MAI

Als Oksana die Tür sah, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Sie ragte in den Treppenflur hinein wie ein ausgerenkter Finger. Hinter dem Metallrahmen flackerte ein weißer Lichtstreifen. Beide Wohnungstüren, die äußere Sicherheitstür aus Stahl und die innere aus Fiberglas, standen offen.

Sie sah es vom Treppenabsatz einen halben Stock tiefer und hörte, wie das Blut in ihren Ohren pochte. Die Doppeltüren zu den anderen Wohnungen waren alle verschlossen. Oksana hielt sich kurz am Geländer fest, dann rief sie ihren Hund. »Malisch?« Keine Antwort. »Malisch?«, rief Oksana und stieg weiter hinauf. Rannte hinauf. Sie zog die Sicherheitstür ganz auf und trat durch die zweite Tür in eine ruhige, saubere, angsteinflößende Wohnung. Auf dem Couchtisch stand ihr Laptop. Also keine Einbrecher.

Erneut rief sie den Namen ihres Hundes. Zuerst ging sie ins Schlafzimmer, um zu sehen, ob er dort auf dem Bett lag – »Malisch, hierher!« –, dann ins Wohnzimmer, in die Küche und zuletzt ins Badezimmer. Auf allen vieren kauernd, spähte sie unter die Badewanne, für den Fall, dass er sich irgendwie dort versteckt hatte. Als sie einen Schmerz in der Handfläche spürte, merkte sie, dass die ungenutzten Schlüssel noch an ihrem Zeigefinger hingen. Sie steckte sie in die Tasche und beugte sich auf den Ellbogen noch tiefer. Malisch war nicht da.

Der Hund war ausgebüxt. Die Haustür unten klemmte, egal ob offen oder geschlossen, daher stand sie seit Monaten immer auf, schon den ganzen Winter über, sodass der Schnee hereinwehte und knöchelhoch im Flur des Erdgeschosses lag. Nichts hatte Malisch davon abhalten können, das Weite zu suchen. Er konnte überall sein. Oksana lief in den Flur hinaus und die Treppen hinunter. »Malisch, Malisch!«, rief sie. Der Treppenflur war in einem kühlen Blau gestrichen, die Betonwände glänzten im Frühlingslicht. Oben im fünften Stock stand die Wohnungstür auf für die Rückkehr des Hundes. Oksana war bereits unten am Hauseingang. Platzte wieder zurück in die Welt.

Sie hatte keine Zeit, hier stehen zu bleiben und sich der Panik hinzugeben. Es war besser, sie zu kontrollieren und den Schock in Geschwindigkeit zu verwandeln. Der Stress des Tages, das ganze Jahrzehnt harter Arbeit in einem Gesteinslabor ordneten sich der Angst unter. Sie bewegte sich so schnell wie ein Kind. Sie rannte den Hügel hinunter. Auf den Spielplatz zu. Oksana und Malisch gingen jeden Morgen dorthin, bevor sie ins Institut für Vulkanologie fuhr, wenn das Viertel noch voller Schatten und so menschenleer war, dass sie Malisch von der Leine lassen konnte. Bitte, dachte sie, während sie im Laufschritt die Gassen zwischen den Gebäuden absuchte. Stromleitungen, Müllsäcke, erste Rasenflecken. Sie musterte den Boden, obwohl ihr bei dem Gedanken daran, was sie dort finden könnte, schlecht wurde. Hinter dem Spielplatz gab es eine Reihe von Verkaufsständen, Buden mit Obst, Brot und Blumen. Hier herrschte immer Verkehr. Und immer mit Lastwagen. Oksanas Füße flogen über das Pflaster. Lass ihn da sein, dachte sie.

Warum bloß hatte sie beim Mittagessen Max ihre Wohnungsschlüssel gegeben? Wieso hatte sie ihm überhaupt erlaubt, bei ihr vorbeizugehen? Trotz aller Anweisungen, die sie ihm über ihren beiden Tabletts auf dem fleckigen Plastiktisch erteilt hatte – »Du musst den Schlüssel in der Sicherheitstür drei Mal umdrehen«, hatte sie ausdrücklich gesagt – und trotz der Bestätigung, um die sie ihn gebeten hatte, als er ihr am Nachmittag die Schlüssel zurückbrachte. »Alles in Ordnung?«, hatte sie gefragt. Oder so ähnlich, jetzt konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, im Moment fielen ihr die Details nicht ein, sie war außer Atem. »Hast du deine Papiere gefunden, Max? Ist alles in Ordnung?« Sie wusste nur noch, dass er gelächelt, genickt und ihr irgendeine banale Frage über Sulfiderz gestellt hatte. Jedenfalls nichts davon, dass er beide Türen ihrer Wohnung hatte offen stehen lassen. Und jetzt war Malisch weg.

