Der erfolgreichste Film der achtziger Jahre, also derjenige Film, der in Deutschland das größte Publikum in die Kinos lockt, hat seine Premiere am 19. Juli 1985; bis zum Ende des Jahres werden ihn in der Bundesrepublik und in der DDR zusammen rund fünfzehn Millionen Menschen gesehen haben. Der Film heißt «Otto – Der Film», sein Hauptdarsteller ist Otto Waalkes, der seit Mitte der siebziger Jahre zu den beliebtesten Komikern und Entertainern des Landes gehört. Mit Bühnenauftritten und Fernsehshows hat er ein Millionenpublikum erreicht, seine Bücher «Das Buch Otto» und «Das zweite Buch Otto» stehen in den Jahren 1980 und 1984 monatelang auf den Bestsellerlisten.
In «Otto – Der Film» spielt Otto Waalkes einen jungen Mann namens Otto, der ebenso wie er im ostfriesischen Emden aufgewachsen ist und nach dem Auszug aus dem Elternhaus sein Glück in der großen Stadt Hamburg sucht. Otto ist mittellos, er muss also eine Möglichkeit finden, Geld zu verdienen. Die erste Idee, die er diesbezüglich spontan entwickelt, kommt ihm bei der Begegnung mit einem G.I., gespielt von dem Afrodeutschen Günther Kaufmann, der in Ausgehmontur mit einem Ghettoblaster auf der Schulter an ihm vorbeiflaniert. «Hey! Du, Neger?», spricht Otto ihn an, aber der G.I. versteht erst nicht, was er meint: «Hä?» – «Du, Neger? Schwarzer Kopf, schwarzer Bauch, schwarze Füß!» Otto fragt ihn, ob er schnell fünfzig D-Mark verdienen will – denn er hat einen hervorragenden Plan.
Kurz darauf sieht man Otto, wie er an der Tür einer großbürgerlichen Altbauwohnung klingelt. Der distinguierten älteren Dame, die ihm öffnet, bietet er seinen Begleiter, «Herrn Bimbo», als «Sklaven» an. Diese willigt ein, Otto lässt Herrn Bimbo zur Ansicht zurück und verabschiedet sich – um einen Moment später wiederzukommen, nunmehr verkleidet als Angestellter des Ordnungsamts, der für den Sklaven tausend D-Mark Anmeldungsgebühr verlangt. Weil die distinguierte Dame nicht hinreichend liquide ist, begnügt er sich mit einer Anzahlung und nimmt Herrn Bimbo bis zur Begleichung der vollen Summe erst einmal mit. Der Enkeltrick ist mithin gelungen.
Mit dem durch den Sklavenhandel erworbenen Anschubkapital macht Otto tatsächlich Karriere, auch wenn er zwischendurch noch in einem Schlachthof oder als Entertainer in einem Altenheim arbeiten muss. Im Verlauf der Geschichte gelingt es ihm auf verschlungenen Pfaden, das Herz einer schönen jungen Milliardenerbin zu gewinnen; die Begegnung des mittellosen ostfriesischen Witzbolds mit den höheren Gesellschaftskreisen sorgt für zahlreiche Gelegenheiten, um überkommene bundesrepublikanische Autoritäten, Industrielle und Politiker, Professoren, Opernsängerinnen und klerikale Würdenträger zu verspotten. Der Film lebt dabei weniger von einer stringent oder auch nur sonst irgendwie erzählten Geschichte als vielmehr von der hektischen Körper- und Grimassenkomik von Otto Waalkes und seinen in sich verdrehten Sprachspielereien.
Das Publikum ist begeistert. Die Kritik bemängelt mehrheitlich den infantilen und unpolitischen Charakter der Gags; einige werfen dem Film vor, die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten. Besonders die Szene, in der Otto in einem Altenheim auftritt, stößt auf Missfallen. Auf seine zur Gitarre gesungenen Lieder und seine Witze reagiert das Seniorenpublikum erst schweigend und reglos, dann hämisch. Woraufhin Otto zum Gegenschlag ausholt und in der Rolle als Kasperle fragt: «Seid ihr alle da?» – «Ja!» – «Aber nicht mehr lange!» Diese Sentenz wird in einigen Rezensionen als Minderheitendiskriminierung gerügt.
