Jede digitale Datei kann ein NFT werden. Auf einschlägigen Plattformen könntest du beispielsweise ein Foto von dir in einen fälschungssicheren NFT verwandeln. Damit bieten NFTs eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten, die ich hier der Einfachheit halber alphabetisch aufliste und kurz erläutere. Mehr Details gibt es dann im Verlauf des Buches.
Digitale Sammelkarten: Wer Panini-Bilder gesammelt hat, dem wird es spontan einleuchten, dass man Bilder von Fußball-Ikonen auch in NFT-Form sammeln kann. Der Anbieter Sorare macht damit ein Riesengeschäft und reichert das Ganze noch mit Gaming-Funktionen und Sportwetten an: Hier können gesammelte Fußballer(karten) zu Mannschaften kombiniert werden. Fans werden entsprechend dem Erfolg ihrer realen Vorbilder mit weiteren Sammelkarten oder Geldpreisen belohnt. Sorare weitet sein Geschäft gerade auf andere Sportarten aus. Bei den NBA Top Shots dagegen werden Kurzvideos legendärer Basketball-Szenen gesammelt, und das dürfte noch nicht das Ende sein. Mit Fanzone versucht sich bereits ein deutsches Start-up in diesem Bereich. 8 Und überhaupt: Warum sollte man nur Ballsportarten sammeln und nicht etwa Autorennen, Funsportarten oder spektakuläre Momente beim Darts?
Eintrittskarten, Mitgliedschaften, Ausweise: Wenn du einmal überschlägst, wie viele teure Eintrittskarten für Sportveranstaltungen, Konzerte und andere Events jährlich verkauft werden, zeichnet sich auch hier ein wichtiger Anwendungsbereich ab. Ein NFT-Ticket wäre nicht nur fälschungssicher, es könnte auch den Schwarzmarkthandel beenden. Dazu müsste nur eine Provision von 99 Prozent auf dem Marktplatz, auf dem es gehandelt wird, einprogrammiert werden, die beim unerwünschten Weiterverkauf an den Veranstalter fließt. Schon heute fungieren NFTs als Mitgliedsausweise für digitale Communitys. Zum Bored Ape Yacht Club (BAYC) hat nur Zugang, wer einen Bored Ape oder einen Mutant Ape besitzt, und für den internen Bereich des Cryp-toPunks-Discords (eine soziale Plattform) muss man einen der begehrten Punks sein Eigen nennen oder zumindest »friend« eines Punk- oder »Meebit«-Besitzers sein.9 Auch NFT-Eintrittskarten gab es bereits – passenderweise bei der von Gary Vaynerchuk organisierten Web3-Konferenz »VeeCon« im Mai 2022, die 2023 und 2024 fortgesetzt wird.10 Und wer weiß, vielleicht wird sogar dein überüberübernächster Ausweis oder Führerschein digital als NFT erstellt. Sofern es den Behörden hierzulande bis Mitte des Jahrhunderts tatsächlich gelungen ist, Faxgerät und Schneckenpost durch digitale Prozesse abzulösen ...
Finanzdienstleistungen (DeFi): DeFi steht für »Dezentralisierte Finanzdienstleistungen«. Diese werden nicht zentral über klassische Institutionen wie Banken oder Versicherungen abgewickelt, sondern basieren auf automatisierten Protokollen (Smart Contracts) auf der Blockchain. Es braucht also keine Bürotürme, Vorstände und imposante Empfangsbereiche, sondern nur eine entsprechende Programmierung. Allerdings gibt es auch keine Hotline bei Problemen und keine Einlagensicherung, wie Banken sie bis zu einer Höhe von 100.000 Euro garantieren müssen. Im DeFi-Bereich können über Smart Contracts beispielsweise Darlehen gewährt und vergeben werden (so genannte Krypto-Kredite). Wenn du als Kreditgeber dafür Kryptowährung zur Verfügung stellst, bekommst du heute auf bestimmten Protokollen Zinsen, von denen Bankkunden nicht einmal zu träumen wagen. Als Kreditnehmer durchläufst du keine Schufa-Überprüfung und erhältst bis zu 75 Prozent des Krypto-Kapitals, das du als Sicherheit hinterlegst, als Darlehen zur Verfügung gestellt. Der NFT- und der DeFi-Bereich verschmelzen zunehmend. Schon jetzt werden wertvolle NFTs als Sicherheit akzeptiert, ähnlich wie Immobilien oder Wertgegenstände im »echten Leben« – IRL, wie NFTler sagen: in real life. Ein Beispiel hierfür ist die Plattform nftfi.com. Allerdings sind Dezentralisierte Finanzdienstleistungen nicht ohne Risiko. Hackerangriffe und extreme Kursschwankungen sind nur zwei davon. Auch Flüchtigkeitsfehler und andere Schusseligkeiten rächen sich gnadenlos. Wer Passwörter und Zugangscodes verliert, hat keine zweite Chance, denn es gibt keine Institution mehr, die ihm helfen könnte.