Ihr Herz, dieses flattrige Ding, raste in ihrer Brust. So amüsant Max auch war mit seinen großen Sprüchen und seinem ewigen Optimismus, Oksana traute ihm nicht so recht. Warum hatte sie sich heute Mittag nicht daran erinnert? Ausgerechnet Max hatte sie vertraut. Oksanas Ex-Mann hatte an den Abenden, die sie im vergangenen Herbst mit Katja und Max verbracht hatten, immer nur die Augen verdreht. »Mein Kletterverein organisiert eine Reise nach Kathmandu«, sagte Max einmal. »Ihr solltet mitkommen. Habt ihr nie Lust gehabt, den Himalaja zu besteigen?« Sogar Katja, die neben ihm saß, war es peinlich. Und was er über ihre Arbeit am Institut erzählte, war geradezu wahnhaft. Als würde er jemals stellvertretender Forschungsleiter werden, dann die ganze Abteilung übernehmen und anschließend die Leitung der Russischen Akademie der Wissenschaften. »Romanowitsch meinte, ich müsste nur noch ein paar Monate warten, bis ich befördert werde. ›Wenn wir Ihnen grünes Licht geben, wird Sie niemand mehr aufhalten können‹, hat er gesagt.«

Oksanas Ehemann hatte so getan, als würde er ihm den Stuhl unter dem Hintern wegziehen. »Na, dann nichts wie los«, hatte Anton gesagt, und es war nicht als Witz gemeint.

Hätte damals jemand Oksana prophezeit, dass Anton in sechs Monaten weg wäre, Max und Katja aber noch immer zusammen, dass sie die beiden zum Abendessen einladen, dass Max seine Papiere bei ihr in der Wohnung vergessen und dass Oksana aufgrund ihrer langen Freundschaft mit Katja diesem Kretin vorübergehend Vertrauen schenken und ihre Schlüssel überlassen würde, dann hätte sie das Eis vergiftet, das sie ihren Gästen an jenem Abend zum Nachtisch servierte.

Auf dem Spielplatz waren nur wenige Kinder und zwei ältere Frauen, von Malisch keine Spur. Schon von Weitem konnte sie sehen, dass er nicht da war. Es gab keine Mauern, hinter denen er sich hätte verstecken können, bloß Stangen, Seile und Gummiteile. Um ganz sicherzugehen, drehte sie trotzdem eine Runde durch den kleinen Park. »Malisch!«, rief sie. Ihre Stimme klang schwach hinter dem Pulsschlag.

Als sie wieder am Ausgangspunkt angekommen war, wandte sie sich an die dickere der beiden Frauen. »Hast du vielleicht einen Hund gesehen, Tantchen?« Die andere starrte böse auf Oksanas nackte Knie unter dem Rock. »Er ist weiß«, sagte Oksana und deutete mit den Armen Malischs Länge an. »Ein Samojede. Ein großes, schönes Tier, Schlittenhund, gepflegt, gut genährt, kräftig.«

»Nein, Schätzchen«, sagte die Frau.

»Wir kümmern uns nicht um Straßenköter«, sagte die andere.

»Er ist kein Straßenhund«, sagte Oksana. Das Blut in ihrem Körper stockte, überschlug sich und raste weiter. Die Füße blieben fest am Boden, aber die Hände fuchtelten wild in der Luft.

Am liebsten hätte sie ausgeholt und der blöden Ziege eine gescheuert. Straßenköter – Straßenköter – hätte die Schlampe heute auch nur eine Minute den Arsch hochgekriegt und Malisch gesehen, würde sie nicht so reden.

Oksana hatte selbst mitbekommen, wie es ist, wenn jemand verschwindet, sie wusste aus eigener Erfahrung, was Blicke auf sich zieht. Vor zehn Monaten war ihr ein blitzblank polierter Wagen aufgefallen. Heute drehte sie sich auf der Straße nach lächelnden Frauen oder allzu stark schmusenden Pärchen um. Bei Gott, Oksana war wirklich nicht der aufmerksamste Mensch der Welt, aber in der Öffentlichkeit hielt sie die Augen offen und wusste, was einem auffiel.

Oksana verschränkte die Arme vor der Brust, wandte sich von den Frauen ab und rief: »Malisch!« Identische Wohnblocks in ihrem Blickfeld. Hinter ihr kichernde Kinder. Oksana entschied sich für die breite Straße links und rannte los.

