Kapitel

Lucy

HAHAHAHA

Nachrichten, die ich nie lustig meine

Er konnte nicht echt sein.

Konnte er nicht, weil ich die nächsten Tage auf Instagram, Facebook und LinkedIn verbrachte. Ich durchforschte sogar Pinterest und Accounts auf TikTok. Meine Suchen blieben jedoch erfolglos. Gregor Beck, zumindest mein Gregor mit den schwarzen Korkenzieherlocken und der kalten Seele, existierte auf Social Media nicht. Nur eine einzige Sache fand ich heraus: Er studierte immer noch Kreatives Schreiben in Berlin. Das wusste ich, weil er auf dem hochschuleigenen Blog einige Interview-Beiträge veröffentlicht hatte. Garantiert hatte er die für einen interdisziplinären Fachbereich führen müssen. Schließlich hatte Gregor es nicht so mit der Wahrheit. Er stand nicht aufs Nachbohren und Beharren. Nein, er verbrachte seine Zeit lieber unter Wasser und in der Pseudotiefe seiner Texte.

Meine Hände zitterten, als ich das Handy zur Seite legte. Es war Montag, nicht einmal neun. Ich griff nach meinem To-go-Becher und verfluchte mich innerlich selbst. Mein Morgen besaß Routinen: aufstehen, Yoga, Meditation. Kein Handy und kein Social Media, nicht vor zwölf. Ich setzte Grenzen, bloß um sie selbst zu übertreten. Wegen Gregor.

Schon wieder.

Trotzdem. Heute würde mein Tag werden. Musste mein Tag werden.

Im Wohnungsflur warf ich mir die Jacke über, ehe ich einen letzten Blick in den Spiegel warf, auf dessen Rahmen ich eine Lichterkette, Polaroids und motivierende Zitate befestigt hatte. Links unten prangte das zuletzt hinzugefügte Bild – ein Selbstporträt der ehemaligen Fotografiestudentin Emma Visser. Ich würde dieses Semester ein Porträt für das Hochschuljubiläum über sie schreiben. Ich hatte ihr Foto aufgehängt, um meine Ziele stets im Blick zu haben. Gleich darüber erkannte ich Mama, die mir breit zulächelte.

Mit einem tiefen Atemzug riss ich meinen Blick von Mamas Anblick los und fokussierte mich auf mein eigenes Spiegelbild. Ich trug beige Stiefel, meinen schwarz karierten Rock und einen Rollkragenpullover mit übergroßen Ärmeln. Nudefarbene Lippen, den Ring im linken Nasenflügel, leichte Wellen in meinem Haar und darüber eine Beanie. Alles clean, minimalistisch und durchdacht mit einer Prise Überraschung. Als wir uns kennengelernt hatten, behauptete Manda, dass alles an mir nach mir schrie. Du hast so einen krass durchgängigen Vibe , hatte sie erklärt. Und vielleicht meinte sie damit die schlichte Einrichtung meiner Wohnung. Das helle Fischgrätparkett und den weißgrauen Perserteppich unter meinem Bett, das ich am liebsten mit Leinenbettwäsche von Etsy bezog. Die Gallery Wall über meiner Kommode zeigte ausschließlich schwarze Line Art, perfekt für Storys auf Instagram. So wie mein Bücherregal, voller feministischer Literatur, die nach Farben sortiert war. Meine Garderobe war klein, aber perfektioniert, bestand aus Lieblingsteilen über Lieblingsteilen. Ich war gut im Kürzen und Streichen, in meinen Texten und in meinem Leben. Ich wohnte allein, denn ich mochte die Stille. Ich mochte es, mich frei bewegen zu können, auf meiner sandfarbenen Yogamatte in den Krieger zu gehen und nichts dabei umzustoßen. Ich setzte mich gern an meinen blank geräumten Schreibtisch, um in meinen Texten anzuecken. Mein Geschirr spülte ich am liebsten um zwei Uhr morgens, drehte dabei nie ankommen auf und sang laut mit.

Ich mochte mein Leben.

