DIE HONIGMACHERBIENE

DIE HONIGBIENE UND DER SCHNORRER

… oder wenn die Party vorbei ist

»Ready to go«, rief jemand. Wir feierten eine Sommer-Grillparty und viele unserer Homies waren schon da. Es war Vollmond und richtig hell über dem Haus. Wir hatten Ende Mai und es war Blütezeit für die Bienen. Luis und ich chillten auf dem Dach vom Bienenhaus in einer Hängematte und schauten in die Sterne. Unten brannte das Lagerfeuer und auch der Pizzaofen war schon an. »Schau mal den fetten Stern dort. Der leuchtet irgendwie ein bisschen rötlich. Voll abgespaced.« Luis zeigte mit dem Finger in den Himmel. »Bruder, krass!« Ich lehnte mich nach vorne. »Aber wenn du genau hinschaust, haben die alle voll viele verschiedene Farben! Einfach unbegreiflich, wie weit die alle weg sein sollen …« Und wir quatschten eine Weile über abgespacedes Zeug wie Ufos und Aliens.

Ich hab zwei fette Bienenschwärme gefangen. :)

Den ganzen Vormittag hatten wir damit verbracht, die Party vorzubereiten und mein Homie Luis war schon lange nicht mehr bei uns gewesen. »Wie geht’s eigentlich den Bienen?« Er schaute zu mir rüber. »Gut, wir haben zwei neue Völker.« – »Echt?« Ich grinste. »Ja, hab zwei fette Schwärme gefangen. Soll ich sie dir zeigen?« Wir standen auf und kletterten vom Bienenhausdach herunter. Die Boomboxen schallerten von Weitem in den Garten und wir gingen hinters Haus, wo ein paar meiner Bienenvölker standen. Luis blödelte so herum, dass er fast über eine Wurzel stolperte. Wir mussten beide lachen und er trat voll in eine Nacktschnecke, barfuß! »Ihhhhh«, quickte er auf, »wie eklig.« Wir traten beiseite und die Nacktschnecke kroch in aller Seelenruhe weiter. »Häää, was die aushalten, krass!«

Hmm, aus dem Flugloch kam intensivster Honiggeruch …

Immer noch lachend kamen wir bei den Bienenvölkern an. Die Nacht war so angenehm warm, dass ich immer noch im T-Shirt dastand. Plötzlich roch ich einen süßlichen Duft. Er kam aus dem Bienenkorb direkt vor mir. »Boah, riechst du das auch?« Luis kam zu mir und schnaufte die Luft ein. Wir beugten uns beide über den Kasten. »Alter!« Aus dem Flugloch kam intensivster Honiggeruch, der so lecker war, dass man direkt Bock auf ein Honigbrot bekam. Aber was vor der Luke los war, war noch viel krasser. Hunderte von Bienen hingen in einer fetten Knolle am Flugbrett. »Was machen die da?« Luis ging ein bisschen näher ran. »Ich glaube, sie fächern frische Luft ins Innere des Kastens, um den frischen Honig zu trocknen. Es blüht gerade extrem viel und die Bienen sammeln brutal viel Nektar. Den trocknen sie dann, damit er haltbar wird. Würden die Bienen das nicht machen, würde der Nektar anfangen zu gären und die Bienen hätten eine Art Honigwein – und das wäre nicht so gut. Also Honig ist eigentlich Nektar aus Blüten«, sagte ich. Wir schauten dem Treiben noch eine Weile zu, dann schlenderten wir zurück zur Party, wo Noah voll gehiped mit den anderen ums Feuer tanzte. Tja, und so ging das dann die ganze Nacht …

MEGAFLEISSIG, DIE BIENEN …

Das wird der leckerste Honig ever.