Der Gebrauch der Wörter «Neger» und «Bimbo» und die Inszenierung Günther Kaufmanns als Sklave, der seinen Verkäufer als «Massa» anredet, stoßen hingegen auf keinerlei Resonanz. In keiner zeitgenössischen Kritik des Films wird die Szene auch nur erwähnt, geschweige denn problematisiert oder gar kritisiert. Erst fünfunddreißig Jahre später, im Sommer 2020, kommt es anlässlich einer Wiederaufführung des Films in einzelnen Kinos zu einer Debatte. Man erkenne an der Inszenierung vor allem, heißt es nun, wie weit die achtziger Jahre von uns entfernt sind – der «brachiale» Humor von Otto Waalkes wirke heute nur noch unlustig und peinlich, die Verwendung des rassistischen Negerworts unbedarft und verantwortungslos. Letztere, so antirassistische Aktivisten, sei Grund genug, «Otto – Der Film» aus den Kinos und auch aus den Mediatheken der Streaming-Dienste zu verbannen. Ihre Kontrahenten sehen darin einen Zensurversuch: Man könne nicht die gesamte Kultur der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte aus dem moralischen Blickwinkel der Gegenwart betrachten und alles «säubern», was nicht mehr den aktuellen Maßstäben entspreche. Überdies sei der Begriff «Neger» im zeithistorischen Zusammenhang gar nicht anstößig gewesen, und schlussendlich sei es ja die distinguierte Altbaubewohnerin, die in der Szene besonders schlecht wegkomme; sie werde in dem überheblichen Wunsch vorgeführt, sich auch mal einen Sklaven zu halten.
Es lohnt, bei dieser Szene einen Moment zu verweilen, weil sie etwas über die Sprache der Achtziger sagt und über die politische Kultur. Dabei sind die Verhältnisse allerdings etwas komplizierter, als sie in den schematischen und stets polarisierenden Debatten unserer Gegenwart dargestellt werden. Zunächst ist es mitnichten so, dass der Gebrauch des Begriffs «Neger» in den achtziger Jahren in irgendeiner Weise selbstverständlich, neutral oder naiv gewesen wäre; dazu ist er schlicht zu tief mit der Geschichte des deutschen Rassismus verbunden. Der Kampf gegen die «Vernegerung» der Kultur gehörte schon in den zwanziger Jahren zu den Zielen der jungen NSDAP; in der Rassenlehre des NS-Ideologen Alfred Rosenberg ist der Begriff zentral; bei seiner ersten Massenansprache im Berliner Sportpalast 1928 beklagte Adolf Hitler «die Vernegerung des Blutes, der Kultur und der Gesinnung» durch die herrschenden Mächte. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die «Vernegerung» ein Kampfbegriff der NPD – und der abwertende Ausdruck «Negermusik» ein kulturkritischer Standard des alten Bildungsbürgertums, das die rein «deutsche» Kulturtradition gegen jegliche Einflüsse von «außen», insbesondere aus den USA und Großbritannien, verteidigen wollte. Seit dem Jahr 1975 wird das Wort «Neger» im Duden folgerichtig mit dem Zusatz «abwertend» geführt. Wer es gebraucht, sollte sich fortan darüber im Klaren gewesen sein, dass es sich um eine diskriminierende und beleidigende Bezeichnung handelt.
Das heißt nun andererseits nicht, dass der Begriff in den achtziger Jahren nur unter alten und neuen Rechten kursiert. Im Gegenteil: Er erfreut sich gerade auch unter Linken großer Beliebtheit, jedenfalls unter jenen vom Punk inspirierten Linken, denen die Mehrheitsgesellschaft ebenso zuwider ist wie die harmonieselige Szene der Hippies und Ökos, der Friedensbewegten und frühen Grünen. Gegen deren auch sprachliche Schlaffheit setzt man auf den offensiven Gebrauch kontroverser Begriffe. Der Schriftsteller Rainald Goetz sorgt 1983 beim Ingeborg-Bachmann-Preis für Aufsehen, als er sich während der Lesung die Stirn aufritzt. In seiner Erzählung «Subito» schildert er eine Tour durch das Hamburger Nachtleben mit dem Kulturkritiker Neger Negersen an seiner Seite (hinter dem sich wiederum der schon zitierte Popkritiker Diedrich Diederichsen verbirgt). Der aus Westberliner Punkkreisen kommende Maler Martin Kippenberger nennt ein Bild aus dem Jahr 1982 «Neger haben einen Längeren – stimmt nicht!». Auf einem der meistgefeierten Alben der Neuen Deutschen Welle aus demselben Jahr, «Edelweiß» von Joachim Witt, findet sich ein Stück mit dem Titel «Ich bin der deutsche Neger». Der Schriftsteller Joachim Lottmann erzählt in seinem Debütroman «Mai, Juni, Juli» 1987 unter anderem von seiner – dann wieder verworfenen – Idee, einen biographischen Roman über einen befreundeten «Neger» zu schreiben; eine Rhetorik, die der sympathisierende Literaturkritiker Hubert Winkels als «Minimal Art der reaktionären Enttabuisierung» lobt, «Reaktion und Rassismus als Mode – nach ‹Bolschewikenschick› und Schwarzer-Stern-Romantik ein Angebot auf dem Markt der Meinungs- und Einstellungsmuster».