Was ich jedoch nicht mochte, waren diese Gedanken an Gregor. Ich lief an einem völlig normalen Montagmorgen die Treppen hinunter, betrat meine völlig normal aussehende Straße. Und dachte trotzdem an ihn. An die Möglichkeit, dass er es tatsächlich am Wochenende gewesen sein könnte. Aber dabei blieb es nicht, denn ich erinnerte mich auch an das Aufenthaltsstipendium. An alles, was geschehen war. An das, was sich die Leute über ihn zugeflüstert hatten: Ausnahmetalent. Krass. Seltsam. Einzelgänger. Wieso ist der eigentlich ständig in diesem See, Alter?

Ein Teil in mir verfluchte, dass ich die Chance am Freitag nicht ergriffen hatte. Ich hätte auf diesen Typen zumarschieren und dann erleichtert feststellen können, dass es sich nicht um Gregor Beck handelte. Allerdings war mir das in meiner Schockstarre nicht möglich gewesen. Ich hatte nur dagestanden und zugesehen, wie Leander aus dem Dramaturgie-Programm dem Typen auf die Schulter geklopft hatte und beide abgezischt waren.

Entschlossen drehte ich die Musik lauter, um den Edeka wie eine gewöhnliche Passantin hinter mir zu lassen. Denn das war ich. Rewe-Romeo. Die Hausparty. Mein Social-Media-Stalking. Das war alles ganz normaler Alltag einer zwanzigjährigen Studentin. Letzteres sagte ich mir, bis ich Tillie an der Haltestelle mit einer knallgelben Tupperdose entdeckte und ihr hochenergisches Winken mir deutlich machte, dass es nun mal kein normaler Tag war.

»Es sind meine Spezial-Blondies.« Sie sparte sich eine Begrüßung und öffnete die Dose, noch bevor ich überhaupt vor ihr stoppte. Dabei trug sie ihre liebste Jeans und einen grauen Hoodie, darüber eine übergroße Lederjacke. Ihre Augen wirkten klein und müde, aber ihr roter Lippenstift glänzte, während sie lächelte.

Blinzelnd betrachtete ich den Inhalt, der aus hellen Brownies mit Himbeeren und weißen Schokoladenstückchen bestand. Diese Sorte backte Tillie am liebsten. Laut ihr waren es die besten Blondies ever .

»Bevor du etwas sagst: Ja, sie bringen wirklich Glück. Ich kann dir sogar erklären, wieso.«

»Ach ja?«, hakte ich nach.

»Ja. Weil ich nämlich daran glaube, dass sie es tun. Und der Glaube, mein Herzblatt, ist die wahre Magie.«

»Lass mich raten.« Ich verkniff mir ein Grinsen. »Das hast du aus den Videos auf WitchTok?«

»Nein.« Sie reichte mir die Dose. »Das habe ich aus dem Manifestationsvideo, das ich täglich aufdrehe. Siebzehn Sekunden visualisieren. Wenn du einen Gedanken so lange festhalten kannst, muss er wahr werden.«

»Krass. Und was manifestieren wir momentan, mein Herzblatt? «

»Zwei Millionen Euro und ein Wohnzimmerkonzert von Lorde.« Sie zuckte lässig mit den Schultern. »Das Übliche.«

Ich wollte gerade antworten, als …

Scheiße.

»Äh, Lucy?«, fragte Tillie verwundert. »Wieso starrst du Leander Brenner so an, als würdest du etwas von ihm wollen?«

Links von uns teilten sich zwei Freundinnen eine Kippe. Eine Geschäftsfrau in hohen Stilettos nippte an ihrem Kaffeebecher. Von Weitem fuhr unsere Tram ein, ich allerdings konnte mich nur auf den blonden Typen am gegenüberliegenden Bahnsteig konzentrieren. Er trug Blue Jeans und Bomberjacke, wobei er den Blick auf das iPhone gerichtet hielt. Dabei rümpfte er die Nase, als würde er auf die Schnelle einen schlechten Romanauszug für die nächste Textwerkstattstunde lesen. Das war tatsächlich Leander Brenner. Der, mit dem die Gregor-Fata-Morgana abgezischt war.

