Kapitel 40

Auren

I ch erwache erfüllt von Entschlossenheit.

Midas, Digby, Flair, Nissa, Kaila. All diese Hindernisse haben sich gestern Nacht vor mir aufgetürmt, aber Schlaf, unterbrochen von ruhelosen Gedanken, hat zumindest einen positiven Effekt auf mich. Meine Wut brennt heiß genug, um die Angst in Schach zu halten.

Ich bin meinem Ziel zu nahe, um jetzt alles zu vermasseln.

Ich erhebe mich vom Bett, stapfe zu den Vorhängen und ziehe sie zur Seite. Dahinter erwartet mich ein milchig-weißer Morgen mit guten fünfzehn Zentimetern Neuschnee auf dem Boden, zu denen sich stetig Flocken hinzugesellen.

Eilig ziehe ich mich an. Ich entscheide mich für ein einfaches Seidenkleid, dessen Korsett ich ungeduldig zerbreche, bevor ich in Stiefel, Handschuhe und Mantel schlüpfe und zum Balkon eile. Ich bin entschlossen, mich davonzuschleichen, um noch mal zu versuchen, mit Nissa zu sprechen. Was ich zu sagen habe, kann nicht bis heute Abend warten.

Aber als ich die Finger ums Geländer schließe, stoppe ich abrupt. Unter mir steht ein Wachmann, seine goldene Uniform durch den Schneefall nur schwer zu erkennen. Er wandert entspannt vor dem Hundezwinger auf und ab, doch mein Magen verkrampft sich.

Langsam weiche ich zur Balkontür zurück, dann haste ich nach drinnen. Mein Herz rast vor Sorge.

Midas weiß, dass ich mich rausgeschlichen habe. Eine andere Erklärung gibt es nicht. Bisher wurde der Hof vor meinem Fenster nicht bewacht, jetzt wird sichergestellt, dass ich in meinen Gemächern bleibe. Ich bin mir nicht sicher, welche Konsequenzen das haben wird. Tatsächlich war ich zu sorglos. Letzte Nacht habe ich an nichts anderes gedacht, als Nissa und Flair zu erreichen, und habe darüber mich selbst vergessen.

Nicht gut. Das ist absolut nicht gut.

Ich presse die Lippen zusammen, dann huscht mein Blick zu meinem Nachttisch. Eine Idee flammt auf. Wenn ich nicht zu Nissa gehen kann, werde ich einfach einen Weg finden müssen, Nissa zu mir zu holen.

Das Feuer ist noch nicht entzündet, doch ich ignoriere die Kälte des Raums, als ich zum Nachttisch laufe und die Schublade aufziehe. Darin liegen ein paar Blätter Pergament. Ich schnappe sie mir, zusammen mit Feder und Tinte, dann kritzele ich hastig eine Nachricht für sie nieder.

Ich wage nicht, zu deutlich zu werden. Alles, was ich schreibe, wird zweifellos Midas zur Kenntnis gebracht werden, also lade ich sie einfach zum Tee in meine Gemächer ein. Das wirkt wie eine unschuldige Bitte. Aber Nissa wird wissen, dass etwas nicht stimmt.

Ich werde ihr von dem Angebot erzählen, mit mir und der Vierten Armee zu reisen, und ich hoffe, dass sie Flair überreden kann, uns zu begleiten. Allerdings habe ich das Gefühl, dass ich ihr wahrscheinlich eine Menge Gold geben muss.

In der Zwischenzeit wird Lu Digby finden, und dann verschwinden wir von hier.

Und ich werde endlich frei sein.

Ich gehe zur Schlafzimmertür und öffne sie. Damit schrecke ich Scofeld und Lowe auf, die vor der Tür sitzen. Anscheinend werde ich diese beiden nicht los.

«Milady, braucht Ihr etwas?», fragt Scofeld.

Ich reiche ihm die gefaltete Nachricht. «Könntest du das in den königlichen Sattelflügel bringen? Die Nachricht ist für Nissa.»

Er blickt auf meine ausgestreckte Hand, als eine Stimme erklingt. «Das werde ich nehmen.»

Ich drehe den Kopf und entdecke Midas. Die Wachen springen quasi aus dem Weg. Er schnappt sich das Pergament, bevor ich irgendwie reagieren kann, und lässt den Blick über die Nachricht gleiten.

