Während die Vorbereitungen für den Show-Überfall auf die Morgan Bank auf Hochtouren liefen und in die entscheidende Phase gingen, erreichte uns eine Nachricht von Orry und Jay Kronburg. Das bewährte Einsatzteam hatte sich in Mr. McKees Auftrag an Angus Tycons Fersen geheftet.
Annie Little hatten wir noch nicht mit Tycons Bild konfrontieren können. Der Arzt hatte sein Veto eingelegt. Er fürchtete, der Anblick des Gewalttäters könnte den Heilungsprozess seiner Patientin zu stark beeinträchtigen – die bisherigen Erfolge vielleicht sogar zunichte machen.
Damit lag die Zeugin, die vielleicht endlich Klarheit in Tycons Rolle hätte bringen können, vorläufig auf Eis.
»Er muss sich sehr sicher fühlen, so frei und unbekümmert, wie er sich nach wie vor bewegt«, sagte Milo, als wir in meinen roten Flitzer stiegen und zu der Adresse fuhren, wo uns unsere Kollegen erwarteten.
»Was hat er schon zu verlieren?«, gab ich zurück. »Mr. McKee hat unsere Situation ziemlich treffend charakterisiert. Wenn er uns nicht geradewegs zu den Kindern führt, kann er sich im jetzigen Stadium jeden Schnitzer erlauben. Außerdem ahnt er ja nichts von deinen geheimen technischen Talenten.«
Das kleine Bistro lag an der Nahtstelle zwischen Little Italy und Chinatown, in der Baxter Street. Orry winkte uns beim Eintreten an einen Fensterplatz. Er war allein. Von Jay keine Spur. Die Begrüßung fiel etwas karg aus; sie ging zu Lasten der allgemeinen Anspannung.
»Seht ihr den Laden dort drüben?« Medina, einziger New Yorker G-man indianischer Abstammung und wohl auch einziger, der bevorzugt in Schickimicki-Kluft herumlief, deutete durch die Glasfront zu einer Hausfassade auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
»Howgh!«, nickte Milo.
Jedem anderen hätte Orry diese Reaktion vielleicht krumm genommen. Milo genoss den Status eines Unantastbaren.
»Ich observiere ihn schon den ganzen Tag – seit Angus Tycon darin verschwand.«
»Was ist das für ein Laden?«, fragte ich. »Ist Tycon noch drin? Und wo ist Jay?«
Orry machte auf Pokerface. »Tycon ist längst wieder weg. Jay hängt an ihm dran. Wir haben uns getrennt, weil wir uns davon mehr erhofften. Und der Laden ...« Er trank einen Schluck von der Limo, die vor ihm stand. »Der Laden ist reichlich mysteriös. Für einen Puff ist zu wenig Betrieb. Trotzdem kommen und gehen zwischendurch immer wieder hoch gestylte Schönlinge beiderlei Geschlechts ...«
»Das sagt ja der Richtige«, nahm Milo einen neuen Anlauf, ihn zu provozieren.
Orry winkte ab. »Dir würde ein Garderobenwechsel auch nichts schaden. Du trägst doch immer den gleichen Anzug.«
»Er hat sich bewährt«, versicherte Milo unbeeindruckt.
»Das riecht man«, frotzelte Orry.
»Wie lange war Tycon drin?«, fragte ich.
»Eine halbe Stunde etwa.«
»Allein?«
Er nickte.
»Dann sollten wir uns den Laden vielleicht etwas genauer ansehen. Ruf doch mal bei unseren Freunden von der Sitte an. Eine Hand wäscht die andere.«
»Glaubst du wirklich, dass wir da drinnen etwas finden, was uns in der laufenden Sache weiterhilft?«, fragte Milo skeptisch.
»Nein«, sagte ich, »das glaube ich nicht.«
Aber ich hoffte es.