Gaming: In Blockchain-Spielen wie Axie Infinity oder Decentral Games wird um Kryptogeld gespielt, das in klassische Währung umgetauscht werden kann (»Play to Earn«). Außerdem können Gegenstände (Kostüme, Tools usw.) gekauft und weiterverkauft werden. Als NFTs sind solche Dinge in der virtuellen Welt sogar in ein anderes Spiel transportierbar – für viele Spieler eine wahre Revolution. Um die Bedeutung des Gaming-Marktes zu verdeutlichen, muss man nur auf dessen Umsätze schauen. Die Branche setzte 2021 in Deutschland 9,756 Milliarden Euro um, ein Anstieg um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der neunte Anstieg in Folge seit 2012.11 Ein beträchtlicher Anteil des Umsatzes entfällt auf sogenannte In-Game-Käufe – 4,2 Milliarden waren es 2021.12
Immobilienkauf: Noch Zukunftsmusik ist die Abwicklung des Kaufs realer Immobilien mithilfe von NFTs. Nach Schaffung der juristischen Rahmenbedingungen wären diese eine effiziente Alternative zu dem bisher in Deutschland vorgeschriebenen Procedere mit Grundbucheintrag und Notarvertrag.13 Darüber hinaus könnten Renovierungsdaten sowie verwendete Materialien und Garantien von Baustoffen in Immobilien-NFTs hinterlegt werden. Auch andere juristisch relevante Eigentumsrechte wie etwa die Sicherung von Patenten könnten zukünftig mehr und mehr über NFTs digitalisiert werden. Hier gibt es bereits erste Anbieter wie IPwe (wobei IP für Intellectual Property, also geistiges Eigentum, steht).14
Marketing: Die NFT-Community ist überwiegend jung, cool und netzaffin. Hier tummeln sich außerdem viele Idole potenzieller Kunden – Sportler, Rapper und andere Celebritys. Kein Wunder, dass erste Unternehmen NFTs als Marketinginstrument entdecken. So erreicht man nicht nur interessante Käuferschichten, sondern unterstreicht zugleich, dass man innovativ und auf der Höhe der Zeit ist. Vorreiter in Deutschland ist der Sportartikel-Konzern Adidas, der im Dezember 2021 »Into the Metaverse« startete. Adidas kooperierte dazu mit Größen aus der NFT-Szene – dem Bored Ape Yacht Club, Pixel Vault und Vordenker/Influencer gmoney. Wer am Ausgabetag für 0,2 Ether ein Adidas-NFT erstand, erwarb damit den Anspruch auf eine zukünftige exklusive Sportmodekollektion und weitere in Aussicht gestellte Goodies. Im Kapitel »Die 5 beeindruckendsten Unternehmensgeschichten« stelle ich dir die Aktion ausführlich vor. Hier nur so viel: Adidas machte damit an einem Tag 22,5 Millionen Euro Umsatz, wohlgemerkt mit Artikeln, die noch nicht einmal produziert waren. Allein mit den Zinsen der Vorab-Einnahmen konnte der Konzern viel Geld verdienen. Ich denke, nach diesem Schachzug sind in einigen Vorständen weltweit etliche Lichter aufgegangen, was mit NFTs alles möglich ist. NFT-Marketing spielt mit Exklusivität, Zugehörigkeit zu einer Community, spielerischen Momenten wie Verlosungen und der Aussicht auf noch geheim gehaltene zukünftige Aktionen. Diese Mechanismen gelten nicht nur für Konsumgüter, sondern auch für den Kunstmarkt. Inzwischen berate ich daher mit meinem Partner, dem Blockchain-Programmierer Alexander Sachs, Künstler, Unternehmen, aber auch staatliche Behörden, die in den NFT-Markt einsteigen wollen und schon eingestiegen sind.
Musik- und Filmbranche: Künstler können über NFTs Werke, Werkteile oder unveröffentlichtes Material direkt an Fans verkaufen. Auf diese Weise können Alben oder Filme vorfinanziert werden (Crowdfunding) oder Zusatzeinnahmen generiert werden, wenn beispielsweise besondere Szenen oder exklusive Aufnahmen, Drehbuchseiten oder Zusatzinfos per NFT verkauft werden. Beispiele: Bands wie die Kings of Leon oder die Chainsmokers, Regisseure wie Quentin Tarantino. Auch dieser Bereich wird weiter wachsen. Im Herbst 2021 rief der US-DJ 3Lau (sprich »Blau«) eine eigene Plattform mit dem Titel »Royal« ins Leben, auf der Fans Anteile an Werken ihrer Lieblingsmusiker erwerben können und dafür einen Teil der Tantiemen (»Royaltys«) erhalten.15
Warenlogistik: Herkunftsnachweise und Lieferketten lassen sich über NFTs lückenlos dokumentieren und aktualisieren. Große IT-Unternehmen arbeiten bereits daran. IBM beispielsweise bietet über seine Tochter TransLens eine lückenlose Nachverfolgung in der Containerlogistik. Schon Ende 2019 rief Nike die »Cryptokicks« ins Leben. Mit dem Schuh-NFT können Käufer hier unter anderem die Echtheit des erworbenen Schuhs prüfen.16