»Der NFT-Markt folgt ähnlichen Dynamiken wie der Kunstmarkt. Zehn Prozent der NFT-Käufer*innen tätigen so viele Transaktionen wie die restlichen 90 Prozent«, schreibt die Kunstjournalistin und Kuratorin Anika Meier in einem Artikel über Krypto-Kunst.78 Sich anzuschauen, wie Sammler vorgehen, schärft den eigenen Blick für Kunst und ihren Wert. Doch anders als auf dem traditionellen Kunstmarkt, wo solvente Sammler weitgehend im Verborgenen agieren, bis sie hochbetagt ihrer Heimatstadt ein Museum stiften, kann im NFT-Bereich jeder jederzeit einen Blick in die Wallets und damit in die Sammlungen der Promis werfen. Es ist allerdings mühsam, die Wallet-Adressen zu ermitteln und darin die Spreu vom Weizen zu trennen, sprich: die Vielzahl unverlangter Werbe-/Scam-Drops von der eigentlichen Sammlung zu unterscheiden. Denn anders als auf dem klassischen Kunstmarkt gibt es auf dem NFT-Markt Spam. Keiner kann einfach in das nächste Museum um die Ecke spazieren und dort ungefragt sein eigenes Bild aufhängen, obwohl Banksy das schon mal gemacht hat. Das ist im digitalen Raum anders und zweifellos ein Ärgernis. Folglich hat ein Sammler nicht alles, was in einer NFT-Sammlung angezeigt wird, tatsächlich auch gesammelt. Vieles ist unverlangte Werbung, deren Urheber mit diesem Trick unter anderem die Preise für ihre eigenen (Mach)Werke hochtreiben oder schlichtweg andere betrügen wollen: Sie behaupten einfach, ein Gary Vee, Kevin Rose oder Mike Hager 😉 kaufe das schließlich auch.
Mit der folgenden Übersicht nehmen mein Team und ich dir die mühsame Sucherei ab. Wir haben die Wallets prominenter Sammler ausgewertet und geben dir so einen Eindruck, wie sie vorgehen. Natürlich ist das nur eine Momentaufnahme, denn die Welt der Krypto-Kunst ist genauso in Bewegung wie der Ether-Kurs. Die Auswertung basiert mit wenigen Ausnahmen79 auf den Floor Prices vom 30.08.2022 und auf dem damaligen Ether-Kurs von etwa 1.600 Euro. Berücksichtigt wurden alle NFTs ab einem Preis von etwa 1,7 Ether aufwärts. Es wird also nicht jedes einzelne Werk aufgelistet. Die meisten der unten aufgeführten NFT-Prominenten besitzen zudem mehrere Wallets. Wenn dir also die eine oder andere Anzahl an NFTs nicht plausibel erscheint, dann liegt das daran, dass sie vielleicht in einer Wallet liegen, die nicht ohne Weiteres aufzufinden und mit Sicherheit zuzuordnen war.
Wenn dich der brandaktuelle Stand interessiert, nutze einfach die unten angegebenen Wallet-Adressen. Bei OpenSea ist der blaue Haken rechts unter dem Bild ein Indiz dafür, dass es sich nicht um Spam handelt. Fehlt der Haken oder steht er links oder ist per Photoshop ins Bild hineinretuschiert, ist Vorsicht geboten. Und noch ein Nachtrag: Der Ether war auch schon bis zu 4.000 Euro wert, und ich bin sicher, dass sein Kurs mittelfristig wieder steigt. Was das für den Wert der Sammlungen bedeutet, kannst du leicht ausrechnen.