So wird in den Kreisen der künstlerischen Avantgarde und der intellektuellen Linken in den frühen achtziger Jahren das Neger-Wort zum semiotischen Spielmaterial, zu einem frei flottierenden Zeichen, mit dessen Gebrauch man die eigene Unabhängigkeit von der «fettarschigen Sozialdemokraten- und Elterngeneration» bekundet (so Anfang der neunziger Jahre rückblickend der Kritiker Harald Fricke in der Tageszeitung «taz»). Diese Haltung findet sich auch bei den Satirikern der Neuen Frankfurter Schule, die in den siebziger Jahren in der Zeitschrift «pardon» reüssieren und 1979 das monatliche Magazin «Titanic» gründen. Zu dessen beliebtesten Karikaturisten gehört etwa Bernd Pfarr mit seinem Helden Sondermann; diesen kann man regelmäßig dabei betrachten, wie er einen großen schwarzen Mann in einer Badewanne «negerschrubbt» – in Sondermanns Firmenbüro ist dies ein wichtiges Ritual.
Zu den Gründern der «Titanic» zählen auch Robert Gernhardt und Peter Knorr, die zusammen mit dem späteren Chefredakteur Bernd Eilert und Otto Waalkes selber das Drehbuch für «Otto – Der Film» verfasst haben. Gernhardt, Eilert und Knorr arbeiten seit Anfang der Siebziger als Satiriker, seit 1973 als Trio mit dem Namen «GEK»; sie parodieren und verspotten die bürgerliche Mehrheitsgesellschaft ebenso gern wie die Alternativkultur mit ihren emanzipatorischen Empfindlichkeiten und Ritualen. Als sie Mitte des Jahrzehnts mit dem aufstrebenden jungen Entertainer und Witzeerzähler Waalkes ins Gespräch kommen, bietet sich ihnen die Gelegenheit, mit ihren Texten ein großes Publikum zu erreichen. «Alle drei waren davon ausgegangen, dass ihre Produktion bestenfalls für intellektuelle Minderheiten interessant wäre», schreibt Otto Waalkes in seiner Autobiographie «Kleinhirn an alle» – «dass wir trotzdem auf einer Komikwellenlänge lagen und bald ein Massenpublikum erreichen würden, war nicht abzusehen und ist und bleibt ganz erstaunlich. Es war der Geist der Zeit (…): Der kleinste gemeinsame Nenner meiner Generation war das Antiautoritäre. Das hieß vereinfacht, man war gegen alles, was da war.»
«Gegen alles», das heißt, dass man gegen die überkommenen Autoritäten ist – aber auch gegen die überkommene Kritik dieser Autoritäten, etwa in Gestalt des Protestlieds oder des politischen Kabaretts, weil man all das als ebenso verspannt und spießig empfindet wie die Gesellschaft, gegen die damit protestiert werden soll. Zwar bleibt der Spott über die bürgerliche Gesellschaft und ihre Protagonisten, wie er in den siebziger Jahren zum thematischen Kanon der Alternativkultur gehört, als Grundierung der Otto-Auftritte und -Witze bis in die Achtziger hinein spürbar; schon weil Waalkes sich in seinen stetig wechselnden Rollenspielen meist in die Kostüme archetypischer Spießer kleidet, vom bigotten Priester und Wort-zum-Sonntag-Verkünder über den Ordnungsamtangestellten bis zum Oberförster Pudlich. Doch besitzen diese Figuren keinen satirischen oder sonst wie gesellschaftskritischen Charakter (wie ihn etwa die Serienfigur «Ekel Alfred» hat, die Wolfgang Menge in den siebziger Jahren als Karikatur des autoritären Charakters anlegt) – es handelt sich vielmehr um selbstbezügliche Stilisierungen eines sonderbaren oder abseitigen Daseins, deren einziger Zweck darin besteht, sonderbaren oder abseitigen Sprachspielen ein Medium zu verschaffen.
