Celebritys als NFT-Fans

Nähern wir uns der NFT-Szene von ihrer unterhaltsamen Seite. Ich könnte auch sagen: von Seiten der Unterhaltungsbranche. Dass inzwischen fast jeder von NFTs gehört hat, liegt unter anderem an Zeitungsberichten darüber, wer alles auf den immer schneller rasenden Zug aufgesprungen ist. Darunter gibt es kuriose Meldungen wie die, dass William Shatner alias Captain Kirk im Sommer 2020 in nur neun Minuten 10.000 Sammelkarten-NFTs mit ikonischen Fotos und persönlichen Erinnerungsstücken verkaufte – darunter angeblich sogar Röntgenaufnahmen seiner Zähne.22 Der Gesamterlös: 110.000 Dollar.23 Künstlerischer wird es dagegen, wenn Kult-Regisseur Quentin Tarantino bisher unveröffentlichte handschriftliche Drehbuchseiten zu seinem Klassiker Pulp Fiction kommentiert und das dann zu einem NFT verschmilzt. Zusätzliche Aufmerksamkeit bekam dieser Deal im Januar 2022, weil die Produktionsfirma Miramax dagegen klagte. Miramax reklamierte das »geistige Eigentum« am Drehbuch für sich, eine ziemlich steile These, wenn du mich fragst.24 Für eine kurze Szene, in der Jules und Vincent sich über Cheeseburger-Namen in Frankreich wundern (»Royale with cheese!«) wurden 1,1 Millionen Dollar geboten.25 (Inzwischen ist die Auktion ausgesetzt, und niemand weiß so recht, warum.26) Madonna dagegen verbündete sich werbewirksam mit Star-Künstler Beeple und gebar in Softporno-Manier einen Baum. Die sechsstelligen Dollar-Erlöse ihrer NFTs gingen immerhin an einen guten Zweck.27 Und selbst Country-Legende Dolly Parton konnte dem Trend nicht widerstehen und bot im März 2022 im »Dollyverse« eine Limited Edition ihres neuen Albums, Poster und weitere Bilder an.28 Wenig verwunderlich, dass manche Kritiker dem NFT-Boom der Stars vor allem die Hoffnung auf den schnellen Dollar unterstellen. Oder sollte es doch Kunstinteresse sein wie bei Anthony Hopkins, der im Juni 2021 Promi-Kollegen per Twitter nach Tipps für seinen ersten NFT-Kauf fragte? 29

Mit Rapper Snoop Dogg, Komiker Jimmy Fallon und Schauspielerin Reese Witherspoon wendet sich Hopkins an Celebritys, die typischer für die NFT-Szene sind als die erwähnten Altstars: coole Promis, deren Image auf die Objekte, die sie besitzen, abfärbt und diese umso begehrenswerter macht. Der Vergleich vermag manchem vermessen erscheinen, aber die Tatsache, dass Gary Vee oder Snoop Dogg einen CryptoPunk kauft, wertet diesen Punk in ähnlicher Weise auf wie die Aufnahme eines klassischen Kunstwerks in ein renommiertes Museum. Auf diesen Effekt setzte auch Prinz Mohammed bin Salman, als er darauf drang, das Leonardo da Vinci zugeschriebene Gemälde »Salvator Mundi« bei einer Ausstellung im Louvre neben die Mona Lisa zu hängen. Das Jesus-Porträt wurde zuvor vermarktet als »der letzte da Vinci«. Der Louvre verweigerte die Ausstellung, weil er nicht überzeugt war, dass das Bild tatsächlich von Leonardo stammt.30 Und der saudische Prinz fragt sich jetzt vielleicht, ob es klug war, dafür 450 Millionen Dollar zu zahlen – der höchste Preis, den ein Gemälde je erzielt hat. Bisher jedenfalls. Doch vermutlich ist die Portokasse seiner Hoheit groß genug.

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Auch mit über 80 voll auf der Höhe der Zeit: Anthony Hopkins will seinen ersten NFT kaufen.