«Das ist hinfällig», sagt er, als er das Papier faltet und in eine Tasche seiner goldenen Hose schiebt. «Du wirst zum Tee heute nicht hier sein, mein Schatz.»

Mein Magen zieht sich zusammen, aber bevor ich antworten kann, betritt er meine Gemächer. Instinktiv gebe ich den Weg frei, weil ich ihm einfach nicht nahe kommen möchte. Die goldenen Knöpfe an seiner Tunika haben die Form von Glocken, und feine Stickereien zieren Kragen und Ärmelmanschetten. Er ist perfekt gepflegt wie immer, glatt rasiertes Kinn und gebügelte Hose. Die Schuhe sind so auf Hochglanz poliert, dass sie den Raum spiegeln.

Die Enden meiner Bände sträuben sich wie das Nackenfell eines Hundes. Midas winkt jemandem hinter sich. Ich beobachte, wie eine Zofe das Gemach betritt und direkt zum Kamin geht, um das Feuer mit frischen Kienspänen und Holz anzufachen.

Ich bleibe, wo ich bin, halte den Rücken zur Wand neben der Tür gerichtet, und lasse ihn nicht aus den Augen, während er durch den Raum schlendert. Wahrscheinlich, um herauszufinden, was ich hier vergoldet habe, seit er das letzte Mal zugegen war.

Diese lebendig gewordene Wut unter meinen Rippen macht sich wieder bemerkbar – diese Kreatur, die aus der von Groll besudelten Erde meiner Seele erwachsen ist. Für eine Weile war mir eine Atempause vergönnt – weil Slades Gegenwart mich von diesem Zorn abgelenkt hat –, doch jetzt kehrt die Wut mit aller Wucht zurück.

Ich habe Midas nicht mehr gesehen, seitdem er mich geschlagen hat.

Meine Wange mag verheilt sein, aber er hat damit trotzdem ein Mal hinterlassen. Dieses Mal zeigt sich nicht auf meiner Haut, sondern ist in mich eingesunken, hat sich tief in mir eingenistet und ist ein Bündnis mit meiner unterdrückten Wut eingegangen.

Ich sehe ihn an und frage mich: Weißt du davon? Weißt du, dass Königin Kaila plant, die Frau zu töten, die dein Kind austrägt? Interessiert es dich überhaupt? Hast du Kaila deinen Segen gegeben?

Die traurige Wahrheit lautet, dass er wahrscheinlich genau das getan hat. Wieso sich mit dem Bastard-Kind eines Sattels zufriedengeben, wenn die junge Königin ihm legitime Kinder gebären kann?

Sobald die Zofe gegangen ist und ich mit ihm allein bin, sieht Midas mich endlich an, streicht sich mit der Hand über seine honiggelben Locken. Seine braunen Augen huschen über meine Wange, und ich sehe kurz Erleichterung aufblitzen, bevor der Ausdruck wieder verschwindet.

Ich hatte recht damit, dass er mir aus dem Weg gegangen ist. Er wollte keine Schuldgefühle empfinden, weil die Folgen seiner Handlungen sich auf meinem Gesicht abzeichnen.

«Wie geht es dir, Schatz?»

Es ginge mir wirklich herausragend, wenn er mich nie wieder so nennen würde.

«Gut.» Mein gesamter Körper ist steif. Ich schaffe es einfach nicht, mich freundlich zu geben.

Er wirkt ein wenig zögerlich, aber das liegt nicht daran, dass er im Umgang mit mir vorsichtig wäre. Es ist irgendetwas anderes. Etwas, was ich noch nicht genau benennen kann.

Er nickt abgehackt. «Ich entschuldige mich dafür, dass ich nicht fürsorglicher war. Ich war sehr beschäftigt, mit Treffen mit Königin Kaila, Auftritten in der Stadt und Sitzungen mit meinen Ratgebern und dem Prinzen. Das Fünfte und Sechste Königreich brauchten meine Aufmerksamkeit und eine feste Hand.»

Ich streiche mir über den Wangenknochen. «Nun, ich denke, wir können zu Protokoll geben, dass du sehr gut darin bist, mit fester Hand zu regieren.»