Die wenigen Witze im Otto’schen Œuvre, die sich unmittelbar auf politische Ereignisse oder Persönlichkeiten beziehen, folgen den weltanschaulichen Vorgaben der Alternativkultur. So etwa der auf den CSU-Politiker und Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf 1980, Franz Josef Strauß, gemünzte Vers: «Das Wasser ist trüb, die Luft ist rein / Franz Josef muss ertrunken sein.» Oder eine Szene im Englischkurs für Fortgeschrittene, «English for Runaways», die sich den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger vornimmt, der wegen seiner früheren Tätigkeit als NS-Marinerichter 1978 zurücktreten musste: «Hello, Mr. Filbinger. – Heil Hitler, Herr Filbinger.» Wobei die folgenden Lektionen dieses Kurses dann lauten: «Is this Henry wau-wau? – Ja, das ist Heinrich Böll. – This is Alice Schwarzer. – Das sind alles Neger. – And there is Roy Black. – Und da ist der König der Neger.»
So wechselt Otto mühelos in ein und derselben Sequenz von der klassisch linken Kritik der unaufgearbeiteten NS-Vergangenheit zum lustigen Gebrauch rassistischer Stereotypen, die aus ebendieser NS-Vergangenheit stammen. Die vier Texter sehen darin keinen Widerspruch – weil sie das rassistische Wort eben nicht als überzeugte Rassisten gebrauchen, sondern als antiautoritäre Linke, denen der Gebrauch rassistischer Wörter als Zeichen dafür dient, dass sie nicht zum Mainstream der antibürgerlichen Alternativkultur gehören, sondern zur Avantgarde der besonders antiautoritären Satiriker. So wandert das Neger-Wort also nicht von «rechts», sondern von «links» in den Witzekosmos von Otto Waalkes ein. Dort trifft es nun allerdings, spätestens mit «Otto – Der Film», auf ein Publikum, das schon wegen seiner schieren Größe gar nicht mehrheitlich mit der Alternativkultur verbunden sein kann und in dem sich zweifellos auch viele finden, die – wie 80 Prozent der deutschen Bevölkerung in der schon zitierten Umfrage aus dem Jahr 1983 – eine «Überfremdung» des Landes befürchten und darum für die Rückführung der Gastarbeiter plädieren.
Man könnte also sagen: Die Satiriker sind offenbar so sehr bestrebt, sich innerhalb der Linken abzugrenzen, dass sie sich um die Abgrenzung von der konservativen Mehrheitsgesellschaft kaum mehr kümmern. Der antiautoritäre Impuls, der sich im Otto-Film immer noch findet, ist von den ursprünglich damit verbundenen politischen Inhalten weitgehend entkoppelt. Vielmehr richtet er sich – und das ist die andere Traditionslinie, die hier von Bedeutung ist – ganz auf den Umgang mit Sprache und Zeichen. Das Stichwort lautete «Anarchie», so hat es Bernd Eilert später einmal in einem Interview erklärt – und das bedeutete vor allem auch, die «bestehenden komischen Formen aufzusprengen». «Witze mussten nicht mehr zwangsläufig eine Pointe haben. Es ging nicht mehr um die zu Ende erzählte Geschichte, die durchgeführte Nummer, sondern um Ansätze, die ganz schnell wechselten. Das empfand man als anarchisch.»
Der Humor von Waalkes, Gernhardt, Eilert und Knorr zielt also weniger auf die komische Widerspiegelung oder Kritik der Welt als vielmehr auf die möglichst überraschende Verflechtung und Verdrehung der Zeichen, in denen die Welt sich überhaupt widerspiegeln könnte. Was die Zeitgenossen als «Nonsens» bezeichnen, ist auch Ausdruck jener allgemeinen semiotischen Wende, die in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren weite Teile der Kultur ergreift. In der Welt ist es zu einem «Aufstand der Zeichen» gekommen, wie der französische Medientheoretiker Jean Baudrillard in einem 1978 erschienenen Text schreibt, oder anders gesagt: Die Welt der Otto-Witze ist nicht mehr die gesellschaftliche, menschliche oder sonst wie materielle Realität; es sind vielmehr die Zeichen, die diese Welt abbilden – oder auch nicht, weil sie «frei flottieren und wuchern», wie es in der Begrifflichkeit von Baudrillard heißt.