Am nächsten Morgen waren auf jeden Fall alle platt vom Feiern. Einige hatten bei uns übernachtet und schliefen erst mal aus. Luis und ich machten in der Küche Frühstück, als Noah mit Schniefnase reingeschlurft kam. »Boah Leude, ich bin so fertichhh! Ich glaube, ich hab gestern bisschen übertrieben.« Er schnäuzte sich laut. Luis verdrückte sich das Lachen. »Bist wohl 'n bisschen zu wild ums Feuer gehüpft, wa …?« Jetzt musste ich auch lachen. Ich ging zu ihm und legte meine Hand auf seine Schulter. »Ich mach dir erst mal ein Ingwer-Teechen mit Honig.« Er gähnte und chillte sich aufs Sofa. Der Tag war für ihn wohl gelaufen, Chillen war angesagt. Ich öffnete das Schubfach, wo sonst immer unser Honigvorrat lagerte, musste aber feststellen, dass nix mehr da war. »Na toll! Es gibt keinen Honig mehr.« Luis schaute über meine Schulter. »Na, dann holen wir halt neuen, deine Bienen haben doch gerade übertrieben viel, Digga.« – »Okay, lass machen.« Und wir waren sofort am Start. Gleich nach dem Frühstück gingen wir zu den Völkern, die am Vorabend noch so geduftet hatten. Und schon als ich die erste Wabe herausholte, sah ich, dass sie komplett voller Honig war. »Boah, das wird der leckerste Honig ever!« Luis war übermotiviert. »Ich nehme nur so viel raus, dass die Bienen trotzdem noch genügend für sich selber haben«, erklärte ich ihm. »Ja klar. Wir wollen sie ja nicht ausrauben, nur 'n bissel snacken, hihi«, meinte Luis easy.

Für die Honigmacherbienen ist das megahart, sie sammeln und sammeln und dann kommt einer und nimmt ihnen alles weg. Ja genau, das machen die Imker. Der Vorrat, den die Bienen sammeln, um selber als Volk über den Winter zu kommen, wird ihnen vom Imker weggenommen und durch Zuckerwasser ersetzt. Das schwächt das Volk. Denn Honig als Futter ist für die Bienen existenziell. Somit sind sie im Stress, wenn ihnen immer wieder alles weggenommen wird. Und das passiert bis zu viermal im Jahr bei manchen Imkern … Deshalb nehme ich nur sehr wenig Honig weg, denn das können die Bienen gut verkraften, vor allem, wenn die Honiglager voll sind.

Schnell rief ich den Imker aus dem Dorf an, um zu fragen, ob wir heute vorbeikommen könnten. Er war der Einzige weit und breit, der eine Honigschleuder hatte. Er meinte, dass er selber gerade Honig mache und wir deswegen gerne vorbeikommen könnten. Ich holte aus ein paar der stärksten Völker jeweils eine Wabe raus und schnürte diese rutschfest auf den kleinen Gokart-Anhänger. Dann liefen Luis und ich runter zur Quad-Garage. Ich schnappte mir mein fettes neues Elektro-Gokart und Luis nahm die kleine schwarze Racer-Karre. Wir befestigten noch den Anhänger an meinem Gokart und düsten dann hoch ins Dorf. Der Imker hatte schon früh begonnen und war bereits den ganzen Vormittag am Schleudern. Waben rein, festmachen, kurbeln, kurbeln, kurbeln, sodass es fest genug schleudert, um den Honig aus den Waben rauszubringen. Dann den Honig ablaufen lassen und auffangen und ganz zum Schluss noch in schöne kleine Honiggläser füllen, fertig. Wir kurbelten eine Weile für ihn, dann rief seine Frau zum Mittagessen und wir konnten unsere Waben schleudern. Es sah einfach so geil aus! Wie der Honig unten aus der Schleuder in den Behälter lief! »Wie flüssiges Gold«, sagte ich und Luis nickte übermotiviert, schon leicht auf Honigüberdosis.

Schon krass, dachte ich so beim Arbeiten, eine Biene schafft in ihrem ganzen Leben gerade einmal einen Teelöffel Honig zu produzieren. Im Grunde ist das ja nur der Nektar aus den Blüten, den sie verdauen und wieder erbrechen – also eigentlich ausgekotztes flüssiges Gold. Okay, das ist schon bissel extrem, die haben ja nur Nektar im Magen, da kommt gar nix anderes rein. Und trotzdem ist in gutem unbehandeltem Honig so viel Gesundes drin, dass man damit echt viele Krankheiten heilen kann. Und dann erst noch die Propolis oder das Gelée royale … Ich finde, das ist echt ein ganz eigenes kleines Universum. Und dabei merkte ich, wie mir der Schweiß in die Augen lief. Es war ziemlich warm in dem kleinen Bienenhaus und nach einer Weile schwitzten wir so hart vom Schleudern, dass wir unsere Pullis auszogen und ein Fenster aufmachen mussten. »Das is' ja richtiger Sport hier«, sagte Luis.

Die Tür ging auf und der Imker trat ein. »Jungs, ihr tätets mia an groß'n G'fall'n, wenn ihr meine übrigen Waben aa no schleudern tätets. I bin schließlich nimma der Jüngste und mia tuat des Kreuz weh. I kann heut einfach nimmer so lang.« Er stützte sich auf einen Kasten. »I hab aber so vui Bestellungen, dass der Honig unbedingt heut noch g’schleudert werd’n muaß.« Vor uns standen noch ungefähr zehn volle Kästen mit Honigwaben und wir schauten uns kurz an. »Na klar, machen wir! Solange wir immer mal deine Schleuder benutzen dürfen …« Der alte Imker war heilfroh, er half uns noch eine Weile, dann musste er chillen.

