»We had no idea how big this would become«112
Wylie Aronow und Greg Solano alias »Gordon Goner« und »Gargamel« haben in wenig mehr als einem Jahr ein Unternehmen aufgebaut, dessen Wert von Investoren im März 2022 auf 4 Milliarden Dollar geschätzt wurde.113 Ihre Geschichte schreit geradezu nach einer Hollywood-Verfilmung – wobei das Drehbuch von ängstlichen Filmbossen wahrscheinlich als zu unwahrscheinlich abgelehnt würde. Die Gründer des inzwischen weltbekannten Bored Ape Yacht Club (BAYC) trafen sich vor zehn Jahren in einer Bar in Miami, von wo sie beide stammen. Sie kamen miteinander ins Gespräch und redeten sich gleich die Köpfe heiß – nicht über Kryptofragen, sondern über Literatur. Wenn der eine (Greg) Verleger und Literaturkritiker ist und der andere (Wylie) ein Kurt-Vonnegut-Tattoo am Arm hat, ist das ziemlich naheliegend. Sie gerieten sich dabei gleich in die Haare, weil Gargamel David Foster Wallaces über 1.000 Seiten dickes Werk Infinite Jest (Unendlicher Spaß) hasst, während Gordon ein Fan ist. Immerhin hätten sie festgestellt, dass sie beide miteinander kreative Ideen diskutieren könnten und dabei kein Blatt vor den Mund nehmen müssten – so schildert es Greg in einem ausführlichen Podcast-Doppel-Interview, das ich jedem BAYC-Fan empfehle.114 Damals war Wylie gerade von einer schweren Darmerkrankung genesen, die ihn die letzten zehn Jahre quasi ans Bett gefesselt hatte. Auf die Frage, was er vor den Bored Apes gemacht habe, fällt seine Antwort drastisch aus: »Nothing«. Er habe förmlich im Netz gelebt und dort Freundschaften gepflegt, weil er seine Wohnung kaum verlassen konnte. Vielleicht ist ihm und Greg deswegen der Gedanke einer digitalen Community so wichtig. Beide bezeichnen sich als Storyteller, sie seien keine Technikfreaks. Allerdings sind beide Gaming-Fans – Greg hat sogar als Co-Autor an einem Buch über »World of Warcraft« mitgearbeitet.115 Das erklärt vielleicht ihr Talent für das Spielerische und lässt ahnen, was wir vom BAYC noch erwarten können. Auch im Interview spielt immer wieder der »Fun« beim eigenen Tun eine Rolle.
Wie es zu den Bored Apes kam? Beide haben sich seit ungefähr 2017 in den Krypto-Space vorgetastet und viel Zeit auf Twitter verbracht. Greg erstaunte die Fülle an Infos, an Coins, an Möglichkeiten. Wylie war fasziniert von Youngstern in den Zwanzigern, die bereits schwerreich waren und mitten in der Nacht auf Twitter jemandem zum Gamen suchten: »I’m bored. Who wants to play ...« CryptoKitties und CryptoPunks lenkten ihre Aufmerksamkeit auf NFTs, Wylie kaufte früh einen der ikonischen Punks, die heute zu Yuga Labs gehören. Spätestens als die HashMasks erschienen und für Wirbel sorgten, sei offensichtlich gewesen: »Holy shit – you don’t have to be the most technical person in the world to do this!« Einig waren sich beide, etwas zu machen, das Gemeinschaft stiftet und einen Nutzen (eine Utility) bietet. Sie erinnerten sich an die gelangweilten »Crypto Apes« und dachten in Richtung »collaborative art«. Auf einem Pixel Board im Yacht Club Clubhaus, wo sich jeder für 15 Minuten verewigen konnte, erschien als Erstes ein typisches Klo-Graffito – ein Penis. Und so etwas erwartet man nun mal am ehesten in einem abgerockten Club. Als der dann noch in die Everglades, einen Sumpf vor den Toren Miamis, verlegt wurde, war der Bored Ape Yacht Club mitsamt der NFT-Utility »Clubmitgliedschaft« geboren. Auf diese Weise entstand aus dem Ideen-Ping-Pong zweier netzaffiner Typen die erfolgreichste Marke im NFT-Space und meiner Einschätzung nach irgendwann auch im Meatspace. Und seit BuzzFeed die beiden Gründer im Februar 2022 enttarnte (»Doxxing« genannt), wissen wir auch, wer hinter den BA-Profile Pics von Gordon Goner und Garga steckt.
