»Du?« Tycon spielte den Erstaunten, als er die Tür öffnete. Schon vorher hatte er gewusst, wer Einlass begehrte. Das Gelände um seine Villa war videoüberwacht. In seinem Metier hatte man nicht nur Freunde. Und Geld schuf ein zusätzliches Risiko.
»Du Teufel!«, schrie Sonya. Sie hatte die Krallen ausgefahren und wollte ihm mit den Fingernägeln an die Augen. »Du sadistischer ...«
Tycon fing den Arm gekonnt ab und drehte ihn blitzschnell auf Sonyas Rücken.
Sie schrie schmerzerfüllt auf.
Einer von Tycons Angestellten tauchte auf. »Probleme, Boss?«
»Nein, nein.« Er schüttelte den Kopf, ohne Sonya freizugeben. »Wir haben keine Probleme miteinander, oder?«
Sonya biss sich auf die Unterlippe und schüttelte ihre Löwenmähne.
»Na also.« Er ließ sie los. »Komm rein und erzähle, welche Laus dir über die Leber gelaufen ist.«
Er sah, wie es in ihrem Gesicht zuckte. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre erneut auf ihn losgegangen.
»Du Satan!«, kreischte sie. »Du ... du ...«
Er gab ihr eine Ohrfeige. Daraufhin folgte sie ihm stumm und verbissen ins Wohnzimmer.
»Was ist denn nun passiert?«
»Als ob du das nicht wüsstest, du Ungeheuer!«
»Ich weiß es nicht. Klär mich bitte auf.«
Sonyas Augen schienen sich mit Rauch zu füllen. »Die Adresse!«, stieß sie hervor. »Die Adresse, die du mir gegeben hast!«
»Was ist damit? Mickey ist ein alter Freund und Kollege von mir.«
Tycon stellte sich dicht vor sie. Sie hatte mit angezogenen Beinen Platz in einem Sessel genommen und blickte zu ihm empor. In diesem Moment, das spürte er, hätte sie ihn umbringen können.
»Freund und Kollege mag stimmen«, presste Sonya hervor. »Aber dass der alte Bock auf Pornos spezialisiert ist, hast du mir wohlweislich verschwiegen.«
Angus Tycon spielte den Betroffenen. Er tat, als müsste er nach Worten suchen. »Das ... wusste ich nicht. Darling, ich ... Du bist hoffentlich gleich wieder gegangen.«
Sonya begrub weinend das Gesicht in den Händen. Ihre Stimme war kaum noch verständlich, als sie schluchzte: »Das wollte ich ... Aber sie ließen mich nicht! Sie – haben mich vergewaltigt!«
Tycon setzte sich neben sie und nahm sie in die Arme. »Wir werden die Polizei verständigen«, stellte er in den Raum.
Sie schüttelte, wie erwartet, den Kopf. »Nein, nicht! Bitte ... keine Polizei ...«
»Aber Darling«, sagte er, obwohl er ihre Gründe kannte. Was er zunächst nur vermuten konnte, hatte eine kürzlich durchgeführte, heimliche Überprüfung ihrer Papiere bestätigt: Sie war noch minderjährig.
Daraufhin erst hatte Tycon beschlossen, sie elegant und sogar noch profitabel loszuwerden.
Sonya beruhigte sich wieder. Sie schien ihm seine Unschuld abzukaufen. Wahrscheinlich, weil sie ihm glauben wollte.
»Hilf mir!«, bat sie ihn inständig. »Er – hat alles gefilmt. Er wird mich erpressen, weiterzumachen. Das hat er schon angedroht.«
Sehr gut, dachte Tycon.
»Okay«, sagte er. »Komm, wir statten ihm gemeinsam einen Besuch ab. Das kriegen wir schon wieder hin.«
Das Telefon summte.
Der Filmemacher stand auf und hob ab.
»Ja?«
»Die Sache ist schiefgegangen. Der Kerl ist ein verdammt fixer Junge ...«
Tycon ließ sich seine Enttäuschung nicht anmerken. »Ich wünschte«, murmelte er, »das könnte ich von dir auch behaupten.«
»Soll ich es noch mal versuchen?«
»Nein. Ihr konzentriert euch jetzt nur noch auf eine Sache. Und dort darf nichts schief gehen!«
»Der Plan ist perfekt.«
Tycon nickte für den anderen unsichtbar. »Er ist ja auch von mir.«
Nachdem er aufgelegt hatte, fragte Sonya mit bleichem Gesicht: »Wer war das denn?«
Er legte den Arm um sie und dirigierte sie hinaus. »Ein Geschäftsfreund«, erklärte er. »Wir planen den ganz großen Coup.«
»Wie soll er denn heißen?«
Offenbar dachte sie an ein Filmprojekt.
Tycon hätte am liebsten schallend gelacht. Ihre Naivität war sensationell und barg mitunter eine nicht unbeachtliche Portion Situationskomik in sich.
Vielleicht, dachte er vage, werde ich sie sogar vermissen.