Als sie die Akademika Korolewa überquerte, wo die Bewegungen von echten Straßenkötern sie in die Irre führten, glühte sie. Der Schweiß rann ihr über die Wirbelsäule hinab und sammelte sich am Hosenbund. Malisch war nirgendwo. Von ihrem Handy aus rief sie Katja an. Als sie sich meldete, fragte Oksana: »Bist du bei Max? Ist Malisch bei ihm?« Katjas Stimme entfernte sich vom Handy. Oksana schrie: »Er hat meine Wohnungstür aufgelassen!«

Dann war Max in der Leitung. »Der Hund? Aber –«

»Beide Türen! Was hast du dir dabei gedacht? Du Vollidiot! Du hast beide Türen aufgelassen«, sagte Oksana. Sie war nicht schwach genug, um zu weinen, trotzdem klang ihre Stimme erstickt. »War dir nicht klar, dass Malisch weglaufen könnte? Wie konntest du nur?«

»Oksana, beruhige dich, ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Dann hörte sie, wie Katja im Hintergrund etwas sagte. »Ich habe nicht … ich habe bei diesen Schlössern nicht durchgeblickt, deshalb habe ich die Türen einfach nur hinter mir zugezogen. Sie hätten doch geschlossen bleiben müssen! Können sie von selbst wieder aufgegangen sein? Als ich die Wohnung verließ, war Malisch noch da.«

Sie starrte auf die Straße vor sich. »Jetzt ist er weg.«

»Frag, wo sie ist«, rief Katja von hinten.

»Wo bist du?«, fragte Max. »Was können wir tun?«

Oksana antwortete nicht. Sie begriffen es nicht. Nicht einmal Anton hatte die enge Bindung zwischen ihr und Malisch verstanden, nicht wirklich – Oksana hatte den Mann, der ihr Ex-Mann werden würde, kennengelernt, als der Hund zwei Jahre alt war, und als Anton auszog, war Malisch sieben. Vor einigen Monaten, bei einem dieser Anrufe, die sie jetzt häufiger von Anton bekam, nach Mitternacht, wenn seine neue Geliebte schlief, hatte Oksana ihrem Ex erzählt: »Malisch hätte heute fast einen Fuchs gefangen. Er war im Wald, und als er zurückkam, hatte er rotes Fell zwischen den Zähnen.«

»Mich interessiert nicht, was der Hund im Maul hatte«, sagte Anton. Dann senkte er die Stimme, sodass sie wie eine Liebkosung klang. »Mich interessiert viel mehr, was du im Mund haben wirst.«

Kein Mensch interessierte sich für das, was Oksana wichtig war; nur Antons Geringschätzung fühlte sich am Ende an wie Liebe. Nachts, wenn Malisch neben ihr schlief, hörte sich Oksana an, wie ihr Ex-Mann am Telefon schwor, er begehre nach wie vor sie am meisten. Egal bei welcher Frau er gerade übernachtete – Antons Zunge und Zähne warteten auf Oksana. Alle paar Wochen kam er vorbei, um sein Versprechen zu halten. Zur Feier des Tages legte der Hund seinen weißen Kopf auf Antons Schoß, und dann schnaufte er freudig vor ihrer Schlafzimmertür.

Oksana warf einen Blick auf die streunenden Straßenköter. Sie hörte ein Gerumpel in der Leitung, dann war wieder ihre Freundin dran. »Wir holen dich ab«, sagte Katja. »Wir können zusammen nach Malisch suchen.«

»Nicht nötig«, sagte Oksana. Katja seufzte. Um nicht als kalt zu gelten, erklärte Oksana: »Wir sind effektiver, wenn wir in getrennten Wagen nach ihm suchen.«

»Nein, wir holen dich ab. Du sollst dich auf die Suche konzentrieren und nicht noch auf den Verkehr achten.«

»Na gut«, sagte Oksana schließlich. Ein Laster fuhr vorbei, und sie schloss die Augen vor seiner Größe. »Aber vielleicht finde ich ihn ja auch gleich hier, zu Fuß.«

»Gut«, sagte Katja. »Du findest ihn. Ganz bestimmt.«

Im Hintergrund hörte sie Max’ sinnloses Gerede. Katja legte auf.

Vor acht Jahren war einer ihrer Kollegen mit einem Foto von vier Welpen ins Büro gekommen, weich und blinzelnd wie Eisbärbabys. An diesem Tag war Oksana immer wieder zu seinem Schreibtisch zurückgekehrt, um sich das Foto anzusehen. »Einen davon muss ich haben«, sagte sie schließlich, als der Kollege seine Sachen packte. Noch an dem Abend nahm sie Malisch mit nach Hause.

Oksana warf ihre besten Schuhe in den Müll, nachdem der Welpe sie in die Mangel genommen hatte, und trug keine dunklen Farben mehr, denn darauf sah man die Hundehaare allzu deutlich. Auch wenn sie oft mit ihm schimpfen musste, wobei sie sein Gesicht mit beiden Händen umfasste, liebte sie diese kleinen Unannehmlichkeiten. Dafür lebte sie. Mit Malisch war Oksana – ein Einzelkind, das auf dem Bettsofa schlief und durch die Wand hindurch ihre Mutter hörte, die sich Freunde hielt, die sie einschüchtern konnte, und Liebhaber, die ihren Glauben zerstörten, sie, die nie für die Ehe bestimmt gewesen war und sich hatte sagen lassen müssen, sie sei zu alt, um Kinder zu bekommen, sie, die immer mit sich uneins war –, mit Malisch war Oksana plötzlich nicht mehr allein.