Er schnappt nach Luft und beißt die Zähne zusammen, doch genauso schnell stößt er den Atem wieder aus, schüttelt den Kopf und stopft die Hände in die Hosentaschen. «Es tut mir leid. Das weißt du. Ich kämpfe seit dieser Nacht mit Schuldgefühlen.»

«Schuldgefühle mindern nicht die Schuld.»

Er kneift die Augen zusammen, und seine Brauen sinken nach unten, eine Miene, die seine wahre Natur hinter der charmanten Fassade erkennen lässt. Er öffnet den Mund, als wolle er mir einen aggressiven Kommentar entgegenschleudern, doch stattdessen klappt er ihn wieder zu und scheint nachzudenken.

Ich warte darauf, dass er mir von der Verlobung mit Königin Kaila erzählt; dass er mich über den Tod von Königin Malina informiert.

Aber er tut weder das eine noch das andere.

Früher habe ich mir eingebildet, ich wäre seine Vertraute. Dachte, dass unsere gemurmelten, nächtlichen Gespräche in der Zurückgezogenheit meines Käfigs etwas Besonderes wären. Doch jetzt erkenne ich, dass er mir Dinge nur erzählt hat, wenn es einem Zweck diente und er mich besser manipulieren konnte. Ein Weg, die Zügel anzuziehen, die an seinem goldgeküssten Sattel befestigt sind.

«Der Ball findet morgen Abend statt», erinnert mich Midas, als er lässig zum Kamin schlendert und eine Hand auf den Sims legt. «Ich möchte, dass du mich heute begleitest und der Burg den letzten Schliff gibst.»

Natürlich ist er deswegen hier. Natürlich hat er nicht vor, sich zu entschuldigen. Er braucht einfach meine Magie. Wahrscheinlich sollte ich dankbar sein, dass ich ihn so viele Tage nicht sehen musste – eine Atempause, die ich dem Schlag zu verdanken habe. Ich wünsche mir nur, er hätte sich noch länger ferngehalten.

Ich lege nachdenklich den Kopf schräg, denn … das könnte mir tatsächlich zum Vorteil gereichen. «Unter einer Bedingung. Ich will Digby sehen.»

Schweigen breitet sich zwischen uns aus wie ein stiller Teich, bis seine Antwort wie ein Stein ins Wasser fällt.

«In Ordnung.»

Ich zucke überrascht zusammen. Selbst die Bänder um meine Taille bewegen sich. «Wirklich?»

«Ich bringe dich heute Abend zu ihm. Bis dahin wirst du es dir verdient haben.»

Die Forderung, Digby sofort zu sehen, liegt mir bereits auf der Zunge, aber ich kenne Midas. Je mehr Druck ich ausübe, desto unwahrscheinlich wird es, dass ich meinen Willen bekomme. Deshalb nicke ich. «Einverstanden.»

Noch ein Tag, an dem ich ihm erlaube, mich und meine Macht auszunutzen. Ein Tag, und dann werde ich wissen, wo Digby ist – werde mich endlich versichern können, ob Midas ihn tatsächlich in seiner Gewalt hält. Dann kann ich meinen Wachmann retten und diesen Ort für immer verlassen.

Midas lächelt. Charme quillt aus jeder seiner Poren, und ich frage mich, ob er sich manchmal auch selbst blendet. «Wunderbar. Komm, wir machen uns an die Arbeit. Und wenn du fertig bist, kannst du deinen Wachmann sehen.»

Midas’ «letzter Schliff» ist eher ein Vollumbau. Mit nackten Füßen und goldverschmierten Händen verwandele ich alles, worauf er zeigt, ignoriere alles andere. Ich konzentriere mich vollkommen auf mein Ziel: diese Aufgabe hinter mich bringen, damit ich Digby sehen kann.

Ich versinke so in meiner Arbeit, dass die Stunden des Tages nicht länger aus Minuten bestehen, sondern aus goldenen Tropfen. Kostbares Metall ersetzt die Sandkörner im Stundenglas. Jeder Tropfen, den ich erschaffe, ist eine weitere Sekunde.

Und die Sekunden vergehen.

Und vergehen.

Und vergehen.

Kleider und Teller, Wände und Münzen. Wandbehänge und Geländer, Eisskulpturen und Fackelhalter.

