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Noch einmal mussten wir unseren verdienten und mehrfach verschobenen Schönheitsschlaf zurückstellen, als die Nachricht vom Fund eines der Entführungsopfer hereinkam.

Milo und ich setzten uns in meinen Sportwagen und rasten mit Sirenengeheul hinauf nach Chelsea. An Pier 63 hatte ein Ausflugsschiff festgemacht, dessen Kapitän die Polizei von unterwegs alarmiert hatte.

In einer dramatischen Rettungsaktion hatten zwei Mann der Besatzung den Insassen eines Schlauchboots, das in der Dämmerung ins Kielwasser des Schiffes geraten und gekentert war, vor dem Ertrinken gerettet. Ein achtjähriger Junge, der ziemlich übel zugerichtet, an Händen und Füßen gefesselt und geknebelt, geborgen werden konnte.

Zum Zeitpunkt des Vorfalls hatte das Boot mit Ausnahme der Besatzung keine Passagiere befördert.

»Das ist er«, sagte der Kapitän, ein knapp 50jähriger Puertoricaner, fast akzentfrei. »Er muss die Freiheitsstatue als Schutzengel haben. Nicht weit davon trieb er auf dem Fluss ...«

Nach Allem, was wir gehört hatten, lag die Befürchtung nahe, dass der Junge die nächste Zeit vernehmungsunfähig sein würde. Um so überraschender war der Anblick des Grimassen schneidenden Kerlchens, das wir, in eine Decke eingemummelt, in der Kajüte antrafen.

»Vorsicht«, mahnte der Kapitän flüsternd hinter meinem Rücken, »der ist frech wie Oscar. Am Anfang war er ja mucksmäuschenstill und ganz klein. Aber dann ...«

»Wie ist dein Name?«, fragte ich, obwohl ich es wusste. Alles sprach dafür, dass wir es mit einem der gekidnappten Kinder zu tun hatten. Außerdem entsprach er bis auf Kleinigkeiten dem Bild, das ich in der Tasche trug.

»Lucky Luke«, krähte der Kleine – was nicht einmal gelogen war. Denn so wie es aussah, hatte er das Glück wirklich für sich gepachtet. Er zeigte auf den Revolver, der im Schulterhalfter unter meiner Jacke hervorlugte. »Schießt du auch schneller als dein Schatten?«

»Nur im Dunkeln«, versetzte ich rau. »Also?«

Er verzog das sommersprossige Gesicht. »Luke. Luke Glover. Arbeitest du für meinen Dad?«

»Unter anderem«, nickte ich.

Er zeigte an mir vorbei auf Milo. »Und der da?«

»Das«, sagte ich, »ist einer der Daltons. Vielleicht hast du von ihm gehört. Averell. Sein Ruf eilt ihm voraus. Sei also vorsichtig, mit dem ist nicht zu spaßen.«

Milo machte ein gekonnt grimmiges Gesicht, worauf ich hinzufügte: »Der Mann isst schneller als sein Schatten! – Wenn du uns jetzt folgen würdest ...«