Ich hätte weiter gestarrt, doch die Gleise quietschten und wir mussten diese Tram bekommen. Hastig wandte ich den Blick ab. Drinnen war es zu warm und stickig. Musik dröhnte so laut aus Kopfhörern, dass sich Aggro-Rap mit Giant Rooks vermischte. Und trotzdem. Trotzdem umklammerte ich die Metallstange zu fest und drehte mich noch einmal um. Leander starrte weiterhin auf sein Display, die Stirn gefurcht.

»Du hast nichts mehr mit ihm zu tun, oder?«

»Mit Brenner?«, fragte Tillie irritiert nach. »Wie man es nimmt. Wir haben es uns nach dieser Lesung in seinem Flur besorgt und tun jetzt so, als hätten wir es nicht, wenn wir zusammen in Zellers Seminar sitzen.«

»Wieso?«

»Kein Plan. Schätze, wir waren einfach sehr betrunken und dann hat er mich auf diese dominante Machoweise gegen die Wand gedrückt, die ich eigentlich nicht mehr heiß finden will, aber ja … Fast forward: Ich hatte einen Orgasmus, ohne dass wir uns überhaupt ausgezogen haben, und dieser Idiot hat sich danach unheimlich wichtig gefühlt. Das war die Geschichte, in der ich mich rausgeschlichen habe und sein Mitbewohner mich dabei erwischt hat. Erinnerst du dich?«

»Wie könnte ich?«, fragte ich belustigt. »Du hast uns die Sprachnachricht noch im Treppenhaus aufgenommen. Aber du weißt, dass ich eigentlich herausfinden wollte, wieso ihr nicht mehr redet, oder?«

»Oh.« Sie blinzelte. »Na ja, es war schon etwas seltsam irgendwie und …« Sie hielt inne. »Moment, warum interessierst du dich auf einmal so für Brenner?«

Die elektronische Stimme kündigte die nächste Haltestelle an. Sülzburgstraße. Ich presste die Tupperdose fester gegen meine Brust und wägte ab. Dabei hätte ich problemlos mit der Gregor-Sache herausrücken können. Ich hatte Manda und Tillie sogar bereits von Gregor Ausnahmetalent Beck erzählt. Nur seinen Namen hatte ich ihnen verschwiegen. Mein Sommertyp hatte ich immer gesagt, als wäre es mir zu riskant, Gregors Namen zu benutzen. Jetzt war allerdings auch nicht der richtige Zeitpunkt dafür.

»Auf der Turmstraßenparty hab ich kurz gedacht, Leander würde mit jemandem reden, den ich mal gekannt habe«, erklärte ich daher leise.

»Und woher kennst du diesen Jemand?«

»Schulzeit«, murmelte ich, als wäre es keine Lüge.

»Du meinst aber nicht diesen Typen mit den schwarzen Locken, oder?«

»Du hast ihn auch gesehen?«

»Klar.« Sie fuchtelte mit den Händen in der Luft. »Supergroß, super…« … heiß . Sie wollte definitiv heiß sagen, hatte es sich allerdings zur Aufgabe gemacht, Fremde nicht mehr zu sexualisieren. »Superschön?«, sagte sie also stattdessen, doch ließ es wie eine Frage klingen. Tillie, die nie unsicher war. Das machte Gregor also selbst mit Personen wie ihr. Wenn er fertig war, blieben nur Fragezeichen übrig.

Ich nickte, zu mehr war ich nicht imstande.

»Wie heißt er?«

»Bin mir nicht sicher, ob er es wirklich war.«

»Und wenn er es war?«

»Gregor.«

Es rutschte mir einfach von der Zunge. Gregor, ein so harter Name mit jedem R und dem O.

»Gregor«, wiederholte Tillie langsam. »Strahlt schon ein bisschen Deutsch-in-der-Oberstufe-Kafka-Vibes aus. Welcher Roman war das noch mal? Der Prozess? «

»Die Verwandlung.«

»Schnell.« Sie verzog das Gesicht, bevor sie mir die Dose aus der Hand nahm und sie öffnete. »Du musst ein Stück essen, damit ich nicht mehr an meinen Deutsch-LK und du nicht mehr an Gregor denken musst. Denn ich spüre leider eine sehr schlechte Aura von ihm ausgehen und die kannst du vor deinem Gespräch nicht gebrauchen. Danach musst du mir wiederum alles über ihn erzählen. Und dieses Müssen ist leider ein Fakt.«

»Was? Nein, es ist wirklich nur eine Bekanntschaft, nichts Großes.«

Nur etwas sehr, sehr Kaltes.

