2. Was ist das Besondere daran?

So what?!, fragst du dich vielleicht. Da haben sich ein paar Nerds eine neue Form der Programmierung ausgedacht, sie »NFT« genannt, und plötzlich dreht alle Welt durch. Okay, zumindest ein kleiner Teil der Welt. Doch das wird sich in den nächsten Jahren rasant ändern, und das hängt mit den Möglichkeiten dieser Technologie zusammen.

Das Besondere an NFTs ist, dass es mit ihnen erstmals möglich ist, Eigentumsrechte an digitalen Unikaten zu erwerben. Kein Wunder, dass Künstler zu den Ersten gehörten, die auf NFTs aufmerksam wurden. Die Anfänge der Digitalkunst liegen bereits in den Sechzigerjahren. Doch wer nach Entstehung des Internets ein Video, ein Foto oder eine Grafik als Datei veröffentlichte, musste damit leben, dass sein Werk unendlich oft kopiert werden konnte, ohne dass jemand sagen konnte, welche Datei das Original ist. Der Künstler ging dabei finanziell leer aus, auch das ein großes Ärgernis. Mit NFTs ändern sich die Spielregeln. Ein digitales Kunstwerk kann nun mit einem (digitalen) Echtheitsstempel versehen werden. Die meisten Marktplätze (wie OpenSea) führen außerdem durch eine entsprechende Programmierung bei jedem Weiterverkauf eine zuvor vereinbarte Provision an den Künstler bzw. die Künstlerin ab. Das bedeutet, jedes Mal, wenn ein digitales Werk den Besitzer wechselt, werden dem Urheber 5, 7, 10 oder mehr Prozent des Verkaufspreises überwiesen. Das geschieht ganz automatisch und ohne dass jemand eine Rechnung schreiben müsste, denn der Verkauf wird digital (auf der Blockchain) abgewickelt. Gewinnt ein Kunstwerk massiv an Wert, hat auf diese Weise auch der Künstler was davon. Davon konnte Picasso nur träumen. Hätte es zu seiner Zeit schon NFTs gegeben, wären seine Erben vermutlich Milliardäre.

Auch in anderer Hinsicht profitieren Künstler von NFTs. Der klassische Kunstmarkt wird dominiert von Galeristen, Museumskuratoren und Kunstexperten. Ihr Votum entscheidet, wer es als Künstler ganz nach oben schafft. NFTs dagegen bieten Künstlern die Möglichkeit, über das Internet direkt in Kontakt mit Kunstfans und Sammlern zu treten und ihre Kunst auch direkt zu verkaufen, ohne Zwischenhändler. Die traditionellen »Gatekeeper« verlieren so ein Stück ihrer Macht, und die Künstler sind nicht länger gezwungen, Galerien einen hohen Anteil (bis zu 50 Prozent) am Verkauf ihrer Werke abzutreten. Das ist ein Grund dafür, dass auch traditionelle Künstler wie beispielsweise der britische Bildhauer und Maler Damien Hirst begonnen haben, Werke als NFT zu veröffentlichen. Es zeichnet sich ab, dass genau die Künstler im NFT-Bereich erfolgreich sind, die das virtuos beherrschen: den Umgang und direkten Kontakt mit ihren Sammlern über alle Kommunikationskanäle von Social Media bis E-Mail. Auch der Künstler Martin Lukas Ostachowski, dessen Porträt du gleich lesen kannst, betont, dass sich mit NFTs die Spielregeln auf dem Kunstmarkt ändern.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt: Ganz ohne Gatekeeper funktioniert auch die NFT-Welt inzwischen nicht mehr. Der Wert digitaler Werke wird beeinflusst von Influencern mit so klingenden Namen wie gmoney Pranksy oder Kevin Rose, von bekannten Sammlern wie Gary Vaynerchuk (alias Gary Vee) und auch von anerkannten Institutionen der traditionellen Kunstwelt, deren Interesse ein Werk aufwertet. Dazu zählen Kunstmessen (wie etwa die Art Basel) ebenso wie Auktionshäuser, denn auch Christie’s und Sotheby’s haben längst die NFTs entdeckt und begonnen, sie zu versteigern. Bekanntestes Beispiel: die Versteigerung von Beeples Collage »Everydays: The First 5000 Days« für 69,3 Millionen Dollar durch Christie’s im März 2021 – eine Summe, die NFTs endgültig in die Tageszeitungen, Abendnachrichten und damit ins Licht der breiten Öffentlichkeit katapultierte.