Sie gingen zum Spielplatz, zum Stadtzentrum, in die Wälder am Rand ihres Viertels und auf die Berge dahinter. Ihre Beine entwickelten die gleichen Muskeln. Nachdem Anton gekommen und wieder gegangen war, kehrte Oksana zu ihren früheren Gewohnheiten zurück, als der Hund klein gewesen war. Sie schlief auf der einen Seite des Bettes und Malisch auf der anderen, und wenn sie mitten in der silbernen Nacht aufwachte, drehte sie sich trostsuchend zu ihm um. Wie zwei Klammern lagen sie einander gegenüber. Seine Pfoten schoben sich über die Laken. Oksana streckte die Hand aus und strich über das feine Fell zwischen den Ballen der Pfoten, und im Schlaf zog sich Malisch zurück, hob den Kopf, schnüffelte und entspannte sich dann wieder neben ihr.

Es war nicht schwer, den Hund mehr zu lieben als alles andere auf der Welt. Wer war denn sonst da?

Sie beschrieb ihn den Verkäufern an den Obstständen, während die Sonne über ihnen an Kraft verlor. Sie spähte hinter parkende Wagen, auf die Pritschen der Lastwagenfahrer, in widerhallende Hauseingänge. Auch andere Haustüren standen weit offen, genau wie ihre – vielleicht war Malisch verwirrt und in einen fremden Eingang gelaufen. Wenn er verletzt war … Sie sah mit ausgetrocknetem Mund in einem Müllcontainer nach, in den irgendwer ihn hätte werfen können … Als sie die Ausläufer ihres Viertels erreichte, überquerte sie die Straße und ging ein Stück in den Wald hinein. Ringsum säumten Bäume ihren Weg. »Malisch!«, rief sie. Ihre Schritte waren die einzigen weit und breit.

In allen Krisen des Vorjahres hatte der Hund sie begleitet. Als Anton sie betrog, als er auszog, als er sie wieder anzurufen begann, hörte Malisch zu. Als der Rubel einbrach und die Finanzierung des Instituts eingefroren wurde, sie keine Feldforschung mehr betreiben konnte und ihr zwei Jahre altes Forschungsprojekt über alkalische Kalksteine beenden musste, verließ sie ihren Arbeitsplatz unter dem Vorwand, den Hund ausführen zu müssen, und hämmerte während der Fahrt in ihrem Wagen mit beiden Händen aufs Lenkrad.

Als sie das Pech hatte, im Augenblick der Entführung an den Golosowskaja-Schwestern vorbeizukommen. Als sie am Abend ihre Fotos im Fernsehen sah. Als sie sich auf dem Sofa aufsetzte und sagte: »Die habe ich gesehen.« Es klang wie eine Ansage, und ihr Mann fragte: »Was?«, und sie wiederholte: »Ich habe sie gesehen.« Jetzt klang es wie ein Ausruf. Das Gefühl in ihrem Innern war stark, schnell und vernichtend. Sie war diejenige, die es hätte verhindern können – sie war diejenige, die jetzt helfen konnte. Sie rief die Polizei an, und während sie darauf wartete, von einem Beamten abgeholt zu werden, war Anton ihr durch die Wohnung gefolgt und hatte ihr versichert, dass sie das Richtige tat. Sie hätten allen Grund zur Zuversicht. Und der Hund war grinsend neben ihnen hergetrottet.

Selbst als die Polizei sie befragte und als die Beschreibung, die sie von dem Entführer gab und die so gut wie nichts brachte – nur ein kurzer Blick auf einen Fremden –, sich in der Stadt verbreitete, als wären ihre Worte Fakten, und als sie sah, wie die örtliche Polizei schwor, die Schwestern aufzuspüren, als Kollegen und Freunde sich von ihr zurückzogen, als wäre sie allein für das Verschwinden der Mädchen verantwortlich, und als sie sich fragte, ob das stimmte, und sich beteuerte, nein, da lag Malisch zu ihren Füßen, als wäre die Welt in Ordnung.

Sie griff nach ihrem Handy. Einen Augenblick lang war sie versucht, Inspektor Rjachowski anzurufen. Aber wenn der es nach mehr als zehn Monaten nicht fertiggebracht hatte, zwei Mädchen zu finden, wie sollte er dann heute Abend ihren Hund finden?

Im Wald wurde es dunkel. Dann tauchte sie in einer Stadt wieder auf, die ihr Licht verloren hatte. Das Handy summte – Katja.