Ob Punk oder Leonardo: Über den Wert eines Werkes entscheidet nicht nur dessen Qualität, sondern auch dessen Geschichte. Und bei NFTs gibt es weit weniger »Provenienz«-Probleme als bei traditioneller Kunst. Man muss weder Leinwände röntgen noch aufwendige Farbanalysen anstellen, man kann einfach auf der Blockchain nachschauen. Wer NFTs nicht nur zum persönlichen Vergnügen kauft, sondern auch als Investment betrachtet, sollte sich also auch mit aktuellen Besitzern und überzeugten Fans beschäftigen. Zählen angesagte Stars dazu, kann sich das wertsteigernd auswirken. Der finanzielle Wert eines Gutes, ob virtuell oder »echt«, bemisst sich am Ende immer daran, was jemand dafür zu zahlen bereit ist. 31 Die beiden bekanntesten NFT-Serien, die CryptoPunks und die Bored Apes, haben nicht zuletzt deshalb weiter an Wert zugelegt, weil viele Prominente sich öffentlichkeitswirksam einen Punk oder Affen zugelegt haben. Hier zwei Listen von Besitzern, die dir zugleich einen Eindruck vermitteln, wer sich im NFT-Space so herumtreibt.

10 prominente CryptoPunk-Besitzer32

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DJ und Musikproduzent

Gary Vaynerchuk (»Gary Vee«)

Unternehmerstar (besitzt 60 Punks)

Heidi Klum

Ex-Model (kaufte einen weiblichen Punk mit gelber Haarmähne)

Jay-Z

Rapper und »Billionaire Businessman«

Logan Paul

Schauspieler und YouTube-Star

Mark Cuban

Businessman, Milliardär, Besitzer der Dallas Mavericks

Marshmello

DJ und Musikproduzent

Odell Beckham Jr.

Sportstar (Football)

Serena Williams

Tennislegende

Steve Aoki

DJ und Musikproduzent

20 prominente Bored-Ape-Besitzer33

DJ Khaled

DJ, Musikproduzent

Eminem

Weltbekannter Rapper

French Montana

Rapper

Gary Vaynerchuk (»Gary Vee«)

Unternehmerstar

Gwyneth Paltrow

Schauspielerin

Jimmy Fallon

Komiker, Talkmaster, Schauspieler

Justin Bieber

Musiker und Teenie-Schwarm

justmaiko

TikTok-Star mit 51 Millionen Followern

Logan Paul

Schauspieler, YouTube-Star

Madonna

Pop-Diva

Mark Cuban

Businessman, Milliardär, Besitzer der Dallas Mavericks

Marshmello

DJ und Musikproduzent

Neymar

Fußballgott

Paris Hilton

It-Girl

Post Malone

Rapper und Musikproduzent

Serena Williams

Tennislegende

Snoop Dogg

Rap-Star und Schauspieler

Stephen Curry

Basketballstar

Steve Aoki

DJ und Musikproduzent

Timbaland

Musiker (Hip Hop, R & B) und Produzent

Diese Listen sind natürlich nur Momentaufnahmen, noch dazu US-lastige. Anders ist es nicht zu erklären, dass ich in keiner der Aufstellungen auftauche, als stolzer Vater von immerhin zehn Affen 😉 – wie mein Twitter-Account auf den ersten Blick zeigt. Meine drei CryptoPunks hast du weiter oben im Buch schon kennengelernt. Wenn die Besitzer der Bored Apes und CryptoPunks klug sind, wird es in Zukunft nicht viel Bewegung auf dem Punk- und Affenmarkt geben. Ich bin überzeugt davon, dass der Wert dieser ikonischen Profile Pics mittel- und langfristig weiter steigen wird.