PS: Der Rat von Wylie an alle, die ein erfolgreiches Projekt aufbauen wollen: »Don’t think about the floor price. Go into the wood, take some mushrooms and think about something cool you can do with the project!« Ich gebe das mal so weiter. Selbstverständlich ohne Gewehr, äh, Gewähr natürlich.
3 Fragen an Greg Solano & Wylie Aronow
NFTs sind für uns
Bei NFTs geht es uns darum, sich auszudrücken, und um Utilitys. NFTs können so viel mehr sein als etwas, das bewundert und besessen wird. Wir sehen NFTs als Eintrittskarte zu etwas Größerem – als Tor zu einer Community, zu Besitz, zum Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und mehr.
Das Wichtigste am BAYC ist für uns
... die Community. Die Menschen sind das Lebenselixier des Clubs und sie sind es, die uns weitermachen lassen.
Was wir der BAYC-Community schon immer sagen wollten
Ihr bringt uns zum Staunen, und ohne Eure Kreativität, Euren Tatendrang und Eure Energie wären wir heute nicht da, wo wir sind. Unnötig zu sagen, dass wir die BAYC-Community lieben, auch wenn wir uns nicht auf die Aussprache des Akronyms einigen können (aber natürlich ist die einzig richtige Weise B-A-Y-C).
2. Adidas: Herzogenaurach erobert den NFT-Space
Wer hätte gedacht, dass eine vor rund 100 Jahren in der fränkischen Provinz gegründete Firma116 einmal zu den absoluten Vorreitern im NFT-Business gehören würde? Adidas ist heute eine Weltmarke und nun auch weltweit ganz vorne im innovativen Marketing. NFT-OG gmoney war zu Recht misstrauisch, wie er mir im Interview für meine Future-of-Finance-Gruppe erzählte, als er im April 2021 bei Twitter von einem angeblichen Adidas-Mitarbeiter kontaktiert wurde. Es folgten etliche Telefonate und im Sommer schließlich eine Einladung nach Herzogenaurach zu einem Meeting mit dem Management. »Heilige Scheiße, das ist echt!«, habe er da gedacht. Warum er nicht zwischendurch in Franken angerufen hat, um sicherzustellen, dass ihn hier nicht der Adidas-Hausmeister oder sonst wer veräppelt – tja, vermutlich war im digitalen Space für solche IRL-Praktiken einfach zu viel los. Mehr über gmoney als einen der absoluten Superstars der Branche erfährst du im Porträt am Ende der Adidas-Story.
Aus der Zusammenarbeit mit gmoney wurde eine Zusammenarbeit mit den zwei anderen Top-Größen aus der NFT-Welt: BAYC und Punks Comic (Pixel Vault, siehe nächster Abschnitt). Und so viel vorweg: Diese Kooperation spülte an einem einzigen Tag 22 Millionen Euro in die Kassen von Adidas und über den 10-Prozent-Anteil der Firma an Zweitmarktverkäufen noch einmal 4.660 Ether, also fast 8 Millionen Euro. Doch der Reihe nach. Am 01.12.2021 zeichnete ich ein Video auf, in dem ich voraussagte, Adidas werde einen Bored Ape kaufen.118 Schon am nächsten Tag war es tatsächlich so weit. Der blaue Affe #8774 namens Indigo Herz wurde in Adidas eingekleidet und trägt seitdem sämtliche Partner-Logos auf der Brust einer Sweatjacke mit den drei Streifen. Dann ging es Schlag auf Schlag:
Am 02.12.2021 veröffentlichte Adidas das Video »Into the metaverse« (ITM), das die Kooperation publik machte.
Für die »Phase 1« des Projekts wurden 30.000 Adidas-NFTs angekündigt, von denen ein knappes Drittel ab 17.12.2021 zum Festpreis von 0,2 Ether zu minten sein würde (damals rund 750 bis 800 Euro).
Wer bereits die Adidas-App abonniert hatte, »POAP-« oder PROOF-of-Attendance-Protocol-Besitzer sowie Mitglieder des BAYC oder MAYC erhielten ab 14.12. darüber hinaus einen »early access«.