Als der Wagen ihrer Freundin rechts ranfuhr, stieg Oksana hinten ein. Max saß auf dem Beifahrersitz. Seine Augen waren entschuldigend aufgerissen. »Es tut mir so leid, Oksana, ehrlich. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte.«

»Das weißt du nicht?«, sagte Oksana. »Ich schon. Du hast ihn rausgelassen.«

»Ich meine, ich habe es nicht mitgekriegt.« Sie rollten über die von Schlaglöchern durchsetzte Straße. Katjas Hand lag auf dem Schaltknüppel, und Max’ Hand lag auf Katjas Schenkel. Oksana hasste es: dieses einträchtige Pärchen, den ihr zugefügten Schmerz. Warum hatte sie Max und Katja überhaupt eingeladen? Oksana hatte sich beigebracht, selbstständig, stark und weniger vertrauensselig als ihre Mutter zu sein, und trotzdem hatte sie sich am Ende Leute eingeladen, die sie verletzten.

Sie presste die Stirn gegen das Fenster. »Wohin?«, fragte Katja.

»Zur Langlaufbahn. Da waren wir oft in diesem Winter.« Oksana starrte aus dem Fenster. »Gut, dass es dunkel wird«, sagte sie zu dem Wagen. »Dann kann ich sein helles Fell sofort erkennen.«

Vielleicht war Malisch abgehauen, weil er, wie ihr Mann, Max’ Gesellschaft verabscheute. Max’ Wichtigtuerei, Katjas Lachen, die Art, wie sie sich in Oksanas Zuhause breitgemacht hatten. Sie fuhren um den leeren Parkplatz der Skistation herum und betrachteten die schneefreien Skipisten und den endlosen Wald. Oksana ließ ihr Fenster herunter, um nach Malisch zu rufen. Nichts bewegte sich zwischen den Bäumen.

Als Rjachowski Oksana im August auf dem Polizeirevier stundenlang befragt hatte, war er entsetzt über ihr Unvermögen, den Entführer der Schwestern zu beschreiben. »Überlegen Sie«, sagte er. »Gehen Sie alles noch einmal durch. Sie haben gesehen, wie die Kinder in den Wagen eines Fremden einstiegen, und Sie haben sich nichts dabei gedacht?«

»Wie hätte ich erkennen sollen, dass er ein Fremder war?«, sagte Oksana. »Für mich sah er völlig normal aus.«

Rjachowski kniff die Augen zusammen. Oksana war er vorgekommen wie ein kleiner Junge in Polizeiuniform. »Meine Vorgesetzten erwarten etwas von Ihnen«, sagte er. »Eine Erinnerung, ein Detail. Irgendetwas muss Ihnen doch aufgefallen sein.« Sie starrte ihn an. »Wollen Sie denn wirklich so nutzlos sein?«, fragte er. »Denken Sie in Ihrer Freizeit nicht darüber nach?«

»Es muss von allein kommen«, hatte sie geantwortet. Die Worte hatten einen bitteren Beigeschmack.

Die lange, lange Liste von allem, was sie nicht gesehen hatte. Alles, was sie nicht getan hatte. Auf Oksanas Anweisung hin wendete Katja und fuhr um den Kreisel herum Richtung Stadtzentrum. Unterdessen beschrieb Max ihnen Malischs Verhalten am Nachmittag. Der Hund war normal gewesen, sogar sanft, hatte seine leeren Hände beschnüffelt und war dann ins Schlafzimmer zurückgetrottet, während Max die Unterlagen suchte, die er am Abend zuvor vergessen hatte. »Malisch hatte Lust auf ein Abenteuer, nichts weiter«, sagte Max. »Er kommt zurück, sobald er sich ausgetobt hat.« Oksana ließ den Gehsteig nicht aus den Augen. Nach einer Weile sagte Max: »Heute Nachmittag hat Romanowitsch –«

»Verschon mich bitte«, sagte Oksana, und er hielt den Mund.

Sie kamen an dem kleinen Häuserblock vorbei, wo die Bibliothek war, an der Kirche mit der goldenen Kuppel und der Pädagogischen Hochschule. Am Panzerdenkmal Ecke Leningradskaja und Pogranitschnaja fuhren sie langsamer. Das Geschützrohr ragte in den dämmrigen Himmel empor. An den Bushaltestellen, in den Schatten aller traurigen Wartehäuschen hielt Oksana Ausschau nach Malischs Fell. Die Plakate der vermissten Mädchen aus dem vergangenen Sommer waren von Wind und Wetter wellig geworden. Zum ersten Mal verstand Oksana, wie sich die Mutter der Golosowskaja-Schwestern fühlen musste. Denn Malisch war nicht in den Bushäuschen. Er war nirgendwo.

Oksana rief seinen Namen durch das offene Fenster. Gelegentlich antwortete eine Gruppe von Teenagern. Der Wagen fuhr weiter nach Süden, vorbei an Reihen allein stehender Blechgaragen und den blinkenden Lichtern des Containerterminals. Sie brauchten mehr als eine Stunde, um in der halbmondförmigen Stadt von einem Punkt zum anderen zu gelangen. Vorne redeten Katja und Max leise miteinander. Als sie nach Sawojko kamen, wo die Hügel von Petropawlowsk übergingen in die Klippen vor dem schwarzen Meer, drehte Katja um.