Ein Lächeln schob sich auf meine Lippen, doch es zitterte. Also tat ich das, was Tillie verlangte, und kaute auf noch lauwarmen Blondies in der Tram herum. Bis wir am Eifelwall ausstiegen und sich unsere Türen direkt vor einer Werbetafel öffneten. Parship positionierte sich neu und machte mit dem Auberginen-Emoji auf unerwünschte Dick-Pics aufmerksam, als wollten sie nicht bloß die junge Generation abkassieren. Klar, Leute, lasst uns gern neu kennenlernen neu erfinden. Oktoberwind peitschte mir das Haar nach hinten und auf meiner Zunge brannten seine harten Silben nach.

Gre-gor, Gre-gor, Gre-gor.

Ich dachte an einen See und an ein Meer voller Gefühle, an verquollene Augen und Die Verwandlung . Daran, dass ich mich nach jenem Sommer erneut durch die Reclam-Ausgabe gekämpft hatte. Ich war auf der Spur nach einem Zitat oder einem Satz gewesen, nach irgendetwas, das mir eine Antwort hätte liefern können. Aber Gregor Samsa verwandelte sich bloß in einen Käfer und dazwischen hatte ich nur Sätze für mein Abitur unterstrichen. Die guten Kafka-Zitate, die, mit denen Pinterest-Wände übersät waren, fand man ausschließlich in seinen Briefen.

Nie in seinen fiktiven Geschichten.

Fünf Minuten später konnte ich das Campusgelände vor uns ausmachen. Es gab Gebäude für jeden Fachbereich, sechs insgesamt. Literatur, Kunst, Fotografie, Schauspiel, Musik, Medien und Journalismus waren zusammengelegt. Es handelte sich meistens um alte Häuser mit abblätternden Fassaden, wo das Parkett im Innern knarzte, ausschließlich die journalistische Fakultät war Neubau.

»Erzähl uns alles später beim @thegirlnextdoor-Treffen«, verabschiedete sich Tillie, während sie mich vor unserem Hauptgebäude umarmte. »Obwohl ich sowieso schon weiß, wie der Termin ausgeht, denn der Podcast gehört dir!«

Es war derselbe Moment, in dem ich beschloss, dass Gregor Beck nicht echt war. Nicht in der Gegenwart und nicht in meinem Leben. Einfach so.

Ich nickte meiner Freundin lächelnd zu.

Absatztrenner

»Wir können dir die Moderation von Campuskitsch leider nicht überlassen.« Milas Worte drangen an meine Ohren, noch bevor ich mich aus meiner Jacke schälen konnte.

Mit offenem Mund, geschlossener Jacke und der aufgesetzten Beanie hockte ich da. Sprachlos, doch innerlich am Hyperventilieren, während sie mich tiefbetrübt ansah.

Wie, sie können mir die Moderation nicht überlassen? Wie, sie haben es nicht ernst gemeint, als sie vor den Ferien indirekt versichert haben, der Podcast wäre meiner? Wie, ich bin anscheinend doch nicht die perfekte Kandidatin für diesen Job? Als Mitbegründerin von @thegirlnextdoor und Journalismusstudentin, in diesem Semester, in dem sich der Podcast auf Alumni-Interviews konzentrieren wird, weil unsere Hochschule im Frühling ihr fünfzigjähriges Jubiläum feiert?

»W…was?« Ich lachte. Das war nämlich meine Schwäche: In brenzligen Situationen musste ich immer kichern. In Chats tippte ich sogar nach riskanten Texten ein langes hahahahahaha , als könnte eine Abweisung mir so nicht wehtun.

Ich war so eine Idiotin.