Krypto-Kunst vom Feinsten: Bharat Krymos digitales Museum80
Blick in meine Warrenvault auf OpenSea
Auch Vincent Van Dough stellt auf Oncyber aus81
Sammler setzen per definitionem auf ein langfristiges Investment und trennen sich nur selten von Werken. Sie sind »Hodler«, wie es im NFT-Jargon heißt (siehe das Kapitel »123 Insider-Begriffe«). Die Übersicht zeigt außerdem, dass sie häufig mehrere Werke eines Künstlers oder mehrere Collectibles eines Teams besitzen – sie bleiben einem Projekt treu. Das ist nicht anders als in der traditionellen Kunstwelt, mit dem Unterschied allerdings, dass es in der Krypto-Welt leichter fällt, Kontakt zu Schöpfern aufzubauen und zu halten. Soziale Medien wie Twitter, Discord und Instagram senken die Barrieren. Viele Künstler schätzen den Kontakt zur Community und belohnen treue Sammler und Unterstützer der ersten Stunde mit Airdrops, Vorabinfos und anderen Vergünstigungen. Da sich die Übersicht auf Werke ab einem Preis von 1,7 Ether beschränkt und günstigere NFTs weglässt, wird die Werkschau von bekannten Namen und zum Teil sehr hochpreisigen NFTs dominiert. Manche dieser Werke werden zu hohen Preisen in die Wallet gelangt sein, bei anderen zahlten sich ein früher Einstieg und ein gutes Gespür aus, denn Mintpreise sind oft überschaubar. Ikonen wie die CryptoPunks wurden anfänglich sogar verschenkt!
Wer damit anfangen will, NFTs zu sammeln, muss nicht gleich Tausende von Euro lockermachen. »Der durchschnittliche Verkaufspreis von 75 Prozent der NFTs beträgt 15 Dollar«, stellt die Kunstexpertin Anika Meier fest.82 Auch auf dem Markt für NFT-Unikate, auf dem traditionelle Kunstsammler mit Interesse an digitalen Werken eine größere Rolle spielen als im oben vorgestellten Bereich, wechseln knapp zwei Drittel der Werke für weniger als 1.000 Dollar den Besitzer. Im »Art + Tech Report 2022«, den vier Kunstexpertinnen erstellt haben, geben 85 Prozent dieser Sammler an, vorher schon andere Kunst gesammelt zu haben, und nur ein knappes Drittel legt Wert auf Profit beim Weiterverkauf.83 Das sieht im Bereich der Generativen Kunst, Collectibles (Sammelobjekte) und Profile Pictures ein wenig anders aus, denn hier sind viele Krypto-Enthusiasten und Investoren unterwegs, wie die oben Vorgestellten beweisen. Man schätzt die Kunst, aber auch den potenziellen Wertzuwachs. Um dich auf dem Markt zu orientieren, folgst du am besten namhaften Sammlern und Influencern – was nicht heißt, ihren Empfehlungen blind zu vertrauen! Auch Profis können irren, wie du im Kapitel »Die 5 bekanntesten Projekt-Abstürze« sehen wirst. Indikatoren für vielversprechende Projekte sind:
eine neue Idee (etwas ist anders, besonders, noch nicht dagewesen),
ein Künstler, der im traditionellen Kunstmarkt einen Namen hat oder ein Team, das bereits positiv aufgefallen ist,
das Interesse von Influencern und Sammlern oder auch Celebritys,
andere Werke des Künstlers oder Teams in der Vergangenheit waren begehrt,
viele Follower des Künstlers oder Teams in den sozialen Medien (aber Vorsicht, diese sollten auf keinen Fall künstlich hochgepuscht bzw. gekauft worden sein),
ein ästhetisches oder inhaltliches Anliegen, das auf der Website des Projekts vorgestellt und in den sozialen Medien diskutiert wird,
eine interessante Utility,
eine überzeugende Roadmap, wie das Projekt weiterentwickelt werden soll.
Je mehr dieser Kriterien zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass du deinen Kauf nicht bereuen wirst. Das allerwichtigste Mittel gegen Kauf-Reue allerdings lautet schlicht: Kaufe nur etwas, dass dir wirklich gefällt! Oder wie Kevin Rose es formuliert: »I want it to be something that even in the worst bear market, I’m not going to sell because I love it.«84 Kunst, die man liebt, wird niemals wertlos sein.