Oksana stellte sich vor, wie Malisch irgendwo im Schmutz verblutete. Sie konnte nicht anders – wenn sie an anderen Wagen vorbeifuhren, suchte sie zwischen deren Scheinwerfern nach weißem Fell, und wenn sonst kein Wagen unterwegs war, stellte sie sich vor, wo ihr Hund überall zusammengekrümmt und verletzt liegen konnte.

Du wiegst dich in Sicherheit, dachte sie. Du schaltest deinen Verstand ab und achtest auf deine Reaktionen, damit weder ein Ermittler noch Eltern oder Freunde eindringen können, niemand. Du erkämpfst dir einen Abschluss und eine gute Stellung. Du legst die Ersparnisse in einer fremden Währung an und bezahlst pünktlich deine Rechnungen. Wenn die Kollegen dich nach deinem Familienleben fragen, antwortest du nicht. Du arbeitest noch mehr. Du trainierst deinen Körper. Deine Kleider schmeicheln dir. Du schärfst deine Gefühle wie ein Messer, damit alle in deiner Nähe wissen, dass sie vorsichtig sein müssen. Du glaubst, du hättest dir eine Sicherheitszone geschaffen, und dann stellst du fest, dass du dich mit jedem Menschen, dem du je begegnet bist, in Gefahr begeben hast.

Selbst der Mann, den sie geheiratet hatte, war ein Risiko gewesen. An einem schrecklichen Sonntag im Juni letzten Jahres hatten Anton und sie den Wagen am Fuß eines kleinen Berges außerhalb der Stadt geparkt und waren zu einer Lichtung auf dem Gipfel gewandert. Oksana hatte sich hingesetzt, um wieder zu Atem zu kommen, während Anton ein Stöckchen für Malisch warf. Die schwarze Schnauze des Hundes war vor lauter Aufregung feucht gewesen. Während Oksana Antons Stimme lauschte und das Spaßige darin plötzlich überdeutlich wurde, hob sie den Kopf gerade noch rechtzeitig, um mitzubekommen, wie er das Stöckchen über eine Klippe warf und Malisch losrannte. Sie schrie auf. Sie sah es kommen. Wie der perfekte Körper des Hundes dem Stöckchen folgte, wie er einen Bogen machte und verschwand, und sie wäre nicht in der Lage gewesen, ihn aufzuhalten, sie hätte zusehen müssen, wie er in die Tiefe stürzte. Das Geräusch ihrer Stimme zerriss sie. In diesem Augenblick war sie so auf eine Katastrophe gefasst, dass sie es kaum fassen konnte, als Malisch das Spiel aufgab und zu Anton zurückkehrte. Mit den Händen stützte sie sich bereits ab, um aufzuspringen. Sie hatte den Mund geöffnet und schrie.

Voller Energie sah Malisch ihren Mann an und wartete auf das nächste Stöckchen. Sie fiel dem Hund um den Hals. Er roch nach Austoben, frischer Luft und ihrer Zuneigung. »Was ist in dich gefahren!«, schrie sie Anton an.

»Sei nicht albern«, sagte er. »Er wäre nie gesprungen.«

Vor ihrem geistigen Auge sah sie noch immer, wie er genau das tat. »Er vertraut dir.«

»Dieses Tier stammt vom Wolf ab. Verstehst du? Seine Großeltern haben in der Tundra überlebt. Er hat tausend Mal mehr Instinkt als du oder ich.« Sie vergrub das Gesicht in Malischs weicher Flanke. »Ich habe doch nur Spaß gemacht, Ksana«, murmelte Anton, und sie schrie ihn an: »Das war nicht komisch!«

An diesem Nachmittag kehrten sie zum Wagen zurück wie so oft nach einem Spaziergang, Oksana zehn Meter voraus, und Anton machte keinerlei Anstalten, sie einzuholen. Der Hund lief zwischen ihnen hin und her – er galoppierte zum einen vor und kehrte zum anderen zurück. Nach dem hundertsten Mal vergrub Oksana ihre Hände in seinem Fell. »Bleib bei mir«, befahl sie. Sie waren ihrem Mann weit genug voraus, um seine Schritte nicht mehr zu hören. Malischs Körper bebte unter ihr. Einen Augenblick blieb er zitternd bei ihr, dann flitzte er zurück, um Anton zu finden und wieder beide zu begleiten.