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Beliebt und teuer: CryptoPunks und Bored Apes – in beiden Fällen eines von exakt 10.000 Profile Pictures (PFPs)

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Mikes Twitter-Account https://twitter.com/nullinger

Abschließend hier noch einige Stars, die selbst eigene NFTs auf den Markt gebracht haben, mit wechselndem Erfolg, mal fürs eigene Konto, mal (wie im Falle von Rolling-Stones-Urgestein Keith Richards) für einen guten Zweck. Wie sich solche NFTs mittelfristig entwickeln, hängt vermutlich nicht nur von der Popularität ihrer Schöpfer, sondern auch von der Web3-Affinität ihrer Anhänger ab. Nachhaltig erfolgreiche NFT-Projekte leben von einer lebendigen Community, die über soziale Medien miteinander und mit den NFT-Schöpfern kommuniziert. Kurzfristig ein paar NFTs auf den Markt zu werfen, reicht da nicht. Einige der bekanntesten NFT-Communitys werden später im Abschnitt »STRATEGIEN« vorgestellt.

14 Prominente, die selbst NFTs lancierten34

Dolly Parton

»Dollyverse« (Limitierte Album-Version, Bilder, Poster)

Eminem

Bilder und Beats, verbunden mit einem signierten Print

Grimes

Bilder (Collectibles und Unikate, die in 20 Minuten 6 Millionen Dollar erlösten)

Jim Carrey

»Sunshower« (Bild)

Keith Richards

Signierte Gitarre zusammen mit einem NFT des Instruments und einem Video des Signiervorgangs

Kevin Prince Boateng

Heiratete 2022 zum dritten Mal, nicht nur auf der Erde, sondern auch auf dem Mond. NFT-Eintrittskarten für die Mondhochzeit kosten 50 Dollar und sollten gespendet werden.

Kings of Leon

Musik-Album zusätzlich als NFT

Lindsay Lohan

Versteigerung des Songs »Lullaby« als NFT

Madonna

NFT-Triptychon »Mother of Nature«, »Mother of Evolution«, »Mother of Technology«, zusammen mit dem Künstler Beeple

Mila Kunis

Stoner Cats – Bilder zur gleichnamigen Serie

Paris Hilton

»Planet Paris« (Airbrush-Bilder mit ganz viel Pink)

Quentin Tarantino

Handschriftliche Drehbuchseiten zum Kultfilm »Pulp Fiction« mit Kommentar des Regisseurs

Snoop Dogg

Animierte und vertonte Bild-Collage, zusammen mit dem Künstler Coldie

William Shatner

Persönliche Erinnerungsstücke und »Enterprise«-Devotionalien

Wer die Listen aufmerksam studiert, bekommt ein Gefühl dafür, wie die NFT-Community tickt. Hier mischen viele mit, die jung, cool und angesagt sind oder es gerne wären. Für Rapper scheint es inzwischen zum rauen Ton zu gehören, sich ein NFT zuzulegen – gerne einen, der einem entfernt ähnelt wie bei Eminem, der seinen Bored Ape gezielt danach aussuchte. Auch Sportler sind im NFT-Space sehr aktiv, wiederum solche mit besonderem Coolnessfaktor. Bodenturner oder Ruderer sucht man vergeblich, dafür finden sich jede Menge Basketball- und Footballstars. Ihre Fan-Gemeinde dürfte überwiegend jung, netzaffin und in den sozialen Medien unterwegs sein. Das richtige Profile Pic ist dort das perfekte Statussymbol für ihre Idole.

Ob diese Bilderserien Kunst sind, darüber kann man trefflich streiten. Ich sehe sie eher als eigene Sparte neben der Krypto-Kunst – als ein Phänomen, das perfekt die Sehnsucht vieler Menschen bedient, zu einer Community dazuzugehören. Und als lohnendes Investment, wenn man aufs richtige Pferd setzt – was angesichts der zahlreichen Serien gar nicht so leicht ist. Die zehn wichtigsten Bewertungskriterien für NFTs verrate ich dir im letzten Buchteil »STRATEGIEN«. Aber erst einmal wird es höchste Zeit, sich der Krypto-Kunst im engeren Sinne zuzuwenden. Wer sind dort die wichtigsten Player, und was verrät uns das über den NFT-Markt?