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Der Kidnapper hatte sich noch nicht wieder gemeldet. Aber Luke Glovers Freilassung war ein Hoffnungsschimmer. Unsere Verhandlungen schienen zu einem unblutigen Ende geführt werden zu können.

Momentan befand sich Luke in ärztlicher Obhut. Es war noch nicht völlig sicher, dass er ohne Schäden davongekommen war. Seine Eltern waren informiert; sie hatten uns zugesichert, Stillschweigen zu bewahren, bis auch die übrigen Kinder in Sicherheit waren. Bevor Luke nach Hause durfte, würde er unseren Spezialisten noch Rede und Antwort stehen müssen. Möglicherweise verfügte er über Wissen, das uns weiterbringen konnte, obwohl er dies in einer ersten Befragung verneint hatte.

Mr. McKee nahm den Jungen persönlich in Augenschein, ehe er uns beiseite nahm.

»Jetzt fangen die Schwierigkeiten erst an«, sagte er. »Gehen Sie heim und schlafen Sie sich aus. Ich rufe Sie sofort an, sobald sich der Erpresser meldet. In Ihrer momentanen Verfassung sind Sie uns keine Hilfe.«

Er hatte recht. Ich hätte fast im Stehen einschlafen können.

Ich setzte Milo in der Nähe seiner Wohnung ab und fuhr weiter zu meiner eigenen. Den Wagen stellte ich, wie üblich, in der Tiefgarage ab und schlenderte dann zum Lift. Um diese Zeit war die Halle fast leer. Aber als ich zum zweiten Mal auf den Knopf drückte, um den Aufzug zu rufen, sah ich es aus den Augenwinkeln links von mir kurz aufblitzen.

Etwas reflektierte das Neonlicht. Der dunkle Caddy war mir zuvor schon aufgefallen, weil ich die Fahrzeuge aller Mitbewohner zu kennen glaubte. Dieses war mir unbekannt. Entweder handelte es sich um eine Neuanschaffung oder einen Besucher.

Es gab aber auch noch eine dritte Möglichkeit!

Im Fallen riss ich die Dienstwaffe aus dem Halfter.

Keine Sekunde später heulte ein Querschläger wie eine wütende Hornisse zwischen den Betonpfeilern der Tiefgarage hindurch.

Ich hatte mich zur Seite gehechtet und im Abrollen den ersten Schuss zurückgefeuert.

Genau in das Fahrerfenster des mit der Schnauze voraus eingeparkten Caddys.

Von dort war die Feuerlanze aus dem Halbdunkel des abgesenkten Seitenfensters hervorgeschossen.

Für Diskussionen blieb keine Zeit.

Meine Kugel schlug in die Heckverglasung – weil der Caddy im selben Augenblick einen Sprung nach vorn machte, auf mich und meinen Deckungspfeiler zuraste, und erst im allerletzten Moment auswich, um mit qualmenden Reifen auf der falschen Spur der Zufahrt aus der Garage zu jagen.

Wenn jemand zur selben Zeit herein gewollt hätte, wäre es zur Katastrophe gekommen.

Zwei Kugeln schickte ich noch hinterher.

Eine traf die Bereifung. Aber selbst mit einem Platten war der Flüchtende nicht mehr aufzuhalten. Ohne Schonung seines Untersatzes bretterte er auf drei Reifen und einer eiernden Felge davon.

Ich hatte mir die Nummer merken können, aber so leicht machte es einem naturgemäß kein Attentäter. Der Cadillac war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gestohlen.

Ich wischte mir den Schmutz vom Anzug, griff in die Tasche und lud die Kammern des Revolvers nach. Man konnte nie wissen. Dann erst steckte ich ihn weg und betrat die bereits wartende Aufzugkabine. In meinem Apartment informierte ich Clive Caravaggio über den Vorfall und bat ihn, das Nummernschild überprüfen zu lassen, beziehungsweise eine Fahndungsmeldung herauszugeben.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wer mir gerade jetzt ans Leder wollte. Noch dazu so radikal. Aber Verwechslungen waren in diesem Job rar gesät. Meist kannten die Killer ihre Zielpersonen todsicher.

Dass ich dennoch keine Probleme mit dem Einschlafen hatte, verbuchte ich mir selbst auf der Habenseite.