29. YLWAN
Die Unterkunft war notdürftig, aber warm und trocken. Sie reichte Ylwan vollkommen aus. Auf seinem großen Albino-Ravener hatte er Espen auf die andere Seite des Gebirges von Asha’Ree gebracht und diese kleine Höhle gefunden. Von hier aus hatte er Espen mit Fellkleidung gegen die Kälte der nördlich angrenzenden Eisebene versorgt und wartete nun hier auf dessen Rückkehr.
Die Höhle maß kaum mehr als sechs Schritte im Quadrat und war ebenso hoch. Ylwans Reittier hockte zusammengekauert im Eingang und schützte seinen Herrn somit gegen Wind und mögliche Eindringlinge. Im hinteren Teil der Höhle hatte Ylwan ein kleines Lagerfeuer entfacht, saß im Schneidersitz davor und starrte in die Flammen.
Er dachte an die Vergangenheit, aber auch an die Zukunft. Des Öfteren dachte er darüber nach, einfach zur Königin zurückzukehren. Er verwarf diese Gedanken wieder nach kürzester Zeit. Die Königin wusste mit Sicherheit, dass er sich für den Tod Selens verantwortlich zeigte, obwohl es keine Beweise hinterlassen hatte. Sie wusste solche Dinge einfach. Sein anderer Plan war besser. Wenn Espen mit dem Kopf der Mädchen und der fehlenden Seite zurückkehrte, würde es Arien Tulsa sicherlich milde stimmen und ihn rehabilitieren. Doch zeitgleich mit der Freude über seinen heimtückischen Plan, kamen auch die ersten Zweifel auf. Er musste einen Weg finden, diese bereits im Keim zu ersticken, andernfalls würden sie ihn sicherlich noch verrückt machen.
Ylwan griff unter seine blaue Robe und holte ein kleines hölzernes Kästchen hervor, nicht größer als seine Handfläche. Behutsam öffnete er sie und legte den Deckel auf seinen Schoß. Darin lagen fünf dunkelrote, fast durchsichtige Kügelchen. Ylwan nahm eine dieser kleinen Kügelchen und drehte sie vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand. Der dunkelrote Schimmer darin wurde stärker.
Der glatzköpfige Mann murmelte beschwörende Worte, während er die Kugel immer schneller drehte, bis sie sich verformte. Sie wurde länger und schmaler. Schmale, durchscheinende Flügel stießen aus dem Leib hervor. Schließlich öffnete Ylwan die Hand und das Tier flatterte mit seinen fledermausartigen Schwingen direkt vor seinem Gesicht.
„So“, sagte der glatzköpfige Mann, „flieg und überbringe meine Botschaft!“
Er pustete das Wesen an, das augenblicklich an Höhe gewann und am Ravener vorbei in die Nacht hinausflog. Ylwan lächelte dem Tier zufrieden hinterher.
Nun , war er sich sicher, kann ich nicht mehr scheitern .