Es hatte vor diesem Nachmittag schon schlimmere Zeiten in ihrem Leben gegeben. Als ihre Klassenkameradinnen drei Monate lang nicht mit ihr sprachen, weil sie in der Pause einen Jungen gebissen hatte. Als ihre Mutter an jedem Feiertag die Fotoalben hervorkramte und Oksana zwang, sich die Bilder ihres Vaters anzusehen, eines fremden jungen Soldaten, der in Afghanistan stationiert war. Als Oksana im dritten Jahr an der Uni ihr Stipendium verlor, als sie nicht aus dem Bett kam, nachdem ihre Mutter aufs Festland gezogen war, als sie die Pille abgesetzt hatte, aber nie schwanger wurde, oder als sie diese Nachrichtenfetzen auf Antons Handy fand. Schlimmere Zeiten, ja, aber nie einen schlimmeren Augenblick, denn keine andere Art von Schmerz verdichtete sich so perfekt zu einem einzigen Augenblick: als das Stöckchen durch die Luft flog und ihr Hund ihm folgte.

Katja nahm eine Kurve. Die Straßen flogen an den Fenstern vorbei. Ansteigende Bordsteine, parkende Autos, leere Kreuzungen. Eingestürzte Einfamilienhäuser, aus Fertigteilen zusammengestoppelte Plattenbauten. Teenager verloren sich aus dem Blickfeld, und alte betrunkene Männer nahmen ihre Plätze ein. In den Wohnungen auf den Hügeln brannte kein Licht.

Auf der Suche nach Malischs Spuren sah sie Kamtschatka so, wie es wirklich war. An jenem Tag im August, als sie Zeugin der Entführung geworden war, war es warm, und die Luft im Stadtzentrum roch angenehm, nach Salz und Zucker, Öl und Hefe. Am Morgen hatte Anton sie wegen der anderen Frau auf Knien um Verzeihung gebeten. Damals hatte er geschworen, dass es nur diese gab. Und Oksana hatte ihm verziehen. Als sie an jenem Tag ihren Schreibtisch verließ, Malisch abholte und mit dem Hund ins Zentrum fuhr, um eine Runde am Strand zu drehen, fühlte sie sich ganz leicht. Voller Hoffnung. Selbst auf dem Parkplatz, nachdem sie Malisch angeleint und aus dem Wagen hatte springen lassen, erschien ihr die Stadt wundervoll. Die Sonne war hell, glitzernd tanzte sie über dunkle, frisch polierte Motorhauben. Vor ihr kletterten zwei kleine Mädchen mit Gesichtern wie Elfen auf die Ledersitze eines großen Wagens. Oksana glaubte, die Welt könnte tatsächlich schön sein.

Die beiden Mädchen waren weg. Anton auch. Oksana hatte alle ziehen lassen, ohne es zu bemerken. Und hätte dieser Kindesmörder mit dem runden Gesicht, an dem sie vorbeigegangen war, jetzt Katjas Wagen herausgewunken, hätte Oksana ihn nicht wiedererkannt. Wie auch? Er sah aus wie jeder andere in diesem hässlichen Kaff. Sie merkte nie, was sie vor der Nase hatte, bis es zu spät war.

Sie hatte zuletzt mit Rjachowski gesprochen, als der Kriminalbeamte sie anrief, um ihr zu sagen, dass sie die Ermittlungen zurückschrauben wollten. »Oh«, sagte sie. »Warum? Sind Sie sicher?« Damals hatte sie noch die Sicherheit ihrer im warmen Fell des Hundes vergrabenen Hand zu spüren geglaubt. Jetzt dachte sie daran, ihn selbst anzurufen – nicht weil sie die Polizei um Hilfe bitten wollte, sondern um ihm zu sagen, dass sie es verstehen konnte.

Sie verstand es. Es gab keinen Grund mehr zur Hoffnung. Draußen verwischten die Gebäude in der Nacht.

Das Adrenalin des Tages war verpufft. Katja warf einen Blick in den Rückspiegel, als sie in den Verkehrskreisel von Oksanas Viertel einbogen. »Es ist spät«, sagte Katja. »Wo immer Malisch jetzt ist, er schläft. Vielleicht sollten wir das auch tun.«

Sie bog in Oksanas Straße ein und drosselte die Geschwindigkeit, um den Schlaglöchern auszuweichen. »Wenn du nach Hause kommst, findest du ihn bestimmt zusammengerollt auf dem Treppenabsatz«, sagte Max.

Flaschen, Radkappen und Fenster im ersten Stock verwandelten sich in weiße Flecken, die Oksanas Hund sein könnten, es aber nicht waren.

»Sollen wir bei dir übernachten?«, fragte Katja.

»Nein«, antwortete Oksana.

»Bist du sicher?«

Oksanas starres Gesicht rührte sich nicht. »Ganz sicher.«

Der Wagen rumpelte im Leerlauf den Hügel hinunter. In der Stille surrte plötzlich Oksanas Handy auf ihrem Schoß. Hastig ergriff sie es, warf einen Blick auf das Display und stellte es ab. Max drehte sich auf seinem Sitz um und sah sie fragend an. »War das Anton? Ruft er dich noch immer an?«

»Hast du vielleicht das Recht, mir Fragen zu stellen?«, sagte Oksana. »Glaub mir, während ich auf der Suche nach meinem Hund bin, fallen mir jede Menge Fragen ein, die ich dir gerne stellen würde.«

»Ich bin nur –«

»Sei nicht so streng«, sagte Katja. Verteidigte diesen Idioten auch noch.

