Teil 3
Oh, der Geizhals, er schätzte
diese goldne Ranke so fein.
Er konnt’ sie nicht mehr stoppen,
hütete nur ihren Schrein.
Er musste reißen und schneiden,
damit weiter sie spross.
Sein Leiden gab Kraft ihr,
in die Höhe sie schoss.
Er ergab sich der Pflanze,
verlor sich in Qual.
Schnitt sich Finger und Zeh’n ab,
sein Schmerz ein Ritual.
Und so bildeten sich Blüten,
ungenießbare Frucht,
sein Körper die Nahrung,
das Gold seine Sucht.
Das Gold war ihm Decke,
sein Stolz und Begehr.
Die Dornen seine Zähne,
Blätter wärmten ihn sehr.
Was heranwuchs, das nahm er,
sei die Ernte auch schlecht.
Er war süchtig und glaubte,
das Gold sei sein Recht.
Doch die Ranke ward fordernd,
blühte bitter und leer.
Diese goldene Pflanze
verlangte immer nach mehr.
Vom Glanze geblendet,
sah er einfach nicht,
welchen Preis sie verlangte.
Gold raubt’ ihm die Sicht.
Als er damals sie entdeckte,
am Straßenrand allein,
Konnte er nicht mal ahnen,
was er brockt’ sich ein.
Denn nicht sie alleine
lud er ein in sein Heim.
Die Gier war ein Pflänzlein,
das er mittrug als Keim.
Triumph füllt’ sein Herz,
als er sah, was sie gab.
All das Gold in den Räumen
war letztendlich sein Grab.
Eng gepackt und gepresst
lagen Blätter herum.
Doch er wollte noch mehr,
er war wirklich so dumm.
Der Geizhals fühlte Reichtum,
ohne Augen im Kopf.
Er glaubte die Lüge,
dieser gierige Tropf.
Er sah nicht, verstand nicht,
dass die endlose Gier
ihn langsam zerstörte,
ihn machte zum Tier.
So lebte der alte Geizhals
in scheußlicher Gestalt.
Opfert’ auch seine Zunge
in wilder Gewalt.
Er konnte nicht sprechen, nichts berühren, nicht seh’n.
Doch das spielt keine Rolle für den gierigen Mann,
es zählt nur die Ranke, dieser köstliche Schatz.
Wer braucht schon die Sinne, wenn er Gold haben kann?
Der Geizhals klammert sich an seine Pflanze,
Ohne Lippen formt er ‹Sie ist mein›.
Die Ranke, sie wuchert, bis über das Dach,
schickt die Zweige immer weiter, bis zum nächsten Hain.
Sie wächst und sie wuchert, doch er schmilzt dahin.
Sie verschlingt ihn genauso wie seinen goldenen Schrein.
Die Reste des Mannes,
der sie lange gepflegt,
werden Teil ihres Stammes
im Tode zerlegt.
Sobald er verstorben,
welkt die Ranke dahin,
verliert bald auch ihr Glänzen,
verliert ihren Sinn.
Zurück bleibt allein
auf dem Hügel das Haus.
Und ein Flackern von Goldschein
dringt zum Fenster hinaus.
Denn dort vor der Türe,
auf Trümmern und Stein,
steht eine goldene Ranke,
die Dornen so klein.
Es strahlt und es leuchtet,
ein einsames Blatt.
Dem Dieb zur Verlockung
schimmert es matt.
Diese Ranke so golden, wie die Sonne so hell.
Sie wartet geduldig auf den nächsten Mann,
und wenn er dann kommet (einer ist immer da),
merkt auf sie und streckt sich, weil sie es kann.
Er nimmt sie und lächelt und flüstert schnell ‹mein›.
Und sie reckt sich und schlägt ihn in ihren Bann.