Ein riesiger Falter flatterte wild vor dem Bienenkasten herum.

Es wurde spät und durch das Fenster hörten wir von draußen schon die Grillen zirpen. »Komm, wir machen mal 'ne Pause, es ist ja eh nicht mehr viel.« Ich stellte den Rahmen, den ich gerade noch in meiner Hand hatte, beiseite und ging raus an die frische Abendluft. Luis folgte mir. Wir setzten uns in der Nähe der Bienenkästen unter einen Apfelbaum. Als ich gerade in den Abendhimmel hinaufschaute und in einen saftigen Apfel beißen wollte, entdeckte ich plötzlich, wie ein riesiger schwarzer Falter auf einen der Bienenkästen zuflog. Er war doppelt so groß wie normale Falter und sah sehr sonderbar aus. Ich stieß Luis mit der Schulter an. »Digga, schau dir den mal an!« Der riesige Falter flatterte wild vor dem Kasten herum. Schließlich fand er eine Lücke und zwängte sich hindurch. »Was!?« Luis und ich sprangen gleichzeitig auf und rannten ins Bienenhaus. Die Öffnung des Fluglochs war draußen, an die Kästen kam man jedoch nur vom Bienenhaus aus heran. Ich öffnete hastig den Deckel des Bienenvolkes, in das der Eindringling gerade hineingekrabbelt war. Die Bienen schienen es überhaupt nicht zu merken. Wir beugten uns beide über den Kasten, um so gut wie möglich zu sehen, wo der Falter hinkrabbelte. Er war so groß wie eine halbe Menschenhand und er hatte ein Totenkopfmuster auf dem Rücken. »Von dem Falter hab ich schon gehört. Er sondert einen Geruch aus, damit die Bienen ihn nicht erkennen können. Er raubt den Bienen den Honig.«

WABEN VOLLER HONIG – JETZT WIRD GESCHLEUDERT.

FRISCHER HONIG – DAS SCHMECKT SO KRASS!

Jetzt hatten einige Bienen gemerkt, dass ein Fremder im Stock war. Sie versuchten, den Falter einzukreisen und ihn dann zu stechen. Doch dem Falter machte das nichts aus. »Was ist das bitte für ein crazy Falter? Die können dem ja gar nix anhaben!« Luis fasste sich an die Stirn. Ich dachte krampfhaft nach, was ich machen konnte. Der Falter war mittlerweile an der Honigreserve angelangt und durchstach mit seinem Saugrüssel eins der Honigkästchen. Ich schnappte mir die Wabe, wo der Falter draufsaß und zog sie aus dem Stock heraus, diese Bewegung irritierte den Falter, sodass er aufgeregt zu flattern begann. Er löste sich von der Wabe und flog erst gegen Luis' Gesicht, dann gegen die Lampe und dann durch das noch offen stehende Fenster hinaus in die Nacht. Wir sahen ihm beide nach und Luis war sichtlich geschockt. »Was für ein Riesending, der is' mir voll gegen die Backe geknallt!« Wir mussten beide lachen. Behutsam schob ich die Wabe zurück in den Kasten. Der Totenkopfschwärmer war weg und die Bienen kamen auch wieder zur Ruhe. Ich schloss den Deckel des Kastens wieder. Dann räumten wir noch ein bisschen auf und kratzten den letzten Honig aus der Schleuder.

Als wir fertig waren, gingen wir zum alten Imker und erzählten ihm die Story. Er meinte, es sei ein Falter, der nur zu besonders warmen Zeiten nach Europa vordringt. Er sei auch nicht besonders bedrohlich für die Honigbienen, weil er ja nur bissel Honig snackt.

Wir hatten nun auf jeden Fall unsere Honigvorräte wieder aufgefüllt. Und auch wenn wir nach der ganzen Action und dem vielen Kosten und Naschen erst mal keinen Honig mehr sehen konnten, freute sich Noah nun über sein Ingwer-Teechen mit freshem Honey, auf das er den ganzen Tag gewartet hatte. Wir waren zwar fertig, aber ich dachte nur so: das beste Leben mal wieder …

Video zur Geschichte

PIRAT IM BIENENSTOCK: EIN TOTENKOPFSCHWÄRMER