Nur so kann sich auch die Geschwindigkeit, in der die Witze aufeinanderfolgen, derart erhöhen. Der hyperaktive Gestus, mit dem Waalkes sich durch seine Nummern hindurchblödelt, verhält sich zu der Bedächtigkeit des politischen Kabaretts und der Protestkultur jener Zeit wie eine schnelle kurze Punk-Nummer zu einem dahingedüdelten, ausufernden Progressive-Rock-Stück. Hinter dem anarchischen Gestöber der Zeichen wird die Welt, der diese Zeichen entspringen, immer undeutlicher. Worauf es ankommt, ist nicht mehr der Sinn, sondern die ungeheure Geschwindigkeit, mit der Sinnzusammenhänge geschaffen und wieder zerrissen werden. Was das alles «bedeutet», gerät dabei zwangsläufig aus dem Blick – und damit auch die Frage, was ein in lustiger Absicht gebrauchter und scheinbar aus allen politischen Kontexten befreiter Begriff wie «Neger» eigentlich für jene bedeutet, die tagtäglich durch ihn diskriminiert werden.
Günther Kaufmann, der im Otto-Film den Herrn Bimbo gibt, hat ausführlich über diese Diskriminierung berichtet. In seiner Autobiographie «Der weiße Neger vom Hasenbergl» erzählt er, wie es war, in der Bundesrepublik der unmittelbaren Nachkriegszeit als afrodeutscher Junge aufzuwachsen: wie er von den anderen Kindern unablässig als «Mohrenkopf, Mohrenkopf» gehänselt wurde; wie der Rektor der Schule, «ein alter Nazi mit Glatzkopf und wulstigen Lippen», immer wieder die Frage stellte: «Das Negerl, ja was machen wir denn nur mit dem Negerl?»; wie die Jugendlichen im Schwimmbad über ihn herzogen und wissen wollten, «ob das Wasser denn sauber bleibe, wenn ich darin sei». Während seiner Ausbildung brüllt der Meister hinter ihm her: «Wo is’n der Bimbo?»
Über seine Rolle als Herr Bimbo bei Otto Waalkes und die Dreharbeiten mit ihm hat Kaufmann, 2012 gestorben, keine Auskunft gegeben. Er wurde – so weit ich sehe – auch niemals gefragt, wie er sich in dieser Rolle fühlte. In seiner Autobiographie gibt es jedoch eine interessante Szene, in der Kaufmann von den Dreharbeiten für Rainer Werner Fassbinders Film «Querelle» von 1982 berichtet. Der Regisseur will den Bordellbesitzer Nono, den Günther Kaufmann spielt, beim Analverkehr zeigen und verlangt einen «monströsen» Gesichtsausdruck. «Damit ich in die richtige Stimmung käme, meinte Werner, würde er die Szene entsprechend musikalisch untermalen. Und so ertönte in voller Lautstärke ein Lied von Joachim Witt: ‹Ich bin der deutsche Neger … Ich bin der deutsche Neger …› Nun platzte ich fast vor Wut, aber ich spielte die Szene ohne Widerspruch. Mein Zorn spiegelte sich in meinem Gesichtsausdruck wider – Werner hatte den gewünschten wüsten Ausdruck erreicht. Aber um welchen Preis! Ich hätte diese Fratze auch ohne das verdammte Lied hinbekommen. Werner hingegen war über den Erfolg seiner Demütigung entzückt», und «in salbungsvollem Ton» meinte er abschließend: «Der Neger ist der Freund des Menschen.»
In «Otto – Der Film» verirrt sich Otto übrigens kurz nach seiner Begegnung mit Herrn Bimbo in eine Rockerkneipe mit dem schönen Namen «Crome de la Crome». Als er den Laden betritt, verstummen die Gespräche, und die Musik geht aus. Der zwischen den stämmigen Motorradkuttenträgern schon optisch äußerst auffällige schmale Kerl möchte trotzdem ein Bier bestellen; zuvor aber muss er eine Frage beantworten, um sich die Sympathie der Belegschaft zu sichern. «Wie pinkeln Eskimos?» – «Keine Ahnung.» Daraufhin lässt ein grimmiger Rocker ein paar Eiswürfel aus der Höhe seines Gemächts auf den Boden fallen. Otto bricht in künstlich exaltiertes Gelächter aus – «Spitzenwitz!» –, weil er glaubt, sich bei den Rockern damit beliebt zu machen. Doch das Gegenteil ist der Fall. «Scheißwitz», wird er von dem besonders bedrohlich wirkenden Wirt hinter dem Tresen gerügt: «Uralt! Und außerdem rassistisch!»