Als ich sechzehn war, begann ich, ein Doppelleben zu führen. Ich besuchte widerwillig eine Nonnenschule in Bad Godesberg, in der es nicht erlaubt war, Hosen zu tragen. Eines Tages kam eine Neue aus Berlin in unsere Klasse, die ganz selbstverständlich lange Hosen trug. Es wurde ihr verboten.

»Na, das werden wir ja noch sehen«, sagte sie und legte ein paar Tage später ein Attest vor. Der Hausarzt bescheinigte ihr eine chronische Blasenerkrankung, die eine wärmende Hose erfordere.

Mit ihrem freundlichsten Lächeln bestätigten ihr die Nonnen die Notwendigkeit eines solchen Kleidungsstückes, bestanden aber darauf, dass sie über der Hose einen Rock trug. Das sah so bescheuert aus, dass von Hosen und Blasenschwäche bald nicht mehr die Rede war.

Wenn ich aus der Schule kam, pfefferte ich den ungeliebten Rock in die Ecke und fuhr in meine Jeans, die damals in Deutschland noch nicht im

 

Im nächsten Sommer – ich war fast siebzehn – sollte ich durch Vermittlung einer Lehrerin und zwecks Verbesserung meiner Französischkenntnisse an einem internationalen Studentinnenlager in den Alpen teilnehmen. Meine beste Freundin und ein paar andere Mädchen aus der Klasse waren mit von der Partie. Jeden zweiten Tag starteten wir zu einer Bergtour, geführt von einem katholischen Priester, in den sich fast alle verliebten. Abends sang er mit uns zur Gitarre; immerhin sind Bruchstücke dieser Lieder in meinem Gedächtnis haftengeblieben.

Mein Französisch hat sich allerdings fast gar

Nach einem kurzen Zwischenstopp in Paris sollten wir sechs Mädchen mit der Bahn nach Hause fahren, aber in Frankreich wurde gestreikt. Unser Geld wurde knapp, wir wohnten in der billigsten Absteige und ernährten uns von Baguette und Leitungswasser. Doch den Louvre wollten wir uns trotzdem nicht entgehen lassen. Gleich in der Eingangshalle gab es die schönsten Kunstpostkarten zu kaufen, ich geriet in einen Zustand der Verzückung und zögerte nicht, noch eine und noch eine herauszunehmen, bis ich den dicken Packen kaum mehr halten konnte und mich eigentlich an der Kasse anstellen musste. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass ich pleite war. Mit heftigem Herzklopfen und leise vor mich hin pfeifend, schlenderte ich unauffällig zum Portal hinaus, die Karten in der Hand und ohne auch nur irgendeines der berühmten Bilder gesehen zu haben. Es war eine grausame

Nachmittags strolchten wir durch das Kaufhaus Lafayette, und ich entdeckte einen rosa Lippenstift mit dem verführerischen Namen Powder Pink. In Deutschland gab es zu dieser Zeit nur die langweilige Farbe Kirschrot. Auch der war rasch geklaut, doch damit endete meine kriminelle Laufbahn ein für alle Mal, ich selbst rückte aber meinem Vorbild ein weiteres Stückchen näher. Nur meine gebräunte Haut wollte nicht so recht zur bleichen Juliette passen, doch das nahm ich hin.

Zum Geburtstag wünschte ich mir Die schmutzigen Hände von Sartre, bei einem Freund las ich heimlich Simone de Beauvoir. 1954 erschien der Bestseller der gleichaltrigen Françoise Sagan Bonjour tristesse. »Pah, das könnten wir doch auch«, sagte ich großspurig zu meiner Freundin. Versucht haben wir es gar nicht erst, weil wir durchaus ahnten, dass wir jämmerlich scheitern würden.

Mit achtzehn Jahren bestand ich zwar das Abitur, aber nicht gerade mit Glanz und Gloria. Doch zu jener Zeit war der Numerus clausus noch nicht erfunden, und es war mir völlig egal, dass ich nur eine mittelmäßige Note in Französisch bekam. Wenn ich mich heute frage, wie ich wohl auf meine Lehrerinnen gewirkt habe, dann waren sie bestimmt