Mit dem NFT verbunden war der Anspruch auf exklusive Adidas-Produkte (»Adidas Originals«): ein Hoodie mit Blockchain-Adresse und Logos, ein Trainingsanzug, wie er in den Punks Comics getragen wird, sowie die inzwischen ikonische orange Beanie-Mütze, die der CryptoPunk Ape trägt, hinter dem gmoney sein Gesicht verbirgt. Geliefert wurden diese Produkte in zwei Phasen im Mai und im November 2022. Dafür mussten NFT-Inhaber sie claimen, also die Augen für Metaverse-Infos offenhalten. Weitere Benefits und Events wurden in Aussicht gestellt, zum Beispiel die Verlosung von 50 NFTs im April 2022 (ein sogenannter Raffle).
Bis 11.05.2022 konnten NFT-Besitzer der Phase 1 die exklusiven Merchandising-Produkte durch dessen Vernichtung (»Burnen«) bestellen. Mit dem Burnen (das Gas Fee auf OpenSea kostete), traten sie zugleich in »Phase 2« des Projekts ein und profitierten von weiteren Benefits (wie z. B. 200 Alpha Pässen für die Teilnahme der Alpha Season 2 in The Sandbox (einem Metaversum).119 Dabei spielt eine mysteriöse »Capsule« eine Rolle, deren Inhalt bald enttarnt (»revealed«) wird. Diese Capsules verfügen über spezielle Merkmale (»Traits«). So werden zum Beispiel einige wenige den Trait »gmoney« haben, und der Erste, der diesen Trait revealed, bekommt einen Admit One Pass, der Zutritt zu gmoneys exklusiver Community gewährt.
Mit dem Claimen der Podukte und dem Verbrennen des NFTs erhielt der NFT-Halter zugleich einen neuen Phase-2-Token.
Angekündigt wurde im Sommer 2022 bereits Phase 3 des Projekts, über die es geheimnisvoll heißt: »You. In the metaverse. In creation.«120 Ich schätze, hier wird es um Gaming gehen. An Phase 3 kann übrigens auch teilnehmen, wer sich entschließt, seinen Phase-1-Token nicht zu verbrennen. Möglich wäre also, dass diese NFTs irgendwann Seltenheitswert besitzen und entsprechend hochpreisig gehandelt werden, weshalb ich auch einen solchen für mich »aufgehoben« habe. Wenn du dieses Buch liest, sind wahrscheinlich weitere Dinge passiert, über die du dich auf der Adidas-Website, auf dem Twitter-Account von »Adidas Originals« oder in deren Discord informieren kannst.
Die NFTs der Phase 1 waren in kürzester Zeit ausverkauft und brachten Adidas am 17. Dezember einen Umsatz von 22 Millionen Euro. Ähnlich wertvoll dürfte der Image-Gewinn sein: Adidas präsentiert sich als coole Marke auf der Höhe der Zeit, als innovativ und zukunftsorientiert. Die Roadmap zeigt dabei die Handschrift eines NFT-OG wie gmoney: immer wieder Neues bieten, Spannung halten, spielerische Momente einbauen, frühe Einsteiger belohnen.
Adidas scheint entschlossen, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen: Seit Juli 2022 arbeitet man mit NFT-Prominenten wie Gary Vee, gmoney und Erick Snowfro in einem Projekt zusammen, das einen kleinen englischen Fußballclub aus der vierten in die erste Liga führen soll. Name des Internet-Teams: WAGMI United (Krypto-Slang für »We’re All Gonna Make It«). Trikot: Adidas. Bedruckt mit einem Chromie Squiggle. Auch dazu findest du auf meinem YouTube-Kanal ein Video: »Neues Adidas NFT Projekt!«122 Und ebenfalls im Sommer 2022 kooperierte Adidas mit Prada und dem Künstler Zach Lieberman im Rahmen eines groß angelegten NFT-Fotoprojekts, zu dem 3.000 NFT-Fans anonymisierte Fotos beisteuern konnten. Dazu erfährst du unter https://www.adidas.com/prada-nft Genaueres. Kein Wunder, dass Konkurrent Nike nicht den Anschluss verpassen will, im Dezember 2021 die NFT-Spezialisten von RTFKT (»Artefakt«) einkaufte, die digitale Sneaker und Fashion designen, und mit ihnen auf Roblox (einer Spiele-Plattform) das »Nikeland« eröffnete.123