Es ist nicht die Sonne, die über den Himmel wandert, sondern ich ziehe von Raum zu Raum, um jeden Gegenstand zu berühren. Es ist nicht der Nachmittag, der sich in die Länge streckt, sondern meine Magie, die durch die Burg fließt, um in Midas’ Namen mehr Reichtum zu erzeugen.

Er gönnt mir keinen Moment Ruhe, führt mich hierhin und dorthin, damit meine Macht jeden Gegenstand erfüllt, bis er glänzt. Aber ich tue das alles gerne, unermüdlich, beschwere mich nicht ein einziges Mal, während der Tag sich dem Ende zuneigt und meine Macht ins Stottern gerät.

Denn ich werde auf keinen Fall etwas tun, womit ich riskiere, Digby nicht zu sehen. Ich erlaube Midas ein letztes Mal, meine Zügel zu halten … und dann werde ich sie – ganz im Stile von König Fäule – zu Staub zerfallen lassen.

Ein Druckmittel. Er hat nur noch dieses eine Druckmittel, um mich damit zu erpressen, und ich werde es ihm entreißen.

Ich halte mich gerade im Ballsaal auf, als das vertraute Kribbeln meinen Körper überläuft. Mit verschleiertem Blick spähe ich zum Fenster, obwohl ich den Himmel nicht sehen muss, um zu wissen, dass die Sonne untergegangen ist.

Endlich .

Ich stelle den leeren Krug ab, den ich halte. Die letzten Reste meiner Macht versiegen. Die geschwächte Magie wirbelt durch das Zinn und schafft es nur bis zur Hälfte des Gefäßes, bevor die Vergoldung stoppt. Ich lasse den Krug los und hebe die Handflächen, um sie zu mustern. Sie sind mit klebrigem Gold überzogen, als wären meine Hände mit geronnener Milch bedeckt.

«Das hast du sehr gut gemacht, mein Schatz», lobt Midas.

Er ist mir den ganzen Tag nicht von der Seite gewichen, was sich sehr von seiner üblichen «Ich schaue aus der Ferne zu»-Taktik unterscheidet. Besonders im Ballsaal hielt er wohl erhöhte Aufmerksamkeit für angebracht, denn einmal hat tatsächlich ein verirrter Diener versucht, den Raum zu betreten. Vielleicht wollte Midas auch einfach mehr Anteil nehmen. Egal, was seine Gründe waren, ich habe es geschafft, geradeaus zu schauen, einfach zu tun, was von mir verlangt wurde, und ihn ansonsten zu ignorieren.

Trotz des langen Tages ist Midas’ Erscheinungsbild immer noch makellos. Sein ordentliches Haar glänzt fast so hell wie der Boden, kein Bartschatten ist in seinem hübschen Gesicht zu erkennen. Er wirkt genauso frisch wie heute Morgen.

Ich dagegen sehe wahrscheinlich aus wie ein Wrack. Zumindest fühle ich mich so. An meinem kaputten Korsett sind noch zwei weitere Rippen gebrochen. Mein Zopf hat sich gelockert, sodass Strähnen in alle Richtungen abstehen. Auf meiner Stirn klebt Schweiß, meine Hände und Füße pulsieren von der schieren Menge der Magie, die ich ausgestoßen habe, und auf meinem Kleid prangt zähflüssiges Gold.

«Schau dir an, was du vollbracht hast», sagt Midas, als er sich im Raum umsieht. Er wirkt dabei nicht kritisch. Stattdessen erkenne ich etwas wie … Ehrfurcht in seiner Miene.

Ich lasse den Blick wandern, über all die Dinge, die ich vergoldet habe, inklusive Säulen, Balken und Boden. Ich musste darauf achten, die strukturelle Unversehrtheit der Burg zu wahren. Ich will nicht, dass irgendetwas unter dem Gewicht von massivem Gold zusammenbricht, wie es bei dem Kissen und Slades Bett geschehen ist.

Aber für mich ist all das Gold einfach nur eine Farbe. Ich sehe keinen Reichtum – denn es hat mir nie Freiheit erkauft. Jedes Mal, wenn ich meine Magie einsetze, zahle ich einen Preis dafür, der immer höher und höher wird. Gold ist nur ein anderes Wort für Gier.

