werd ich mich auch waschen.«
»Davon geh ich aus.« Erich sagte das ohne den geringsten Anflug von Humor. Ein habemus papam wäre ihm nicht ernster über die Lippen gekommen.
Mittlerweile hatte er bezahlt, ausgetrunken und war bereit zu gehen. Ich hatte noch einen Schluck Bier im Glas und überhaupt keine Eile. Noch wollte ich ein wenig sitzen bleiben, um zu grübeln. In mein staubiges Büro würde ich noch früh genug kommen. Wenn es sich gar nicht vermeiden ließe, könnte ich mir sogar noch etwas zum Trinken bestellen. Fluch über die Gasthäuser Wiens, in denen Tee nur in Beuteln zu haben ist.
Als Erich aufgestanden war, seine Sachen in Ordnung gebracht hatte, die schweinslederne Mappe unter die Achsel geklemmt war und er den ersten Schritt vom Tisch weg gemacht hatte, meinte ich noch nebenher:
»Ach ja, was Positives gibt es auch noch.«
»Ja?«
»Korkarian ist kein Jude.«
Erich fielen Zentner von der Seele. Morgen würden die Zeitungen von einem Beben der Stärke 3 schreiben, mit Epizentrum Wien 1, Rudolfsplatz. An der Copa Kagrana würden sie morgen beim Baden aufpassen müssen, des Tsunami wegen.
Erich schnaufte tief durch, »Gott zum Gruß«, sagte er noch, dann ging er auf eines der wartenden Taxis zu.
Während des Gesprächs war mein Zwiebelrostbraten Biss für Biss verschwunden. Die knusprig-braunen Zwiebeln verliehen dem saftigen Rindfleisch genau den Reiz, der einen zwei Bissen mehr essen lässt, als gesund ist. Eine kräftige Sauce und Röstkartoffeln taten das Ihre. Nun war mir hochoffiziell schlecht. Also ließ ich das Grübeln sein und machte mich auf den Weg zur Uni. Schließlich soll man sich ja nach dem Essen ein bisschen bewegen. Und auf der Uni gab es Tee, so viel ich wollte, grün, schwarz und oolong.