»Du meinst, ich soll netter zu ihm sein?«

»Du solltest verstehen, dass er einen Fehler gemacht hat. Einen schrecklichen Fehler. Einen, den er am liebsten ungeschehen machen würde.«

Oksana sah an Katjas Gesicht vorbei. »Das verstehe ich sehr gut.«

Sie hielten vor Oksanas Haus an, das mit seiner kaputten Tür aussah, als hätte es eine Zahnlücke. Oksana stieg aus, schlug die Tür hinter sich zu und öffnete sie dann noch einmal. Die Wagenbeleuchtung erhellte Katja und Max, diese schrecklichen Abendgäste, diese Verräter. Sie warteten darauf, dass sie etwas sagte, als rechneten sie nach alledem doch noch damit, dass sie sie nach oben bat.

»Was immer zwischen uns war, es ist vorbei«, erklärte Oksana. »Katja – keine SMS mehr, Max – kein Mittagessen mehr.«

»Moment mal!«, sagte Max. »Ich bin schuld, es war mein Fehler. Jetzt erwarte nicht – Katja wollte dir nur helfen. Tu nicht so, als hätte sie dir etwas getan.«

»Hast du mich nicht verstanden?«, fragte Oksana. »Soll ich noch deutlicher werden?«

Mit offenem Mund drehte sich Max zu Katja um, deren Hände das Steuer ganz oben umklammerten. Er drehte sich wieder um. »Meinst du das im Ernst? Ich verliere das Privileg unserer gemeinsamen Mittagessen an Wochentagen, aber sie verliert fünfzehn Jahre Freundschaft.«

»Ohne sie hättest du meine Wohnung nie betreten. Ich will mit deiner Art von Fehlern nichts mehr zu tun haben.«

»Manchmal bist du eine richtig blöde Zicke, weißt du«, sagte Katja. Ihre Augen waren verschattet. Oksana schnaufte verächtlich. »Ja, wirklich«, sagte Katja. »Wir sind hergekommen, um dir zu helfen. Ich weiß, du bist wütend, aber wenn du über deinen Tellerrand gucken könntest, würdest du sehen, dass wir heute Abend hier waren und es versucht haben.«

»Schöne Hilfe«, sagte Oksana. »Soll ich etwa auch noch dankbar dafür sein, dass dein Freund meinen Hund auf dem Gewissen hat?«

Katja legte den Gang ein. Der Motor heulte auf. »Wahrscheinlich ist Malisch oben. Aber du willst allein sein, also lassen wir dich allein. Ich verstehe sowieso nicht, wie ich es so lange mit dir aushalten konnte.«

»Ich werde allein sein«, sagte Oksana. »Dafür habt ihr beide ja gesorgt. Wie recht du hast. Danke.«

Das Treppenhaus im Gebäude war dunkel, der Treppenabsatz leer. Oksanas Sicherheitstür stand offen.

Sie trat zwischen die beiden Türen und rief: »Malisch?« Er kam nicht.

Oksana presste die Hände an die Brust, das Handy bohrte sich zur Strafe in ihre Rippen. Eine ihrer Türen ragte in den Flur hinaus, und die andere hing in ihre Wohnung hinein. Um sie herum lag das Gebäude im Tiefschlaf. Im Wohnzimmer presste Oksana noch immer die Hände an die Brust und gab sich selbst die Schuld. Schlampig. Egal wie sehr sie sich bemühte, gewissenhaft zu sein, sie war einfach schlampig, und das hier war die Folge. Sie hatte die Augen vor der Welt ringsum verschlossen. War seelenruhig an einem Kindermörder vorbeispaziert. Hatte alles in ein Tier gesteckt, das –

Wäre Malisch nur an jenem Tag über die Klippe gesprungen. Oksana selbst hätte das Stöckchen für den Hund werfen sollen. Im August, in den ersten Stunden der polizeilichen Befragung, war die Mutter der vermissten Mädchen ins Revier gekommen, um mit Oksana zu sprechen. Erst jetzt, Monate nach diesem verzweifelten Gespräch, verstand Oksana, warum. Sich aus purer Dummheit selbst das Herz zu brechen, indem man eine Tür offen oder ein Kind unbeaufsichtigt lässt, um bei der Rückkehr festzustellen, dass verschwunden ist, was einem das Kostbarste war, dieser Schmerz ist einfach zu groß. Nein. Dann lieber bewusst zerstören. Zeuge sein. Zusehen, wie das eigene Leben zerspringt.