»Mir ist klar, dass das überraschend kommt und …«

»Mila.« Ich lehnte mich vor, die Jacke knautschte und meine untere Lippe zitterte. »Du verarschst mich gerade, oder? Ich brauche diesen Podcast.«

»Denkst du, das weiß ich nicht? Ich meine, wir wollten dir die Moderation geben, aber dann …«

… dann hat Nova uns doch von sich überzeugt.

Sie sprach es nicht aus, so gnädig war sie. Instinktiv bohrten sich meine Nägel in den Rockstoff, während meine Kommilitonin weitersprach. Floskeln, Fetzen, alles verwandt mit Es tut mir wirklich leid.

Ich konnte nicht aufstehen.

Ich konnte nicht zum good part springen wie in meinem letzten Reel, weil es keinen guten Teil in dieser Situation gab. Das Absurdeste? Sie schob mir nun sogar einen der drei versprochenen Chai-Latte zu. Als Trostpreis. Milas Gesicht wirkte ehrlich betroffen, aber sie würden mir den Podcast trotzdem nicht geben. Dass es bei diesem Gedanken hinter meinen Augen brannte, hasste ich.

sry lucy

Nein. An Rewe-Romeo würde ich jetzt garantiert nicht auch noch denken.

»Wie wäre es, wenn du dich im nächsten Semester noch mal auf die Moderation bewirbst? Dann könntest du den Podcast immer noch in deinen Lebenslauf schreiben.«

»Ja«, entgegnete ich zögerlich. »Schon, aber …«

Aber ich melde nächstes Semester meine Bachelorarbeit an und wollte mich da bereits als Freelancerin versuchen, was mit Campuskitsch im Ärmel kein Problem gewesen wäre.

Es stimmte. Campuskitsch , unser hochschuleigener Podcast, war der Hit. Hauptthema war der Studentenalltag mit all seinen Facetten. Er beinhaltete Rants über BAföG, Überlebenstipps im Hochschulstress, Partys und Mental Health. Letztes Jahr war der Podcast mit Ceyda Can so richtig durchgestartet. Auf TikTok wurden Teile ihrer Monologe mit Songs unterlegt und für Videos benutzt, wie die von Gemischtes Hack . Außerdem war er das Sprungbrett für Ceyda gewesen, denn Campuskitsch hatte sie nach ihrem Abschluss direkt zur Kolumnistin katapultiert.

Der Podcast war eine Chance, die ich auf meine eigene Weise erleben wollte. Schließlich hatte ich wirklich Pläne. Von einem eigenen Magazin, in dem ich @thegirlnextdoor auf eine neue Ebene heben wollte. Ich wollte Schlagzeilen machen, die sich von den üblichen unterschieden. Headlines wie 5  Pfund in 5  Tagen oder 19  Schlank-Tipps wollte ich verbannen. Stattdessen wollte ich über echte Themen schreiben. Über Probleme und Gedanken, die Frauen tatsächlich beschäftigten, und nicht die nächste Diätlüge anpreisen. Selbst wenn die meisten mich dafür als größenwahnsinnig betitelten. Doch es war mir egal.

Nur, dass gerade nichts egal war.

Bebend atmete ich durch. Milas Finger waren fest ineinander verhakt wie in den Momenten, unmittelbar bevor ihr Text in Seminaren kritisiert wurde. Ich wusste, dass diese Situation sie nervös machte. Schließlich saßen wir in Vorlesungen meistens nebeneinander und machten uns anschließend in Sprachnachrichten über die sexistischen Kommentare von Kai lustig.

Sie konnte nichts dafür.

Schluckend richtete ich mich auf. Wir befanden uns im Büro von Campuskitsch . Es gab zwei Schreibtische, einer davon war ihrer, tapeziert mit Office-Accessoires, schimmernd in Roségold. Links von uns stand das Fenster auf Kipp. Der Himmel war so grau, wie er es für die nächsten Monate bleiben würde. Langsam faltete ich die Hände in meinem Schoß.

»Ja«, log ich leise. »Das klingt nach einer guten Idee mit nächstem Semester.«

»Wirklich?«, fragte Mila erleichtert.

»Klar.«

Ich lächelte, den Chai ließ ich unberührt stehen. Mein Herz war ganz leer.