«Mit einer Berührung kannst du all das bewirken», spricht Midas weiter und mustert das Buffet vor uns, das jetzt mit goldenem Geschirr bedeckt ist. Sein Daumen gleitet über einen Teller, als liebkose er eine Geliebte. «Gold ist der Inbegriff von Reichtum und Macht. Es ist eine Konstante, die dafür sorgt, dass ich bekommen kann, was immer ich will. Dass Leute sich vor mir verneigen. Mit solch unermesslichem Reichtum sitze ich stets am längeren Hebel.» Seine Stimme klingt ehrerbietig, der Gläubige, der an seinem Altar betet. Und ich bin die Opfergabe.

Midas stellt den Teller wieder ab und dreht sich zu mir um. «Deine Magie ist wirklich außergewöhnlich, Auren. Du bist einzigartig.»

Sein Lob ist mir unangenehm, also wende ich den Blick ab und wische mir die Hände an meinem Kleid ab. «Ich würde jetzt gerne Digby sehen.»

«Natürlich», antwortet er sofort. «Ich habe dir mein Wort gegeben.»

Der Göttlichkeit sei Dank.

Das Quietschen von Türangeln hallt durch den riesigen Raum. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie die Dienstbotentür am hinteren Ende des Ballsaals sich öffnet und eine Zofe in den Raum eilt.

«Ah, gerade rechtzeitig.»

Die Frau kommt zu uns, um ein Tablett auf dem Tisch neben uns abzustellen, bevor sie knickst und sich wieder zurückzieht.

«Ich wollte sicherstellen, dass du bei Sonnenuntergang eine Erfrischung zu dir nimmst», erklärt Midas. «Ich wusste, dass du erschöpft sein würdest, und wollte für dich sorgen.» Mit großer Geste hebt er den Deckel vom Tablett und enthüllt so das Essen und den Wein, die darunter warten. «Setz dich, mein Schatz. Iss und trink, dann bringe ich dich zu deinem Wachmann.»

So ungern ich auch länger warten will, ich bin tatsächlich hungrig. Und er hat recht. Ich bin vollkommen erschöpft, fast so ausgelaugt wie an dem Abend, als Slade mich auf der Treppe gefunden und in meine Gemächer getragen hat. In der momentanen Gesellschaft kann ich nicht einfach zusammenbrechen, besonders, nachdem ich für Digby wach und aufmerksam sein muss.

Ich setze mich auf die Bank vor dem Tisch und fange an zu essen, während Midas mir einen Becher Wein eingießt. Eilig verschlinge ich den kalten Braten und den Käse. Mein leerer Magen knurrt befriedigt, während Midas sich an den Gegenständen auf dem Tisch zu schaffen macht, als rechne er ihren gesammelten Wert zusammen.

Während ich esse, trinke ich auch den Wein, obwohl er fast so dickflüssig und süß ist wie Sirup. In meinem Hinterkopf und auf meiner Zunge flackert der Wunsch nach einem anderen Getränk auf. Denn dieser in Zimmertemperatur servierte, perfekt gealterte und gesüßte Wein ist in Ordnung, reicht aber bei Weitem nicht an einen bestimmten eiskalten Wein aus dem einfachen Fass der Vierten Armee heran. Der war lecker.

Andererseits, vielleicht hatte das mehr mit der Gesellschaft zu tun.

Trotzdem leere ich den Becher, gieße mir nach und esse auch noch ein Stück der süßen Torte, weil ich weiß, dass ich so viel Energie aufnehmen muss wie möglich. Mein Körper schmerzt vor Erschöpfung, und Müdigkeit lässt meine Augen brennen, aber ich verdränge diese Empfindungen und reiße mich zusammen.

Ungeduldig stehe ich auf und wische mir ein paar Krümel vom Kleid. «Ich bin fertig.»

«Bist du dir sicher, dass das genug war?», fragt Midas mit einem Blick zu den Resten auf dem Tablett. Nur der Wein ist weg. Den habe ich komplett runtergekippt.

«Ich bin mir sicher», erkläre ich mit einem entschlossenen Nicken, obwohl langsam Nervosität in mir aufsteigt. «Ich möchte gerne Digby sehen.»

Hoch aufgerichtet, meine Bänder angespannt, warte ich ab, ob Midas erneut versuchen wird, sein Versprechen zu brechen, aber er nickt nur. «Dann bringe ich dich jetzt zu ihm.»

Meine Schultern sinken nach unten.

Digby, ich komme.