Im Internet kann man inzwischen T-Shirts mit dem Aufdruck »Proud NFT HATER« kaufen.206 Das stimmt mich hoffnungsfroh, denn es ist ein Indiz dafür, dass NFTs allmählich den Mainstream erreichen. »Ponzi Scheme« (Schneeballsystem), »Betrug«, nutzloser Hype oder Ausgeburt des Kapitalismus, die Argumente gegen NFTs sind zahlreich. Manchen passt die ganze Richtung nicht, andere verstehen die Kernidee nicht (oder wollen sie nicht verstehen). Hier die meiner Ansicht nach unbedarftesten Argumente gegen NFTs.
Nachtrag: Dass auch wichtige Akteure im NFT-Space durchaus Schattenseiten entdecken, verdeutlicht das Porträt des NFT-»OGs« Nate Alex am Ende dieses Kapitels. Nur geht es da eben um reflektierte Argumente und nicht um – pardon – bloßes Gelaber.
1. »Wozu sollen NFTs gut sein? Ich kann mir die digitale Datei doch jederzeit runterladen!«
»Stimmt, kannst du. Du kannst millionenteure NFTs im Netz suchen und Dir eine Bildkopie ausdrucken. Aber dann versuche mal, das für viel Geld zu verkaufen. Wenn das funktioniert, würde ich als Nächstes Kopien von der Mona Lisa und van Goghs ›Sonnenblumen‹ vorschlagen ...«
2. »Was kann so ein NFT schon wert sein? Das ist doch nur was für Idioten!«
»Tja, dann schau dir mal die Preise auf OpenSea und anderen Marktplätzen und vor allem die Handelsvolumina an. Offenbar sehen das sehr viele Menschen anders.«
3. »Das ist doch nur eine Spinnerei von Nerds! Der Hype ist sicher bald schon vorbei!«
In einem hast du recht: Wie NFTs funktionieren, muss man erst einmal verstehen. Dafür gibt’s ja gute Bücher! 😉 Aber ein Nerd-Phänomen sind sie schon lange nicht mehr. Sonst würden kaum so unterschiedliche Firmen wie Adidas, Gucci oder Visa einsteigen207, Sotheby’s und Christie’s würden das Phänomen ignorieren und Investmentfirmen wie Andreesen Horowitz würden nicht Milliarden Dollar in Krypto und Hunderte von Millionen allein in NFTs (z. B. 450 Millionen allein in Anteile an Yuga Labs) investieren.«208
4. »NFTs? Da habe ich ja gar nix in der Hand!«
»Auch das ist in gewisser Weise richtig. NFTs sind ein digitales Gut, das man nicht anfassen kann. Das gilt allerdings auch für die Zahlen auf deinem Kontoauszug. Oder bewahrst du dein Geld zu Hause unter der Matratze auf? Und digitale Kunstwerke kannst du natürlich ausstellen – im Netz oder in einem digitalen Frame daheim über dem Sofa. Such einfach mal im Netz unter dem Stichwort NFT Display Frame.«
5. »Na und? So ein Bored Ape oder anderes NFT ist doch nur ein Bild? (alternativ: Was kann ein Affen-JPEG schon wert sein??!)«
»Ja, Krypto-Kunst ist technisch gesehen eine Datei, oft eine Bild-Datei. Das spricht aber nicht gegen ihren Wert. Die Blaue Mauritius ist nur eine Briefmarke, die schwarze Kreditkarte nur ein Stück Plastik. Das gilt übrigens auch für den raren Nachtwächterschlumpf aus dem Überraschungsei, der sage und schreibe 12.000 Euro wert sein soll.209 Will sagen: Der ideelle Wert ist etwas anderes als der Materialwert.«
Wie gesagt, dies sind die schlichtesten Argumente gegen NFTs. Ich unterstelle jetzt nicht, dass du selbst so etwas denken oder sagen würdest. Aber damit bist du ausgerüstet für die Oberschlaumeier auf der nächsten Familienfeier. Ich behaupte auch nicht, dass im NFT-Space alles rosig ist, aber Pauschalurteile sind meistens Mist, um es mal ganz pauschal zu sagen. Ich verfolge den NFT-Markt sehr aufmerksam. Gerade heute bekomme ich zwei Meldungen rein: »Handelsvolumen auf OpenSea um 99 Prozent eingebrochen?« und »BAYC’s Otherdeed NFTs erreichen neuen Rekordumsatz: 1 Mrd. USD in nur 4 Monaten«.210
Wo viel Licht ist, ist immer auch Schatten, und im augenblicklichen Bärenmarkt haben die Skeptiker Oberwasser. Doch die Anwendungen für NFTs sind so vielfältig, dass sie mehr und mehr Einzug in unseren Alltag halten werden. Und für Krypto-Kunst und Collectibles gilt: Ja, der Markt war 2021 teilweise überheizt. Ja, es gab und gibt Betrüger, die mit schrottigen NFTs das schnelle Geld machen wollen, und leider auch Käufer, die darauf hereingefallen sind. Und ja, es gibt Projekte, die die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt haben. Die wird es immer geben. Aber es gibt eben auch die andere Seite: interessante Kunst, spannende Utilitys, tolle Communitys und enorme Wertzuwächse. Ich jedenfalls würde, wenn überhaupt, das T-Shirt der Konkurrenz kaufen. Aufdruck: »NFT-Millionaire«.211